EINE NASE VOLL DAHEIM - Wie riecht das Glück? Nach Marillenmarmelade, Rosen, Vanillekipferln? Nach Zeitungspapier? Bügelwäsche? Ein kleiner ...
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DUFTMARKEN EINE NASE VOLL DAHEIM Wie riecht das Glück? Nach Marillenmarmelade, Rosen, Vanillekipferln? Nach Zeitungspapier? Bügelwäsche? Ein kleiner Streifzug durch die Welt der häuslichen Düfte. TEXT: SILVIA PFAFFENWIMMER ILLUSTRATIONEN: KATIE WILSON E ndlich angekommen. Jahrelang, vertrauen. Es ist etwas in der Luft. Es an etwas erinnern. „Düfte sind wie ach was, gefühlt das halbe Le- ist die Luft. Sie riecht abgestanden. Schlüssel, die uns ganz plötzlich eine ben lang, wollte man hier hin. Unfreundlich. Ein Hauch von nassem Tür zur Vergangenheit öffnen“, schrei- In dieses wunderbare, sonnengelbe, Hund, Krautwicklern von vorvorgestern, ben der deutsche Geruchsforscher und fürstliche, einfach nur schöne Haus. Omas Odeur nach dem Schlucken von Zellphysiologe Hanns Hatt und die Flankiert von zwei mächtigen Buchen, zu viel Knoblauchtabletten. Und noch Journalistin Regine Dee in ihrem Werk baut es sich vor seinen eingeschüchter- nach einigem anderen, das zu benennen „Das kleine Buch vom Riechen und ten Besuchern auf wie weiland Nach- einen schaudert. Schmecken“. bars Lumpi vor dem Briefträger mit Und tatsächlich passiert es oft, dass seiner abgewetzten Ledertasche. In DAS REICH DER EMOTIONEN uns ein Duft streift und – im besten Fall der Handtasche ertastet man nun den Kein Zweifel: Der Geruchssinn ist der – schöne Erinnerungen weckt. An die Schlüssel zum Paradies. Würde man unmittelbarste und älteste Sinn, über warme Sommernacht, die den Duft erst einmal hier wohnen – und man den der Mensch verfügt. Ohne Umwege nach Heu beim Fenster hereinträgt, und steht ja bereits buchstäblich auf der führt er direkt ins limbische System und an die frisch gewaschene Bettwäsche, Matte –, würden die Tage stets gülden zum Hippocampus, jenen Teilen unseres die blütenweiß die grasfleckigen Knie und die Nächte immerzu lau und ster- Gehirns, die zu Urzeiten nicht viel an- bedeckt. An die erste eigene Wohnung, nenklar sein. Ein kleines, verheißungs- ders möbliert waren als heute. Alles, direkt über der Küche der Zimmerwirtin volles Klack im Schlüsselloch, die Tür was die Nase an Duftendem aufnimmt, gelegen, und ihre wunderbare Marillen- schwingt auf, und … landet hier – und damit direkt im Reich marmelade; beim Einkochen schlich Hier stimmt etwas nicht. Nein, es der Emotionen, des Instinkts und der sich der köstliche Duft übers Stiegen- sind nicht die furchterregenden Einbau- Erinnerungen. haus und durch die Ritzen in den Holz- schränke vom Schlage Eiche rustikal – Geruch und Gedächtnis gehören zu- türen bis in den hintersten Winkel des die könnte man ohne Gewissensbisse sammen wie Tisch und Stuhl und treten Hauses. Oder man ist plötzlich wieder der nächsten Sperrmüllsammlung an- daher auch als Paar auf, wenn wir uns Kind und freut sich auf Weihnachten, 66 Servus
EIN HAUS, EIN DUFT Eine Versuchsreihe mit unter- schiedlichen Häusertypen in Niederösterreich brachte Interes- santes zutage: So verlieren Häuser aus Ziegel und Beton bereits nach mehreren Wochen ihren typischen ES DUFTET SO GRÜN Eigengeruch. Bei Häusern aus Auch mit Zimmerpflanzen kann man für Holz oder Gipskarton war er auch gute Luft in Haus und Wohnung sorgen. nach Monaten noch deutlich Manche von ihnen stürzen sich mit besonderem wahrzunehmen. Zudem wird Vergnügen auf Schadstoffe aus Möbeln oder heute in vielen Neubauten mit Böden. Dazu gehören: Efeu, Blattfahne, der Klimaanlage bereits Bogenhanf, Birkenfeige, Drachenbaum, ein Beduftungssystem Chrysantheme, Grünlilie, Efeutute eingebaut. oder Baumfreund. weil die Katze von ihrem Spaziergang schen Räuchermischungen. Kleopatras mit der Körperhygiene nicht so genau, in der kalten Winternacht den Geruch Thron war umwölkt von feinen Weih entsprechend streng roch es in Haus, nach Schnee und Kaminrauch mit nach rauchschwaden. Die Römer feierten Hof und