OFFENER BRIEF an Bürgermeister Siegfried Nagl und Vizebürgermeister Mario Eustacchio - GAT.st

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OFFENER BRIEF
an Bürgermeister Siegfried Nagl und Vizebürgermeister Mario Eustacchio
                                                                                              Graz, 9. Juni 2020
Sehr geehrte Damen und Herren der Stadtregierung!

Das Vorhaben, den Grazer Karmeliterplatz und einen Teil des Lendplatzes1 für drei Monate in eine
„Partymeile“ umzuwandeln, stellt eine Belastung an bereits bisher stark frequentierten Plätzen dar. Die
während der Corona-Krise besonders betroffene Nachtgastronomie zu unterstützen ist prinzipiell zu begrüßen.
In seiner Konzeption erachten wir dieses Festival jedoch als unverhältnismäßig.

Die Plätze und Parks einer Stadt, ihre Straßen und Gassen und ihre Wasserflächen, gehören zu den zentralen
Räumen, in denen Stadtbürger*innen einander begegnen und ihr gemeinschaftliches Leben gestalten können.
Wie wichtig diese öffentlichen Räume sind, hat sich zuletzt während der Einschränkungen durch die Corona-
Pandemie gezeigt. Für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie Menschen fortgeschrittenen Alters, aber vor
allem für diejenigen, die sozial und ökonomisch schlechter gestellt sind, stellt der öffentliche Raum –besonders
in Krisenzeiten, aber auch im Alltag – einen unverzichtbaren Lebens- und Aufenthaltsraum dar und ist damit
eine essentielle städtische Infrastruktur. Deswegen ist ein achtsamer und bewusster Umgang mit diesem
Stadtraum notwendig. Konflikte um die Nutzung dieses Raums gehören zum Alltag einer Stadt. Die
gemeinsame Lösung dieser Nutzungskonflikte und die faire Verteilung von Nutzungsräumen und -zeiten
werden damit zu den zentralen Herausforderungen eines kommunalen demokratischen Prozesses.

Über die letzten Jahre hat die Bespielung öffentlicher Räume in Graz gefühlsmäßig stark zugenommen. Dabei
wird von einer „Eventisierung“ der Stadt gesprochen. Gleichzeitig wird es für kleinere Nachbarschafts- und
Kulturinitiativen zunehmend schwieriger Nutzungsbewilligungen zu erhalten. Initiativen im Stadtteil, Lokale
vor Ort und die öffentlichen Plätze sind es jedoch, die einen Mehrwert für die Bewohner*innen darstellen und
zum typischen Flair beitragen.

Deswegen hat die Entscheidung, über die Sommermonate am Karmeliterplatz sowie am Lendplatz eine
„Partyzone“ mit Eintritt zu installieren, bei vielen Menschen vor Ort zu Unmut geführt – nicht zuletzt da viele
Bewohner*innen und Gewerbetreibende rund um diese Plätze aus den Medien von diesem Vorhaben erfuhren.

Nun sah sich eine Gruppe von Anrainer*innen des Karmeliter- und des Lendplatzes, Gastronom*innen aus der
Nachbarschaft, wie auch von der „Eventisierung“ betroffene Anrainer*innen anderer Stadtteile (Grazer Messe,

1 Vgl. die Berichterstattung im Grazer (31.05.2020), der Kronen Zeitung (31.05.2020, https://www.krone.at/ 2164116) und in
der Kleinen Zeitung (04.06.2020).

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Jakominiviertel) sowie Stadtteilaktivist*innen und Bürger*innen aus verschiedenen Teilen der Stadt zur
Formulierung dieses „Offenen Briefs“ veranlasst.
Gegen das geplante Festival im Konkreten, sowie gegen die massive Kommerzialisierung des öffentlichen
Raumes in Graz im Allgemeinen, legen wir hiermit unseren Protest ein.

Wir sprechen uns ausdrücklich für eine lebendige Stadt aus, die eine Vielfalt an Nutzungen und
Veranstaltungen zulässt. Wir befürworten Kunst- und Kulturprojekte im öffentlichen Raum, welche hinsichtlich
ihrer Dimensionierung angemessen und niederschwellig erlebbar sind. Wir erklären uns ebenfalls solidarisch
mit all den Unternehmen, deren nachhaltiges Wirtschaften durch die Coronakrise existenziell bedroht ist. Aber
wir protestieren entschieden gegen die zunehmende Vereinnahmung des öffentlichen Raums durch
überschießend kommerzielle Events.

