Plätze. Personal. Finanzen - Bedarfsorientierte Vorausberechnungen für die Kindertages- und Grundschulbetreuung bis 2030 - Forschungsverbund ...
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Plätze. Personal. Finanzen. Bedarfsorientierte Vorausberechnungen für die Kindertages- und Grundschulbetreuung bis 2030 TEIL 2: GANZTÄGIGE ANGEBOTE FÜR KINDER IM GRUNDSCHULALTER Thomas Rauschenbach Christiane Meiner-Teubner Melanie Böwing-Schmalenbrock Ninja Olszenka
Prof. Dr. Thomas Rauschenbach Dr. Christiane Meiner-Teubner Dr. Melanie Böwing-Schmalenbrock Ninja Olszenka TU Dortmund, Fakultät 12 Forschungsverbund DJI/TU Dortmund Vogelpothsweg 78 44227 Dortmund thomas.rauschenbach@tu-dortmund.de christiane.meiner@tu-dortmund.de melanie.boewing-schmalenbrock@tu-dortmund.de ninja.olszenka@tu-dortmund.de Impressum Herausgeber Forschungsverbund DJI/TU Dortmund Autorenschaft Thomas Rauschenbach, Christiane Meiner-Teubner, Melanie Böwing-Schmalenbrock, Ninja Olszenka ISBN 978-3-9822788-3-4 Verlag Eigenverlag Forschungsverbund DJI/TU Dortmund an der Fakultät 12 der TU Dortmund Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Insbe- sondere darf kein Teil dieses Werkes ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (unter Verwendung elektronischer Systeme oder als Ausdruck, Fotokopie oder unter Nutzung eines anderen Vervielfältigungsverfahrens) über den persönlichen Gebrauch hinaus verarbeitet, vervielfältigt o- der verbreitet werden. Dortmund, Oktober 2021 1
INHALTSVERZEICHNIS EINLEITUNG: GANZTÄGIGE ANGEBOTE FÜR KINDER IM GRUNDSCHULALTER ................................................................................. 3 TEIL A AUSGANGSLAGE IN 2019/20 .............................................................................................................................. 7 1. UNGEKLÄRTE AUSGANGSLAGE – GANZTAGSPLÄTZE FÜR GRUNDSCHULKINDER ............................................................... 8 2. DEMOGRAFIE: ENTWICKLUNG DER KINDERZAHL IM GRUNDSCHULALTER ..................................................................... 16 2.1 Westdeutsche Länder ................................................................................................................................... 17 2.2 Ostdeutsche Länder ...................................................................................................................................... 18 2.3 Ländergruppen .............................................................................................................................................. 19 3. ELTERNBEDARF.................................................................................................................................................. 20 3.1 Aktueller Elternbedarf................................................................................................................................... 20 3.2 Modellberechnungen zum künftigen Elternbedarf ...................................................................................... 22 TEIL B ZUSÄTZLICHER PLATZ-, PERSONAL- UND FINANZBEDARF BIS ZUM SCHULJAHR 2029/30 .............................................. 25 4. PLATZBEDARF ................................................................................................................................................... 26 4.1 Ergebnisse zum Bedarf an zusätzlichen Ganztagsplätzen ............................................................................. 26 4.2 Dynamik des zusätzlichen Platzbedarfs ........................................................................................................ 28 5. PERSONALBEDARF ............................................................................................................................................. 32 5.1 Zusätzlicher Personalbedarf in Vollzeitäquivalenten (VZÄ) .......................................................................... 33 5.2 In Personen umgerechneter zusätzlicher Personalbedarf ............................................................................ 34 6. FINANZBEDARF.................................................................................................................................................. 36 6.1 Zusätzliche Investitionskosten ...................................................................................................................... 36 6.2 Zusätzliche Betriebskosten ........................................................................................................................... 