70 Nord - Praktikum an der nördlichsten Uni der Welt
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70° Nord - Praktikum an der nördlichsten Uni der Welt Katharina Hartelt / Mit diesem Artikel möchte ich euch ermuti- gen, aus den engen Strukturen des A Studiums auszubrechen und etwas U Anderes auszuprobieren. Und ich S möchte zeigen, dass das sogar im L Rahmen des Studiums möglich ist ohne „Zeit zu verlieren“. Dass nicht A immer alles optimal läuft und es so- N wohl positive als auch negative Er- D innerungen gibt, versteht sich von selbst. Also von Anfang an. Ich wollte ir- gendwie nochmal ins Ausland. Am ©Katharina Hartelt liebsten während des Studiums und nach Großbritannien, aber Beginn hatte ich ein wenig Angst, charakterisiert. Allerdings habe ich nicht ein ganzes Semester als Eras- mit den vielen Laborgeräten nicht so einiges über die Forschungs- musstudentin. Bei einem Informa- zurechtzukommen, mich dumm an- arbeit gelernt. Denn was man in tionsgespräch mit der zuständigen zustellen oder etwas falsch zu ma- den Laboren des Studiums nicht Professorin erfuhr ich, dass es kei- chen. Immerhin gab es hier nicht merkt, ist, wie lange es dauert, bis nerlei Partnerschaften mit meinem solche Vorschriften wie sonst im La- ein Versuch funktioniert und wie er Favoritenland gibt. Allerdings kön- bor und ich sollte ja schon selbstän- so lange abgeändert wird, bis es gut ne ich nach Norwegen gehen, um dig arbeiten. Aber mir wurde alles ist. Und genau diesen Prozess habe das Wahlpflichtfach zu absolvieren. in Ruhe erklärt und bei Unsicher- ich diesmal miterlebt. Also immer Das hätten schon einige andere heiten konnte ich immer nachfra- wieder dieselben Schritte mit klei- gemacht und die entsprechenden gen. Wenn dann wirklich mal etwas nen Änderungen – anderer pH/Puf- Professorinnen kannten sich. Ein schiefging, war das auch nicht dra- fer, mit und ohne Vancomycin und paar kurze Emails reichten aus und matisch. Es hat übrigens auch nie DNA-Nanogel, andere Probenvor- ich landete zusammen mit meiner jemand auf eine meiner Nachfra- bereitung – und die Messergebnis- Kommilitonin Svenja für sechs Wo- gen geantwortet mit: „Wieso weißt se mit Excel auswerten und verglei- chen im Labor von Natascha Skalko- du das nicht, das lernt man doch in chen. Oft genug kam es vor, dass Basnet. Sie leitet die ziemlich inter- der Uni?!“ Ich kann nur für diese es leider doch nicht so gut klappte nationale Forschungsgruppe für Arbeitsgruppe sprechen, aber ich und wir mussten uns etwas Neues Drug transport and delivery (phar- glaube, solange klar ist, dass man ausdenken. Umso schöner war es, mazeutische Technologie) an der sich aktiv einbringen will und inte- wenn die Versuche eine Hypothese Norges arktiske universitet in Trom- ressiert ist, begegnen sie einem auf bestätigten. Toll fand ich auch, dass sø. Dort wurden wir sehr herzlich Augenhöhe, auch wenn man sich ich eigene Ideen einbringen durf- aufgenommen. Meine Betreuerin selbst nicht so einschätzen würde. te, obwohl ich als Studentin lange erklärte mir zunächst alles Wichtige Am Ende bekamen sogar alle Gäste nicht so viel Erfahrung und Wissen über ihr aktuelles Projekt und gab eine Tasse als Dankeschön für unse- mitbrachte wie meine Betreuerin. mir einige Grundlagen über Liposo- re Arbeit! Aber wenn mir etwas einfiel, hat men, Vancomycin und DNA-Nano- sie ernsthaft darüber nachgedacht strukturen zu lesen. Am nächsten Auf den ersten Blick habe ich und manches davon haben wir aus- Tag durfte ich dann ausprobieren, hauptsächlich sechs Wochen lang probiert. wie das in der Praxis aussieht. Zu „nur“ Liposomen hergestellt und 10 Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V.
