Perfekte Pläne - Lufthansa verbessert mit JMP die Qualität der Modelle für die Flugplanung

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Perfekte Pläne – Lufthansa verbessert mit JMP die Qualität der
                 Modelle für die Flugplanung

                                         Anja Simon
                                   Deutsche Lufthansa AG
                                   Airport Ring, Geb. 366
                                  60546 Frankfurt am Main
                                     anja.simon@dlh.de
                                       Zusammenfassung
     Der Lufthansa Airline-Verbund bietet seinen Passagieren ein weltweites Streckennetz von
     derzeit 250 Zielen in mehr als 100 Ländern. Tausende Starts und Landungen werden ge-
     plant, um passgenaue Umsteigeverbindungen anbieten zu können. Doch wie wird die At-
     traktivität einer solchen Verbindung gemessen? Wie kann abgewogen werden, welche
     Konsequenzen eine Verschiebung eines einzelnen Fluges um nur fünf Minuten nach sich
     zieht?
     Antworten liefert das von Lufthansa entwickelte Marktmodell, in dem die Entscheidungs-
     kriterien der Passagiere abgebildet sind. Seit 2012 ergänzt Lufthansa bei der Entwicklung
     und Kalibrierung von Modellen für die Flugplanung die statistische Datenaufbereitung mit
     SAS durch JMP bzw. JMP PRO. Durch den Einsatz dieses SAS-JMP Tandems hat sich die
     Entwicklungsgeschwindigkeit wesentlich erhöht und die Modellqualität deutlich verbes-
     sert.

Schlüsselwörter: JMP, SAS/ETS® PROC ARIMA, SAS/STAT® PROC NLIN, JMP
Graph Builder, JMP Script Language

1    Einleitung
Der Lufthansa Airline-Verbund bietet seinen Passagieren ein weltweites Streckennetz
von derzeit 250 Zielen in mehr als 100 Ländern. Tausende Starts und Landungen wer-
den geplant, um passgenaue Umsteigeverbindungen anbieten zu können. Doch wie wird
die Attraktivität einer solchen Verbindung gemessen? Wie kann abgewogen werden,
welche Konsequenzen eine Verschiebung eines einzelnen Fluges um nur fünf Minuten
nach sich zieht? Antworten liefert das von Lufthansa entwickelte Marktmodell, in dem
die Entscheidungskriterien der Passagiere abgebildet sind. Es bewertet die Attraktivität
einer Flugverbindung und rechnet diese in Marktanteile um. Hierzu werden große Men-
gen unterschiedlichster Daten aus internen und externen Quellen herangezogen. Mit
Hilfe komplexer analytischer Methoden wird daraus die Marktentwicklung prognosti-
ziert und das Streckennetz geplant und optimiert.
Von den knapp 75 Mio. Passagieren der Lufthansa in 2012 waren über 50 % Umsteige-
passagiere. Bei einem Interkontinental-Flug kommen auf einen Lokalpassagier etwa
drei Passagiere, die entweder einen Zubringer- oder Weiterflug gebucht haben. Daher
hat die Optimierung und Bewertung des Flugplans in Hinblick auf mögliche Verbin-
dungen einen großen Stellenwert in der Lufthansa Streckennetzplanung.
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2     Herausforderungen der Flugplanoptimierung

2.1 Erste Herausforderung: Identifizierung hochwertiger Märkte und
    Bestimmung der Verbindungsqualität
1,5 Millionen Flughafenpaare (z.B. von Washington, Dulles International Airport nach
Venedig, Marco Polo Airport) mit all ihren Direktflügen und Umsteigeverbindungen
werden analysiert, um die für Lufthansa wichtigsten Märkte zu identifizieren. Dabei
dienen als Datenquellen die Lufthansa Ticketcoupons, aggregierte Daten der Allianz-
partner, airlineunabhängige historische Buchungsdaten der Reservierungs-systeme,
Flughafenstatistiken und Flugpläne. Dieses Daten-Puzzle wird mit Hilfe eines SAS-
Processings, in das bereits viele Jahre Entwicklungsaufwand eingeflossen sind, zusam-
mengefügt (welche Datenquelle ist für welche Verbindungen aussagekräftig, wo muss
ergänzt bzw. extrapoliert werden.) und geht in die Zeitreihen der Marktentwicklung ein
(SAS/ETS® – PROC ARIMA).

