ONLINE FIRST ALS LEITGEDANKE FÜR EFFIZIENTE PRIMÄRERHEBUNGEN BEIM ZENSUS 2021
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ONLINE FIRST ALS LEITGEDANKE FÜR EFFIZIENTE PRIMÄRERHEBUNGEN Benjamin Freier hat Soziologie und urbane Kultur, BEIM ZENSUS 2021 Gesellschaft und Raum studiert und ist seit Mai 2017 als wissen- schaftlicher Mitarbeiter im Referat Benjamin Freier, Juliane Mosel „Gebäude- und Wohnungszählung, Veröffentlichungskonzept für den Zensus“ beim Statistischen Bundes- amt tätig. Schwerpunkt seiner Tätig- Schlüsselwörter: Zensus – Volkszählung – Online-Fragebogen – Primärerhebung – keit ist die Arbeit an der Online- Gebäude- und Wohnungszählung First-Strategie für den Zensus 2021, darüber hinaus beschäftigt er sich mit der Öffentlichkeitsarbeit. ZUSAMMENFASSUNG Seit dem Zensus 2011 hat sich ein rasanter technologischer Wandel vollzogen. Immer mehr Menschen nutzen das Internet und touchbasierte mobile Endgeräte haben sich in nahezu allen Bevölkerungsschichten etabliert. Der Zensus 2021 greift diese Ent- wicklung auf: Die Online-First-Strategie soll erreichen, dass ein möglichst hoher Anteil der Daten online übermittelt wird. Dadurch verbessert sich die Datenqualität und die Ergebnisse sind schneller auszuwerten. Dieser Aufsatz beschreibt die gesellschaft lichen Trends der Internet- und Technologienutzung dieses Jahrzehnts, die Maßnah- men der Online-First-Strategie in Deutschland als Antwort auf diese Trends sowie Juliane Mosel Zensusbeispiele aus anderen Ländern. ist Diplom-Soziologin und konzipiert als wissenschaftliche Mitarbeiterin Keywords: census – population census – online questionnaire – primary survey – im Referat „Haushaltsstichprobe census of buildings and housing (Konzeption und Aufbereitung)“ des Statistischen Bundesamtes die Haushaltebefragung des ABSTRACT kommenden Zensus 2021. Dabei beschäftigt sie sich vor allem mit Since the last census in 2011, rapid technological change has taken place. More and der Online-First-Strategie und der more people are using the internet, and touch-based mobile devices are now com- Öffentlichkeitsarbeit. mon in almost all sections of the population. The 2021 Census picks up on this devel- opment: the Online First strategy aims to achieve the highest possible proportion of online-transmitted data. This will improve data quality, and results can be evaluated more quickly. This article describes the social trends of internet and technology use in this decade, the measures for the Online First strategy in Germany in response to these trends, and census examples from other countries. 46 Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019
Online First als Leitgedanke für effiziente Primärerhebungen beim Zensus 2021 1 2 Einleitung Primärerhebungen im Kontext Wie lässt sich die Qualität der Zensusergebnisse verbes- des Zensusmodells 2021 sern? Wie kann die Belastung von Auskunftgebenden Ein Hauptziel des Zensus 2021 ist die Ermittlung der gering gehalten werden? Wie lassen sich zeitintensive Einwohnerzahlen für unterschiedliche Gebietseinhei- Arbeitsschritte verringern und die Zensusergebnisse ten. Darüber hinaus sollen qualitativ hochwertige und schneller veröffentlichen? Diese Fragen stellten sich die regional tiefgegliederte Daten über die Bevölkerung Beteiligten im Zuge der Evaluierung des Zensus 2011. bereitgestellt werden, beispielsweise zur Erwerbs Wesentliche Ideen für Verbesserungen sind: tätigkeit oder zur Wohnsituation (sozio-demografische > Die Erhebungsinstrumente für die Bevölkerung sollen Daten). Das Zensusmodell 2021 baut auf dem Verfahren einfacher und verständlicher gestaltet werden. des registergestützten Zensus von 2011 auf. Grundlage sind Daten aus den Melderegistern und weiteren Verwal- > Die Verarbeitung der Daten für die Statistischen tungsverzeichnissen (zum Beispiel Grundsteuerdaten, Ämter des Bundes und der Länder soll schneller Daten des amtlichen Liegenschaftskatasters). Da die und unkomplizierter werden. späteren Zensusergebnisse nicht oder nicht in der erfor- > Der Zensus 2021 soll digitaler werden. derlichen Qualität in Verwaltungsregistern vorliegen, ist es notwendig, sie um Angaben aus Primärstatistiken zu Im gemeinsamen Management-Handbuch für den Zen- ergänzen. Diese Primärstatistiken sind: sus 2021 verständigten sich die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder auf gemeinsame Projektziele, > die Haushaltebefragung auf Stichprobenbasis, unter anderem auch auf „Online First“ als Leitgedanke > die Gebäude- und Wohnungszählung, für effiziente Primärerhebungen beim Zensus 2021. Die- ser Artikel dokumentiert den Weg von Online First – von > die Erhebung an Gemeinschaftsunterkünften sowie der Idee bis zur Umsetzung. > die Erhebung an Wohnheimen. Das anschließende Kapitel 2 stellt zunächst die Befra- Außerdem findet eine Wiederholungsbefragung zum gungen vor, die es im kommenden Zensus geben wird. Zensus 