Aber nicht nur aus fachlichen Grün- Die Extrazeit für die Urlaube wür- rige Audio-CD mit Texten und vielen den hat sich mein Aufenthalt in de ich mir immer wieder nehmen, Vokabeln habe ich auf dem Weg Tromsø gelohnt. Trotz einiger lan- auch wenn sich dadurch die freie zur Uni oder zum Chor gehört. Das ger und z.T. frustrierender Tage im Zeit zu Hause sehr verkürzt hat. Problem dabei ist allerdings, dass A Labor hatte ich genug freie Zeit. Ein ohne Übung im echten Leben das U paar Mal waren wir mit Leuten aus In Tromsø selbst gibt es sehr viele Sprechen sehr holprig bleibt, wäh- S der Arbeitsgruppe unterwegs. Kurz vor Ende des Praktikums war z.B. Austausch-Studierende und dem- entsprechend auch Programm für rend Bücher lesen gar nicht mal so schwierig ist. Die meisten Norwe- L der regionale Vorentscheid für den alle, die über Erasmus da sind. Als ger*innen können natürlich flie- A Forschungs-Grand-Prix. Da einer Gast-Mitarbeiterin in der Arbeits- ßend Englisch und immer, wenn sie N aus der Arbeitsgruppe daran teil- gruppe habe ich davon nicht so viel merken, dass man unsicher ist im D nahm, waren wir alle zusammen als mitbekommen, hätte mich aber Norwegischen, antworten sie so- moralische Unterstützung im Publi- informieren können. Ich wollte al- fort auf Englisch. Ich wurde zwar für kum. Am Ende hat er tatsächlich ge- lerdings sowieso lieber selbst Dinge verrückt erklärt, aber fand es total wonnen! Um die Stadt herum gibt suchen und wenn möglich auch Ein- super, mal etwas anderes zu lernen es ein paar Berge, die auch sehr gut heimische kennenlernen. So habe als Arzneimittel ;-) Außerdem bringt mit dem Bus zu erreichen sind – ich z.B. im Chor der International die Sprache auch ein Stückchen der alle mit fantastischer Aussicht. Ein Church eine bunte Mischung an lie- Kultur näher und wenn man sich Wochenende mieteten Svenja und benswerten Menschen gefunden. dann doch mal unterhält, freuen ich uns spontan ein Auto für eine Da ca. die Hälfte der Singenden sich alle über die paar Brocken. Für längere Tour nach Senja. Wirklich aus Norwegen kam, konnte ich hier alle nicht-Sprachenliebhaber: Es ist das Land erkundet habe ich aber sogar ein bisschen meine Norwe- aber nicht wirklich notwendig, um hauptsächlich in den je zwei Wo- gischkenntnisse austesten. Ich hat- klarzukommen - für die Verständi- chen vor und nach dem Praktikum. te mir nämlich vorgenommen, auf gung hätten halbwegs vernünftiges Anfang August mit meiner Familie eigene Faust die Sprache zumindest Englisch und im Notfall Hände und habe ich noch miterlebt, wie die ein bisschen zu lernen. Die Sprach- Füße vollkommen ausgereicht. Sonne (fast) nicht untergeht und kurse der Uni kamen nicht infrage, das Meer ganz im Westen aussieht da ich nur sechs Wochen Zeit hatte. Im Nachhinein bin ich sehr froh, wie in der Karibik (wenn man die Also hatte ich ein Buch mit Gram- dass mir Tromsø vorgeschlagen Wassertemperatur ignoriert). Im matik und Übungen. Die dazugehö- wurde und ich nicht ins bekannte Gegensatz dazu gab es Anfang Ok- tober während des Roadtrips mit meinem Freund zwischen Tromsø, Nordkap und Kautokeino den ers- ten Frost und Polarlichter zu sehen. Um diese Jahreszeit war es schon ziemlich kalt und nicht alles hatte mehr geöffnet, aber dadurch waren wir an vielen Stellen die einzigen Menschen und sonst touristische Orte waren weniger überlaufen. Von Schneegestöber bis Badewet- ter war also alles dabei, aber egal wann oder wo, die norwegische Landschaft war immer atemberau- bend und einfach sehr, sehr groß. ©Katharina Hartelt www.bphd.de 11