Abbildung 1: Streckennetz

Sind die Nachfragezahlen auf den einzelnen Märkten erzeugt, ist das Ziel des darauf
aufbauenden Prozesses, für die vielversprechendsten Märkte die Lufthansa Verbindun-
gen zu bewerten und zu optimieren.

Das hierbei verwendete Bewertungsmodell (Lufthansa Marktmodell) basiert auf einem
Logit-Modell, das derzeit auf über 750 Clustern mit ähnlichem Passagierwahlverhalten
kalibriert wird.
Dazu wird für jede Verbindung i eines Marktes und jede Passagiergruppe (z.B. Ge-
schäftsreisende auf dem Reise-Rückweg) eine Attraktivität Ui auf Basis von definierten
Entscheidungskriterien (Reisezeit, Zeitenlage, Verbindungsqualität, Airline, …) und
deren Gewichten errechnet. Die Attraktivität der jeweiligen Verbindung wird dann - im
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Rahmen des Logit-Modells - in Relation gesetzt und so der Marktanteil jeder einzelnen
Verbindung i für die jeweilige Passagiergruppe ermittelt:

                                    mit K als Menge aller Verbindungen des Marktes.
                    ∑ ∈

2.2 Zweite Herausforderung: Optimale Abstimmung der Zeitenlagen
Sind die für Lufthansa relevanten Märkte identifiziert, kann mit Hilfe der Bewertung
durch das Lufthansa Marktmodell die Zeitenlage der Flüge im Hub (Drehkreuz) so ver-
ändert werden, dass
    wichtige Verbindungen optimiert,
    neue Verbindungen geschaffen und
    Slot- und rotationelle Restriktionen erhalten werden.

                             FRA
                    HOU
                                          ROM
     Arrival                                             Departure
                                          BOM
                                          CAI
                                          MIL

Abbildung 2: Optimierung der Umsteigeverbindungen über Frankfurt am Main

                                                                                 311
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2.3 Dritte Herausforderung: Anpassen der Flugzeuggröße auf die
    individuelle Nachfrage
Ziel des nächsten Optimierungsschrittes ist es, die verschiedenen Flugzeugtypen der
Lufthansa Passage Flotte optimal einzusetzen und schon möglichst früh eine stabile Zu-
ordnung von Flug und Fluggerät vorzunehmen. Hierzu wird ebenfalls auf die Nachfra-
gezahlen des Lufthansa Marktmodells zurückgegriffen. Am Ende des Optimierungspro-
zesses steht ein mit allen Restriktionen fliegbarer Flugplan.

Abbildung 3: Ausschnitt GUI Flugplanungs-Tool

3     Das JMP-SAS Tandem
Mit Hilfe von SAS begegnet Lufthansa diesen Herausforderungen durch eine Fülle
etablierter Prozesse. Für die Aufbereitung historischen Daten, der Zeitreihenprognose
und der Schätzung der Modell-Parameter sind SAS/ETS®, Base SAS® und
SAS/STAT® unverzichtbare Tools.
Durch die sich verändernde Basis der historischen Daten – aus ihren verschiedenen
Quellen und mit ihren unterschiedlichen Granularitäten – wird die Frage immer präsen-
ter, wie mit Lücken in den Datentöpfen umzugehen ist. Die Datenbasis wird durch den
Trend zur Online-Direktbuchung nicht nur kleiner, sondern verliert auch an Repräsenta-
tivität. Diese Entwicklung macht es schwer, Modelle zu finden, die tatsächlich Aussa-
gekraft für die Bewertung zukünftiger Flugplanszenarien haben.
Um dies aufzufangen, musste bei der Kalibrierung des Marktmodells die Zielgröße des
mathematischen Fits auf die Datenhistorie durch eine Kombination aus Fit und Spezia-

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listenwissen ersetzt werden. Aber wie lässt sich erkennen, ob ein Modell tatsächlich die
Realität abbildet oder ob es wegen der mangelhaften Datenbasis unbrauchbar ist?

Abbildung 4: SAS/JMP-Tandem

Lösungen bieten hier verschiedene Visualisierungstechniken in Kombination mit einem
speziell auf das Modellverständnis und die Modelleffekte ausgelegten Prototypings.

Seit 2012 setzt Lufthansa bei der Kalibrierung, Weiterentwicklung und Qualitätssiche-
rung des Marktmodells für die Flugplanerstellung und Optimierung mit Erfolg auf ein
SAS/JMP-Tandem, das den zuvor genannten Fragestellungen gerecht wird.