Mit der begleitenden Unterschriftensammlung haben wir drei Forderungen formuliert, welche wir im Rahmen
dieses offenen Briefes an die Stadtregierung und den Gemeinderat der Stadt Graz, in ihrer exekutiven und
legislativen Zuständigkeit, adressieren:

    1. Eine Zurücknahme des Vorhabens bzw. Auslagerung an einen Ort, wo es keine Beeinträchtigung
        von Anrainer*innen gibt: Sowohl am Karmeliterplatz als auch am Lendplatz haben „Events“ über die
        letzten Jahre stark zugenommen. Eine belebte Stadt ist notwendig. Ab einem bestimmen Niveau ist
        jedoch so etwas wie ein „Kipppunkt“ erreicht. Anrainer*innen wurden nicht informiert und die
        Gastronomie vor Ort nicht eingebunden. Dies ist kein verantwortungsvoller Umgang mit unserem
        Stadtraum und den Menschen vor Ort!

    2. Schaffung eines Kriterienkatalogs zur Nutzung des öffentlichen Raums mit der Einsetzung eines
        Beirats unterschiedlicher Interessensvertreter*innen: Über eine Bestandsaufnahme und künftiges
        Monitoring wird ein Überblick geschaffen. Darauf aufbauend ist ein Kriterienkatalog zu erstellen, um
        eine Basis zur Beurteilung künftiger Aktivitäten zu schaffen. Ein Beirat, bestehend aus
        Zivilgesellschaft, Kunst und Kultur, Wirtschaft/Gastronomie und Wissenschaft, sollte für die
        entscheidungszuständigen Behörden unterstützend tätig sein.

    3. Ausgewogene Nutzungsmöglichkeiten des öffentlichen Raums für unterschiedliche
        Gesellschaftsgruppen anstatt einer stark zunehmenden „Eventisierung“ des Stadtraums:
        Öffentlicher Raum ist ein knappes Gut. Daher ist ein sensibler Umgang notwendig, damit dieser allen
        Menschen zur Verfügung steht und Nutzungskonflikte bestmöglich vermieden werden können.

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Hochachtungsvoll gezeichnet:
Maria & Hannes Abel, imagin-abel
Susanne Albrecht
Mag. Michael Aldrian
Lydia Arantes
Mauricio Arantes
Daniel Bauer, Shot Shot Shot
Heinz Baumann
Mirella Bärnthaler, MSc.
Veronika Berghold
Mag.a Claudia Beiser
Sigrid Binder
DI Carlotta Bonura
Mag. Katharina Brandstetter
Dr. phil. MFA Daniela Brasil
Mag. Antal Braunecker
Arch. DI Martin Brischnik
Martina Brunnhofer
Katrin Bucher Trantow
Camera Austria
Christine Demander
Crossroads Festival
Bea Dermond
Milena Dimitrova
Lubomira Doytchinova
Sandro Droschl
Helga Droschl
Edith Draxl
DI Birgit Eberhard, Pentaplan ZT GmbH
Nina Egger
Roland Entner
Barbara Ertl-Leitgeb
Kurt Eugen
Mag. Dr. Andreas Exner
Silvia Ferreira de Müller

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Andreas Flach
Fratz Graz
Michael Freißmuth, Sweet Spot Yoga
Forum Stadtpark
Forum Urbanes Gärtnern
Ing. Christian Garside, Wolf Objekt GmbH
Elisabeth Gaulhofer
Dr. Julia Gaulhofer
Dr. Kurt Gaulhofer
Manfred Gaulhofer
Stephanie Goëss Saurau
Tanja Gurke, Grazer Kunstverein
Grätzelinitiative Margaretenbad
Emil Gruber
René Halla
Mag. Barbara Hammerl
Karl Heinz Herper
Anne Hesse
Dr.in Barbara Hey, MBA
Eva Hickel, Kulturgasthaus Eschenlaube
Pia Hierzegger
Stephan Hilbert
Jacob Hofmann
Kathi Hofmann-Sewera
Thiemo Hofmann
Malte Höfner, MSc Bsc
Bernhard Hohmann
Initiative für ein unverwechselbares Graz
Irmi Horn, kunstGarten
Emese Horti, BA
Christof Huemer
Mag. Katia Huemer
IG Architektur
IG Kultur Steiermark
Johanna Ilkow

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Felix Ilkow
inspire - Bildung und Beteiligung
Dr. Andrea Jany
Dr. Markus Jaroschka
Ana Jeinic
Andreas Kainer
Irina Karamarković
Helga Sarah Klengel
Monika Klengel
DI Richard Klengel
Robin Klengel
Mag. Ada Kobusiewicz
Arch. DI Wolfgang Köck
Barbara Kofler
Johannes Kofler
Dipl. Ing. Bernhard König
Mag. Dr. Christian Kozina
Mag. Lidija Krienzer-Radojevic
Anton Krisper
Ingrid Kronawetter
Dr. Leo Kühberger
Wolfgang Kühnelt
Angela Langenecker, MA
Christina Lederhaas
Larissa Lehmann
Marleen Leitner
Dr. Doris Lind
Roman Lorenz
Hans Lueger
Gudrun Maier
Martin Mair, Aktive Arbeitslose Österreich
Thomas Maitz
Margarethe Makovec
Anna Mandak
mehr licht– Verein zur Förderung von Kunst im öffentlichen Raum

