Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten

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Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
Oskar Koller
Blütenträume

Die Liebe in Bildern und Gedichten
Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
Oskar Koller

Blütenträume
            Die Liebe in Bildern
            und Gedichten

            Herausgegeben von
            Ulrich Mattejiet
Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
Der Präsenz Verlag dankt
Herbert und Maria Koller für
die freundliche Unterstützung
bei der Bildauswahl.

Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliographie; Detaillierte bibliographische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2011 Präsenz Kunst & Buch
Gnadenthal, 65597 Hünfelden

© für alle Abbildungen:
2011 Kunstbetrieb Oskar Koller GmbH, Meerbusch

Alle Rechte vorbehalten

Alle Bildmotive: Aquarelle von Oskar Koller
Gestaltung: Martina Heuer, Leipzig
Druck: CPi books GmbH, Ulm

ISBN: 978-3-87630-210-2

www.praesenz-verlag.de
Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
Inhalt

7     Sprache der Blumen ‒ Sprache der Liebe
      Ein Vorwort

I.    Ich bin eine Blume zu Saron              III. Im wunderschönen Monat Mai,
      und eine Rose im Tal                          als alle Knospen sprangen

15    Altes Testament                          47   Eduard Mörike
      Aus dem Hohelied Salomos                      Er ist’s
16    Sappho                                   50   Johann Wolfgang von Goethe
      Hymnus auf Aphrodite                          Mailied
17    Anakreon                                 51   Erich Kästner
      Faustkampf mit Eros                           Der Mai
20    Anakreontische Dichtung                  53   Joseph von Eichendorff
      Von roten Rosen und weißen Lilien             Mondnacht
24    Catull                                   53   Friedrich von Logau
      An Lesbia                                     Der Mai
                                               54   Johann Wolfgang von Goethe
II.   Wollte nicht der Frühling kommen?             Das Veilchen

29    Hugo von Hofmannsthal                    55   Heinrich Heine
      Vorfrühling                                   Im wunderschönen Monat Mai

32    Erich Mühsam                             56   Ludwig Hölty
      Wollte nicht der Frühling kommen?             Die Mainacht

34    Gottfried Keller                         57   Guy de Maupassant
      Der Taugenichts                               Gefährliche Jahreszeit

38    Hans Christian Andersen                  64   Kurt Tucholsky
      Märzveilchen                                  Anna-Luise

39    Ludwig Uhland                            67   Arno Holz
      Frühlingsglaube                               Klage des Schäfers Dafnis,
                                                    dass der Frühling so kurz blüht
40    Eduard Mörike
      Zitronenfalter im April
Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
IV. Hier sollten Rosen stehen          VI. Blumenduft hat sie getötet
71   Heinrich Heine                    101 Ferdinand Freiligrath
     Leise zieht durch mein Gemüt          Der Blumen Rache
72   Hafis                             103 Theodor Storm
     Du                                    Walpurgisnacht
73   Angelus Silesius                  104 Hugo von Hofmannsthal
     Die Rose                              Ballade vom kranken Kind
76   Jelisaweta Kulmann                107 Ingeborg Bachman
     Mailied                               Nebelland
77   Jens Peter Jacobsen               108 Eduard Mörike
     Hier sollten Rosen stehen             Die Tochter der Heide
81   John Henry Mackay
     Heimliche Aufforderung            VII. Es war im Herbst, im bunten Herbst
82   Johann Wolfgang von Goethe
                                       113 Gottfried Benn
     Heidenröslein
                                           Astern

V.   Soll ich dich einem Sommertag     114 Friedrich Hölderlin
     vergleichen?                          Der Abschied
                                       117 Wilhelm Müller
87   Detlev von Liliencron                 Trockne Blumen
     Einen Sommer lang
                                       118 Theodor Fontane
91   William Shakespeare                   Barbara Allen
     Das XVIII. Sonett
                                       119 Guy de Maupassant
92   Theodor Storm                         Glück
     Die Nachtigall
                                       124 Erich Kästner
93   Friedrich Hebbel                      Sachliche Romanze
     Sommerbild
                                       126 Sarah Kirsch
95   Kurt Tucholsky                        Die Luft riecht schon nach Schnee
     Rheinsberg – ein Bilderbuch für
     ­Verliebte
96   Klabund                           127 Bildnachweis
     Sommerbetrachtung                 128 Quellenverzeichnis
Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
Sprache der Blumen – Sprache der Liebe
Ein Vorwort