38 TEIL C HERAUSFORDERUNGEN UND ZENTRALE BEFUNDE ................................................................................................... 41 7. DAS AUSBAU-PROJEKT GANZTAG – MEHRDIMENSIONALE HERAUSFORDERUNGEN ........................................................ 42 7.1 Fachliche und politische Herausforderungen ............................................................................................... 42 7.2 Grenzen belastbarer Vorausberechnungen für den Ganztag ....................................................................... 47 8. PLÄTZE. PERSONAL. FINANZEN. – ZENTRALE BEFUNDE............................................................................................. 49 TEIL D LÄNDERPROFILE ..................................................................................................................................... 52 ANHANG: ERGÄNZENDE INFORMATIONEN ........................................................................................................................ 70 LITERATURVERZEICHNIS ................................................................................................................................................. 80 ABBILDUNGS- UND TABELLENVERZEICHNIS ........................................................................................................................ 82 AUTORINNEN UND AUTOREN ......................................................................................................................................... 84 2
Einleitung: Ganztägige Angebote für Kinder im Grundschulalter In Teil 1 der bedarfsorientierten Vorausberechnungen zum Platz-, Personal- und Finanzbedarf, der Ende 2020 veröffentlicht wurde, stand die Tagesbetreuung für die Kinder, die noch nicht zur Schule gehen, im Mittelpunkt, mithin für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zur Einschulung (vgl. Rauschen- bach et al. 2020). Dabei ging es um die fehlenden KiTa-Plätze (Kitas plus Tagespflege), das dafür benötigte Personal sowie den für diesen Zweck notwendigen Finanzbedarf, sprich: um die Kluft zwischen den vor- handenen Angeboten und dem elterlichen Bedarf an öffentlichen Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungs- angeboten in den ersten Lebensjahren als Ergänzung des Aufwachsens von kleinen Kindern im privat- familialen Umfeld. In Teil 2, der nunmehr vorgelegt wird, rücken die Analysen und Berechnungen eine weitere Altersgruppe ins Blickfeld: die Grundschulkinder. In den nachfolgenden Ausführungen geht es um die ergänzenden Ganztagsangebote, die neben dem verpflichtenden Grundschulunterricht bislang hierzulande zur Verfü- gung stehen sowie um die Anzahl der Plätze, die noch benötigt werden, um ein bedarfsdeckendes Ange- bot vorzuhalten. Dabei werden erstmalig Vorausberechnungen für diese Altersgruppen bis Ende des Jahr- zehnts vorgelegt. 3 Fragen stehen in diesem zweiten Teil der Vorausberechnungen daher im Mittelpunkt: 1) Welcher zusätzliche ganztägige Platzbedarf für Kinder im Grundschulalter, genauer: für Kinder in den ersten 4 Grundschuljahren ist bis 2029/30 zu erwarten, wenn man die demografische Dynamik be- rücksichtigt und von den letzten Bedarfswerten auf Seiten der Eltern ausgeht und diese hochrechnet? 2) Welcher damit zusammenhängende zusätzliche Personalbedarf dürfte sich daraus ergeben, um dieses fehlende Platzangebot bereitstellen zu können? 3) Welcher damit verbundene zusätzliche Finanzbedarf an einmaligen und laufenden Kosten kommt bis zum bzw. im Schuljahr 2029/30 auf die öffentliche Hand zu? Zum Gesetzesentwurf und seinen Folgen Diese 3 Themen haben vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs für den Ganztag im Grundschulalter, der nach zähen und schwierigen Verhandlungen nunmehr von Seiten des Bundestags und des Bundesrats beschlossen wurde, in den letzten Jahren eine hohe Bedeutung erlangt. Kontrovers diskutiert wurde vor allem, (1) wie groß die Lücke an fehlenden Plätzen wirklich ist, (2) wie viel Personal dafür benötigt würde und wo dieses herkommen soll, (3) welche Mehrkosten mit diesen zusätzlichen Ausbauanstrengungen verbunden sind und wer diese tragen kann und soll. Vor allem der letzte Punkt und die dazu immer wieder geäußerten Befürchtungen, dass Länder und Kommunen einen zu hohen Anteil der hierfür notwendigen zusätzlichen Kosten tragen müssten, hat den politischen Aushandlungsprozess enorm belastet und die Entscheidungsfindung immer wieder verzögert. Aus unterschiedlichen