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Ernst Muhr
Johannes Mueller
Herbert Nichols-Schweiger
Mag. Claudia Nickl
Elisabeth Orthofer
Daniela Pamminger
Evangelia Papanagiotou, Bakaliko
DI Gernot Passath
Martin Pelzmann
Birgit Pelzmann, Sweet Spot Yoga
Michaela Perner, Das tapfere Michilein
Ute Pinter
Arch. DI Dr. Ida Pirstinger
Gerhard Pfundner, Stockwerk Pfundner KG
Lisa Plank
Mag.a Doris Pollet-Kammerlander
Michael Posch
Kurt Prantner
Regina Prantner-Kroller
Gottfried Prasenc, gaft&onion ZT-KG
Lena Prehal, oag Kulturverein
Sabrina Pretzler
Heidrun Primas
Jakob Pusterhofer
Leonhard Rabensteiner
Die Rabtaldirndln
Mirijam Raith, BA
DI Iris Rampula-Farrag, balloon architekten ZT- OG
RCE Graz-Styria - Regionales Zentrum für Nachhaltigkeit
Judith Recher, Lupi Spuma
Sarah Reindl
Maria Reiner, Managerie
DI Fabian Reisenberger, Pentaplan ZT GmbH
Karl Reiter, 100 Lastenräder für den Lend
Anna Resch, Raumbasis

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Christin Resch
Univ.Prof. Dr. Michael Riccabona
DI Markus Rieser
Marc Riewe
Prof. Arch. DI Roger Riewe
Leo Rögner
Mag. Rainer Rosegger
DI Heinz Rosmann
< rotor > Zentrum für zeitgenössische Kunst
Marcella Rowek
Lisa Rücker
Rivka Saltiel, Institut für Geographie & Raumforschung der KFU, AG urban HEAP
Dr. Alexander Sax
Mag. Barbara Sax
Mag.a Claudia Scheibelhofer
Detlef Scheiber
Valentin Scheinost
Ingeborg Schener
Gabriele Scherling
DI Birgit Schiretz, Urbs’R’Us
Michael Schitnig
Brigitte Schlick
Mag. Nicolas Schlitz, Institut für Geographie & Raumforschung der KFU, AG urban HEAP
DI Walter Schwarz
Dietmar Schwarzl, Bezirksrat in Lend
Erwin Schwentner
Irmgard Schwentner
Anna Theresa Schwinger
Ass.Prof.Dr. Antje Senarclens de Grancy, Institut für Architekturtheorie, TU Graz
Christiane Sewera
Manfred Sewera
Christina Simmerer, Grazer Kunstverein
DI Thomas Simon, Pentaplan ZT GmbH
StadtLABOR Innovationen für urbane Lebensqualität GmbH
Barbara Steiner

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David Steinwender, Transition Graz
Steirische Gesellschaft für Kulturpolitik
Alexandra Stephanides
Sabine Sternbach
Andrea Stift-Laube
DI Hubert Stöger
DI Michael Stoiser
Alina Stockinger
Anke Strittmatter
Arch. DI Martin Strobl, Jr.
Univ.-Prof'in Dr. Anke Strüver, Institut für Geographie&Raumforschung der KFU, AG urban
HEAP
Alois Sundl
Martina Taschwer
Theater im Bahnhof
Theater am Lend
Oana Timis
Erika Thümmel
Mag. Alice Trost
uniT Gmbh
Katja Uranitsch
Robert Uranitsch
Verein zur Förderung der Aktiv-Demokratie
Verein Stadtteilprojekt Annenviertel
Anna Verena Urbas
David Valentek
Das Voyeur -Verein zur Förderung von Kunst und Kultur
Mag. Angelika Wagner
DI Friedrich Wiesenhofer
Heidemarie Wiesenhofer
Otto Anton Waibl
Markus Waitschacher
Tim Wakonig-Lüking
Prof. Dr. h.c. mult. Peter Weibel
Christine Winkler

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Mag. Irmi Winkler
Helmut Winkler
Theresa Winkler
Waltraud Winkler
Wir sind die Stadt - Verein zur Erforschung und Förderung öffentlichkeitsrelevanter Aspekte des
urbanen Raums und der Architektur
Mag. Bernhard Wolf
Elfriede Wolfsberger
Thomas Wolkinger
Monika Zachhuber
Klaus Zausinger
Tino Ziampras, Bakaliko
Mag.a Edith Zitz
Dagmar Zweytick

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