Kleine Blumen, kleine Blätter                        Seit jeher gelten Blumen als Zeichen der ­Liebe.
Streuen mir mit leichter Hand                        Sie senden erotische Signale aus, entfalten durch
Gute junge Frühlingsgötter                           ihre Farben und Düfte, ihr „Parfum“, eine ganz
Tändelnd auf ein luftig Band.                        eigene Magie, die Frauen und Männer in ­ihren
                                                     Bann zieht. Blumen haben zu allen Zeiten Dich-
Mädchen, das wie ich empfindet,                      terinnen und Dichter dazu inspiriert, die ele-
Reich mir deine liebe Hand!                          mentare Kraft der Liebe zu besingen. Einige
Und das Band, das uns verbindet,                     der schönsten Gedichte und Prosatexte sind in
Sei kein schwaches Rosenband.                        diesem Band vereinigt. Ihr Spektrum reicht von
                                                     der biblischen und antiken Epoche bis zur Dich-
Dieses leichtfüßige Liebesgedicht, das der gut       tung der Gegenwart.
zwanzigjährige Goethe seiner Jugendliebe
­Friederike Brion widmete, mag als Motto über        Schon in vielen alten Kulturen werden Blumen
 diesem Buch stehen, das sich einem uralten          mit der Liebe in Verbindung gebracht. Im Hohe­
 und dennoch ewig jungen Thema zuwendet:             lied der Bibel steht die sprichwörtliche Rose von
 der ­Liebe, dem Frühling und der Sprache der        Saron für die Geliebte. Allerdings wurde der in
 ­Blumen.                                            dieser Dichtung geschilderten Beziehung zwi-
  Goethes Verse bewegen sich mit ihrer Frische       schen Mann und Frau im Laufe der jüdischen
  und Schwerelosigkeit in einem luftigen Zwi-        und christlichen Tradition eine religiöse Sinn-
  schenreich von zärtlichem Spiel und tieferen       deutung unterlegt. Nach der vorherrschenden
  Gefühlsregungen. Durch ihre transparente,          Auffassung wurde das Hohelied, lange als Werk
  duftige Farbigkeit zeichnen sich auch die Bil-     König Salomos betrachtet, nicht mehr als „irdi-
  der von Oskar Koller aus. Der bedeutende           sches“ Liebesgedicht, sondern als Ausdruck der
  fränkische Maler hat in seinem umfangreichen       Liebe zwischen Gott und dem auserwählten
  Œuvre den Geschöpfen aus Floras Reich einen        Gottesvolk gesehen.
  besonderen Platz gegeben. Seine Aquarelle, die
  auf eingehender Naturbeobachtung beruhen,          Die griechische und römische Antike kennt
  zeigen Blumen und Blütenzweige mit ihren           die Rose als die der Liebesgöttin geweihte Kö-
  zarten Konturen, kleine Wunder, die durch ihre     nigin der Blumen. Sie wurde bereits von der
  Grazie bezaubern und die unendliche Farben-        ersten Dichterin der Weltliteratur, Sappho,
  vielfalt in der freien Landschaft, in Gärten und   im Hymnus auf Aphrodite besungen. Neben
  Parks erahnen lassen.                              der Rose hatten auch andere Pflanzen von