Gründen, die vor allem mit Fragen der Umsetzbarkeit und Finanzierbarkeit des Rechtsanspruchs zusammenhängen, wurden die Eckwerte des Gesetzesentwurfs mehrfach angepasst: Zu- letzt einigten sich Bund und Länder auf einen mit den Klassenstufen ansteigenden Rechtsanspruch auf ein ganztägiges Angebot (inklusive des Unterrichts) im Umfang von 8 Stunden an 5 Werktagen – zuzüglich einer ganztägigen Betreuung während des größten Teils der Schulferien. Der Rechtsanspruch beginnt mit dem Schuljahr 2026/27 für die jeweils neu eingeschulten Kinder für 4 Jahre, sodass ab dem Schuljahr 2029/30 für alle Kinder der 4 Grundschuljahre ein rechtlicher Anspruch auf ein Ganztagsangebot besteht. Im Klartext heißt dies, dass erstmals jene Kinder, die im Schuljahr 2026/27 eingeschult werden und mehr- heitlich im Jahr 2020 – bzw. je nach Einschulungsstichtag bereits im (vor)letzten Quartal 2019 – geboren sind, einen rechtlich uneingeschränkten Anspruch auf einen Ganztagsplatz haben werden. 3
Allerdings sind zum jetzigen Zeitpunkt mit Blick auf die Umsetzung des Gesetzes noch eine ganze Reihe von Fragen ungeklärt. Während die Thematik der Finanzen zwar sehr kontrovers, aber immerhin intensiv erörtert wurde – vor allem mit dem Fokus, in welchem Umfang sich der Bund dauerhaft an diesem Projekt beteiligt –, ist sehr viel weniger geklärt, welches Personal hierfür überhaupt in Frage kommen soll und wie der Ausbau in Anbetracht der unterschiedlichen Länderpolitiken konkret vonstattengehen wird – in Regie der Länder und deren Zuständigkeit für die Schulen auf der einen oder aber SGB VIII-konform auf der Ebene der örtlichen Jugendämter im Rahmen der Kindertagesbetreuung und der Horte auf der anderen Seite? Und offen ist auch, wie mit den bereits vorhandenen Plätzen verfahren werden soll, inwieweit sie rechtsanspruchserfüllend sind, auch wenn sie in ihrem zeitlichen Umfang nicht den Anforderungen des Gesetzes entsprechen. Mit anderen Worten: Auch nach der Verabschiedung des Gesetzes gibt es noch eine Reihe von zu klärenden Punkten. Zu diesen bis zum Schluss der politischen Kontroversen ungeklärten Punkten gehört erstaunlicherweise auch eine fehlende Verständigung – oder eine eklatante Wissenslücke – über den Umfang der bereits verfügbaren Plätze und Angebote. Anders formuliert: Zunächst ist zu klären, wie viele Plätze eigentlich hierzulande vorhanden und wie viele noch zu schaffen sind. Auffällig ist, dass in Ermangelung aktueller Daten und Berechnungen von Seiten der Politik vor allem auf die Analysen des Deutschen Jugendinstituts aus dem Jahr 2019 zurückgegriffen worden ist (Gugelhör-Rudan/Alt 2019). Auf diese Vorgehensweise hatte sich die Politik vor längerer Zeit verständigt, obgleich sich die zugrundeliegenden Bezugsdaten not- gedrungen auf die Jahre 2017 und 2018 bezogen und die damals angestellten Berechnungen nur bis zum Jahr 2025, also einem Zeitpunkt vor Inkrafttreten des jetzt beschlossenen Rechtsanspruchs reichten. Das entsprach zum damaligen Zeitpunkt den diskutierten Kriterien des zur Diskussion stehenden Rechtsan- spruchs (Rechtsanspruch für das Grundschulalter für alle 4 Klassenstufen zum Schuljahr 2025/26). Auch wenn es naheliegt und nicht von der Hand zu weisen ist, dass zwischen 2017/18 und 2019/20 neue Plätze hinzugekommen und die Elternbedarfe nicht zwingend gleichgeblieben sind, zudem mit tarifbedingten und investiven Mehrkosten gerechnet werden muss und die Berechnungen überdies bis zum Schuljahr 2029/30 ausgedehnt werden müssen, war die Politik in der Schlussphase der Verhandlungen nicht wirklich an Neuberechnungen und Aktualisierungen der empirischen Eckwerte interessiert. Vor diesem Hintergrund hat sich der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, der bereits unmittelbar vor der Bundestagswahl 2017 eine umfangreiche Vorausberechnung bis zum Jahr 2025 vorgelegt hatte (vgl. Rauschenbach et al. 2017), spätestens nach den jüngsten KMK-Daten – die im April 2021 vorlagen – vor- genommen, die vorliegenden Berechnungen zu aktualisieren, um so die Auswirkungen des demografi- schen Wandels, der vorhandenen Plätze und des noch ungedeckten Elternbedarfs bis zum Jahr 2030 bes- ser abschätzen zu können. Daher haben wir uns entschieden, die ausführliche, datengestützte und mit Länderprofilen hinterlegte Analyse vorzulegen, sobald die politischen Verhandlungen abgeschlossen sind. Gleichwohl haben wir Bund und Ländern vorab Ende Juli 2021 ein kurzes Eckpunktepapier zur Verfügung gestellt, aus dem die aus unserer Sicht