Großbritannien aufgebrochen bin nigstens eine Person, die bis hier ge- rade so für die Unterkunft. Wenn – auch wenn ich das sehr vermisse. lesen hat, inspirieren konnte, selbst man das Geld aber auftreiben kann, So hatte ich die Möglichkeit, einen aufzubrechen (sobald das wieder ist das Erlebte jede Krone wert. Und A wunderbaren neuen Ort kennen- möglich ist). Der einzige Nachteil von der Angst, nicht gut genug zu U zulernen. Zwar war ich doppelt so ist die Finanzierung. Erasmus funk- sein, sollte man sich nicht abhalten S lange im Labor wie für das Wahl- tioniert erst ab einem Praktikum lassen. Fragt einfach mal in eurer L pflichtfach erforderlich, habe aber definitiv gewonnen. Deshalb würde von 8 Wochen und der Zuschuss, den man für Norwegen bekommt, Uni nach! A es mich sehr freuen, wenn ich we- reicht dann, wenn überhaupt, ge- N D Drive-through-Apotheke - Medikamente to go Jennifer Kuck / So verrückt das Den Großteil meiner Arbeitszeit rein- und rausgehen, um den Anäs- auch klingt, aber das ist tatsäch- habe ich allerdings auch nicht in thesist*innen die benötigten Medi- lich Realität in den USA! Wie bei der Öffentlichen verbracht, son- kamente zu bringen. Fastfoodketten gibt es auch oft dern in der Krankenhausapotheke einen Drive-through-Schalter für des UF Shands Teaching Hospitals, Insgesamt haben Apotheker*innen die Apotheke. Das und viele ande- also dem Uniklinikum von Gaines- (die sich nach Abschluss des Studi- re Dinge habe ich während meines ville. Dort durfte ich in einem Team ums auch automatisch schon Doc- Auslandspraktikums erlebt, das ich mit Ärzt*innen, Krankenpfleger*in- tor nennen dürfen) viel mehr Be- von November 2019 bis März 2020 nen, Sozialarbeiter*innen und Apo- fugnisse als bei uns in Deutschland in Gainesville in Florida verbracht theker*innen auf Station gehen, und sind genauso ins Team einge- habe. eigene Patient*innengespräche bunden wie Krankenpfleger*innen führen, neueste Studien auswerten und Ärzt*innen. Das könnte auch Abgesehen von vielen kulturellen und mich mit Arzneimittelsicher- daran liegen, dass schon im Stu- Unterschieden ist auch die Phar- heit am Uniklinikum beschäftigen. dium viel mehr Wert auf klinische mazie-Welt am anderen Ende des Mein persönliches Highlight war Pharmazie gelegt wird. Beim Aus- großen Teiches eine ganz andere! der Besuch im OP, als ich 30 cm vor werten von Labor- und Blutwer- Richtige Apotheken wie bei uns gibt dem Patienten stand, der gerade ten konnte ich leider nicht mit den es nicht, sondern meist nur einen am offenen Herzen operiert wurde. US-Student*innen mithalten, dafür Schalter im Supermarkt, an denen Die zuständigen Apotheker*innen haben viele von ihnen noch nie in man seine rezeptpflichtigen Medi- dürfen auch jederzeit in den OP ihrem Leben pipettiert oder kön- kamente bekommt. Diese werden nen sich unter der Mengenangabe auch extra für dich in eine Dose ge- 1 ml etwas vorstellen (die Ameri- füllt, fertige Packungen und Norm- kaner*innen haben für alles extra größen gibt es nicht. Dafür hat man Einheiten). Chemie-Praktika: Fehl- eine große Auswahl an non-Rx-Me- anzeige. dikamenten im Regal und darf sich dort selbst bedienen. Dort findet Ich habe das Praktikum zwar frei- man z.B. eine Packung Paracetamol willig als dritte PJ-Hälfte gemacht, mit 1000(!) Tabletten oder Nah- aber es gibt meistens keine Proble- rungsergänzungsmittel, die aus- me mit der Anrechnung durch das sehen wie Gummibärchen. Dinge, Landesprüfungsamt, da in Gaines- die in Deutschland unvorstellbar ville zwei deutsche Professoren sind wären. ©Jennifer Kuck (Prof. Winterstein und Prof. Hoch- 12 Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland e. V.
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