Persönlichkeitsstörungen - THEORIE UND THERAPIE - Dr. med. Melanie ...

 
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Persönlichkeitsstörungen - THEORIE UND THERAPIE - Dr. med. Melanie ...
Autorenexemplar – nur zur persönlichen Verwendung

                                                                            Persönlichkeitsstörungen
                                                                            THEORIE UND THERAPIE
                                                     2 | 2019
Persönlichkeitsstörungen 2019; 23: 73–152

                                                                             Der Körper
                                                                             Heftherausgeber: Birger Dulz, Peer Briken
www.ptt-online.info

                                            Herausgeber:
                                            Otto F. Kernberg, New York
                                            Götz Berberich, Windach
                                            Peer Briken, Hamburg
                                            Anna Buchheim, Innsbruck
                                            Stephan Doering, Wien                    Verbandsorgan der Gesellschaft
                                            Birger Dulz, Hamburg                     zur Erforschung und Therapie
                                            Maya Krischer, Köln                      von Persönlichkeitsstörungen (GePs) e.V.
                                            Martin Sack, München
                                                                    © Klett-Cotta Verlag, J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Rotebühlstr. 77, 70178 Stuttgart
Autorenexemplar – nur zur persönlichen Verwendung
                                                                                                                    87

Trauma, Borderline und Sexualität
Melanie Büttner

Zusammenfassung                                                Abstract
Traumatisierungen spielen nicht nur bei der Ent­               Trauma, borderline and sexuality: Trauma not
stehung von Borderline-Persönlichkeitsstörun­                  only plays an important role in the development
gen eine wichtige Rolle, sie können sich auch                  of borderline personality disorders, it can also
auf die Sexualität auswirken. Einige klinische                 affect sexuality. Some clinical and scientific ob­
und wissenschaftliche Beobachtungen deuten                     servations also suggest that certain sexual prob­
außerdem darauf hin, dass bestimmte sexuelle                   lems typically reported by borderline patients
Probleme, über die Borderline-Patienten1 ty­                   are linked with traumatic experiences. Trau­
pischerweise berichten, wahrscheinlich mit trau­               ma-associated sexual disorders can be very mul­
matischen Erfahrungen in Verbindung stehen.                    tifarious and often result in severe self-damage,
Traumaassoziierte sexuelle Störungen können                    revictimisation, partnership problems, lack of
sehr vielgestaltig sein und ziehen nicht selten                relationships and crisis. Trauma-modified treat­
schwere Selbstschädigungen, Reviktimisierun­                   ment approaches can help patients to develop
gen, Partnerschaftsprobleme, Beziehungslosig­                  a more self-caring and self-determined way of
keit und krisenhafte Einbrüche nach sich. Trau­                dealing with their sexuality.
mamodifizierte Behandlungsansätze können
Betroffenen helfen, einen selbstfürsorglicheren
und selbstbestimmteren Umgang mit ihrer Se­
xualität zu entwickeln.

Schlüsselwörter                                                Keywords
Trauma; sexuelle Gewalt; Borderline-Persön­                    trauma; sexual violence; borderline personality
lichkeit; Sexualität; posttraumatische Belas­                  disorder; sexuality; posttraumatic stress disorder
tungsstörung

                                                               kein notwendiges Kriterium für die Diagnose
1. Borderline und Trauma                                      einer Borderline-Persönlichkeitsstörung dar­
                                                               stellt, so spielen frühe und anhaltende Bezie­

N    ach heutigem Verständnis unterliegt die
     Entstehung der Borderline-Persönlichkeits­
störung einem Zusammenspiel von genetischen,
                                                               hungstraumatisierungen wie Vernachlässigung
                                                               und Misshandlungen emotionaler, körperlicher
                                                               oder sexueller Natur dabei eine zentrale Rolle
neurobiologischen und psychosozialen Fakto­                    (­Giourou 2018). Dies gilt in besonderem Maße
ren. Und obwohl das Vorhandensein von trau­                    für sexuelle Gewalterfahrungen, was sich auch
matischen Erfahrungen in der Lebensgeschichte                  daran zeigt, dass das Vorhandensein von sexuel­
                                                               len Gewalterfahrungen bei Borderline-Patien­
1   In diesem Beitrag gehe ich von einer Frau als Patientin
                                                               ten mit einer höheren Symptomlast und einer
    und einem Mann als Täter bzw. Partner aus, da man dieser   schlechteren Prognose einhergeht (de Aquino
    Konstellation in der Praxis am häufigsten begegnet. Män­
    ner als Patienten, Frauen als Partnerinnen und homosexu­
                                                               Ferreira et al. 2018).
    elle Partnerschaften sind mitgemeint.

Persönlichkeitsstörungen 2019; 23: 87  –  100                                               www.ptt-online.info

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      Anteil der Personen mit Borderline-Störung, bei denen zusätzlich eine PTBS vorliegt
      (Frías 2014)
      in der Bevölkerung                                 30 – 70 % (Frías 2014)
      in klinischen Stichproben                          33 – 79 % (Frías 2014)
      Anteil der Personen mit Borderline-Störung, bei denen zusätzlich eine komplexe posttrauma­
      tische Belastungsstörung vorliegt
      in klinischen Stichproben                          34 % (Barnow et al. 2005) bzw. 80 %
                                                         (Sauer 2013)