wichtigsten Kennwerte hinsichtlich der veränderten Bedingungen des Rechtsanspruchs, der Demografie, des Elternbedarfs sowie dem damit verbundenen zusätzlichen Platzbedarf einschließlich der Mehrkosten bis zum Jahre 2030 im Vergleich zu früheren Berechnungen sichtbar und nachvollziehbar hervorgehen (Rauschenbach et al. 2021). Zum Konzept der Vorausberechnungen Um den zusätzlichen Platzbedarf bestmöglich bestimmen zu können, basieren die nachfolgenden Berech- nungen auf einer keineswegs geklärten Analyse der derzeit vorhandenen Platzangebote und der damit einhergehenden aktuellen Inanspruchnahme der Ganztagsangebote von Seiten der Grundschulkinder so- wie einer dahinter zum Ausdruck kommenden erstaunlich disparaten Verteilung der Ganztagsplatzarten zwischen den Ländern (Ist-Analyse, Kap. 1). 4
Im Nachhinein fallen bei der gesamten Kontroverse 2 Dinge auf, zum einen, welche geringe Rolle die lan- desspezifischen Besonderheiten bei der Klärung der Ausgangslage politisch gespielt haben, zum anderen der noch viel banalere Umstand, dass es auch im Jahr 2021 immer noch nicht seriös möglich ist, auf der Basis amtlicher Daten zuverlässig sagen zu können, wie viele ganztägige Angebote es für Grundschulkin- der in Deutschland bzw. den einzelnen Ländern gibt – und gemeint sind hier wirklich ganztägige Angebote, d.h. Plätze, die den Eltern und ihren Kindern wenigstens bis 15.30 oder 16.00 Uhr an den Schultagen zur Verfügung stehen. Des Weiteren müssen aktuelle Analysen verstärkt die möglichen Folgen der nicht gering zu schätzenden, demografischen Veränderungen berücksichtigen, die sich gegenwärtig besonders im Grundschulalter ab- zeichnen und zu einer Erhöhung der Platzbedarfe beitragen. Wichtig ist es daher, die aktuell vorliegenden Erkenntnisse zu den altersspezifischen Bevölkerungsvorausberechnungen aufzubereiten (demografische Analyse, Kap. 2), d.h. die zu erwartende Anzahl an Kindern in den ersten 4 Grundschuljahren bis zum Schuljahr 2029/30. In einem nächsten Schritt gilt es, diese Ist-Analysen im Lichte des demografischen Wandels mit den Be- funden auf Basis der jährlich durchgeführten Elternbefragungen des Deutschen Jugendinstituts, den so- genannten DJI-Kinderbetreuungsstudien (KiBS; vgl. etwa Hüsken et al. 2021) ins Verhältnis zu setzen. Nur so wird es möglich, auf empirischer Basis die jeweiligen Lücken in den einzelnen Ländern zwischen dem vorhandenen Angebot und der gegenüberstehenden Nachfrage auf Seiten der Eltern auszuweisen. Inso- weit nähern sich die Berechnungen der zusätzlich benötigten Ganztagsplätze und dem damit korrespon- dierenden Personalbedarf für Kinder im Grundschulalter in unterschiedlichen Szenarien schrittweise an (Elternbedarf, Kap. 3). Diese vorbereitenden Analysen ermöglichen im Anschluss daran die Berechnung des zusätzlichen Platz- bedarfs (Kap. 4), einer ersten wesentlichen Kennziffer für Bund und Länder, um eine ungefähre Idee des Ausmaßes der noch zu schaffenden Angebote auf Bundes- und Länderebene zu erlangen. Schon diese Berechnungen zeigen, dass sich diese Lücke in den letzten Jahren deutlich verändert hat und in den ein- zelnen Ländern unterschiedliche Anstrengungen notwendig sein werden, um ab dem Schuljahr 2026/27 ein bedarfsdeckendes Platzangebot bereitzustellen. Die Vorausberechnungen des zusätzlichen Personalbedarfs (Kap. 5) wiederum basieren neben dem er- mittelten zusätzlichen Platzbedarf auf unterschiedlichen Annahmen zum Personaleinsatz, etwa zur Qua- lifikation des eingesetzten Personals oder zu den Personalschlüsseln. Gleichwohl werden auch hier einmal mehr die massiv vorhandenen Wissenslücken zur aktuellen Personalsituation an schulischen Ganztagsan- geboten erkennbar. Und schließlich beruht die Vorausberechnung der Mehrkosten (Kap. 6) auf Annahmen zu den zu erwar- tenden Investitionskosten pro zusätzlich geschaffenem Platz sowie den daraus anschließend entstehen- den jährlichen Betriebskosten, insbesondere für das zusätzliche Personal auf Basis der Lohnkosten, der Arbeitgeberzuschüsse sowie einer Sachkostenpauschale. Hierbei wird ebenfalls das Fehlen einer unab- hängigen und öffentlich verfügbaren Kostenberechnung entsprechender Positionen offenkundig, die der- artige Berechnungen erheblich beeinflussen können. In der Summe, darauf sei ausdrücklich hingewiesen, geht es in allen nachfolgenden Berechnungen ledig- lich um den zusätzlich zu schaffenden Platz- und Personalbedarf. Die bereits vorhandenen Plätze und das bereits tätige Personal werden als gegeben unterstellt und nicht in die Berechnungen einbezogen. Glei- ches gilt für den Finanzbedarf. Im Unterschied zu manch anderen Berechnungen und Debatten fließen in die nachfolgenden Vorausbe- rechnungen, auch das sei betont, keine unterschwellig angenommenen Qualitätsverbesserungen mit ein, 5