3.1 Prototyping mit JMP
Typische Fragen für das Prototyping sind: Wie lässt sich das Marktmodell innerhalb
eines Schätzschrittes auf verschieden granularen Datentöpfen kalibrieren? Und wie lässt
sich eine solche Kalibrierung in PROC NLIN umsetzen?
Wie kann das Risiko eines Passagiers bei einer Umsteigeverbindung den Anschlussflug
zu verpassen, modelliert werden? Und wie lassen sich die einzelnen Flughäfen als Um-
steigeknoten bezüglich dieses Risikos clustern?
Auf welchen Märkten haben Passagiere ähnliche Abflugs- oder Ankunftszeitpräferen-
zen und wie viele dieser Märkte müssen mit welchen Charakteristika im Cluster vor-
handen sein, um eine „echte“ Kalibrierung der Zeitenpräferenzkurven zu erlauben?

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Durch das Prototyping und Testen von Ansätzen mit JMP und anschließender Imple-
mentierung in SAS konnte die Umsetzungsgeschwindigkeit und Prozessqualität deutlich
erhöht werden. Die Modelle und Kalibrierungen zeigen durch den Einsatz der JMP/SAS
Kombination einen deutlichen Trend weg von dem Fokus auf den mathematischen Fit
und hin zur Robustheit und Interpretierbarkeit.

3.2 Visualisierung und Karten
Analyseergebnisse können mit Hilfe von JMP schnell visualisiert werden. Es sind be-
reits Landkarten hinterlegt, die gerade bei Daten mit geographischem Bezug schnelle
Übersicht ermöglichen. Auch ist es leicht möglich, sich durch selbst definierte „Karten“
speziell auf die Fragestellung zugeschnittene Berichte zu erzeugen. Bei einer selbst de-
finierten JMP Landkarte werden „Länder“ durch Eckpunkte eines Polygonzugs vorge-
geben und mit einem Namen belegt, der anschließend im JMP Graph Builder direkt
verwendbar ist. Auf diese selbst definierten Landkarten kann dann bei allen ähnlich ge-
lagerten Visualisierungswünschen zugegriffen werden. So konnte durch selbst gestaltete
Karten für das Lufthansa Marktmodell eine „visuelle Metrik“ oder ein „visuelles Ab-
standsmaß“ entwickelt werden. Mit dessen Hilfe ist es viel leichter als durch einen rein
mathematischen Algorithmus zu entscheiden, wann sich die Auswirkungen zweier Mo-
dell-Parametersätze (die sich als reine Zahlen völlig verschieden darstellen können) ei-
nander ähneln oder unterscheiden.

Abbildung 5: „visuelle Metrik“ - schnelles Erkennen von Mustern, Unterschieden und
Ähnlichkeiten durch gefärbte, selbstdefinierte JMP Karten

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3.3 Qualitätssicherung
Bei der Qualitätssicherung ist es entscheidend, die richtige Darstellungsform auszu-
wählen. Hier bietet der JMP Graph Builder eine Vielzahl von Möglichkeiten.

Dies wird im Folgenden beispielhaft an der Abflugszeitpräferenz für eine bestimmte
Gruppe von Verbindungen erläutert. Bei den Abflugszeitpräferenzen geht es darum zu
modellieren, welche Zeiten sich unter der Woche – auf Basis der historischen Daten –
für die Passagiere als besonders attraktiv (hoher Wert in der Zeitenpräferenzkurve) oder
unattraktiv (niedriger Wert) darstellen.
Der einfachste Weg, um sich die durch PROC NLIN berechnete Kurve in JMP ausge-
ben zu lassen, ist das Abtragen der Attraktivitätswerte im Graph Builder als leicht ge-
glättete Kurve. Auf der x-Achse sind dabei Zeiten im Wochenverlauf abgetragen, der
Wert der y-Achse gibt die Attraktivität der jeweiligen Zeitenlage an.
Aus der Graphik lässt sich die Unattraktivität eines nächtlichen Abfluges ablesen, für
die Wochentage Mo-Sa zeigen sich die Zeiten am Morgen als Tages-Maximum, dem
ein „Mittags-Tief“ und ein schwächeres Maximum am Abend folgt.

Abbildung 6: Abflugszeitpräferenzen über die „Time-Of-Week“

Am Sonntag kehrt sich das Bild um und die Flüge am späten Nachmittag erscheinen
leicht attraktiver.

