PETER ROBERT FRANKE BERNHARD WOYTEK WIEN 2021 - Nachruf von - Solidus Numismatik
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Sonderdruck aus dem Almanach der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 170. Jahrgang (2020) PETER ROBERT FRANKE Nachruf von BERNHARD WOYTEK WIEN 2021
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 319 PETER ROBERT FRANKE Am 30. Dezember 2018 verstarb in des Deutschen Ar- Berlin im 93. Lebensjahr Peter Robert chäologischen Instituts Franke, emeritierter ordentlicher Pro- (DAI, seit 1975) und fessor für Alte Geschichte an der Uni- wirkliches Mitglied des Österreichi- versität des Saarlandes (1967–1993), schen Archäologischen Instituts (seit an der er auch die Dekanswürde der 1998), was seine enge wissenschaft- philosophischen Fakultät bekleidet liche Verbundenheit mit Österreich hatte (1983–1985). Er war seit 9. Mai zusätzlich unterstreicht. 1989 korrespondierendes Mitglied Franke wurde am 2. November 1926 im Ausland der philosophisch-histo- in Lüdenscheid, Westfalen, geboren. rischen Klasse der Österreichischen Ab August 1943 diente er bei der Akademie der Wissenschaften. Das deutschen Kriegsmarine und geriet hauptsächliche Forschungsgebiet in der Folge in britische Kriegsge- Frankes war die antike Numismatik, fangenschaft. Nach der Entlassung FOTO © STAATLICHE MÜNZSAMMLUNG MÜNCHEN / NICOLAI KÄSTNER zu deren wesentlichen Vertretern in wurde er im August 1945 von der der Nachkriegszeit er zählte. Dies US-amerikanischen Militärregierung zeigen unter anderem zahlreiche zur Arbeit im Kohlebergbau in den internationale Ehrungen numis- oberbayerischen Bergwerken Peiß matischer Gesellschaften, die ihm enberg und Penzberg verpflichtet, zuteilwurden: Genannt seien hier wo er zum Hauer ausgebildet wurde nur die Verleihung der Medaille der und insgesamt mehr als drei Jahre Royal Numismatic Society (London) lang als Bergmann tätig war – für im Jahre 1988 und der Huntington Franke eine prägende Zeit, wie je- Medal der American Numismatic dem klar wurde, der ihn persönlich Society (New York) 1992 sowie seine kennenlernen durfte. Seine Arbeit Ehrenmitgliedschaft in der Griechi- im Bergbau als junger Mann war schen Numismatischen Gesellschaft übrigens auch dafür verantwortlich, (Athen) 1993. Weiters war Franke dass Franke später besonderes Inter unter anderem ordentliches Mitglied esse für eine Sondergruppe kleiner
320 NACHRUFE AUF VERSTORBENE MITGLIEDER römisch-kaiserzeitlicher Bronzemün- bezeichnete – bis 1958 Mitarbeiter zen mit den Namen verschiedener des herausragenden Numismati- Bergwerksreviere des Donau- und kers Konrad Kraft an der Staatlichen Balkanraumes entwickelte, die soge- Münzsammlung in München, einer nannten „Metalla-Prägungen“. Seine Einrichtung, der Franke zeitlebens reiche diesbezügliche Materialsamm- verbunden blieb. Er war damals in lung, die unter anderem auch viele dem bahnbrechenden Projekt „Die Gipsabgüsse von Originalen enthielt, Fundmünzen der römischen Zeit vertraute er im Jahr 2002 dem Autor in Deutschland (FMRD)“ tätig, und dieser Zeilen zur Auswertung an – diese Jahre sollten für die weitere ein charakteristisches Beispiel für Ausrichtung seiner altertumswissen- Frankes liberalitas in wissenschaft- schaftlichen Tätigkeit speziell auf die lichen Dingen, für die großzügige Numismatik bestimmend werden. Förderung, die er Jüngeren oft ange- Ein Habilitationsstipendium der deihen ließ, und für seine Rolle als Kommission für Alte