                                                                                                    7
Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
mythologischer Bedeutung, wie Hyazinthe und          Begräbnisfeier. Als Beispiel für einen ‒ erst vor
Narzisse sowie der Lorbeer, ihren festen Platz       wenigen Jahrzehnten wiederbelebten ‒ Brauch
in der antiken Kultur. Feste und Zeremonien          sei der Valentinstag am 14. Februar genannt,
wurden mit bestimmten, dem jeweiligen Anlass         an dem Liebespaare und Freunde einander mit
entsprechenden Blumen oder Zweigen, die oft          Blumen beschenken.
zu Kränzen oder Girlanden verflochten waren,
ausgeschmückt.                                       Die Weltliteratur kennt eine schier un­über­seh­
                                                     bare Fülle an Dichtungen, die auf ganz unter-
In der christlichen Welt ist es neben der Rose vor   schiedliche Weise die Anmut und den Liebreiz
allem die Lilie, die Reinheit und Hoheit verkör-     der Blumen feiern. In der europäischen Litera-
pert und die Jungfrau Maria symbolisiert. Lilien     tur entfaltete sich eine Liebes- und Naturlyrik,
wie Rosen sind auf vielen gotischen Altarbildern     die manche Einflüsse der Troubadourdichtung
festes Attribut der Gottesmutter („Madonna im        und des Minnesangs aufnahm, aber auch von
Rosenhag“). Doch entfaltet sich neben dem spi-       den Traditionssträngen der Schäferpoesie und
rituellen und religiösen Sinngehalt auch eine        der Anakreontik geprägt wurde. In Deutsch-
durchaus diesseitige Blumensprache, die sich         land haben Dichterinnen und Dichter der Klas-
in vielen Lebensbereichen manifestiert. Sie ist      sik und Romantik, Goethe und Heine, Uhland
teilweise von der höfischen Kultur des Mittel­       und Mörike, diese Dichtkunst zu höchster Voll-
alters und der Vorstellungswelt der Minne be-        endung geführt. Mit ihrem oft volksliedhaften
einflusst. Die Überreichung oder Deposition          Charakter erfreut sie sich bis heute großer Be-
von Blumen, Kränzen oder Sträußen findet bei         liebtheit.
diversen Gelegenheiten statt. Durch Blumen
sollen Liebe und ehrenvolle Wertschätzung aus-       Bilder und Gedichte in diesem Buch laden zu
gedrückt werden; Blumengaben begleiten wich-         einem Spaziergang durch den Frühlingsgarten
tige Lebens­stationen, Verlobung und Hochzeit,       der Liebe ein, einen Garten, dessen Blüten nie
Geburts- und Namenstage, Jubiläen, bis hin zur       verwelken.

                                                                                  Im Dezember 2010
                                                                                     Ulrich Mattejiet

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Oskar Koller Blütenträume Die Liebe in Bildern und Gedichten
Johann Wolfgang von Goethe
Kleine Blumen, kleine Blätter

Kleine Blumen, kleine Blätter
Streuen mir mit leichter Hand
Gute junge Frühlingsgötter
Tändelnd auf ein luftig Band.

Mädchen, das wie ich empfindet,
Reich mir deine liebe Hand!
Und das Band, das uns verbindet,
Sei kein schwaches Rosenband.
I. Ich bin eine Blume zu Saron
             und eine Rose im Tal
            Biblische
            Überlieferung
            und antike
            Liebesdichtung.
            Ein Vorspiel
Altes Testament
Aus dem Hohelied Salomos

Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das      Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei
zwischen meinen Brüsten hanget. Mein Freund       den Rehen oder bei den Hinden auf dem Felde,
ist mir eine Traube von Zyperblumen in den        dass ihr meine Freundin nicht aufweckt noch
Weinbergen zu Engedi.                             regt, bis es ihr selbst gefällt.

Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön       Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er
bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen.        kommt und hüpft auf den Bergen und springt
Siehe, mein Freund, du bist schön und lieblich.   auf den Hügeln. Mein Freund ist gleich e­ inem
Unser Bett grünt, unserer Häuser Balken sind      Reh oder jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter
­Zedern, unser Getäfel Zypressen.                 unsrer Wand, sieht durchs Fenster und schaut
                                                  durchs Gitter. Mein Freund antwortet und
Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im      spricht zu mir: Stehe auf, meine Freundin,
Tal.                                              meine Schöne, und komm her! Denn siehe, der
Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine      Winter ist vergangen, der ­Regen ist weg und
Freundin unter den Töchtern.                      dahin; die Blumen sind hervorgekommen im
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen,        Lande, der Lenz ist herbei­gekommen, und die
so ist mein Freund unter den Söhnen. Ich sitze    Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande;
unter dem Schatten, des ich begehre, und seine    der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die
Frucht ist meiner Kehle süß.                      Weinstöcke haben Blüten gewonnen und geben
Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe    ihren Geruch. Stehe auf, meine Freundin, und
ist sein Panier über mir. Er erquickt mich mit    komm, meine Schöne, komm her!
Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin     Meine Taube in den Felsklüften, in den Stein-
krank vor Liebe.                                  ritzen, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören
                                                  deine Stimme; denn die Stimme ist süß, und
Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und        deine Gestalt ist lieblich.
seine Rechte herzt mich.

                                                                                               15
Sappho
Hymnus auf Aphrodite

Aphrodite. Allmächtige, komm vom Äther herab
zu deinem Tempel, einst von Kretern erbaut.
Unter den Apfelbäumen des heiligen Hains,
als sie dir Opfer brachten auf den Altären,
schwelten damals der kühlenden Quelle entlang
Wolken von Weihrauch.
Immer noch rinnt das Wasser, von Zweigen beschattet,
zum Garten hinab und tränkt mir die Rosen der Laube,
wo ich voll Seligkeit, während sie lautlos entblättern, Kypris erwarte.
Drüben, dort auf der Weide tummeln sich Pferde,
grasen im Klee und in den reifenden Ähren.
Süßer Geruch von Blumen weht von der Wiese
hierher zu mir.
Göttin der Liebe! Empfange mein Blumengebinde.
Komm und erscheine uns. Fülle die goldenen Schalen,
mische mit Nektar den Wein und schenke uns eine
himmlische Freude.

16
Anakreon
Faustkampf mit Eros

Knabe, du mit dem Mädchenblick,
Nach dir such’ ich, doch hörst du nicht,
Weißt nicht, wie du am Band allwärts
Meine Seele dir nachziehst.

***

Auf mich werfend den Purpurball,
Winkt mir Eros im Goldgelock,
Mit dem farbig beschuhten Kind
Spielend mich zu ergötzen.
Doch sie ist aus der herrlichen
Lesbos, und es missfällt ihr mein
Graues Haar, denn ein andres gibt’s,
Dem sie brünstiglich nachschaut.

***

Los, nach Wasser geh, nach Wein, Bursch!
Und nach Blumenkränzen sieh mir
Nur geschwind! Denn jetzt beginn’ ich
Mit dem Eros einen Faustkampf!
18
19
Anakreontische Dichtung
Von roten Rosen und weißen Lilien

Die Leier                       An ein Mädchen
Ich will des Atreus Söhne,      Nicht fliehen musst du, Mädchen,
Ich will den Kadmos singen:     Vor diesen grauen Haaren!
Doch meiner Laute Saiten,       Nicht, weil der Jugend Blume
Sie tönen nur von Liebe.        Noch herrlich an dir leuchtet,
Jüngst nahm ich andre Saiten,   Verachten meine Gaben.
Ich wechselte die Leier,        Sieh nur am Kranze selber,
Herakles’ hohe Taten            Wie lieblich weiße Lilien
Zu singen: doch die Laute,      Mit Rosen sich verflechten!
Sie tönte nur von Liebe.
Lebt wohl denn, ihr Heroen!
Weil meiner Laute Saiten
Von Liebe nur ertönen.