2021 als Kontrollerhebung auf Stichprobenbasis Kapitel 3 beleuchtet die Rahmenbedingungen des kom- statt. Mit ihr wird die Qualität der ermittelten Einwohner- menden Zensus und beschreibt den digitalen Wandel, zahlen geprüft. der seit dem letzten Zensus 2011 eingetreten ist. Dane- ben gibt das Kapitel Einblick in die Online-Strategien Die Gebäude- und Wohnungszählung und die Erhebung anderer Länder bei der Durchführung ihrer Zensus und an Gemeinschaftsunterkünften sind Vollerhebungen. zeigt auf, welche Maßnahmen zu einer hohen Online- Für die Gebäude- und Wohnungszählung werden alle Beteiligung geführt haben. Kapitel 4 erläutert die Ziele Eigentümerinnen sowie Eigentümer von Wohnraum und der Online-Strategie für den kommenden Zensus 2021 für die Erhebung an Gemeinschaftsunterkünften die in Deutschland sowie die angestrebten Vorteile. Das Leitungen aller Einrichtungen postalisch gebeten, an darauffolgende Kapitel beschreibt die Maßnahmen der der Befragung teilzunehmen. Bei den beiden anderen Online-Strategie, die von den Statistischen Ämtern des Primärerhebungen muss die Grundgesamtheit ermit- Bundes und der Länder umgesetzt werden. Abgeschlos- telt werden. Dies erfolgt bei der Haushaltebefragung an sen wird der Artikel mit einem Ausblick, der den Nutzen zufällig ausgewählten Stichprobenanschriften, während der Online-First-Strategie des Zensus für andere Fachsta- an Wohnheimen im Rahmen einer Vollerhebung alle dort tistiken aufzeigt. wohnhaften Personen befragt werden. Dabei werden zum einen Personendaten für die Einwohnerzahl, zum anderen sozio-demografische Daten erhoben. Zum Ermitteln der Einwohnerzahlen werden in der Befragung an Wohnheimen, der Haushaltebefragung Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019 47
Benjamin Freier, Juliane Mosel auf Stichprobenbasis sowie der Wiederholungsbefra- werden (Bretschi/Lorentz, 2019). Zudem haben sich die gung (nachfolgend zusammenfassend „Personenerhe- Statistischen Ämter des Bundes und der Länder das Ziel bungen“ genannt) Erhebungsbeauftragte eingesetzt. gesetzt, die Ergebnisse 18 Monate nach dem Stichtag Um eine hohe Qualität zu gewährleisten, ist für diesen (16. Mai 2021) zu veröffentlichen. Dies erfordert eine Teil der Befragung ein persönlicher Kontakt von Erhe- stringente Arbeits- und Zeitplanung für die Durchfüh- bungsbeauftragten mit den Personen aus der gezoge- rungs- und Aufbereitungsarbeiten. Darüber hinaus ist nen Stichprobe notwendig. Die Erhebungsbeauftrag- bei der Konzeption des Zensus 2021 die Forderung des ten überprüfen, welche Personen an den jeweiligen Bundesverfassungsgerichts nach einer grundrechts- Anschriften wohnen. Somit erfolgt die Erfassung dieser schonenden Verfahrensweise zu berücksichtigen. | 1 Personenmerkmale in der Regel im persönlichen Kon- takt, die Befragung zu den sozio-demografischen Merk- Der Zensus 2011 wurde durch einen externen Gutachter malen jedoch schriftlich (online oder auf Papier) oder im evaluiert. Mit Blick auf die Datenverarbeitung und Daten- qualität empfahl er, den Anteil der online übermittelten Rahmen eines persönlichen Interviews. Antworten sowohl bei der Gebäude- und Wohnungs- zählung als auch bei der Haushaltebefragung deutlich 3 zu erhöhen. Die Online-First-Strategie bei den Primär- erhebungen im Zensus 2021 ist hierbei ein Verfahrens- vorschlag, der die genannten Rahmenbedingungen auf- Wegbereiter für einen digitalen Zensus greift, zur Zielerreichung beiträgt und dabei gleichzeitig Einsparpotenzial bietet. Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder haben sich daher unter anderem 3.1 Rahmenbedingungen im Rahmen des Management-Handbuchs Zensus 2021 des Zensus 2021 für eine Online-First-Strategie ausgesprochen. Im Zensus 2011 konnten die Befragten in den Personen- 3.2 Digitaler Wandel seit erhebungen ihre sozio-demografischen Angaben ent- weder im persönlichen Interview, auf dem Papierfrage- der Zensuserhebung 2011 bogen oder im Online-Fragebogen machen. Rund 79 % der Befragten wählten das persönliche Interview, 21 % Seit der letzten Zensuserhebung hat sich die weltweite füllten den Fragebogen eigenständig aus – ein Drittel Internet- und Technologienutzung enorm gewandelt. davon online. Einige Jahre zuvor wurde das erste Smartphone vorge- stellt, was den Start in ein neues technologisches Zeit- Für die Gebäude- und Wohnungszählung wurden die zu alter markierte. Die ersten Jahre nach der Einführung Befragenden postalisch angeschrieben. Sie hatten die avancierte das Smartphone noch nicht zum alltäglichen Möglichkeit, ihre Daten online abzugeben oder in einen Gebrauchsgegenstand. Deshalb war der Online-Frage beigelegten Papierfragebogen einzutragen und zurück- bogen für den Zensus 2011 nur für die Nutzung auf zusenden. Den Papierfragebogen füllten zwei Drittel der Desktop-Geräten optimiert. Mittlerweile besitzen fast Personen aus. Auch hier nutzte ein Drittel den Online- 90 % der Personen