Geschichte und Impulsgeber für deren Forschungen. Epigraphik in München (1958–1960) Nach der aufgrund der Ereignisse ermöglichte ihm die Fertigstellung der Kriegs- und Nachkriegsjahre seiner auch heute noch als Standard- arg verspäteten Ablegung des Abi werk geltenden, stempelkritisch ge- turs 1949 studierte Franke ab dem arbeiteten Habilitationsschrift Die Wintersemester 1949/50 die Fächer antiken Münzen von Epirus. Band 1: Geschichte, Alte Geschichte, Geogra- Poleis, Stämme und epirotischer Bund phie, Byzantinistik, Philosophie und bis 27 v. Chr. Katalog und Untersu- Numismatik an den Universitäten chungen (Textband und Tafelmappe), München, Bonn und Erlangen. Er publiziert Wiesbaden 1961. In dem- wurde von prominenten Altertums- selben Jahr wurde er Privatdozent an wissenschaftlern ausgebildet, nämlich der Universität Erlangen. von Hermann Bengtson, Friedrich In der Folge war Franke als wissen- Klingner, Siegfried Lauffer, Alexan- schaftlicher Referent des DAI zwei der Schenk Graf von Stauffenberg Jahre lang (1961–1963) in Athen sowie vor allem von Helmut Berve, wohnhaft, in denen er sich nicht bei dem Franke am 17. Dezember nur ausgezeichnete Kenntnisse des 1954 in Erlangen promovierte; seine Neugriechischen aneignete, sondern Dissertation trug den Titel Alt-Epirus auch ein wichtiges Netzwerk von und das Königtum der Molosser (publi- Freunden knüpfen konnte. Hier- ziert Kallmünz 1955). auf kehrte er als wissenschaftlicher Nach der Promotion war „PRF“ – wie Oberrat des DAI nach Deutschland er sich gerne auch im Druck selbst zurück, wo er in den folgenden Jahr-
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 321 zehnten eine fruchtbare Forschungs- auch unter kunstgeschichtlicher Per- tätigkeit entfaltete. spektive. Diese Phase seines Lebens wurde Seit dem Wintersemester 1964/65 mit der Publikation jenes Buches ein- hielt Franke althistorisch-numisma- geleitet, das Franke, der damals in tische Lehrveranstaltungen an der Fachkreisen bereits hohes Ansehen Universität München ab, an die er genoss, schlagartig auch einer breite- sich 1966 auch umhabilitierte, ehe er ren altertumskundlich interessierten ab 1967 die Lehrkanzel für Alte Ge- Öffentlichkeit bekannt machte: des schichte in Saarbrücken bestieg: Dort mit großformatigen Photographien sollte er bis zu seiner Emeritierung von Max Hirmer auf 240 teils farbi- wirken, auch wenn ihn Gastprofes- gen Tafeln geradezu verschwende- suren und Fellowships mehrmals in risch ausgestatteten Überblickswerks die USA sowie nach Griechenland, Die griechische Münze (München 1964; Ungarn und auch nach Österreich 2., neubearbeitete Auflage 1972). – an die Universitäten Wien und Das Buch erschien drei Jahre nach Salzburg – führten. Franke, ein be- der ersten Kooperation Frankes mit geisternder akademischer Lehrer, dem als Verleger und Photograph verstand es, das Institut für Alte erfolgreichen Hirmer, die sich in Geschichte an der Universität des einem kleinformatigen Werk zu Rö- Saarlandes als numismatisches For- mischen Kaiserporträts im Münzbild schungszentrum zu positionieren, manifestiert hatte, welches nach betreute dort im Laufe der Jahre der Erstauflage München 1961 noch 14 Doktorandinnen und Doktoran- zwei weitere Auflagen erlebte (1968, den, deren Dissertationen teils in 1972). Das Buch zur griechischen der von ihm mitbegründeten Reihe Münze, einem Thema, das Franke Saarbrücker Studien zur Archäologie ja noch viel näher lag als römische und Alten