Schloss. So soll etwa Ludwig Hause gebracht hat. wahre Duftorgien. Man beduftete Kör XIV., der legendäre Sonnenkönig, nur per und Kleider mit Veilchen, Iris, Lilien, zweimal in seinem doch fast 77 Jahre KAMPF GEGEN SCHLECHTE GERÜCHE Jasmin, Rosmarin, Salbei und anderen währenden Leben gebadet haben. Bei Oft erinnert sich die Nase auch mit ge feinen Essenzen, verstreute Rosenblät Unpässlichkeiten hielt man sich einfach mischten Gefühlen: An den ersten Ita ter in Bett und Bad und verteilte im gan ein Riechfläschchen unter die Nase oder lienurlaub etwa, damals mit den Eltern. verstreute Lavendel auf dem Fußboden Noch heute riecht er nach Sonnenöl, - im Boudoir. schlampig und zu spät auf den schon leicht roten Schultern verschmiert. „Düfte sind wie DIE KUNST DER VERFÜHRUNG Nach Pizza Margherita, aufregend un Schlüssel, die uns ganz Angesichts der Fülle an Wohlgerüchen, bekannt und einigermaßen zäh. Und plötzlich eine Tür zur die uns heute auf Schritt und Tritt be nach dem alles überlagernden Chlor gleiten, wirken diese historischen An geruch, den die brettharten Handtücher Vergangenheit öffnen.“ strengungen zur Luftverbesserung und überhaupt das ganze muffige Pen - bestenfalls bemüht. Denn nicht nur sionszimmer verströmten. Wohnungen und Häuser werden mitt Um schlechten Gerüchen zu ent zen Haus Räucherschalen und Lampen lerweile beduftet. Auch Geschäfte, Ho gehen, setzten bereits frühe Kulturen mit duftenden Ölen. Kaiser Nero ließ in tels, Kliniken, Flughäfen, Supermärkte, alles daran, die Welt zu einem besser seinem Palast ein Rohrsystem verlegen, Bäckereien, Bankfilialen und Möbel riechenden Ort zu machen. Die Ägypter um die Räume mit duftenden Nebeln häuser, ja, sogar Skiställe und Kinosäle parfümierten nicht nur sich selbst, son und Wohlgeruch zu füllen. Später, im riechen längst nicht mehr nach dem, dern auch ihre Umgebung mit balsami Mittelalter und im Barock, nahm man es was sie eigentlich sind. Servus 67
VON LINKSNASEN UND RECHTSNASEN Wir können nicht nicht riechen. Mit jedem Atemzug gelangen Duftmoleküle – vergleichbar mit winzig kleinen Staubkörnern – in unsere Nase zur Riechschleimhaut. Auf ihr sitzen die Riechzellen – rund 15 Millionen pro Nasenseite. Die Zellen sind mit verschiedenen Typen von Riechrezeptoren aus gestattet; beim Menschen gibt es 350 solcher Typen, beim Hund an die 800, bei einer Ratte sogar an die 1.000. Jeder dieser Rezeptoren ist auf einen bestimmten Duft spezialisiert. Duftmolekül und Duftrezeptor passen zueinander wie der Schlüssel zum Schloss. Treffen sie aufeinander, entsteht ein elektrischer Impuls, der dem Riech zentrum im Gehirn signalisiert: Ah, es riecht nach …! Die meisten Düfte bestehen aus Einzelkomponenten, die auf die entsprechenden Rezeptoren treffen, und erst im Gehirn zu einem Duftbild zusammengefügt werden. Unser Geruchssinn ist bereits bei der Geburt weitgehend ausgebildet, lässt aber im Alter nach. Wie Links- und Rechtshänder gibt es übrigens auch Links- und Rechtsnasen: Linksnasen riechen einen Großteil des Tags über das linke Nasenloch, Rechtsnasen genau umgekehrt. WIE RIECHT DIE ERINNERUNG? Der Franzose Marcel Proust war nicht WANN DUFT nur ein Schriftsteller von Rang, sondern auch UNS SCHADET Namensgeber für ein psychologisches Phänomen: Ob Tankstelle, Bäckerei oder In seinem Monumentalwerk „Auf der Suche nach Sportgeschäft: Es gibt heute nur mehr der verlorenen Zeit“ berichtet er wortreich davon, wenige Bereiche, die nicht künstlich wie sich ein junger Mann schlagartig in seine beduftet werden. In Autohäusern riecht Kindheit zurückversetzt fühlt. Was war passiert? es luxuriös nach Leder, in der Pralinen Er hatte Tee getrunken und dazu Madeleines – abteilung des Supermarkts süß nach ein französisches Feingebäck – gegessen. Diese Schokolade. Gut gemacht, sind die Aromen Mischung aus Geruch und Geschmack hatte seine so dezent, dass wir sie gar nicht bewusst Erinnerung wachgekitzelt. Seither wird dieses wahrnehmen. Und hier setzt auch die unwillkürliche und unbewusste Erinnern – Kritik von Konsumentenschützern und von Gerüchen und Düften ausgelöst – Umweltorganisationen an: Geschickt „Proust-Phänomen“ oder eingesetzt, können Düfte uns mani- „Proust-Effekt“ pulieren und zum Kaufen verführen – genannt. oder aber schlechte Gerüche, die uns eigentlich warnen sollten, überdecken und uns damit schaden. 68 Servus