     Abb. 1   Komorbiditätsraten von Borderline- und Traumafolgestörungen

     BPS sind außerdem sehr häufig von Trauma­            traumatische Belastungsstörung und die Bord­
     folgestörungen wie der posttraumatischen Be­         erline-Störung als ein Cluster von komorbiden
     lastungsstörung (PTBS) und der komplexen             Diagnosen zu definieren, das sich entlang eines
     posttraumatischen Belastungsstörung begleitet        Kontinuums von ansteigender Traumaschwere
     (siehe Abb. 1). Dies wird auch durch die Ergeb­      und neurobiolo­gischen Faktoren bewegt (Giou­
     nisse einer umfangreichen deutschen Multicen­        rou 2018).
     terstudie belegt (Sack et al. 2011, 2013; Dulz           Psychische Diagnosen sind theoretische
     et al. 2013). Auch die Symptombilder der drei        Konstrukte, die ebenso im Fluss sind wie unser
     Störungen ähneln sich auffällig, ebenso wie ihre     ­Verständnis der Störungsbilder, die sie zu um­
     neurobiologischen Korrelate (Giourou 2018)           grenzen suchen. Sie dienen maßgeblich dazu,
     und ­   Komorbiditätsprofile. Sowohl Borderline-     passende Therapieentscheidungen zu treffen.
     als auch Traumafolgestörungen sind regelmäßig         Was die Borderline-Störung betrifft, wurde wäh­
     von Depressionen, Angst-, Zwangs- und Ess­           rend der vergangenen Jahre immer deutlicher,
     störungen sowie Substanzmissbrauch begleitet         wie wichtig es ist, dabei einen möglichen Trau­
     (­Cillien & Ziegler 2013).                           mahintergrund im Kopf zu haben.
         Was die Borderline-Störung und die kom­
     plexe posttraumatische Belastungsstörung be­
     trifft, die für die Aufnahme in die ICD-11 vor­      2. Trauma und Sexualität
     geschlagen wurde, so überschneiden sich die
     Diagnose­kriterien sogar in mehreren Punkten:        Sexualität ist ebenfalls ein biospsychosoziales
     Affekt- und Impulsregulation, Selbstbild, Be­        Geschehen, das von vielfältigen biologischen,
     ziehungsgestaltung und Dissoziation. Während         psychologischen und sozialen Faktoren be­
     manche Fachkollegen deshalb bestreiten, dass         stimmt wird (siehe Abb. 2). Traumatische Erfah­
     die komplexe posttraumatische Belastungsstö­         rungen, die Einfluss auf die Sexualität nehmen,
     rung eine eigenständige Diagnoseeinheit dar­         ereignen sich zumeist in der Beziehung zu an­
     stellt, und sich gegen deren Aufnahme in die         deren Menschen. In Abhängigkeit von der Art
     ICD-11 aussprechen, argumentieren andere,            des Traumas und der individuellen Vulnerabilität
     dass es sich bei der Borderline-Störung und der      der Betroffenen wirken sie sich störend auf zahl­
     komplexen posttraumatischen Belastungsstö­           reiche andere Stellgrößen aus (Büttner 2018a),
     rung um phänomeno­      logische Varianten einer     z. B.:
     Traumafolgestörung handelt, die ausschließlich
     nach wiederholter bzw. anhaltender Traumati­
     sierung in Erscheinung treten. Zusätzlich wurde
     vorgeschlagen, die PTBS, die komplexe post­

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■■ psychische Wirkfaktoren: psychische Ge­           mit einem häufigeren Auftreten von sexuellen
   sundheit, Persönlichkeit, aktuelle seelische      Störungen (Classen et al. 2005; Lemieux & Byers
   Verfassung, im Einzelfall sexuelle Orientie­      2008) und einer ausgeprägteren Symptomatik
   rung und Geschlechtserleben                       verbunden (Hall 2007).
■■ biologische Wirkfaktoren: körperliche Ge­
   sundheit, Hormonlage, Neurobiologie, Not­         Auch für emotionale und körperliche Miss­
   wendigkeit einer medikamentösen oder an­          handlungen und Vernachlässigung in der Kind­
   derweitigen medizinischen Behandlung              heit sind entsprechende Zusammenhänge be­
■■ andere soziale Wirkfaktoren: sexuelle und         schrieben. Gleiches gilt für Gewalt durch Partner
   nicht-sexuelle Beziehungen, Umgang mit            und Expartner, traumatisch erlebte Geburten
    Einflüssen von Gesellschaft, Medien etc.,        und ­gynäkologische Eingriffe, Folter, Inhaftie­
   ­aktuelle Lebensumstände                          rung, Terroranschläge und Autounfälle (Büttner
                                                     2018a). Polytraumatisierungen sind dabei keine
Am besten untersucht ist die Situation von           Seltenheit. Wer z. B. in der Kindheit sexuellen
Menschen, die sexuelle Gewalt erlitten haben.        Missbrauch erlebt hat, ist oft auch emotional und
Für viele von ihnen ist der Umgang mit Sexua­        körperlich misshandelt und vernachlässigt wor­
lität hochproblematisch. Doch nicht nur nach         den. Bei diesen Betroffenen finden sich ­sexuelle
­sexuellem Missbrauch in der Kindheit kommt es       Symptombilder von besonderer Schwere, sodass
besonders oft zu sexuellen Störungen, sondern        sich davon ausgehen lässt, dass sich die Effekte
auch nach Übergriffen in der Adoleszenz und          der verschiedenen Traumatisierungen addieren
im Erwachsenenalter (Bütter 2018a). Wieder­          (Seehuus et al. 2015).
holte und penetrative sexuelle Gewalt ist dabei

Abb. 2 Biopsychosoziale Ätiologie sexueller Störungen (modifiziert nach Büttner 2018a)

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     3. Sexuelle Störungen nach                               verhungern. Deshalb nehme ich manchmal
                                                               eine Tavor, damit es geht. Sex gehört ja zu
         sexueller Gewalt                                      einer Beziehung dazu. Wenn ich ihm das
     Die folgenden Störungsbilder sind bei Frauen              nicht geben kann, wird unsere Ehe eines
     und Männern mit sexuellen Gewalterfahrungen               Tages zerbrechen. Vor nichts habe ich mehr
     regelmäßig anzutreffen:                                   Angst.«