in Deutschland ein Smartphone – Fragebogen, obwohl die Online-Meldung kaum bewor- innerhalb der letzten zehn Jahre hat sich dieser Anteil ben wurde, viele Zugangshürden bestanden und der um fast 73 Prozentpunkte gesteigert. Ähnlich sieht es bei Online-Fragebogen für die Bürgerinnen und Bürger im der Nutzung von Tablets aus: Besaßen 2011 nur knapp Privatbereich nicht optimal war. 4 % der Bevölkerung ein Tablet, stieg dieser Anteil im Jahr 2017 auf über 50 % an. Touchbasierte Geräte haben Für den Zensus 2021 haben sich die Rahmenbedingun- sich gegenwärtig in nahezu allen Bevölkerungsschich- gen verändert: Der Stichprobenumfang für die Ermittlung ten etabliert. Mit der Online-First-Strategie des Zensus der Einwohnerzahl wird sich voraussichtlich auf unge- fähr 10 Millionen Personen in den Personenerhebungen 1 Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Urteil des Zweiten Senats vom vergrößern, davon werden voraussichtlich 6,7 Millionen 19. September 2018. 2018. [Zugriff am 18. Juli 2019]. Verfügbar auch zu den sozio-demografischen Merkmalen befragt unter: www.bverfg.de 48 Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019
Online First als Leitgedanke für effiziente Primärerhebungen beim Zensus 2021 2021 reagiert die amtliche Statistik auf diesen rasanten Männer mit hohem Bildungsstand und Einkommen bei- technologischen Wandel. spielsweise nutzten das Internet häufiger als arbeitslose Männer gleichen Alters. Mittlerweile lassen sich anhand Die steigende Anzahl von mobilen Endgeräten und spezifischer Merkmale kaum mehr Unterschiede in der deren Nutzung trägt dazu bei, dass insgesamt immer Internetnutzung feststellen. Lediglich das Alter spielt mehr Menschen an das Internet angebunden sind. Im noch eine entscheidende Rolle. Allerdings nimmt der Jahr 2011 besaßen immerhin 75 % der Bevölkerung Anteil der Internetnutzerinnen und -nutzer über 65 Jahre in Deutschland einen Internetanschluss, im Jahr 2018 jährlich stark zu. waren es bereits 90 %. Sollte die Internetverfügbar- keit wie in den vergangenen Jahren um durchschnitt- Auch der Blick auf das Konsumverhalten im Internet lich 2 % jährlich zunehmen, werden 2021 rund 95 % bestätigt den Digitalisierungstrend in breiten Gesell- der Bevölkerung in Deutschland online sein. Von den schaftsschichten: 73 % der Internetnutzerinnen und 90 % der Bevölkerung, die 2018 das Internet nutzten, -nutzer zwischen 16 und 74 Jahren nutzten das Internet waren im vergangenen Jahr laut IKT-Erhebung | 2 wiede- im ersten Quartal 2018 für Online-Käufe. Knapp 20 % rum 89 % jeden Tag oder fast jeden Tag online. Nur in von ihnen kauften sogar mehrmals wöchentlich im Inter- der Altersgruppe der über 65-Jährigen betrug der Anteil net ein. lediglich 68 %. Allerdings nutzten auch in dieser Bevöl- kerungsgruppe nur 9 % das Internet seltener als einmal Behördengänge werden immer noch am häufigsten wöchentlich. Die durchschnittliche tägliche Online-Zeit persönlich erledigt. Dies geschieht unter anderem, weil in der Gesamtbevölkerung betrug im Jahr 2011 ungefähr viele behördliche Angelegenheiten nicht – wie im Privat- 137 Minuten je Person und Tag und ist in den letzten bereich üblich – über Benutzername und Passwort oder Jahren um knapp 60 Minuten auf 196 Minuten im Jahr PIN/TAN-Verfahren zu erledigen sind oder auch, weil die 2018 angestiegen. Tabelle 1 Dienstleistungen in elektronischer Form kommunal noch nicht angeboten werden. Der Trend zur E-Government- Tabelle 1 Nutzung in Deutschland ist gar rückläufig: Nutzten 2012 Durchschnittliche Nutzung des Internets durch Personen, noch 45 % der Bürgerinnen und Bürger elektronische die das Internet im ersten Quartal 2018 genutzt haben, Dienste, ist der Anteil im Jahr 2018 auf 40 % gesunken. nach Altersgruppen Viele Bürgerinnen und Bürger haben auch Bedenken Jeden Tag oder Mindestens Weniger als hinsichtlich des Schutzes und der Sicherheit ihrer per- fast jeden Tag einmal in der einmal in der Woche Woche sönlichen Daten – dies ist der am häufigsten angege- bene Grund auf die Frage, warum behördliche Formulare % nicht über das Internet ausgefüllt werden. Insgesamt 89 8 3 10 bis 15 Jahre 90 8 / Seit dem Zensus 2011 hat sich das Internet immer 16 bis 24 Jahre 98 / / mehr als alltägliche Infrastruktur etabliert. Aber auch 25 bis 44 Jahre 97 3 / die Bedenken der Bürgerinnen und Bürger müssen im 45 bis 64 Jahre 87 10 3 Rahmen der Online-First-Strategie berücksichtigt wer- 65 Jahre und älter 68 23 9 den, um erfolgreich zu sein. Statistische Ämter anderer Ergebnisse aus der Erhebung zur Nutzung von Informations- und Kommunikations technologien in privaten Haushalten (IKT). Länder haben bereits einen konsequenten Online-First- Ansatz verfolgt und damit auch Erfolge im Sinne einer In den 2000er-Jahren prägte die Wissenschaft den Be hohen Online-Quote erzielen können. griff „digital divide“. Der Begriff liefert einen Erklärungs- ansatz dafür, warum bestimmte Bevölkerungsteile das Internet nutzen oder davon absehen. Ausschlaggebend für die Internetnutzung sind demnach Merkmale wie Geschlecht, Alter, Einkommen oder Bildungsgrad. Junge 2 Erhebung über die private Nutzung von Informations- und Kommuni- kationstechnologien. Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019 49