also etwa besser bezahltes Personal oder verbesserte Personalschlüssel. Vielmehr ist die einzige Grund- lage der hier angestellten Berechnungen im ersten Schritt allein das Kriterium eines elternbedarfsdecken- den Angebotsausbaus. Darüberhinausgehende Berechnungen sind prinzipiell möglich, sind aber kein Be- standteil der nachfolgenden Vorausberechnung. In zweierlei Hinsicht sind die Auswertungen für die Kinder im Grundschulalter differenzierter als die Ana- lysen in Teil I zu den jüngeren, noch nicht schulpflichtigen Kindern: • Erstens werden die Analysen weitgehend für 4 Klassenstufen einzeln durchgeführt, um die Stufung des Rechtsanspruchs berücksichtigen zu können. Dargestellt werden die Befunde gleichwohl aus Gründen der Übersichtlichkeit nur für die Gesamtgruppe der Kinder im Grundschulalter; auf mögliche Unterschiede zwischen den Jahrgängen wird im Bedarfsfall lediglich hingewiesen. • Zweitens werden die Berechnungen weitestgehend auf Ebene der einzelnen Länder durchgeführt, so- weit uns dazu entsprechende Daten vorliegen. Diese Differenzierung erweist sich für das Grundschul- alter von Anfang an als notwendig. Dies hängt damit zusammen, dass die Unterschiede zwischen den Ländern auch innerhalb der beiden Gebietseinheiten West- und Ostdeutschland so groß sind, dass eine dementsprechend grobe Sortierung nicht zielführend wäre. Die teils erheblichen Unterschiede zeigen sich in mehrfacher Hinsicht: etwa in der bildungspolitischen Entscheidung der Länder, welche Angebotsformate exklusiv oder in Mischform in dem jeweiligen Land angeboten werden (schulische und/oder Jugendhilfe-Angebote), etwa in den von den Eltern artikulierten Bedarfen sowie in den bis- lang erreichten Ausbauständen – somit also in der Kluft zwischen Angebot und Nachfrage an Ganz- tagsangeboten. Allerdings müssen im Gegenzug auch einige Nachteile dieser Berechnungen im Vorhinein klar benannt werden, um keine unrealistischen Hoffnungen zu wecken: • Auf der einen Seite kann bei der Bestimmung der vorhandenen Platzzahl nicht annähernd eine ähnli- che Genauigkeit wie bei den Angeboten der Kitas und der Tagespflege für Kinder vor dem Schuleintritt zugrunde gelegt werden. Mit der KMK- und der KJH-Statistik fließen nicht nur 2 verschiedene, nicht aufeinander abgestimmte Statistiken in die Berechnungen ein, die dazu führen, dass Kinder bzw. Plätze zum Teil doppelt gezählt werden, sondern zugleich wird auch ein Teil der Kinder, die ein Ange- bot der sog. „Übermittagsbetreuung“ nutzen, in einigen Ländern in der KMK-Statistik mitgezählt (in anderen nicht), ohne den besonderen Status dieser Angebotsbesonderheit eigens auszuweisen. • Auf der anderen Seite fehlen in der Schulstatistik jegliche Daten und Erkenntnisse über die Anzahl des nicht-unterrichtenden, pädagogischen Personals in ganztagsschulischen Angeboten ebenso wie zu ih- rer Qualifikation, ihrem Alter und ihrem Beschäftigungsumfang, sodass in dieser Hinsicht keinerlei Berechnungen zum Ersatzbedarf aufgrund ausscheidender Personen vorgenommen werden können. Infolgedessen lassen sich zurzeit auch keine sinnvollen Abschätzungen anstellen, welche Berufsgrup- pen in welchem Ausmaß in die Ganztagsangebote beruflich einmünden. 1 Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden in komprimierter, aber aus sich heraus verständlicher Form die Analysen und Berechnungen vorgestellt werden. Zur besseren Nachvollziehbarkeit detaillierter Be- rechnungen werden im Anhang ergänzend zusätzliche Informationen aufbereitet sowie weitere Tabellen als Hintergrundmaterial zusammengestellt. 2 Darüber hinaus sind in Teil C die wichtigsten Kennwerte für jedes Bundesland in einer Überblickstabelle zusammengestellt. 1 Derartige Berechnungen konnten in Teil 1 für die Angebote für Kinder vor dem Schuleintritt durchgeführt werden. 2 Es werden in aller Regel gerundete Werte (auf 100 bzw. bei den Kosten auf Millionen) berichtet. Dadurch kann es zu kleineren Abweichungen bei den Aufsummierungen kommen. 6
TEIL A AUSGANGSLAGE IN 2019/20 7