20
Das Bildnis der Geliebten
Auf, du bester aller Maler,            Aber zu dem Blick des Auges
Male, allerbester Maler,               Musst du lauter Feuer nehmen.
Meister in der Kunst der Rhoder,       Blau sei dieses, wie Athenes,
Male mir, wie ich dir sage,            Wie Kytheres feucht in Liebe.
Die entfernte liebste Freundin!        Wirst du Nas’ und Wange malen,
                                       So vermische Milch und Rosen.
Erstlich weiche schwarze Haare,        Gib ihr Lippen gleich wie Peithos,
Und, will es dein Wachs vergönnen,     Die zum Kusse lieblich locken.
Male sie von Salbe duftend.            In dem weichen Kinne mitten,
Oben, wo die Wangen enden              Um des Halses Marmor schweben
– Deren eine ganz sich zeige –         Alle Chariten vereinigt!
Male unter dunkeln Locken              Endlich lass in lichtem Purpur
Weiß wie Elfenbein die Stirne;         Ihr Gewand hinunterwallen,
Lass die Bogen dann der Brauen         Fleisch ein weniges durchschimmern
Sich nicht trennen, nicht verbinden,   Und den Umriss nur erscheinen.
Sondern, wie bei ihr, gelinde
Ineinander sich verlieren;             – Doch genug! Schon steht sie vor mir!
Dunkel wölbe sich die Wimper.          Nächstens wirst du, Bild, auch reden.

                                                                                21
Das Bildnis des Geliebten
Male den Bathyll mir also,           Selbst, wie du mir diese malest?
Meinen Liebling, wie ich sage.       Weich, von Überredung schwellend.
                                     Wisse kurz: das Bild, es müsse
Salbenglanz gib seinen Haaren,       Redsam selber sein im Schweigen!
Dunkel schattend nach dem Grunde,    Unterm Kinn, da schließe zierlich,
Außen aber Sonnenschimmer.           Wie ihn nicht Adonis hatte,
Kunstlos nur gebunden, lass sie,     Elfenbeinern sich der Hals an.
Wie sie eben wollen, selber          Gib ihm Brust und beide Hände
Sich in freie Locken legen;          Von der Maia schönem Sohne,
Und den zarten Schmelz der Stirne    Leih ihm Polydeukes’ Schenkel,
Schmücken dunkle Augenbrauen,        Bauch und Hüften ihm von Bakchos.
Dunkler als des Drachen Farbe.       Dann, ob jenen weichen Schenkeln,
Trotzig sei sein schwarzes Auge,     Jenen feuervollen, gib ihm
Doch von fern ein Lächeln zeigend;   Eine glatte Scham, die eben
Jenes nimm von Ares, dieses          Aphrodites Freuden ahne.
Von der lieblichen Kythere:          ‒ Aber deine Kunst, wie neidisch!
Dass man, bange vor dem einen,       Kannst du ihn doch nicht vom Rücken
Bei dem andern hoffen könne.         Zeigen! Herrlich, wenn du’s könntest!
Male seine Rosenwange                ‒ Soll ich erst die Füße schildern? ‒
Mit dem zarten Flaum der Quitte;     Nimm den Preis, den du verlangest,
Und sieh zu, dass sie das edle       Und gib diesen Phöbos auf, mir
Rot der Scheu erkennen lasse!        Den Bathyll daraus zu bilden.
Seine Lippen – weiß ich denn auch    Wirst du einst nach Samos kommen,
                                     Male nach Bathyll den Phöbos.

22
Erkennen
Das Ross führt an den Hüften
Ein eingebranntes Zeichen,
Und am gespitzten Hute
Mag man den Parther kennen.

Mit einem Blick, so will ich
Die Liebenden erkennen:
Ein zartes Mal ist ihnen
Gezeichnet in die Seele.

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Catull
An Lesbia

Lass uns leben, mein Mädchen, und uns lieben,
Und der mürrischen Alten üble Reden
Auch nicht höher als einen Pfennig achten.
Sieh, die Sonne, sie geht und kehret wieder;
Wir nur, geht uns das kurze Licht des Lebens
Unter, schlafen dort eine lange Nacht durch.
Gib mir tausend und hunderttausend Küsse,
Noch ein Tausend und noch ein Hunderttausend,
Wieder tausend und aberhunderttausend!
Sind viel tausend geküsst, dann mischen wir sie
Durcheinander, dass keins die Zahl mehr wisse
Und kein Neider ein böses Stück uns spiele,
Wenn er weiß, wie der Küsse gar so viel sind.

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