- BERÜHMTE NASEN „Dieser Duft, der Zu zweifelhafter Berühmtheit brachte es einen an der Wohnungstür Jean-Baptiste Grenouille, die Romanfigur aus Patrick Süskinds „Das Parfum“. Er lebte als Parfümeur empfängt und flüstert: im Paris des 18. Jahrhunderts, verfügte von Geburt an über einen perfekten Geruchssinn und scheute nicht davor Jetzt bist du daheim.“ zurück, junge Mädchen zu meucheln, nur um ihren Duft zu extrahieren. Nicht gruselig, vielmehr ein wenig seltsam - nehmen sich dagegen die Duftvorlieben einst tatsächlich lebender Persönlichkeiten aus: Friedrich Schiller etwa hortete in einer Schublade faulende Äpfel. Seit ihm ein solcher auf den Kopf gefallen und einen wahren Kreativitätsschub aus gelöst hatte, setzte der Dichter auf diese Art von Inspiration. Napoleon Bonaparte liebte Eau de Cologne und nebelte damit angeblich nicht nur sich selbst, sondern auch seine Umgebung einschließlich seines Pferdes ein. Auch die englische Königin Elizabeth I. war in ihrer Duftliebe unmäßig: Die Monarchin aus dem Hause Tudor parfümierte Handschuhe, Möbel, Wände, Menschen wie auch Haustiere. „Duftmarketing“ nennt sich jene Kinder aufmerksamer, entspannter und der Räucherpfanne durchs Haus und Kunst, uns mit Düften zu berühren und lernwilliger sind, wenn es im Klassen- lassen Weihrauch und Wacholder auf- letztlich auch zu verführen. Zum Kauf zimmer nach Orangen, Zitronen, Laven- steigen. Wir versprühen Raumdüfte und eines flatternden Sommerkleidchens del oder Grapefruit duftet. Aber auch in hängen blumige Pomander in unsere etwa, während draußen vor der Tür Büros hat sich diese Mischung bewährt: Schränke. Doch was ist all das gegen noch Schnee und Eis liegen. Ein blumi- Bei Versuchen in Japan und in den USA den Duft von frisch gebackenem Brot, ger Duft nach Frühling, dezent in der machten Büroangestellte unter Duftein der verführerisch unsere Nase kitzelt? Luft verstäubt, kurbelt den Umsatz an. fluss nur mehr halb so viele Tippfehler. Oder gegen jene unverwechselbare Mi- Riecht es im Reisebüro absichtsvoll nach So wie das Duftgedächtnis sehr per- schung, die uns nach einer langen Reise Kokosmilch und Sonnencreme, schmerzt sönlich geprägt ist, unterscheiden sich an der Wohnungstür empfängt und uns es weniger, dass der Segeltörn in der die Duftvorlieben auch von Land zu zuflüstert: Jetzt bist du daheim. Südsee das Bankkonto leert. Auch in Land. In Südeuropa etwa liebt man wür- Das eingangs erwähnte Haus und Krankenhäusern, Altenheimen und zige Kräuternoten, in Japan dagegen ich, wir sind übrigens nicht zusammen- Arztpraxen werden Düfte eingesetzt, um eher süßliche Düfte. In Amerika sind gekommen. Wir haben es versucht, doch Patienten und Bewohner zu beruhigen orientalische Duftnoten gefragt. Nahezu es ging einfach nicht. Meine Nase war und die Laune zu heben. Zahnärzte ver- weltumspannend beliebt ist Orangen- strikt dagegen. suchen etwa, ängstlichen Patienten mit duft. Fast alle Menschen mögen auch Lavendel- und Zitrusdüften die Angst Vanille, was die Wissenschaft unter an- ✽ Silvia Pfaffenwimmer ist im ober- vor dem Bohrer zu nehmen. derem darauf zurückführt, dass schon österreichischen Innviertel geboren die Muttermilch danach duftet. und damit wohl immer Innviert- WARUM WIR ALLE VANILLE LIEBEN Auch daheim haben wir es gerne lerin, auch wenn sie nun im Düfte und ihre Wirkung auf den Men- wohlriechend. Kaum eine Wohnung Hausruckviertel wohnt und von schen sind mittlerweile recht gut er- kommt ohne Potpourri oder Duftkerzen dort aus ihre gefühlvollen forscht. So fand man etwa heraus, dass aus. Zu heiligen Zeiten gehen wir mit Geschichten schreibt. Servus 69
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