1. Ungeklärte Ausgangslage – Ganztagsplätze für Grundschulkinder Bereits die Ermittlung des aktuell genutzten Ganztagsangebots stellt eine große Herausforderung für die Vorausberechnung des Ganztags-Platzbedarfs für Grundschulkinder dar. Von daher erstaunt es auch nicht mehr ganz so sehr, dass Politik und Fachwelt der Beantwortung dieser Frage bislang kaum Aufmerksam- keit geschenkt haben. Das dahinterliegende Problem hängt vor allem mit den disparaten Angebotsforma- ten und Zuständigkeiten zusammen und ihrer zum Teil völlig unzureichenden oder gänzlich fehlenden statistischen Aufbereitung. Deshalb wird den Analysen eine Darstellung bzw. Einschätzung der Ist-Situa- tion vorangestellt, die auch der Herausarbeitung der hier zugrunde gelegten Definition der Ganztagsan- gebote dient. Bis heute gibt es keine integrierte Gesamtzahl für alle Kinder im Grundschulalter, die aktuell ein Ganz- tagsangebot nutzen, sodass die Bestimmung der realen Anzahl an Kindern im Grundschulalter in ganztä- gigen Angeboten nur einen Näherungswert darstellt. Dies liegt auch daran, dass Kinder im Grundschulal- ter – je nach Land – sowohl Angebote der Kinder- und Jugendhilfe (altersgemischte Kindertageseinrich- tungen und Horte nach §§ 22 ff. SGB VIII) in Anspruch nehmen können (sofern diese in dem jeweiligen Land angeboten werden) als auch gebundene, teilgebundene und offene Formen 3 der Ganztagsgrund- schulen nach der Definition der Kultusministerkonferenz – KMK (der zufolge die Schulen ihrerseits an min- destens 3 Tagen pro Woche mit mindestens 7 Stunden Öffnungszeit Angebote bereitstellen müssen). Darüber hinaus gibt es vor allem in den westdeutschen Ländern noch zusätzliche Angebotsformate wie die (Über-)Mittagsbetreuung oder die flexible Nachmittagsbetreuung in Baden-Württemberg. In den letz- ten 5 Jahren wurden diese zusätzlichen, meist nicht gesetzlich geregelten Angebote zumindest in Teilen in der Ganztagsschulstatistik der KMK mitgezählt, obgleich nach wie vor unklar ist, inwieweit sie die Vor- gaben der KMK – etwa in zeitlicher Hinsicht oder in punkto Zuständigkeit – durchweg erfüllen. Unter dem Strich gibt es mithin keine Statistik, die die Nutzung aller ganztägigen Angebote im Grundschul- alter integrativ zusammenstellt (eine Annäherung versucht die Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2020). Während Formate wie die Übermittagsbetreuung in nahezu allen Ländern gar nicht eigenständig ausgewiesen werden, liegen für die Horte bzw. Kindertageseinrichtungen differenzierte Ergebnisse auf Basis der Kinder- und Jugendhilfestatistik vor (vgl. Tabelle 1). Die Anzahl der Schulkinder an Ganztagsschu- len wird daneben jährlich in der KMK-Ganztagsschulstatistik berichtet (vgl. Tabelle 2). Da diese beiden Datenquellen aber nicht untereinander abgestimmt sind, kommt es in einigen Ländern (konkret: Bran- denburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie neuerdings auch in Mecklenburg-Vorpommern) zu erkenn- baren Doppelzählungen; für die Mehrzahl der weiteren Ländern kann es auch zu Doppelterfassungen kommen, was jedoch über die Statistiken nicht erkennbar ist, sodass am Ende nicht abschließend geklärt werden kann, wie viele Kinder in der Summe in dem jeweiligen Land Ganztagsangebote nutzen und ledig- lich Annäherungen an die tatsächliche Inanspruchnahme vorgenommen werden können. 3 Aufgrund der weitgehend unzureichenden Datenlage (z.B. liegen teilweise nur auf Schul-, nicht aber auf Schulkind-Ebene entsprechend differenzierte Daten vor) wird im weiteren Verlauf auf eine Differenzierung der schulischen Angebotsformen nach gebundenen und offenen Formen weitgehend verzichtet. In verschiedenen Zusammenhängen, in denen diese als rele- vant erachtet werden, wird die Bedeutung der konkreten Angebotsform jedoch diskutiert und teils eingerechnet (insbeson- dere innerhalb der Personalbedarfsberechnungen). 8
Tabelle 1: Unbereinigte* Anzahl an Schulkindern unter 11 Jahren in altersgemischten Kindertageseinrichtungen und Horten nach Jahren und Ländern (jeweils zum 01.03.; Kinder- und Jugendhilfestatistik) Kinder- und Jugendhilfestatistik (KJH) Veränderung zw. 2006 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2006 und 2020 Bad.-Württemb. 19.534 27.799 26.579 26.945 25.386 26.104 24.526 23.632 23.967 +4.433 (+23%) Bayern 39.890 71.485 73.754 77.413 80.758 84.193 85.373 86.423 88.299 +48.409 (+121%) Berlin 82 0 0 0 0 0 0 0 0 -82 (-100%) Brandenburg 45.078 61.898 62.986 65.343 67.508 70.180 72.219 72.534 74.457 +29.379 (+65%) Bremen 3.791 3.325 3.119 3.065 2.883 2.651 2.893 2.962 3.007 -784 (-21%) Hamburg 12.900 16.394 4.785 4.773 4.983 1.514 1.371 1.419 1.377 -11.523 (-89%) Hessen 24.117 28.884 27.542 27.879 27.039 26.807 26.073 24.785 23.668 -449 (-2%) Meckl.