Benjamin Freier, Juliane Mosel 3.3 Online-Strategien in Grafik 1 Bei der Zensusrunde 2010/2011 realisierte Online-Quote ausländischen Zensusverfahren und Erwartungen für die Zensusrunde 2020/2021|1 in % Ein Blick auf andere Länder, die ebenfalls Primärerhe- 12 bungen durchführen, zeigt, dass bei Befragungen im Polen 30 Rahmen des Zensus zunehmend digitale Instrumente 1 Schweiz – wie Online-Fragebogen – eingesetzt werden. Ein Ver- 40 gleich der UNECE-Länder | 3 der letzten Zensusrunde Ungarn 19 40 2010 mit dem aktuellen Stand der Planung für den kom- Deutschland 7 menden Zensus 2020 zeigt, dass immer mehr Länder Personenerhebungen 50 ein Online-Erhebungsinstrument im Rahmen von Primär- Deutschland 33 erhebungen einsetzen. Waren es 2010 noch 17 von 56 Gebäude- und Wohnungszählung 80 Ländern, die einen Online-Fragebogen anboten, planen Bulgarien 41 50 für die kommende Zensusrunde 20 von 57 Ländern | 4 27 diesen fest ein. Weitere neun Länder ziehen die Nutzung Tschechische Republik 55 eines Online-Fragebogens in Betracht. Diese Online- 54 Kanada Strategien haben in der Regel folgende Ziele: 69 50 > Erhöhung/Aufrechterhaltung der Teilnahmebereit- Portugal 70 schaft, 7 Slowakei 75 > Verbesserung der Datenqualität, 16 Vereinigtes Königreich 75 > Kostenreduktion beziehungsweise -effizienz, > Anpassung an die Erwartungen der Öffentlichkeit, 2010/2011 realisiert für 2020/2021 erwartet > mehr Bürgerfreundlichkeit, da diese entscheiden, 1 Für Deutschland sind die Prozentangaben differenziert nach Personenerhebungen sowie Gebäude- und Wohnungszählung ausgewiesen, da Erhebungsorganisation und -methodik wann sie den Online-Fragebogen ausfüllen. der Werte eine Zusammenfassung nicht zulassen. 2019 - 01 - 0493 Ein Blick auf die Online-Rücklaufquoten belegt, dass es erfolgreich ist, zunehmend auf Online-Fragebogen ist: Dort wurde bereits für den Zensus im Jahr 2018 eine zu setzen. In der Zensusrunde 2010 haben bereits Online-Rücklaufquote von 70 % angestrebt, tatsächlich 17 UNECE-Länder Online-Fragebogen eingesetzt. Diese gingen über 82 % der Daten online ein. Länder gehen für die kommende Zensusrunde 2020 ausnahmslos von einer Erhöhung der Online-Quote aus. Die statistischen Ämter der Slowakei, des Vereinigten 3.4 Steigerung der Online-Rücklaufquote Königreichs, Portugals und Kanadas rechnen mit Online- in ausgewählten UNECE-Ländern Rückläufen von bis zu 75 %. Grafik 1 Die Strategien und Maßnahmen zur Erhöhung der Die meisten Länder erwarten, dass mindestens 30 % der Online-Quoten ausgewählter UNECE-Länder können Daten online eingehen werden. Im zuletzt durchgeführ- auch für die Online-First-Strategie in Deutschland hilf- ten Zensus 2016 konnte Kanada bereits einen Online- reich sein. Eine Analyse der öffentlich verfügbaren Stra- Dateneingang von 67 % verzeichnen. Ein weiteres Bei- tegie- und Maßnahmenpapiere von Ländern mit hoher spiel ist Neuseeland, das kein Mitglied in der UNECE Online-Rücklaufquote zeigt folgende Erfolgsfaktoren: 3 Der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen Das Office for National Statistics (Vereinigtes Königreich) (UNECE) gehören 56 Länder aus Europa, Nordamerika und Asien an. Die Kommission bietet unter anderem ein Forum zum Austausch legt seinen Schwerpunkt auf die Entwicklung eines res- über den Zensus in den Mitgliedsländern an und fördert gemeinsame ponsiven Online-Fragebogens. Responsiv bedeutet, dass Standards bei der Durchführung des Zensus. 4 56 Länder und Mexiko, das an den Zensusaktivitäten der UNECE der Fragebogen auf dem stationären PC sowie auf allen teilnimmt, ohne Mitglied zu sein. gängigen mobilen Endgeräten dargestellt und ausgefüllt 50 Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019
Online First als Leitgedanke für effiziente Primärerhebungen beim Zensus 2021 werden kann. Dabei erfolgt eine automatisierte Plausi- 4 bilisierung der Angaben bereits während der Datenein- gabe. Durch eine automatische Filterführung zeigt das Programm den Befragten nur die für sie relevanten Fra- Die Online-First-Strategie gen. Auch die Erhebungsorganisation wird optimiert: In des Zensus 2021 einem umfangreichen Pretest im Jahr 2017 wurden die Online-Rücklaufquoten ermittelt, je nachdem, ob dem Die Online-First-Strategie des Zensus 2021 basiert auf Anschreiben zusätzlich ein Papierfrage bogen beilag der bei der Bevölkerung vorhandenen Infrastruktur zur oder nicht. Der höchste Online-Dateneingang (84 %) Internetnutzung. Die Erhebungsprozesse werden so kam zustande, wenn man den Papierfragebogen gar konzipiert, dass der Fragebogen standardmäßig online nicht erst beilegte und eine Bestellung notwendig war. ausgefüllt wird – das gilt für die Personenerhebung wie War der Fragebogen hingegen dem Anschreiben beige- für die Gebäude- und Wohnungszählung. Denn Daten, legt, meldeten nur 30 % online. die online eingehen, sind verglichen mit Daten von Das Amt für Statistik in Neuseeland, Stats NZ Tatau- Papierfragebogen genauer und schneller aufzubereiten. ranga Aotearoa, bot für seinen Zensus 2018 neben Die Online-First-Strategie trägt somit maßgeblich dazu dem Online-Erhebungsinstrument auch eine Online- bei, wesentliche Teile der internationalen Qualitätsziele Hilfe an. In sozialen Medien wurde eine umfangreiche der Statistik zu erreichen. Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Die Befragten erhielten im Erstkontakt keinen Papierfragebogen. Sie konnten 4.1 Beitrag der Online-Erhebung Papierfragebogen anfordern, die dann im sogenannten Print-on-Demand-Verfahren gedruckt und versandt wur- zur Erreichung der Projektziele den. Eine breit angelegte Medienkampagne informierte im Zensus 2021 die Öffentlichkeit über die Veränderungen im Zensus. Auch Statistics Canada verzichtete im Zensus 2016 Die Statistischen Ämter des Bundes und der Länder beim Erstkontakt mit den Befragten auf die Beigabe von haben die Erkenntnisse der Evaluierung des Zensus Papierfragebogen und setzte einen Online-Fragebogen von 2011 aufgegriffen. Im gemeinsamen Management- ein. Einige Felder des Fragebogens waren schon voraus- Handbuch für den Zensus 2021 verständigten sie sich gefüllt, um den Befragten Arbeit zu ersparen und gleich- auf folgende sechs gemeinsame Projektziele: zeitig sicherzustellen, dass die Formulare nur von den > Genauigkeit, vorgesehenen Befragten ausgefüllt wurden. Die Befrag- > Aktualität, ten konnten zudem einen Zwischenstand abspeichern und den Fragebogen später weiter ausfüllen. Statistics > Wirtschaftlichkeit, Canada berichtet, dass bei Nutzung des Online-Frage > Methodentransparenz, bogens weniger unbeantwortete Fragen verzeichnet wurden und die Datenqualität der online eingegange- > weniger Belastung der Auskunftspflichtigen und nen Daten deutlich höher war als bei Papierfragebogen. > Nutzung des Zensuspotenzials. Natürlich weichen die Rahmenbedingungen in anderen Der für den Zensus 2021 wohl wichtigste Qualitäts Ländern ab und eine 1:1-Übertragung der Maßnahmen gewinn ist die verbesserte Ergebnisgenauigkeit, die ist nicht ohne Weiteres möglich. Dennoch kann die unter anderem durch einen höheren Anteil an Online- amtliche Statistik in Deutschland von den Erfahrungen Meldungen erreicht werden soll. Das Antworten mittels anderer Länder mit ihren Strategien und Maßnahmen elektronischer Fragebogen führt zu plausibleren Ergeb- profitieren, erfolgreiche Maßnahmen für den kommen- nissen. Schon beim Eingeben durch die Befragten prüft den Zensus übernehmen und auf den Bedarf in Deutsch- das Programm die Angaben auf Plausibilität und Voll- land anpassen. ständigkeit und zeigt Tippfehler an. Bei der Gebäude- und Wohnungszählung 2011 waren im Nachgang der Erhebung fehlerhafte Angaben zu korrigieren, und Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019 51
Benjamin Freier, Juliane Mosel zwar fast doppelt so viele bei der Beantwortung mittels Allein beim Bayerischen Landesamt für Statistik wurden Papierbogen wie bei der Online-Meldung. beim Zensus 2011 «an insgesamt 216 Anlieferungs tagen […] 735 Transportwagen von der Deutschen Post Wird ein Papierfragebogen eingesetzt, muss dieser angeliefert. Diese Wagen waren mit zusammengenom- immer komplett für alle Befragten vorliegen, obwohl men 9 496 Postkisten gefüllt […]. In diesen Postkisten viele Personen nur einen Teil ausfüllen müssen. Anwei- wiederum waren rund 2,4 Millionen Sendungen. Dies sungen (zum Beispiel „wenn 1 zutrifft springen Sie bitte entspricht einem Gewicht von rund 80 Tonnen» (Forster/ zu Frage Nummer 8“) sind ein wichtiger Bestandteil, um Schmidl, 2012). die befragten Personen durch den Fragebogen zu füh- ren. Dies ist notwendig, erzeugt aber auch Unklarheiten Die aufgeführten Prozessschritte und die dadurch ent- und stellt eine bedeutende Hürde der papierbasierten stehenden Zeitverluste durch Herstellung, Transport und Befragung dar. Im Online-Fragebogen des Zensus erfolgt manuelle Verarbeitung von Fragebogen entfallen bei der die Filterführung im Hintergrund, sodass die Befrag- Online-Meldung. Die Angaben sind nach erfolgter Mel- ten im Vergleich zum Papierfragebogen nur die Fragen dung unmittelbar innerhalb der IT-Umgebung für die sehen und beantworten müssen, die sie auch wirklich anschließenden Aufbereitungsprozesse verfügbar. betreffen. Ebenso passen sich die Fragetexte und Ant- wortkategorien teilweise an, je nachdem, welche Ant- Der verminderte Papierbogenbedarf trägt schließlich wort zuvor ausgewählt wurde. Somit entfällt die häufige wesentlich zur Ressourcenschonung bei – wirtschaftlich Fehlerquelle, dass