                                                          Viele Patienten, die in der Vergangenheit sexu­
     3.1. »Sexuelle PTBS«
                                                          elle Gewalt erlebt haben, werden in ihrer heu­
                                                          tigen Sexualität von belastenden Erinnerungen
         Fallbeschreibung 1                               überwältigt. Getriggert durch sexuelle Aktivität
         (weiblich, Mitte Dreißig; sexuelle Gewalt        steigen Gefühle wie Ekel, Ohnmacht und Angst
         in Kindheit und Jugend)                          in ihnen auf. Bilder des Übergriffs oder Fanta­
                                                          sien mit traumaähnlichen gewalttätigen Hand­
         »Sex zu haben, ist für mich sehr schwie­         lungen besetzen die Wahrnehmung. Einige Be­
         rig. Schon berührt zu werden, ertrage ich        troffene reagieren auch körperlich: Körpernahe
         kaum, vor allem an der Brust oder im Intim­      Erinnerungen vermitteln ihnen den Eindruck, sie
         bereich. Wenn mein Mann mich da anfasst,         seien noch vom Sperma des Täters beschmutzt
         empfinde ich Ekel und will nur weinen.           oder im Intimbereich verwundet. Somatoforme
         Wenn sein Penis in mir ist, tut das sehr         Dissoziation lässt den Körper wie gelähmt, be­
         weh. Manchmal werde ich so eng, dass er          täubt oder abgeschaltet fühlen (Büttner 2018b).
         gar nicht mehr hineinpasst. Ich war schon        Muskuläre Verspannungen des Beckenbodens
         bei verschiedenen Gynäkologen. Da heißt          führen zu Schmerzen bei der Penetration, bei
         es immer, dass alles in Ordnung ist. Wenn        Frauen gelegentlich auch zu Vaginismus, bei
         es doch mal klappt, bin ich meistens nach        Männern zu Schmerzen im Bereich von Penis,
         einer Weile nicht mehr handlungsfähig.           Hoden, Damm, Prostata oder Anus (Paschinger
         Ich mache wie ein Roboter alles mit, fühle       & Büttner 2018). Treten sexuelle Erregung oder
         mich aber wie eingefroren und spüre mei­         Orgasmen auf, so empfinden nicht wenige Be­
         nen Körper nicht mehr. Am liebsten möchte        troffene vor allem Abscheu.
         ich schreien, »Hör auf! Ich will das nicht!«.       Dieses verstörende Erleben kann selbstabwer­
         Aber ich weiß, ich habe kein Recht dazu.         tende und ohnmachtsbestärkende Kognitionen
         Ich bin es nicht wert, dass man auf mich         auslösen, die von Scham, Schuldgefühlen, Selbst­
         Rücksicht nimmt.                                 hass oder auch Wut auf den Partner begleitet sind.
         Sex ist nicht erregend für mich, Orgasmen        Zum Schutz vor weiterer Überforderung kommt
         habe ich fast nie. Nur manchmal, wenn            es bisweilen auch zur psychoformen Dissozia­
         mein Mann mir Oralsex gibt, passiert es.         tion: Das Geschehen wirkt weit entfernt oder
         Vor meinem inneren Auge läuft dann ein           wird ganz ausgeblendet. Nicht selten besteht hin­
         Film ab, in dem ich Bilder aus dem Miss­         terher nur noch eine vage Erinnerung daran.
         brauch sehe. Das ist abscheulich, aber hef­         Für einen Teil der Betroffenen ist das Vermei­
         tig erregend und ich komme ganz schnell.         den von Sexualität die einzige Möglichkeit, sich
         Hinterher fühle ich mich dreckig und             ausreichend sicher und geschützt zu fühlen. Das
         möchte mich am liebsten übergeben.               kann so weit gehen, dass sie sogar auf eine Part­
         Wann immer es möglich ist, gehe ich Sex          nerschaft und Kinder verzichten und stattdessen
         aus dem Weg. Aber wenn das zu oft pas­           lieber Beziehungslosigkeit und Einsamkeit in
         siert, fühle ich mich schlecht, weil ich mei­    Kauf nehmen. Andere Betroffene begreifen Sex
         nem Mann ja eine gute Frau sein will. Er         als »Währung, die man zahlen muss, um Bezie­
         hat es nicht verdient, am langen Arm zu          hung zu bekommen« und versuchen ihn irgend­

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Trauma, Borderline und Sexualität                                                                          91

Abb. 3 »Sexuelle PTBS« (Büttner 2018b)

wie durchzustehen, um nicht alleine bleiben zu        Nicht selten ist eine solche Symptomatik der
müssen. Aushalten, sich mit Alkohol, Drogen           Grund für wiederholte psychische Destabi­
und Beruhigungsmitteln vom Geschehen dis­             lisierungen und Auslöser für depressive Pha­
tanzieren oder restriktiv kontrollieren, was beim     sen, selbstverletzendes Verhalten, Alltagsdisso­
Sex geschieht, sind verschiedene Strategien, die      ziation, vermehrten Substanzkonsum oder sogar
Betroffene versuchen, um »sexuell funktionie­         suizidale Krisen.
ren« zu können (Büttner 2018b).
   Ein Teil der hier beschriebenen Symptomatik        Auch in bestehenden Partnerschaften kann es zu
lässt sich als PTBS verstehen, die sich als Re­       Problemen kommen. Manche Partner leiden z. B.
aktion auf ein sexuelles Trauma im Bereich der        darunter, dass kaum oder gar keine Sexualität
Sexualität manifestiert (siehe Abb. 3). Zusätzlich    möglich ist – zum Teil über Jahre. Andere sind
sind unter Umständen die ICD-10-Kriterien             verunsichert, weil sie nicht wissen, wie sie sich
■■ einer dissoziativen Sensibilitäts- und Empfin­     beim Sex verhalten sollen. Überall scheinen Trig­
   dungsstörung (F44.6) und / oder                    ger zu lauern, »wie in einem Minenfeld« – nie
■■ einer nichtorganischen Dyspareunie (F52.6)         kann man wissen, was man womöglich auslöst.
   bzw. eines Vaginismus (F52.5) erfüllt, nach        Oft sind der Frust und die Enttäuschung groß,
   ICD-11 zukünftig einer sexuellen Schmerz­          manchmal aber auch die Wut auf die Täter. So
   störung.                                           manches Paar verwickelt sich deshalb in anhal­

