Physik im strassenverkehr - Verständnis für sicheres Fahren (mit Formeln)

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Physik im strassenverkehr - Verständnis für sicheres Fahren (mit Formeln)
physik im strassenverkehr

Verständnis für sicheres Fahren (mit Formeln)

bfu – Beratungsstelle für Unfallverhütung
Physik im strassenverkehr - Verständnis für sicheres Fahren (mit Formeln)
EINSTEIGEN UND ANGURTEN

Wenn Sie im Strassenverkehr unterwegs sind, fährt die Physik mit. Mit einigen Kenntnissen
rund um die physikalischen Gesetzmässigkeiten verstehen Sie mehr von Bodenhaftung,
Anhalteweg, Sicherheitsabstand, Überholmanövern und nicht zuletzt vom Nutzen einer
angepassten Geschwindigkeit. Wenn Sie dieses Wissen mit ans Steuer nehmen, fahren Sie
besser. Und Sie helfen mit, die Zahl von jährlich 370 Verkehrstoten in der Schweiz weiterhin
zu senken. Steigen Sie auf einen Ausflug in die Physik ein.

Geschwindigkeit, Trägheit, Energie                  wirkt. Ein Beispiel: Bei einem Aufprall
Werfen wir einen Blick auf die Grund-               wird ein nicht angegurteter Autofahrer
grössen im Strassenverkehr:                         ungebremst in die Scheibe oder gegen
• Ohne Geschwindigkeit kein Fortkommen.            das Armaturenbrett geschleudert. Der
  Sie gibt den zurückgelegten Weg pro               Sicherheitsgurt wirkt dem entgegen.
  Zeit an. Im Strassenverkehr sind dies die      • Jeder bewegte Körper besitzt Bewe-

  Kilometer pro Stunde, also km/h. Nicht            gungsenergie. Mit zunehmender Ge-
  zu unterschätzen ist die zurückgelegte           schwindigkeit steigt sie quadratisch an.
  Strecke in einer Sekunde. Beim gefürch-           Doppelte Geschwindigkeit bedeutet
  teten Sekundenschlaf – im Spiel bei rund         vierfache Energie. Die Geschwindigkeit
 10 – 20 % der Verkehrsunfälle – werden bei         beeinflusst dadurch entscheidend die
 120 km/h 33 Meter pro Sekunde unkontrol-           Unfallfolgen. Ein Aufprall mit 50 km/h
   liert gefahren.                                  ist gleichbedeutend wie ein Sturz aus
• Trägheit: Körper bewegen sich solange           10 Metern Höhe.
   geradeaus, bis eine äussere Kraft auf sie

                         s
   Geschwindigkeit v =                                   Geschwindigkeit v      [m/s]
                         t
                                                                    Weg s         [m]
                       m      Geschwindigkeit in km/h
   Geschwindigkeit in      =                                         Zeit t        [s]
                       s               3,6
                                                    Bewegungsenergie EBew          [J]
                               m 2
   Bewegungsenergie EBew =       ·v                       Lageenergie ELag         [J]
                               2
                                                                 Masse m         [kg]
   Lageenergie ELag = m · g · h                        Höhe über Boden h          [m]
                                                      Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2
Strassenverkehr ist Physik pur. Wenn Sie sich der Fahrphysik
bewusst sind, können Sie Ihr Fahrverhalten den meisten
Situationen anpassen. Sie tragen damit zu mehr Sicherheit auf
den Strassen bei.
EINEN GANG RUNTERSCHALTEN

                                                                        Geschwindigkeit anpassen
    Machts klick?                                                       Neben dem Angurten sorgen Sie auch mit
    Das Abbremsen des eigenen Körpers                                   angepasster Geschwindigkeit für Ihre eigene
    bei 30 km/h erfordert etwa dieselbe                                 Sicherheit und für jene der anderen Ver-
    Kraft, die für das Stemmen der                                      kehrsteilnehmer – zum Beispiel für höhere
    20-fachen Körpermasse erforderlich                                  Überlebenschancen bei einer Kollision mit
    ist. Nicht mal die besten Gewichtheber                              einem Fussgänger.
    können das auffangen. Der Sicher-
    heitsgurt kanns! Er erhöht Ihre Über-
    lebenschancen um das 10-Fache.
    Wenn Sie ihn benützen.

 Wahrscheinlichkeit, als Fussgänger bei einer
 Kollision mit einem Personenwagen getötet
 zu werden

    100%

     80%

     60%

     40%

     20%

       0%
              0   10 20 30 40 50 60 70 80 90 km/h

              Je tiefer die Geschwindigkeit bei einem Aufprall,
              desto höher die Überlebenschancen
Quelle: bfu                                                © bfu 2007
Anhalteweg berücksichtigen                                            drogenfrei zu fahren und sich nicht ablenken
Damit Ihr Fahrzeug anhält, müssen Sie erst                            zu lassen, zum Beispiel durch Handys. Der
reagieren und dann bremsen. Dabei hat die                             Bremsweg ist zusätzlich abhängig vom
Geschwindigkeit massgebenden Einfluss.                                Strassenzustand. Bei Nässe ist er rund 25 %
Je höher die Geschwindigkeit, desto mehr                              länger als auf trockener Strasse.
Weg legen Sie in der normalen Reaktionszeit
von ca. 2 Sekunden zurück. Auch darum ist
es wichtig, ausgeruht, alkohol- und

 Anhalteweg bei verschiedenen Geschwindigkeiten auf trockener Fahrbahn

    30 km/h

    50 km/h

    80 km/h

  100 km/h

  120 km/h

               0    10      20     30      40     50     60      70        80   90   100   110   120   130   140   150 m
                  Reaktionsweg (bei 2s Reaktionszeit)         Bremsweg
               Je höher die Geschwindigkeit, desto länger der Anhalteweg
 Quelle: bfu                                                                                                       © bfu 2007