-Vorpom. 21.929 32.445 33.320 34.231 35.478 36.864 37.990 38.561 40.190 +18.261 (+83%) Niedersachsen 12.475 26.400 27.889 29.453 31.211 32.447 32.908 32.834 32.788 +20.313 (+163%) Nordr.-Westf. 37.999 3.367 3.124 3.365 2.955 3.169 3.234 2.812 2.726 -35.273 (-93%) Rheinland-Pfalz 6.746 7.900 7.758 7.792 7.850 7.821 7.843 7.871 7.839 +1.093 (+16%) Saarland 2.315 2.030 2.025 2.147 2.444 2.758 2.291 2.351 2.457 +142 (+6%) Sachsen 73.670 106.016 109.593 112.653 116.543 121.475 125.281 127.481 130.107 +56.437 (+77%) Sachsen-Anhalt 30.696 45.525 46.196 47.655 49.304 51.689 53.144 53.772 54.248 +23.552 (+77%) Schl.-Holstein 6.276 8.106 8.001 8.030 8.479 9.169 8.918 8.952 9.319 +3.043 (+48%) Thüringen 1.640 1.073 915 805 724 563 469 409 405 -1.235 (-75%) Ostdeutschland 173.095 246.957 253.010 260.687 269.557 280.771 289.103 292.757 299.407 +126.312 (+73%) Westdeutschland 166.043 195.690 184.576 190.862 193.988 196.633 195.430 194.041 195.447 +29.404 (+18%) Deutschland 339.138 442.647 437.586 451.549 463.545 477.404 484.533 486.798 494.854 +155.716 (+46%) * Ohne Bereinigung um mögliche Doppelzählungen, also inkl. Kinder, die auch in der Schulstatistik erfasst werden. Länder, in denen von Doppelzählungen ausgegangen werden kann, sind in den betroffenen Jahren grau hinterlegt. Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege, verschiedene Jahre, eigene Berechnungen Zudem werden Kinder in Übermittagsbetreuung oder anderen Angebotsformaten, die weder der Kinder- und Jugendhilfe zugerechnet werden, noch die schulbezogenen Kriterien einer Ganztagsschule erfüllen, statistisch nicht eigens erfasst, allenfalls in einzelnen Ländern – allerdings nur implizit – den Ganztags- schulen in der KMK-Statistik zugerechnet, wobei jedoch unklar bleibt, in welchem Umfang sie in den letz- ten Jahren in die KMK-Statistik integriert worden sind. Generell entsteht aufgrund der unterschiedlichen, auf den ersten Blick nicht immer eindeutigen 4 und zwischenzeitlich wechselnden rechtlichen Zuständig- keiten für die Ganztagsbetreuung von Grundschulkindern Unklarheit darüber, welche Angebote an wel- cher Stelle erfasst werden und wie vollständig die Daten in diesem Bereich sind. Zumindest für Bayern ist bekannt, dass zwischen 2017/18 und 2018/19 sogar wieder die Formate der sog. „kurzen Übermittagsbetreuung“ (bis 14:30 Uhr) aus der KMK-Statistik herausgenommen wurden, da diese die KMK-Kriterien nicht erfüllen, aber zwischenzeitlich miteinbezogen waren. Zuletzt wurden auch in Ba- den-Württemberg weitere Angebote – und zwar kommunale Betreuungsangebote – in die Meldung zur KMK-Statistik aufgenommen, was zu einem erheblichen Anstieg der Plätze zwischen 2018/19 und 2019/20 (+135%) führte (vgl. Tabelle 2). 4 Beispielsweise liegt der Schulhort in Thüringen im Zuständigkeitsbereich der KMK, gleichwohl existieren in diesem Land eben- falls Hortangebote der Kinder- und Jugendhilfe. Eine ausschließlich schulische Zuständigkeit dürfte jedenfalls in der Praxis höchst selten vorliegen, sodass ein Abgleich verschiedener Datenquellen in aller Regel unumgänglich ist. 9
Tabelle 2: Unbereinigte* Anzahl an Kindern in Ganztagsgrundschulen (inkl. Primarstufen in Integrierten Gesamtschulen und Freien Waldorfschulen)** nach Schuljahren und Ländern (KMK-Schulstatistik) Statistik der Kultusministerkonferenz (KMK) Veränderung zw. 2005/065) 2012/13 2013/14 2014/15 2015/16 2016/17 2017/18 2018/19 2019/20 2005/06 und 2019/20 Bad.-Württemb.1) 9.666 42.287 45.887 51.659 60.843 70.525 75.565 76.243 178.851 +169.185 (+1.750%) Bayern2) 10.801 35.286 38.471 41.681 47.189 106.929 106.767 89.618 87.348 +76.547 (+709%) Berlin 61.218 86.811 92.518 92.642 95.596 100.099 102.797 99.236 105.599 +44.381 (+72%) Brandenburg 11.131 33.118 33.192 33.763 34.029 36.805 38.720 39.838 40.146 +29.015 (+261%) Bremen 2.543 7.070 7.582 8.191 9.016 9.668 10.199 10.153 10.534 +7.991 (+314%) Hamburg 2.661 23.926 55.081 56.701 58.661 60.515 61.856 62.768 63.971 +61.310 (+2.304%) Hessen 11.432 46.277 52.903 57.069 57.480 71.434 77.412 86.642 92.556 +81.124 (+710%) Meckl.-Vorpom.3) 3.555 1.009 1.019 717 1.169 0 0 0 24.228 +20.673 (+582%) Niedersachsen 6.678 61.799 69.877 77.673 85.133 94.710 102.252 108.384 111.482 +104.804 (+1.569%) Nordr.-Westf. 64.318 239.189 244.194 257.214 266.536 282.882 292.945 302.100 310.927 +246.609 (+383%) Rheinland-Pfalz4) 10.570 35.886 37.945 42.372 45.782 51.230 67.387 65.920 69.719 +59.149 (+560%) Saarland 3.275 12.516 12.254 13.177 14.132 14.890 16.156 16.420 17.472 +14.197 (+433%) Sachsen 63.419 102.710 103.095 110.371 113.039 116.966 122.392 124.352 127.567 +64.148 (+101%) Sachsen-Anhalt 2.833 2.443 2.459 2.599 2.654 45.998 46.809 46.720 46.440 +43.607 (+1.539%) Schl.