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     tende Konflikte um die gemeinsame Sexua­lität.               HIV infiziert?‹. Ich glaube ich habe Angst,
     Einige Partner weichen auf sexuelle Akti­vitäten             dass der Mann das Interesse an mir verliert,
     außerhalb der Beziehung aus – Pornokonsum,                   wenn ich sage, dass ich lieber mit Kondom
     Online-Sex, Nebenbeziehungen. Das kann die                   Sex haben möchte.«
     Beziehung manchmal vordergründig stabilisie­
     ren, andererseits birgt es das Risiko, dass die Part­   Wenn Betroffene die Erfahrung gemacht haben,
     ner weiter auseinandertreiben. Letztlich kommt          dass sie sich sexuell fügen müssen, um Aufmerk­
     es auch vor, dass betroffene Paare sich wegen der       samkeit und Zuwendung zu erhalten, gehen
     sexuellen Probleme trennen (Büttner 2018d).             sie auch später oft sexualisiert in Kontakt, ohne
                                                             auf ihre Schutzbedürfnisse zu achten. Eine ver­
     Aversion gegen Sexualität und das Vermeiden             minderte Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und
     von sexueller Aktivität nach sexuellen Gewalt­          Selbstbehauptung macht es ihnen schwer, per­
     erfahrungen werden in der wissenschaftlichen            sönliche Grenzen zu erkennen und gegenüber
     Literatur gelegentlich unter dem Begriff »Hypo­         einem Sexpartner zu vertreten. Weil ihnen ein
     sexualität« zusammengefasst, z. T. gemeinsam            rücksichtsloser Umgang vertraut ist, fällt es ih­
     mit sexuellen Funktionsstörungen (u. a. Rellini         nen außerdem schwer, Gefahren als solche zu
     2008; Schwartz 2008). Da es aber keinen Norm­           identifizieren. Andere Betroffene empfinden
     wert für Sexualität gibt, an dem sich die Sympto­       starke selbstschädigende Impulse oder einen
     matik messen ließe, kann man diese Begriffswahl         Drang, Aspekte aus der sexuellen Gewalterfah­
     durchaus kritisieren. Andererseits lässt sich damit     rung erneut zu durchleben.
     eine immer wieder zu beobachtende sympto­                  Auf diese Weise kann es zu verschiedenen
     matische Polarität beschreiben. Ein Teil der Be­        Selbstgefährdungen kommen: riskante Sexprakti­
     troffenen erlebt nämlich Wechsel von sexueller          ken, ungeschützter Sex, ständig wechselnde Sex­
     Vermeidung und riskantem oder gesteigertem,             partner und lebensgeschichtlich besonders frühe
     suchtartigem Sexualverhalten, was sich nach             Sexualität sind charakteristisch für diese Patien­
     Vorschlag der genannten Autoren als »Hyperse­           tengruppe. Oft sind Alkohol und Drogen im Spiel,
     xualität« verstehen lässt. Riskantes und suchtarti­     was es zusätzlich schwer macht, ­Risiken richtig
     ges Sexualverhalten können aber auch als eigen­         einzuschätzen und sich selbstfürsorglich abzu­
     ständige Symptomatik in Erscheinung treten.             grenzen. Sexuell übertragbare Erkrankungen,
                                                             unerwünschte Schwangerschaften und wieder­
                                                             holte Viktimisierungen gehören zu den typischen
     3.2. Sexuelles Risikoverhalten
                                                             Folgen sexuellen Risikoverhaltens. Aber auch zu
          Fallbeschreibung 2                                 Fremdgefährdungen kann es kommen, indem se­
          (weiblich, Ende Zwanzig; sexuelle Gewalt           xuell übertragbare Erkrankungen an Sexpartner
          in der Kindheit)                                   weitergegeben werden (Büttner 2018c).
          »Ich werde mit Männern einfach nicht
          glücklich. Dabei gebe ich ihnen alles, was              Fallbeschreibung 3
          ich kann. Männer brauchen Sex, deshalb                  (weiblich, Ende Dreißig; sexuelle und kör-
          strenge ich mich total an und tue, was im­              perliche Gewalt in der Kindheit)
          mer sie wollen – selbst wenn es weh tut.                »Als Kind hatte ich schon Fantasien, in
          Ich denke mir, wenn ich einen Mann zu­                  denen es um Sex und Gewalt ging. Zuerst
          friedenstelle, bleibt er vielleicht bei mir.            habe ich mich dafür geschämt, aber dann
          Meistens verlieren die Männer aber nach                 habe ich es akzeptiert und auch in der Rea­
          ein paar Treffen das Interesse und ich fühle            lität ausgelebt. Ich dachte, ich bin eben so.
          mich benutzt und weggeworfen. Dann                      Jahrelang habe ich auf SM-Partys und on­
          kommt die Panik: ›Warum habe ich bloß                   line nach Partnern gesucht, denen ich mich
          kein Kondom benutzt? Habe ich mich mit                  total ausgeliefert habe. Regeln und Abspra­

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Trauma, Borderline und Sexualität                                                                          93

     chen gab es nicht. Nach und nach wur­                 grundsätzlich tolerant, aber das ist bisher
     den die Spiele extremer. Gespürt habe ich             noch jedem zu viel geworden.«
     mich nur noch im Schmerz. Manchmal ist
     auch etwas schiefgegangen. Mehr als ein­         Einige Menschen, die sexuelle Gewalt erlebt ha­
     mal bin ich hinterher auf der Krisenstation      ben, empfinden ein intensives Verlangen nach
     gelandet. Mit der Zeit ging es mir immer         bestimmten sexuellen Aktivitäten und haben
     schlechter. Erst in der Traumatherapie habe      Schwierigkeiten damit, ihr sexuelles Verhalten
     ich verstanden, dass ich dissoziiere. Nach       zu regulieren. Sie verbringen viel Zeit mit dem
     einer SM-Session war ich tagelang neben          Konsum von Pornos oder Online-Sex, mastur­
     der Spur. Irgendwann ist mir klargeworden,       bieren exzessiv, verspüren einen starken Drang,
     dass ich durch diese Spiele immer wieder         immer neue Sexkontakte einzugehen oder for­
     mein Trauma durchlebe und mich eigent­           dern in festen Beziehungen immer extremere
     lich selbst verletze.«                           Spielarten. Selbst angesichts von möglichen
                                                      Schädigungen für sich selbst und andere gelingt
Auch Prostitution als eine spezielle Form se­         es ihnen nicht, ihr Verhalten zu kontrollieren.
xuellen Risikoverhaltens ist in vielen Fällen mit     Probleme in bestehenden Partnerschaften, der
sexuellen Gewalterfahrungen in der Lebens­            Familie oder am Arbeitsplatz gehören zu den
geschichte assoziiert. Eine deutsche Studie of­       typischen ­Folgen. Wer sein Verhalten kosten­
fenbarte beispielsweise, dass 43 % der befragten      pflichtig im Netz auslebt oder andere Sexdienst­
Prostituierten bis zum 16. Lebensjahr sexuellen       leistungen in Anspruch nimmt, ist mit der Zeit
Missbrauch erlebt hatten, und zwar zumeist wie­       außerdem nicht selten überschuldet.
derholt. 59 % waren im späteren Verlauf ihres             Die Impulskontrollstörung, die der Symp­
Lebens sexueller Gewalt ausgesetzt, und zwar          tomatik zugrunde liegt, kann zwanghafte, sucht­
sehr oft bei der Ausübung ihrer Arbeit (Bundes­       hafte oder dissoziative Züge tragen (Bancroft
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und         2008). Oft dient sie der Bewältigung von unan­
Jugend 2004).                                         genehmen Gefühlen, Stimmungen oder Stress.
                                                      Aber auch Reinszenierungstendenzen, Bewäl­
                                                      tigungsversuche zur Regulation von posttrau­
3.3. Suchtartiges Sexualverhalten
                                                      matischem Stress, Selbstwertproblemen, Scham
      (Nicht-paraphile hypersexuelle
                                                      oder Schuld oder auch eine Kompensation von
      Störung)
                                                      Ängsten vor Grenzverletzungen im intimen Kon­
     Fallbeschreibung 4                               takt werden als mögliche Einflüsse von sexuellen
     (männlich, Mitte Vierzig; sexueller Miss-        Gewalterfahrungen diskutiert. Dennoch – dar­
     brauch im Vorschulalter)                         auf weisen von Franqué und Briken (2018a) im
     »Ich bin wie getrieben. Ständig durchforste      Hinblick auf diese Zusammenhangshypothesen
     ich das Internet nach Pornos oder suche in       hin – ist sexueller Missbrauch wahrscheinlich
     Dating-Portalen nach Männern, die ich zum        ein unspezifischer Faktor, der zwar eine solche
     Sex treffen kann. Vor allem wenn ich Stress      Symptomatik verschärfen kann, aber nicht al­
     habe oder down bin, kann ich das kaum            leine für deren Entstehung verantwortlich ist.
     kontrollieren. Manchmal geht dafür so viel
     Zeit drauf, dass ich meine Arbeit nicht mehr          Fallbeschreibung 5
     erledigt bekomme. Das hat schon zu Pro­               (weiblich, Ende Dreißig; sexueller Miss-
     blemen im Job geführt. Die Männer, mit                brauch durch den Großvater in der Kind-
     denen ich länger zusammen war, haben                  heit)
     alle irgendwann die Reißleine gezogen.                »Es sind die alten Männer, zu denen es mich
     Auch weil es mit ihnen im Bett nicht mehr             treibt – vor allem die, die unausstehlich
     geklappt hat. Viele in der Gay-Szene sind ja          sind. Ich muss sie anmachen und sie dazu