Geschichte veröffentlicht Kaiserikonographie, wurde zu ei- wurden, und führte drei seiner As- nem Klassiker seines Fachs, in dem sistenten zur Habilitation. es auch neue Standards hinsichtlich In seiner numismatischen Publika- des Buchdesigns setzte; wie das 1966 tionstätigkeit legte Franke auf die erschienene, nach dem Vorbild der Veröffentlichung von neuem oder deutschen Erstausgabe gestaltete wenig bekanntem Material größ- Pendant Greek Coins, dessen Text ten Wert. So wirkte er ab Heft 14 an aus der Feder von Colin M. Kraay der Herausgabe des Kataloges der stammt, öffnete es Generationen von Sammlung Hans von Aulock mit, Interessierten die Tür zur Beschäfti- der bedeutendsten Privatsammlung gung mit griechischer Numismatik, antiker Münzen aus kleinasiatischen
322 NACHRUFE AUF VERSTORBENE MITGLIEDER Münzstätten (1966–1968), und zwar Zusätzlich zu streng fachwissen- im Rahmen des Unternehmens Syl- schaftlichen Werken, in denen er loge Nummorum Graecorum (SNG); oftmals nicht nur die Versamm- 1981 gab Franke schließlich auch den lung der numismatischen Quellen umfangreichen Indexband mit her- im Auge hatte, sondern auch deren aus, der die Sammlungskataloge von Einbettung in die epigraphische Aulocks erschließt. Er zeichnete auch und archäologische Evidenz sowie für die Herausgabe der ersten fünf die historische Gesamtauswertung, Hefte der SNG Staatliche Münz- war Franke stets die Integration der sammlung München mitverant- Münzen in für ein breiteres Publi- wortlich, in denen nicht-römische kum bestimmte Darstellungen zur Prägungen aus Spanien, Gallien, Ita- antiken Kulturgeschichte ein großes lien und Sizilien veröffentlicht sind Anliegen. Mit Publikationen wie (1968–1976). Doch auch in der klei- Kleinasien zur Römerzeit (München nen Form finden sich unter Frankes 1968), Wine and Coins in Ancient zahlreichen Beiträgen immer wieder Greece (Athen 1999, gemeinsam mit Vorstellungen von Inedita. Aus sei- Irini Marathaki) sowie Hausschwei- ner späten Schaffensphase sei hier ex- ne in der griechisch-römischen Antike. emplarisch genannt: „MOPIAΣEIΣ. Eine morphologische und kulturhistori- Die erste Münze eines bislang unbe- sche Studie (Oldenburg 2004, gemein- kannten thrakisch-makedonischen sam mit Helmut Meyer und Johann Stammes“ (in: Victor Spinei / Lucian Schäffer) vermochte er diesem Le- Munteanu [Hrsg.]: Miscellanea numis- serkreis die Relevanz der numisma- matica antiquitatis in honorem septage- tischen Quellen für das Verständnis narii magistri Virgilii Mihailescu-Bîrliba antiken Alltagslebens zu demonst- oblata. Bukarest 2008, S. 67f.). rieren. Dem Bereich der Vermittlung Abgesehen von seiner Habilitations- numismatischen Wissens an allge- schrift zur epirotischen Münzprägung mein Interessierte ist auch die Ab- ist auch ein weiteres vielbenütztes nu- fassung von mehreren hundert Lem- mismatisches Zitierwerk anzuführen, mata zur antiken Münzkunde in der an dessen Erstellung Franke maßgeb- neunten Auflage von Meyers Enzyklo- lich beteiligt war, nämlich das von ihm pädischem Lexikon (25 Bde., Mann- gemeinsam mit M. K. Nollé verfasste, heim / Wien / Zürich 1971–1979) ebenfalls stempelkritisch gearbeitete zuzuordnen, das als eine der letzten Buch Die Homonoia-Münzen Kleinasiens großen Unternehmungen in der tra- und der thrakischen Randgebiete, Bd. I: ditionsreichen Gattung des Konver- Katalog (Saarbrücken 1997, mehr nicht sationslexikons in die Geschichte der erschienen). Lexikographie eingehen wird.