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Soweit scheint die Kurve durchaus nachvollziehbar. Vor ihrem Einsatz im Marktmodell
muss sie aber noch weitere Plausibilitätsprüfungen bestehen. So ist von einer „verwend-
baren“ Attraktivitätskurve zu erwarten, dass sich die lokalen Extrema an den Wochen-
tagen ungefähr zur gleichen Tageszeit befinden.
Für diese Fragestellung ist die Graphik jedoch nur bedingt geeignet. Angebrachter wäre
hier statt der eindimensionalen Zeitachse „Time of Week“ eine Wochentags- (in der
folgenden Graphik die y-Achse) und eine Zeitdimension (x-Achse). Die Attraktivität
kann dann z.B. durch unterschiedliche Intensität der Färbung dargestellt werden.

Abbildung 7: Abflugszeitpräferenzen im Wochentages / Tageszeitraster

Abbildung 7 zeigt zu diesem Zweck eine einfache, selbst gestaltete JMP Landkarte, de-
ren „Länder“ sich als Quadrate leicht als Polygonzüge definieren lassen. Vorteil der hier
gezeigten Darstellungsform ist, dass man im Gegensatz zur ersten Graphik klar die
Symmetrie über die Wochentage (Mo = 1, So = 7) und das Abschwächen der Färbung
zum Wochenende erkennt, man jedoch ebenfalls sofort sieht, dass die Reihe 3 (Mitt-
woch) das Verhaltensmuster am Nachmittag durchbricht. Nachteil bei der Verwendung
dieser selbst definierten Landkarte ist jedoch das Missverhältnis von Wochentages- zu
Tageszeitenraster (x- zu y-Achse) und die dadurch bedingte Auflösung.

Aber auch dem kann durch eine eigens für diesen Zweck gestaltete JMP-Karte im
Graph Builder abgeholfen werden, die auch bei verschiedenen anderen Fragestellungen
gute Dienste leistet, bei denen es um das Abtragen von Werten für verschiedenen Zeiten
der Woche geht. Hier „wickelt“ sich die Zeit über den Wochenverlauf ähnlich einem
Schneckenhaus startend bei 0:00 Uhr Wochenanfang (innerer Kreis „M“) bis zum Wo-
chenende 24:00 Uhr (äußerer Kreis „S“) immer weiter auf, so dass die jeweilige Tages-
zeit aller Wochentage auf dem gleichen Sektor übereinanderliegen. Auch wenn die De-
finition der Polygonzüge dieser Karte sich etwas schwieriger als die der Quadrate ge-
staltete, macht doch die vielfältige Verwendbarkeit der Karte in der Visualisierung und
Qualitätssicherung den Aufwand wett.

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Abbildung 8: Abflugszeitpräferenzen in der „Zeiten-Schnecke“

Bei dieser Graphik lässt sich nun all das zuvor beschriebene und vor allem die Mitt-
wochs-Asymmetrie auf den ersten Blick ablesen und – in diesem Fall – die Zeitenpräfe-
renzkurve in der Qualitätssicherung der Marktmodell-Kalibrierung verwerfen.
Die eigens für die Modellierung entworfenen JMP Landkarten leisten jedoch nicht nur
bei der Auswahl von Kalibrierungsparametern und dem Prototyping gute Dienste, son-
dern auch bei der Visualisierung von Effekten in Präsentationen und Arbeitsbespre-
chungen.

Durch Verwendung der JSL (JMP Scripting Language) lassen sich – neben der AdHoc
Gestaltung im Graph Builder – zusätzlich Berichte generieren, die im Rahmen eines
Standardprozesses zur Qualitätssicherung und zur Ergebnispräsentation verwendet wer-
den können.

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Im nachfolgenden Beispiel wurde auf Basis einer Datentabelle erst der Bericht ohne
Kommentare erzeugt, dann die Kommentierung direkt in die Datentabelle eingetragen
und so beim zweiten Berichtsaufruf automatisch mit ausgegeben.

Abbildung 9: Standardbericht - Qualitätssicherung

3.4 Fazit
SAS und JMP ergänzen sich vorzüglich für die Bewältigung der im zweiten Kapitel
beschriebenen Herausforderungen. Durch die Mächtigkeit der SAS-Prozeduren in
Kombination mit schnellem JMP Prototyping und Visualisierungen läßt sich eine
gesteigerte Modellqualität bei deutlich höherer Entwicklungsgeschwindigkeit erreichen.

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