Befragte zur falschen Frage springen. wie auch aus Perspektive des Umweltschutzes. Allein die Der elektronische Fragebogen des Zensus liegt in meh- ausgefüllten Fragebogen der Gebäude- und Wohnungs- reren Sprachen vor. Dies steigert die korrekte Beantwor- zählung beim Zensus 2011 wären übereinandergestapelt tung und deckt die sprachliche Diversität in Deutschland höher als der Mount Everest mit seinen 8 848 Metern gut ab. Höhe. Die Verminderung der Transportwege für die Papierfragebogen verbessert die CO2-Bilanz. Kosten- Die Maßnahmen der Online-First-Strategie tragen dazu einsparungen ergeben sich vor allem durch verringerte bei, dass die zu bearbeitende Anzahl an Papierfrage Druckkosten und Einsparungen beim Porto. Des Weite- bogen deutlich abnimmt. Dadurch ist ein großer Teil der ren wird die kostenintensive manuelle Nachbearbeitung Angaben medienbruchfrei und vollautomatisiert zu ver- der Papierfragebogen stark reduziert. arbeiten, was zu einer höheren Genauigkeit der Daten führt. Ein wichtiges Ziel des Zensus ist es, die Auskunfts- pflichtigen so wenig wie möglich mit der Befragung zu Eine wichtige Erkenntnis der Evaluierung des Zensus belasten. Die Filterführung des Online-Fragebogens 2011 war die relativ späte Veröffentlichung der Ergeb- trägt wesentlich dazu bei, dass zum Beispiel die größte nisse. Die Online-First-Strategie ist geeignet, die Ergeb- Gruppe der Befragten bei der Gebäude- und Wohnungs- nisse zeitnäher zum Stichtag zu veröffentlichen. Im zählung – nämlich die rund 14 Millionen Eigenheim- Wesentlichen lässt sich das Ziel der früheren Ergebnis- besitzerinnen und -besitzer – nur wenige Fragen des veröffentlichung durch eine kürzere Datenerhebungs- gesamten Fragenkatalogs lesen und beantworten müs- phase erreichen. Bei der papierbasierten Befragung fal- sen. Sie können alle Daten nun innerhalb von fünf bis len viele manuelle Prozessschritte an, die die Ver- und zehn Minuten eintragen. Die Beantwortung eines Papier- Bearbeitungsdauer erhöhen, zum Beispiel: bogens hingegen benötigt mehr Zeit, da die jeweilige Fil- > Postannahme, terführung erst verstanden und die betreffenden Fragen eindeutig identifiziert werden müssen. > Vorsortieren der Sendungen, > maschinelle Brieföffnung, > manuelle Entnahme der Briefinhalte, > Belegschneiden, > maschinelle Belegerfassung und > manuelle Nachbearbeitung der Belegerfassung. 52 Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019
Online First als Leitgedanke für effiziente Primärerhebungen beim Zensus 2021 5 > gute Lesbarkeit, Barrierefreiheit und ausreichend große Schriftgröße, damit auch Menschen mit Seh- schwäche oder anderen Behinderungen die gleiche Maßnahmen der Online-First-Strategie Möglichkeit haben, den Fragebogen korrekt auszu füllen, 5.1 Übergeordnete Maßnahmen > individuell angepasste Fehlertexte durch sofortige Plausibilitätsprüfungen, damit die Befragten falsche Zur Umsetzung der Online-First-Strategie sind bisherige Eintragungen unkompliziert verstehen und ändern Verwaltungsabläufe und Instrumente auf den Prüfstand können, sowie zu stellen und bei Bedarf zu modernisieren. Beim Zen- > das Angebot des Fragebogens in unterschiedlichen sus 2011 zielten alle Prozesse darauf, einen Papierfra- Sprachen und allgemein verständlicher Sprache. gebogen zu entwickeln, zu testen und davon ein elektro- Grafik 2 auf Seite 54 nisches Abbild zu erstellen. Die damals unerwartet hohe Online-Quote bei der Gebäude- und Wohnungszählung Nicht nur der Online-Fragebogen als Erhebungsinstru mit rund 30 % kam zustande, obwohl die Möglichkeit ment wurde kritisch auf den Prüfstand gestellt, sondern der Online-Meldung kaum beworben wurde, Zugangs- auch, ob der Zugang für die Befragten zum Online-Frage- hürden bestanden und der Online-Fragebogen nicht bogen möglichst leicht ist. Dass diese Prüfung berech- ausreichend optimiert war. Für den Zensus 2021 ist von tigt ist, zeigen die Erfahrungen aus dem letzten Zensus. einem deutlich höheren Online-Rücklauf auszugehen, Beim Zensus 2011 war der Hinweis zur Online-Meldung wenn diese Prozesse von Grund auf digital konzipiert auf dem Papierfragebogen leicht zu übersehen – das und die Entwicklungen im digitalen Bereich einbezogen lag an der Platzierung der Zugangsdaten und der klei- werden. nen Schriftgröße. Rief man im Internet die Startseite des Zensus auf, mussten erst mehrere Seiten geöffnet Die Entwicklung eines leicht verständlichen Online- und jeweils die richtige Auswahl (Bundesland und Erhe- Fragebogens, der den technischen Fortschritt seit 2011 bung) getroffen werden, ehe man zum Login des Online- berücksichtigt und der es auch weniger internetaffinen Fragebogens gelangte. Die vielen Rückmeldungen der Personen erlaubt, online am Zensus teilzunehmen, ist Bürgerinnen und Bürger zeigten deutlich, dass die Nut- die vordringlichste Maßnahme der Online-First-Strate- zerfreundlichkeit verbessert werden muss. Daher