PHILOSOPHISCH-HISTORISCHE KLASSE 323 An der Österreichischen Akademie Katalog Dr. Busso Peus Nachfolger, der Wissenschaften beteiligte sich Frankfurt am Main, Auktion 382 Franke im Rahmen seiner Mitglied- (26. April 2005), S. 99–100; in dieser schaften in der Kleinasiatischen Versteigerung wurde unter anderem Kommission, deren stellvertretender Frankes Bibliothek zur griechischen Obmann er zeitweise war, sowie in Numismatik veräußert. Aus Anlass der Numismatischen Kommission des 70. Geburtstages von Franke ent- aktiv an der wissenschaftlichen Ar- stand zu Ehren des Jubilars auch eine beit. Besondere Erwähnung verdient Bronzegussmedaille (102 mm) mit diesbezüglich das von ihm initiierte dessen Portrait auf der Vorderseite, Arbeitsvorhaben der Erstellung ei- von der Hand des Medailleurs Carl nes Lexikons der Aufschriften auf grie- Vezerfi-Clemm. chischen Münzen, das in zwei Bänden Ein konstitutiver Teil von Frankes im Verlag der ÖAW erschienen ist wissenschaftlicher Persönlichkeit (Wien 2002–2009). Das Projekt, mit war seine Sammeltätigkeit antiker dem die Schließung einer Lücke in Münzen. Im Laufe vieler Jahrzehnte der numismatischen Referenzlitera- trug er eine bedeutende Kollektion tur gelang, wurde maßgeblich von griechischer und vor allem auch pro- Wolfgang Leschhorn getragen, der vinzialrömischer Silber- sowie Bron- als einer der profiliertesten Althisto- zemünzen zusammen, aus der er für riker aus Frankes Saarbrücker Schule seine Forschungstätigkeit schöpfte; gelten darf; der erste Band des Lexi- mehr als 4100 Exemplare trat er im kons wurde von Franke selbst mit- Jahre 2004 an das Münzkabinett der verfasst. Yale University Art Gallery ab. Eine Leschhorn war auch Mitherausgeber wesentliche Motivation, der von ihm der Festschrift, mit der Peter Robert geliebten Sammlung an einer Uni- Franke geehrt wurde und in der sei- versität ein neues Zuhause zu ver- ne wissenschaftlichen Publikationen schaffen, war, dass sie dort im Lehr- bis zum Jahr 1995 verzeichnet sind betrieb eingesetzt werden konnte (Wolfgang Leschhorn / Auguste V. und so Studierenden in ihrer Ausbil- B. Miron / Andrei Miron [Hrsg.]: dung zugutekam – der wissenschaft- Hellas und der griechische Osten. Stu- liche Nachwuchs war dem Universi- dien zur Geschichte und Numismatik tätslehrer Franke stets ein zentrales der griechischen Welt. Festschrift für Anliegen. Zehn Jahre später wurden Peter Robert Franke zum 70. Geburts- übrigens mehr als 2300 weitere an- tag. Saarbrücken 1996; Schriften- tike Münzen aus seiner Sammlung verzeichnis S. 5–11). Ergänzungen von der Heidelberger Münzhand- zu dem Verzeichnis finden sich im lung Herbert Grün in Auktion 64
324 NACHRUFE AUF VERSTORBENE MITGLIEDER als Teil I versteigert (20. November und seine gute Gesundheit erlaubte 2014), zu dem ein separater Katalog ihm bis knapp vor seinem Ableben erschien. die Teilnahme an wissenschaftlichen Mit Peter Robert Franke haben wir und gesellschaftlichen Veranstaltun- einen herausragenden, selbstbe- gen: Dankbar erinnert sich der Ver- wussten und durchsetzungsstarken fasser an die letzte Begegnung am Forscher und Lehrer verloren, der 29. Juni 2017, bei der Jubiläumsta- unermüdlich für die Altertumswis- gung anlässlich der 50-jährigen Zu- senschaften eintrat. Dabei war er, gehörigkeit der Kommission für Alte dem seine Ehefrau Leonore und sei- Geschichte und Epigraphik in Mün- ne drei Kinder so viel bedeuteten, chen zum DAI – einer Institution, die aber schon aufgrund der Lebenser- ja in Frankes wissenschaftlicher Bio- fahrungen seiner frühen Jahre eine graphie eine wichtige Rolle gespielt Antithese zu dem weltabgewandten hatte. Er genoss das Kolloquium Gelehrten im sprichwörtlichen El- sichtlich. Peter Robert Frankes erfüll- fenbeinturm. Er betrieb Öffentlich- tes Leben ist zu Ende gegangen: Sein keitsarbeit, lange bevor dieses Wort reiches Werk bleibt. im akademischen Bereich fixe Ver- ankerung fand. Persönlicher Aus- tausch war ihm stets sehr wichtig, Bernhard Woytek* * Der Dank des Verfassers für freundliche Unterstützung bei der Erstellung dieses Nachrufs gilt Kay Ehling (München), Benjamin Dieter R. Hellings (Yale) und Nicolai Kästner (München).
Druck & Bindung: Ferdinand Berger & Söhne GmbH, Horn
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