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          bringen, mit mir Sex zu haben, ständig und       auf die Allgemeinheit aller Männer, was bis hin
          überall. Das ist wie ein Zwang. Außerdem         zu einer Aversion gegen das gesamte männ­liche
          bin ich süchtig nach Orgasmen. Wenn ich          Geschlecht führen kann. Für einen Teil von ih­
          beim Sex keinen habe, überkommt mich             nen ist Sexualität ein Bestandteil der gleichge­
          eine unglaubliche Verzweiflung. Sex und          schlechtlichen Beziehung, andere klammern
          Liebe sind bei mir wie abgespalten. Wenn         diesen Lebensbereich aus. In einigen Fällen
          ich einen Mann mag, passiert bei mir gar         kann es vor dem Hintergrund dieser Thematik
          nichts. Erregend sind für mich nur Typen,        u. a. zu Identitätsunsicherheiten und Selbstwert­
          die ich eigentlich widerlich finde.«             problemen kommen.
                                                               Männer, die sexuelle Gewalt durch andere
                                                           Männer erlebt haben und sich heute zu Män­
     3.4. Sexuelle Funktionsstörungen
                                                           nern sexuell hingezogen fühlen, stellen sich
     Ein vermindertes sexuelles Verlangen, Erregungs-      hingegen machmal die Frage, ob ihre sexuelle
     und Orgasmusstörungen treten bei Betroffenen          Orientierung möglicherweise eine Traumafolge
     von sexueller Gewalt zwar gehäuft auf, wobei          ist und ob sie ihnen überhaupt wirklich ent­
     sich zumindest weibliche Betroffene dadurch           spricht. Befürchtungen, gegen den eigenen Wil­
     längst nicht immer beeinträchtigt fühlen (Bie­        len »­homosexualisiert« worden zu sein, und eine
     dermann 2018). Verlangen nach Sex zu haben,           Ablehnung ihrer homosexuellen Neigung kön­
     intensive Lust dabei zu empfinden oder einen          nen ebenfalls zu Identitätsunsicherheiten führen.
     Orgasmus zu erleben, sind für manche von ih­              Obwohl man solchen Fragestellungen in der
     nen eher verstörende Gefühle. Vor allem wenn          Psychotraumatologie gar nicht so selten begeg­
     während der sexuellen Gewalterfahrung un­             net, beschäftigt sich die Forschung bisher kaum
     willkürlich und ungewollt körperliche Erregung        mit diesen Fragen. Eine bevölkerungsrepräsen­
     oder Orgasmen aufgetreten sind, stellt es eine        tative Studie aus den USA ist einer der weni­
     Belastung für sie dar, wenn es in der Sexualität      gen wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass
     nun erneut dazu kommt. Ihre körperlichen Re­          Homo­sexualität für einzelne Betroffene von se­
     aktionen sind in den Augen dieser Betroffenen         xueller Gewalt möglicherweise Ausdruck eines
     ein Beleg dafür, dass sie moralisch verwerflich       Bewältigungsversuchs sein kann. Der Einfluss
     sind und den sexuellen Missbrauch gewollt oder        von sexuellem Missbrauch auf die homosexuelle
     sogar selbst herbeigeführt haben. Aversive Ge­        Anziehung wurde darin auf 9 % geschätzt, der
     fühle, Selbstbestrafungsimpulse und Stimmungs­        für das Eingehen gleichgeschlechtlicher sexuel­
     einbrüche können die Folge sein.                      ler Kontakte auf 21 % und für die homo- oder bi­
                                                           sexuelle Identität auf 23 % (Roberts et al. 2013).
     3.5. Probleme mit der sexuellen
           Orientierung                                    3.6. Geschlechtsinkongruenz und
                                                                 Geschlechtsdysphorie
     Homo- und bisexuelle Orientierungen stellen
     keine sexuellen Störungen dar. Allerdings kann        Probleme, die die Geschlechtsidentität betref­
     im Umgang damit manchmal ein klinisch be­             fen, sind keine sexuellen Störungen, nehmen
     deutsamer Leidensdruck entstehen.                     aber oft Einfluss auf die Sexualität. Bisweilen
        In der Arbeit mit sexuell traumatisierten Men­     trifft man in der klinischen Arbeit mit sexuell
     schen trifft man z. B. nicht selten auf Frauen,       traumatisierten Menschen auf Betroffene, die
     die lieber gleichgeschlechtliche Partnerschaften      ihrem biologischen Geschlecht lieber nicht an­
     eingehen, weil sie sich in der Beziehung mit          gehören wollen, weil es sie nach ihrer Einschät­
     einem Mann nicht sicher genug fühlen. Die ver­        zung gegenüber potentiellen Tätern verwundbar
     letzenden Erfahrungen, die sie mit männlichen         macht (»Meinen Bruder hat er in Ruhe gelassen,
     Tätern gemacht haben, übertragen diese Frauen         nur meine Schwester und mich nicht. Als Frau ist

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Trauma, Borderline und Sexualität                                                                         95