ist der gie. Daher wurde der Online-Fragebogen für den Zensus Zugang zum Online-Fragebogen beim Zensus 2021 stark 2021 neu konzipiert. Berücksichtigt wurden dabei die vereinfacht. Beim Aufruf der Zensus-Website wird der Anregungen der Befragten aus dem Zensus 2011 sowie Login-Bereich zum Online-Fragebogen auf allen Geräte aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Online- klassen gut sichtbar auf der Startseite platziert. Nach Forschung. Nicht zuletzt hatte auch der Blick auf die dem Eingeben der Zugangsdaten nimmt das System Bedienung großer Internetplattformen, die viele Millio- die Zuteilung in die richtige Erhebung und somit in den nen Menschen im Alltag nutzen, Einfluss. Die Befragten relevanten Online-Fragebogen automatisch vor. Somit des Zensus 2021 sollen alle gängigen Bedienkomforts erhalten auch Personen, die sowohl an der Personen im Online-Fragebogen des Zensus wiederfinden. Bei- erhebung als auch an der Gebäude- und Wohnungszäh- spielsweise gehören dazu: lung teilnehmen müssen, einen leichten Zugang zum > ein responsives Design, das den Fragebogen unab- Fragebogen. Auch die neue Zensus-2021-Website weist hängig von der Geräteklasse immer optimal darstellt, moderne Bedienelemente auf und stellt Themen inter- aktiv und leicht verständlich dar. Für alle Interessierten > eine moderne grafische Darstellung, gibt es auch weiterhin die vertiefenden Inhalte (Quali- > intelligente Filterführung, sodass jeder Person nur die tätsberichte, tiefgegliederte Ergebnisse, Gemeindeblät- für sie relevanten Fragen angezeigt werden, ter und so weiter). > übersichtlich gestaltete Fragebogenseiten mit maxi- Eine weitere Zugangshürde für die Online-Befragung mal drei Fragen je Seite, sodass Scrolling möglichst beim Zensus 2011 war die damalige Verwendung kryp- vermieden wird, tischer Zeichenfolgen für die Online-Zugangsdaten Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019 53
Benjamin Freier, Juliane Mosel Grafik 2 Gegenüberstellung der Online-Fragebogen 2011 und 2021 zur Gebäude- und Wohnungszählung (Ausschnitt) Zensus 2011 Zensus 2021 2019 - 01 - 0497 54 Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019
Online First als Leitgedanke für effiziente Primärerhebungen beim Zensus 2021 (Login-Vorgang). Vielen Menschen fällt das Entziffern 5.2 Kontaktaufnahme bei der kryptischer Zeichenfolgen aufgrund verminderten Seh- Gebäude- und Wohnungszählung vermögens schwer. Hinzu kommt, dass Sonderzeichen auf den Tastaturen von Touchgeräten selbst für erfahrene Der Medienbruch von Papier zur Online-Meldung lässt Internetnutzende teilweise nur schwer aufzufinden sind. sich auch beim kommenden Zensus 2021 nicht vermei- Durch das Auslassen von Sonderzeichen und sich stark den, denn die Befragten können nicht per E-Mail kontak- ähnelnden Nummern oder Buchstaben, die ausschließ- tiert werden. Die auskunftspflichtigen Eigentümerinnen liche Kleinschreibung und die Wahl einer gut leserlichen und Eigentümer erhalten bei der Gebäude- und Woh- Schriftart sind die Online-Zugangsdaten nun deutlich nungszählung über den postalischen Weg ein Anschrei- leichter einzugeben, ohne dass die Sicherheit leidet. ben. Im Sinne einer Push2Web-Strategie, also dem Neu im Vergleich zum Zensus 2011 ist auch, dass im Pre- Setzen von Anreizen für eine Online-Meldung, wird aller- testlabor des Statistischen Bundesamtes alle beschrie- dings auf die Beigabe eines Papierfragebogens – wie benen Prozessschritte und Produkte des Online-Ver- es beim Zensus 2011 noch der Fall war – verzichtet. fahrens ausgiebig getestet wurden: Bisher haben über Wissenschaftliche Studien, aber auch der Zensustest 100 Testpersonen an qualitativen Interviews teilgenom- 2017 im Vereinigten Königreich belegen für diese Stra- men. Wertvolle Erkenntnisse zum Bedienverhalten der tegie eine deutlich höhere Online-Teilnahmebereitschaft Testpersonen liefern hier die ausgewerteten Kamera (siehe Abschnitt 3.4). Somit nimmt das Anschreiben als aufzeichnungen. Im Zuge der Zensusvorbereitung führen Teil des Beantwortungsprozesses eine sehr wichtige die statistischen Ämter darüber hinaus zwei quantitative Funktion ein, denn daraus muss klar ersichtlich werden, Pretests durch, in denen rund 140 000 Personen um frei- wie die Meldung online erfolgt. willige Teilnahme am Online-Verfahren gebeten werden. Die Medienkampagne und die Bilder, die die Öffentlich- 5.3 Kontaktaufnahme bei keit mit dem Zensus in Verbindung bringt, tragen ent- den Personenerhebungen scheidend dazu bei, welchen Meldeweg die Befragten nutzen. Die Aufmerksamkeit in den Medien um den Zen- Die Besonderheit bei den Personenerhebungen ist eine susstichtag herum wird hoch sein. Passend zur Online- Erhebungsorganisation, die sich durch die Mischung aus First-Strategie werden Bilder erzeugt, die die Online- notwendigem persönlichem Interview für die Erfassung Teilnahme in den Fokus rücken und motivierend für die der