    Reaktionsweg sr = v · tr                                                      Reaktionsweg sr              [m]
                                                                                      Bremsweg sb              [m]
                             v2
    Bremsweg sb =                                                              Geschwindigkeit v             [m/s]
                           2·g·µ
                                                               Reaktionszeit tr (i.d.R. 1 bis 3 Sek)            [s]
                                                                          Erdbeschleunigung g = 9,81 m/s2
                                                                                   Reibungszahl µ              [–]
                                                                                                 trocken 0,7 – 0,8
                                                                                                  nass 0,55 – 0,65
WENIGER TEMPO, MEHR SICHERHEIT

Sicherheitsabstand einhalten                  Bodenkontakt halten
Vor Ihnen wird stark gebremst. Auch           Beschleunigen, bremsen, lenken – Ihre
hier bestimmt die Geschwindigkeit den         Fahrbefehle werden via Reifen auf die
Reaktionsweg und den erforderlichen           Fahrbahn umgesetzt. Dafür sorgt die
Sicherheitsabstand, damit Sie nicht ins       Reibungskraft. Je glatter eine Fahrbahn,
vordere Fahrzeug prallen. Halten Sie unter    je schlechter der Reifenzustand und je
normalen Bedingungen einen Abstand ein,       höher die Geschwindigkeit, desto schlech-
der dem Betrag der halben gefahrenen          ter ist die übertragene Reibungskraft.
Geschwindigkeit respektive 2 Sekunden         Verwenden Sie darum keine abgefahrenen
entspricht. Bei schlechter Sicht oder Nebel   Reifen, kontrollieren Sie den Luftdruck
gilt: Der Sicherheitsabstand in Metern        regelmässig und passen Sie die Geschwin-
entspricht der Geschwindigkeit in km/h.       digkeit den Witterungsverhältnissen an.

Überlegt überholen
Das Überholen gehört zu den gefährlichs-
ten Fahrmanövern. Oft werden Geschwin-
digkeit und Entfernung der anderen
Fahrzeuge sowie die Wegstrecke zum
Überholen langsamerer Fahrzeuge falsch
eingeschätzt. Da der Gegenverkehr eben-
falls mit einer bestimmten Geschwindigkeit
herannaht, müssen Sie fürs Überholen die
doppelte Sichtweite der benötigten Über-
holstrecke haben. Der Geschwindigkeits-
unterschied sollte 20 – 40 km/h betragen.

  Überholstrecke sü = tü · vü                          Überholstrecke sü          [m]
                                                    Überholzeit tü (≅12 s)         [s]
                                               Überholgeschwindigkeit vü        [m/s]
  Überholsichtweite sw = 2 · tü · vü                Überholsichtweite sw          [m]
Querkraft bedenken
Damit Ihr Fahrzeug die Kurve kriegt, muss
eine Querkraft in Richtung Kurvenzentrum
wirken: die Zentripetalkraft. Diese wird
durch die Reibung zwischen Pneu und
Strassenoberfläche erzeugt. Bei zu schnel-
ler Fahrt reicht die Reibungskraft nicht
mehr, um Sie in der Kurve zu halten. Sie
werden buchstäblich aus der Bahn gewor-
fen. Für Ihr Fahrverhalten heisst das: Brem-
sen Sie rechtzeitig vor der Kurve ab und
vermeiden Sie das Bremsen in der Kurve.

                          m · v2
  Zentripetalkraft FZ =                    Zentripetalkraft FZ           [N] = [kg · m/s2]
                            r
                                            Reibungskraft FR             [N] = [kg · m/s2]
  Reibungskraft FR = µ · G                  Gewichtskraft G              [N] = [kg · m/s2]
                                             Reibungszahl µ                            [–]
  Gewichtskraft G = m · g                                Erdbeschleunigung g = 9,81 m/ s2
                                                    Masse m                           [kg]
                                                     Radius r                          [m]
                                           Geschwindigkeit v                         [m/s]

      Die 3 wichtigsten Tipps

  •   Passen Sie Ihre Geschwindigkeit den Verhältnissen an.

  •   Tragen Sie den Sicherheitsgurt in jeder Situation und zu jeder Tageszeit –
      er ist Ihr Band fürs Leben.

  •   Fahren Sie ausgeruht, ohne Alkohol und ohne Drogen.
Sicher leben: Ihre bfu.

                                                                                                        3.057.01 – 01.2008
Die bfu setzt sich im öffentlichen Auftrag                Weitere Informationen
für die Sicherheit ein. Als Schweizer                     Wir empfehlen Ihnen ausserdem folgende
­Kompetenzzentrum für Unfallprävention                    Broschüren:
 forscht sie in den Bereichen Strassenverkehr,
 Sport sowie Haus und Freizeit und gibt                   3.003     Tempo-30-Zonen
 ihr Wissen durch Beratungen, Ausbildungen                3.007    Alkohol am Steuer
 und Kom­munikation an Privatpersonen                      3.008    Sichtbarkeit bei Nacht
 und Fachkreise weiter. Mehr über Unfall­                  3.013    Sekundenschlaf
 prävention auf www.bfu.ch.                                3.017    Erste Schritte im Strassenverkehr
                                                           3.018    Radfahren
                                                           3.020    Mountainbiking
                                                           3.021   Motorradfahren
                                                            3.022   Kinder auf dem Schulweg
                                                            3.025   Fahrzeugähnliche Geräte
                                                            3.029   Kreisel
                                                            3.031   Autofahren im Alter
                                                            3.055   Kindertransport mit dem Fahrrad

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