man völlig ungeschützt. Ich hasse meine Weib­           Dass es nach sexuellen Traumatisierungen
lichkeit dafür. Am liebsten möchte ich keine         zu einer solchen Neigung kommt, hängt mög­
Frau sein. Und diese Brüste, die müssen weg«).       licherweise mit Modelllernen oder einer Um­
Andere Betroffene lehnen ihr biologisches Ge­        kehr der im Trauma erlittenen Ohnmacht in ei­
schlecht ab, weil eine Täterperson diesem ange­      nen lustvollen Triumph zusammen (Briken et al.
hörte. Auch hier werden Tätereigenschaften auf       2013).
ein gesamtes Geschlecht generalisiert (»Männer
sind triebgesteuert und brutal. Ständig fühle
ich mich schuldig, dass ich ein Mann bin und         4. Sexuelle Störungen
bestrafe mich dafür. Könnte ich nur eine Frau            nach nicht-sexuellen
sein!«). Auch dieses Thema findet meiner Wahr­
nehmung nach in Forschungsarbeiten der ver­
                                                        Traumatisierungen
gangenen Jahre keine Berücksichtigung.               Auch für einige Formen nicht-sexueller Trauma­
                                                     tisierung sind Zusammenhänge mit den in Ab­
                                                     schnitt 3 dargelegten sexuellen Störungen oder
3.7. Sexualdelinquenz
                                                     einzelnen Symptomen von diesen beschrieben:
Manche Menschen, die als Kinder sexuelle Ge­         ■■ Manchmal berichten Patienten, die in der
walt erlebt haben, werden später selbst zum              Kindheit körperliche Gewalt erfahren haben
Täter und verhalten sich sexuell übergriffig –           oder denen kaum liebevolle Berührung zu­
entsprechende Zusammenhänge wurden in der                teil wurde, von einer Abneigung gegen Be­
wissenschaftlichen Literatur wiederholt belegt.          rührung und Sexualität (Zoldbrod 2015), z. B.
Dazu wurden verschiedene pathogenetische                 weil hierdurch Angst, Ohnmachtsgefühle,
Mechanismen diskutiert: die Umkehr der im                belastende Bilder und Dissoziationen ausge­
Trauma erlittenen Ohnmacht in einen lustvol­             löst werden. Ähnliches lässt sich gelegentlich
len Triumph, Imitation, Konditionierung und              nach traumatisch erlebten Geburten oder me­
Verstärkungsmechanismen, ein besonders frü­              dizinischen Eingriffen beobachten.
her Beginn der Masturbation, aber auch eine          ■■ Sexuelles Risikoverhalten kommt auch nach
mögliche genetische oder psychopathologische             emotionaler und körperlicher Gewalt und
Disposition. Auch hier ist sexueller Kindesmiss­         Vernachlässigung vor (Norman et al. 2012).
brauch vermutlich eine von mehreren ungünsti­        ■■ Gleiches gilt für suchtartiges sexuelles Ver­
gen Entwicklungsbedingungen, die gemeinsam               halten. Auch hier sind Zusammenhänge mit
zur Störungsentwicklung beitragen (von Franqué           emotionaler und körperlicher Gewalt (Carnes
& Briken 2018b).                                         & Delmonico 1996) und Vernachlässigung
                                                         (Hartmann 2018) beschrieben.
                                                     ■■ Ein erhöhtes Auftreten von sexuellen Funk­
3.8. Paraphile Störungen
                                                         tionsstörungen findet sich nach emotionaler
Gelegentlich stehen sexuelle Gewalterfahrungen           Gewalt und Folter. Außerdem sind sie eine
in Verbindung mit ungewöhnlichen sexuellen               häufige Begleiterscheinung von posttraumati­
Erregungsmustern und Vorlieben, z. B. Exhibitio­         schen Belastungsstörungen, z. B. nach Kriegs­
nismus, Voyeurismus, Sadismus oder Pädophilie.           einsätzen (Biedermann 2018a).
Wenn solche Neigungen dauerhaft vorhanden            ■■ Nichtsexuelle Gewalt kann möglicherweise
sind und auf eine Weise ausgelebt werden, die            in einigen Fällen die Entwicklung einer
nicht einwilligende oder einwilligungsfähige             homo- bzw. bisexuellen Identität und das Ein­
Personen betrifft, oder wenn sie mit schwerwie­          gehen gleichgeschlechtlicher Partnerschaften
gendem Leidensdruck bzw. einem Risiko für Ver­           beeinflussen (Roberts et al. 2013). Diese Be­
letzungen und Tod einhergehen, so kennzeichnet           obachtungen sind jedoch zunächst nicht als
dies nach ICD-11 eine paraphile Störung.                 Störung einzuordnen (siehe 3.5.).

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     ■■ Sexualdelinquenz steht mit emotionaler, kör­            xualität (Frías et al. 2016; Sansone & Sansone
        perlicher Gewalt und Vernachlässigung in                2011). Sie kann als Mittel dienen, um Partner
        Verbindung (Büttner 2018a; von Franqué &                an sich zu binden und Verlassenheitsängste
        Briken 2018b).                                          abzuwehren (Tragesser & Benfield 2012).
     ■■ Bei der Ausbildung von Paraphilien können          ■■   Sexuelles Risikoverhalten, das sexuell über­
        emotionale und körperliche Gewalt, Ver­                 tragbare Erkrankungen und sexuelle Viktimi­
        nachlässigung sowie Gehänseltwerden und                 sierungen nach sich zieht (Frías et al. 2016;
        Viktimisierungen durch Peers von Bedeutung              Sansone & Sansone 2011). Auch hierbei kann
        sein (Briken et al. 2013).                              es darum gehen, Partner an sich zu binden
                                                                und Verlassenheitsängste abzuwehren (Trag­
                                                                esser & Benfield 2012).
     5. Sexuelle Störungen bei                            ■■   Selbstgefährdende sexuelle Praktiken werden
         Borderline-Persönlichkeits-                            eingesetzt, um Ängste vor Nähe, Beziehung,
                                                                Schwäche oder »dem Leben an sich« abzu­
         störung                                                wehren (Dulz 2009).
     Die sexuellen Störungen, die im Zusammen­             ■■   Sexuelle Funktionsstörungen wie Probleme
     hang mit der Borderline-Störung in Erscheinung             mit der Erregung, dem Orgasmus und der Be­
     treten, weisen eine bemerkenswerte Ähnlich­                friedigung (Schulte-Herbrüggen et al. 2009;
     keit mit den in Abschnitt 3 und 4 beschriebe­              Signerski-Krieger et al. 2015).
     nen traumaassoziierten sexuellen Störungen            ■■   Nicht heterosexuelles Verhalten (Kernberg
     auf:                                                       2009; Wiederman & Sansone 2009; Sansone
                                                                & Sansone 2011; Frías et al. 2016), mögli­
     ■■ Bedrohungsgefühle im Umgang mit Sexua­                  cherweise infolge der Borderline-typischen
        lität, weil Sexualität als Grenzüberschreitung          Identitätsunsicherheit und Impulsivität (Wie­
        oder Unterwerfung erlebt wird (Lohmer &                 derman & Sansone 2009)
        Wernz 2009)                                        ■■   Geschlechtsinkongruenz und Geschlechts­
     ■■ Negative Gefühle in Verbindung mit Sex und              dysphorie als Ausdruck der allgemeinen In­
        Selbstbefriedigung (Signerski-Krieger et al.            stabilität von Selbstbild und Identität bei der
        2015)                                                   Borderline-Störung (Seikowski 2008; Frías et
     ■■ Schmerzen beim Sex (Schulte-Herbrüggen et               al. 2016)
        al. 2009)                                          ■■   Sexualdelinquenz (Briken 2009)
     ■■ Dissoziation bei sexueller Aktivität (Lohmer       ■■   Paraphilien wie Voyeurismus, Masochismus,
        & Wernz 2009; Zanarini et al. 2003)                     Sadismus, Exhibitionismus und Fetischismus
     ■■ Selbstverletzen und Suizidalität bei sexueller          (Kernberg 2009)
        Aktivität (Zanarini et al. 2003)
     ■■ Vermeidung von Sexualität (Frías et al. 2016;      Viele der hier genannten Autoren diskutieren
        Lohmer & Wernz 2009; Zanarini et al. 2003)         Traumatisierungen – insbesondere sexuelle Ge­
        und geringe sexuelle Aktivität (Schulte-Her­       walterfahrungen – als eine mögliche Ursache
        brüggen et al. 2009)                               der sexuellen Störungen von Borderline-Pa­
     ■■ Sexuelle Impulsivität bzw. Hypersexualität         tienten (Dulz 2009; Frías et al. 2016; Lohmer
        (Lohmer & Wernz 2009): Sexuelle Impulsivi­         & Wernz 2009; Signerski-Krieger et al. 2015;
        tät lässt sich als Ausdruck der allgemeinen Im­    Schulte-Herbrüggen et al. 2009; Wiederman &
        pulsivität bei Borderline-Störungen verstehen      Sansone 2009; Zanarini et al. 2003). Dabei wer­
        und äußert sich als intensive Beschäftigung        den u. a. diese Beobachtungen und Überlegun­
        mit Sexualität, Gelegenheitssex, eine größere      gen geteilt:
        Anzahl von Sexpartnern und einen lebensge­         ■■ Von den 61 % der Borderline-Patienten, die
        schichtlich besonders frühen Beginn von Se­           in der Studie von Zanarini et al. (2003) se­