Personenmerkmale und der präferierten selbststän- Online-Auskunft sind. Die Eingabe von „Zensus 2011“ digen, digitalen Angabe der sozio-demografischen Merk- in eine Bildersuchmaschine zeigt beispielsweise der- male ergibt. Der Fokus der Kontaktaufnahme liegt daher zeit hauptsächlich Kugelschreiber und Papierformulare. sowohl auf der Information der Befragten, als auch in Beim Zensus 2021 sollen diese Ergebnisse im besten Fall der Ausgestaltung der Erhebungsorganisation. Die Erhe- Tablets und Smartphones sowie den Online-Fragebogen bungsbeauftragten sind hierbei die Ansprechpersonen zeigen. Auch soll der Zensus auf Social-Media-Kanälen für die Befragten: Sie können bei Unklarheiten informie- präsent sein und es wird eine höhere Anzahl digitaler ren und den Personen, die den Online-Meldeweg nicht Veröffentlichungen von Ergebnissen angestrebt. nutzen können oder wollen, Unterstützung oder Alterna- tiven anbieten. Um eine hohe Online-Selbstausfüllerquote zu errei- chen, werden die Meldewege (nach Nutzen für die Online-Quote und den Qualitätszielen) priorisiert. Alle möglichen Meldewege werden den Auskunftgebenden angeboten, jedoch nicht gleichzeitig beworben. Bei- spielsweise soll wie bei der Gebäude- und Wohnungs- zählung ein Papierfragebogen nur auf ausdrücklichen Wunsch ausgehändigt werden. Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019 55
Benjamin Freier, Juliane Mosel Die Online-First-Strategie bliebe unvollständig, würde sie nicht auch die Belange derjenigen Befragten ernst nehmen, die den Online-Zugang nicht nutzen können oder wollen. Daher können bei Bedarf weiterhin die sozio-demografischen Merkmale als papierbasierte Mel- dung sowie im persönlichen Interview erhoben werden. 6 Ausblick Die geplanten und zum Teil schon umgesetzten Maß- nahmen der Online-First-Strategie bieten großes Innova- tionspotenzial, um die Primärerhebungen im kommen- den Zensus 2021 effizienter zu gestalten und die selbst gesteckten Qualitätsziele zu erreichen. Sie knüpfen an nationale und internationale Standards an und wer- den dem digitalen Wandel in der Gesellschaft gerecht. Des Weiteren fügen sie sich ein in die Ziele der Digita- len Agenda des Statistischen Bundesamtes sowie des Regierungsprogramms „Digitale Verwaltung 2020“. Die jüngsten Beispiele des Zensus in Kanada und Neusee- land zeigen, dass bereits andere Länder erfolgreich den digitalen Wandel mitgestalten. Der Zensus 2021 in Deutschland soll der letzte register- gestützte Zensus mit primärstatistischen Erhebungen werden. In Zukunft soll ein rein registerbasierter Zen- sus stattfinden, ohne Notwendigkeit, Bürgerinnen und Bürger zu befragen (Körner und andere, 2019). Aber die Erkenntnisse, wie eine Online-First-Strategie eine Primärerhebung effizienter gestaltet, sind nicht nur für den Zensus relevant. Auch andere Fachstatistiken wer- den von den Erfahrungen des Zensus 2021 profitieren, Online First als Leitgedanken für effizientere Primärerhe- bungen implementieren und zur besseren Datenqualität und Entlastung der Bürgerinnen und Bürger beitragen. 56 Statistisches Bundesamt | WISTA | Sonderheft Zensus 2021 | 2019
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Herausgeber Statistisches Bundesamt (Destatis), Wiesbaden Schriftleitung Dr. Daniel Vorgrimler ABKÜRZUNGEN Redaktionsleitung: Juliane Gude Redaktion: Ellen Römer D Durchschnitt (bei nicht addierfähigen Größen) Ihr Kontakt zu uns Vj Vierteljahr www.destatis.de/kontakt Hj Halbjahr Erschienen im August 2019 a. n. g. anderweitig nicht genannt Das Archiv älterer Ausgaben finden Sie unter www.destatis.de o. a. S. ohne ausgeprägten Schwerpunkt Print Mill. Million Einzelpreis: EUR 19,– (zzgl. Versand) Jahresbezugspreis: EUR 114,– (zzgl. Versand) Mrd. Milliarde Bestellnummer: 1010200-19907-1 ISSN 0043-6143 ZEICHENERKLÄRUNG ISBN 978-3-8246-1090-7 – nichts vorhanden Download (PDF) Artikelnummer: 1010200-19907-4, ISSN 1619-2907 0 weniger als die Hälfte von 1 in der letzten besetzten Stelle, jedoch mehr als nichts Vertriebspartner . Zahlenwert unbekannt oder geheim zu halten IBRo Versandservice GmbH ... Angabe fällt später an Bereich Statistisches Bundesamt X Tabellenfach gesperrt, weil Aussage nicht sinnvoll Kastanienweg 1 D-18184 Roggentin I oder — grundsätzliche Änderung innerhalb einer Reihe, die den zeitlichen Vergleich beeinträchtigt Telefon: + 49 (0) 382 04 / 6 65 43 / keine Angaben, da Zahlenwert nicht sicher genug Telefax: + 49 (0) 382 04 / 6 69 19 destatis@ibro.de () Aussagewert eingeschränkt, da der Zahlenwert statistisch relativ unsicher ist Papier: Design Offset, FSC-zertifiziert Abweichungen in den Summen ergeben sich durch Runden der Zahlen. © Statistisches Bundesamt (Destatis), 2019 Tiefer gehende Internet-Verlinkungen sind in der Online-Ausgabe hinterlegt. Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugsweise, mit Quellenangabe gestattet.
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