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Trauma, Borderline und Sexualität                                                                          97

   xuelle Probleme aufwiesen, berichteten 77 %           len missbräuchlicher Beziehungsdynamiken
   von sexuellen Missbrauchserfahrungen in der           kommen, mit der Folge erneuter sexueller
   Kindheit und 43 % von Vergewaltigungen                und körperlicher Viktimisierung im Erwach­
   im Erwachsenenalter. 65 % der weiblichen              senenalter.
   und 43 % der männlichen Borderline-Patien­         ■■ Signerski-Krieger et al. (2015) erklären, dass
   ten berichteten, dass sie im Zusammenhang             das gestörte sexuelle Erleben bei der Bord­
   mit einvernehmlichem Sex Dissoziationen,              erline-Störung am ehesten vor dem Hinter­
   Selbstverletzen und Suizidalität erleben oder         grund der häufig vorkommenden Erfahrun­
   dass sie aus Angst vor diesen Symptomen Sex           gen sexueller und körperlicher Gewalt sowie
   vermeiden. Die Autoren vermuten, dass die             emotionaler Vernachlässigung zu verstehen
   häufigen Erfahrungen von sexueller Gewalt             sein dürfte. Diese Erfahrungen könnten dazu
   und die damit verbundenen Ängste, beim Sex            beitragen, dass Borderline-Patienten ihren
   Erinnerungen an das Trauma oder Borderline-­          Körper als weniger attraktiv wahrnehmen,
   Symptome zu triggern, der Grund dafür sind,           weniger Selbstvertrauen haben und sich als
   dass Borderline-Patienten der Sexualität lie­         weniger selbstsicher erleben.
   ber aus dem Weg gehen.
■■ 68 % der sexuell inaktiven und 69 % der            Einiges spricht also dafür, dass es sich bei den
   sexuell aktiven Borderline-Patienten in der        sexuellen Symptombildern von Borderline-­
   Studie von Schulte-Herbrüggen et al. (2009)        Patienten ebenfalls um traumaassoziierte sexu­
   gaben an, sexuell traumatisiert zu sein. Vor       elle Störungen handelt. Angesichts der multifak­
   allem bei den sexuell traumatisierten Border­      toriellen Ätiologie der Borderline-Störung muss
   line-Patienten traten Probleme mit Erregung,       allerdings in Betracht gezogen werden, dass
   Orgasmus, Befriedigung, aber auch Schmer­          das Störungsgeschehen möglicherweise durch
   zen beim Sex auf. Die Autoren führen wei­          neurophysiologische und genetische Faktoren
   ter aus, dass sexuelle Störungen wegen des         moduliert wird.
   häufigen Vorkommens von sexuellen Trauma­
   tisierungen eng mit der Borderline-Störung
   assoziiert sind. Zusätzlich verweisen sie da­      6. Behandlung von trauma-
   rauf, dass es weithin akzeptierte Belege da­           assoziierten sexuellen
   für gibt, dass sexueller Kindesmissbrauch mit
   sexuellen Störungen im Erwachsenenalter im
                                                          Störungen
   Zusammenhang steht.                                Personen mit traumaassoziierten sexuellen
■■ Wiederman und Sansone (2009) vermu­                Störungen haben individuelle Therapiebedürf­
   ten, dass die hohen Raten an sexuellen und         nisse – das hat 2018 auch der Deutsche Ärztetag
   körperlichen Gewalterfahrungen, die bei            anerkannt, als er entschieden hat, eine Zusatz­
   der Borderline-Störung zu finden sind, vor­        bezeichnung »Sexualmedizin« in der Muster­
   rangig verantwortlich sind für das Auftreten       weiterbildungsordnung zu verankern. Die Ärzte­
   von sexuellen Störungen bei dieser Patien­         schaft begründete ihre Entscheidung damit, dass
   tengruppe. Die traumatischen Erfahrungen           »Die aktuelle Situation und Diskussion über se­
   könnten zu einem ungünstigen Bindungs­             xuelle Missbrauchsfälle […] die dringende Not­
   stil führen, der es schwierig macht, sich auf      wendigkeit einer qualifizierten Weiterbildung für
   körperliche Intimität einzulassen. Für andere      interessierte Ärztinnen und Ärzte« unterstreiche
   traumatisierte Borderline-Patienten könnte         (Bundesärztekammer 2018). Die »Störungen der
   sexuelle Aktivität ein Trigger sein, der post­     Sexualität im Zusammenhang mit sexualisierter
   traumatische Angst auslöst und so zur Ver­         Gewalterfahrung, Missbrauch oder Traumatisie­
   meidung von Sexualität führt. In anderen           rung« wurden dabei als ein Indikationsgebiet
   Fällen könnte es zum erneuten Durchspie­           aufgeführt, das es zukünftig zu berücksichti­

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     gen gilt. Nachdem es zum jetzigen Zeitpunkt          ■■ Erarbeiten von Interventionen zur Reduktion
     nur sehr wenige Ärzte und Psychotherapeuten             von PTBS-Symptomen: Techniken zur Selbst­
     gibt, die sich mit der Behandlung von trauma­           beruhigung und Entspannung, zur Distanzie­
     assoziierten sexuellen Störungen befassen, und          rung von belastenden Erinnerungen und zur
     das Thema zudem in Fachliteratur und Ausbil­            Reorientierung bei Dissoziation.
     dungen kaum aufgegriffen wird, besteht nun           ■■ Einbeziehung des Partners in die Behand-
     die Hoffnung, dass sich das zukünftig ­ändern           lung: Partner haben oft eigene Behandlungs­
     kann. Da wir bisher jedoch weder auf empirisch          bedürfnisse. Zusätzlich kann an einer Verän­
     überprüfte Behandlungskonzepte noch auf eine            derung ungünstiger Paardynamiken, neuen
     breite klinische Erfahrung zurückgreifen können,        Lösungswegen und der Umgestaltung der
     wird es wichtig sein, die verfügbare Expertise          Paar-Sexualität gearbeitet werden.
     zusammenzutragen, um quali­fizierte Weiterbil­       ■■ Einbindung in eine störungsspezifische
     dungsmöglichkeiten zu schaffen.                         Behandlung: z. B. eine traumaorientierte
        An der Psychosomatischen Klinik am Kli­              Psychotherapie oder spezialisierte Border­
     nikum rechts der Isar arbeiten wir schwer­              line-Therapie. Alternativ kann im Schulter­
     punktmäßig mit traumatisierten Patienten, die           schluss mit einem geeigneten Therapeuten
     in der Sexualität unter PTBS-Symptomen und              gearbeitet werden.
     Körperbeschwerden leiden oder riskante Ver­
     haltensweisen zeigen. Unser integrativer The­        Die Einzelbehandlung umfasst u. a. die folgen­
     rapieansatz umfasst neben traumatherapeuti­          den Themenschwerpunkte:
     schen, sexualtherapeutischen und systemischen        ■■ Den sexuellen Selbst- und Partnerbezug
     auch physio- und körperpsychotherapeutische             stärken: Entwicklung grundlegender Fähig­
     Elemente (Büttner & Paschinger 2018) und                keiten, die für die Sexualität von Bedeutung
     berücksichtigt zusätzlich die Behandlungs­              sind: Wahrnehmung und Regulation von Be­
     empfehlungen verschiedener Autoren, die                 dürfnissen und Gefühlen, Selbstakzeptanz,
     sich mit der Thematik befasst haben (Büttner            Selbstbehauptung, Kommunikation.
     2018a).                                              ■■ Ein positives Verständnis von Sexualität ent-
        Zu den Rahmenbedingungen der Behand­                 wickeln: Differenzierung von missbrauchs­
     lung zählen u. a.:                                      ähnlicher und selbstfürsorglicher bzw. selbst­
     ■■ Traumasensible Gesprächsführung und Ana-             bestimmter Sexualität.
        mnese: zum Schutz vor Überflutung mit be­         ■■ Selbstschädigendes Sexualverhalten abbauen:
        lastenden Erinnerungen an das Trauma                 Sensibilisierung für Risiken, Unterbrechung
     ■■ Prüfen der Behandlungsnotwendigkeit: Eine            des selbstschädigenden Verhaltensmusters,
        Behandlung erscheint sinnvoll, wenn Lei­             Erlernen einer selbstfürsorglichen Bezie­
        densdruck besteht, Selbst- oder Fremdschä­           hungsgestaltung, Erarbeiten alternativer
        digungen vorkommen oder die Symptomatik              Wege, Beziehungsbedürfnisse zu stillen.
        Ursache für psychische Destabilisierungen         ■■ Den sexuellen Körperbezug verbessern:
        ist.                                                 Durch Physiotherapie und Körperpsychothe­
     ■■ Prüfen der Durchführbarkeit der Behand-              rapie können verspannungsbedingte Schmer­
        lung: Gegen eine Arbeit an der Sexualität            zen und somatoforme Dissoziation reduziert
        zum gegebenen Zeitpunkt spricht z. B. eine           und eine Toleranz gegenüber Berührungen
        ungenügende Selbstregulationsfähigkeit und           aufgebaut werden.
        Symptomstabilität, sodass es zu schweren          ■■ Intrusionen und Dissoziation bewältigen:
        oder anhaltenden Verschlechterungen der              Umgang mit Triggern, Strategien für den Sex
        psychischen Verfassung kommt.                        mit dem Partner, ggf. Traumakonfrontation.
     ■■ Behutsames, kleinschrittiges Vorgehen: zum        ■■ Eine authentische Sexualität entwickeln:
        Schutz vor Überforderung                             Entwickeln eines individuellen und bedürf­

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Trauma, Borderline und Sexualität                                                                                                    99

   nisorientierten Verständnisses von Sexualität,                    rums für Frauen- und Geschlechterforschung und Fakultät
                                                                     für Gesundheitswissenschaften der Universität Bielefeld,
   sexuelle Ressourcen entdecken, ggf. trauma­                       des SOKO Institut GmbH Sozialforschung und Kommuni­
   sensible sinnlich-sexuelle Selbstexploration.                     kation Bielefeld, der Gesellschaft für Sozialwissenschaft­
                                                                     liche Frauen- und Genderforschung e. V. Frankfurt, des
                                                                     Sozialwissenschaftlichen FrauenForschungsInstituts Frei­
                                                                     burg und des Instituts für Soziales Recht der Fakultät für
                                                                     Angewandte Sozialwissenschaften. Fachhochschule Köln.
7. Fazit                                                        Büttner M (2018a). Einführung in die Thematik. In: Büttner M
                                                                     (Hg). Sexualität und Trauma. Stuttgart: Schattauer, 3 – 59.
                                                                 Büttner M (2018b). Hyposexuelle Störung oder »sexuelle
Unabhängig von der Diagnose, die klinisch im                         PTBS«? In: Büttner M (Hg). Sexualität und Trauma. Stutt­
                                                                     gart: Schattauer, 60  –  67.
Vordergrund steht, können nach traumatischen                     Büttner M (2018c). Sexuelles Risikoverhalten. In: Büttner M
Erfahrungen bestimmte sexuelle Störungen vor­                        (Hg). Sexualität und Trauma. Stuttgart: Schattauer, 89  – 94.
                                                                 Büttner M (2018d). Sexuelle Beziehungsaspekte bei sexuellen
liegen. Da traumaassoziierte sexuelle Störun­                        Missbrauchserfahrungen. In: Büttner M (Hg). Sexualität
gen die psychische und körperliche Gesund­                           und Trauma. Stuttgart: Schattauer, 123 –134.
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            © Klett-Cotta Verlag, J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Rotebühlstr. 77, 70178 Stuttgart
Autorenexemplar – nur zur persönlichen Verwendung
100                                                                                                                          Büttner

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                   © Klett-Cotta Verlag, J. G. Cotta'sche Buchhandlung Nachfolger GmbH, Rotebühlstr. 77, 70178 Stuttgart
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