-Holstein 11.672 17.210 18.259 19.433 20.391 21.561 22.193 22.483 23.273 +11.601 (+99%) Thüringen 38.371 58.477 58.101 58.184 59.402 64.027 64.216 67.612 67.248 +28.877 (+75%) Ostdeutschland 180.527 284.568 290.384 298.276 305.889 363.895 374.934 377.758 411.228 +230.701 (+128%) Westdeutschland 133.616 521.446 582.453 625.170 665.163 784.344 832.732 840.731 966.133 +832.517 (+623%) Deutschland 314.143 806.014 872.837 923.446 971.052 1.148.239 1.207.666 1.218.489 1.377.361 +1.063.218 (+338%) * Ohne Bereinigung um mögliche Doppelzählungen, also inkl. Kinder, die auch in der Kinder- und Jugendhilfestatistik erfasst wer- den. Länder, in denen von Doppelzählungen ausgegangen werden kann, sind grau hinterlegt. ** Im Vergleich zu früheren Auswertungen der Anzahl an Kindern in Ganztagsgrundschulen werden mittlerweile – und so auch hier – die Primarstufen in Integrierten Gesamtschulen und Freien Waldorfschulen mit eingerechnet. Es kann daher zu höheren Werten kommen als in anderen Datenzusammenstellungen. Anmerkungen: Seit dem Schuljahr 2016/17 findet die erweiterte Definition für die offenen Ganztagsangebote Anwendung. Daher kann es zu einem deutlichen Anstieg kommen, der (zumindest teilweise) darauf zurückzuführen ist. Sprunghafte Veränderungen von mind. 15% innerhalb eines Jahres sind fett markiert. Sprunghafte Veränderungen, die weitge- hend auf zusätzlich berücksichtigte Datenquellen oder Angebotsformen sowie auf eine nachträgliche Anpassung an die erwei- terte Definition für die offenen Ganztagsangebote zurückzuführen sind, sind fett markiert mit farbiger Umrandung. Sprünge, die in der Umstellung des Systems (z.B. von Hort auf schulische Angebote) begründet liegen, werden kursiv mit farbiger Umrandung dargestellt. Für die Länder HE, NI und ST liegen keine Angaben über private Ganztagsangebote vor. Länderspezifika: 1) BW: Seit dem Schuljahr 2019/20 einschließlich Teilnehmenden an kommunalen Betreuungsangeboten. Doppelzählungen sind möglich. 2) BY: Zum Schuljahr 2016/17 wurden weitere Formate in die Statistik gemeldet, die letztlich nicht der erweiterten Definition der KMK entsprachen. Ab dem Schuljahr 2018/19 folgte die Berücksichtigung der erweiterten Definition zu den offenen Ganztags- schulangeboten und somit die Rückkorrektur. 3) MV: Bis (einschließlich) 2018 keine Berücksichtigung der erweiterten Definition zu den offenen Ganztagsschulangeboten. 4) RLP: Ab 2017/18 Schließung von Datenlücken durch Einbeziehung zusätzlicher Datenquellen. 5) Der Referenzwert von 2005/06 beinhaltet im Gegensatz zu dem aktuellen Wert keine Informationen den Primarstufen Freier Waldorfschulen und Integrierter Gesamtschulen. Aufgrund der geringen Fallzahlen bei diesen Schulformen lassen sich die Werte dennoch miteinander vergleichen Quelle: Sekretariat der KMK, Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik verschiedene Jahrgänge, eigene Berechnungen 10
Auch andere, auffällig sprunghafte Anstiege binnen eines Jahres deuten sich im Zeitverlauf an: Im Jahr 2017 stieg die Anzahl der Grundschulkinder in Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz durch den Einbezug weiterer Datenquellen deutlich an. In Hamburg zeigen sich nach dem Schuljahr 2012/13 ebenfalls sprung- hafte Veränderungen. Diese begründen sich über die Einführung der ganztägigen Bildung und Betreuung an Hamburger Schulen (GBS) und der damit verbundenen Verschiebung der Plätze aus dem Hortbereich in die Ganztagsschulen. In den Jahren nach der Einführung kam es teilweise zu Doppelnennungen in bei- den Statistiken, die erst ab dem Schuljahr 2017/18 bereinigt werden konnten. Offensichtliche Doppelzäh- lungen lassen sich auch in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und seit dem aktuellen Jahr ebenfalls in Mecklenburg-Vorpommern beobachten. In diesen Ländern wurden und werden (zumindest für einige Jahre) Kinder sowohl in der KMK- als auch der KJH-Statistik ausgewiesen, was sich dadurch zeigt, dass man bei Addition beider Ergebnisse und Relationierung auf die altersgleiche Bevölkerung zu Quoten von über 100% kommt. Eine schlichte Aufaddierung der Kinderzahlen beider Quellen für alle Länder wäre demnach nicht zielfüh- rend. Vielmehr müssen Annahmen getroffen werden, um sich trotz dieser unklaren Ausgangslage der tat- sächlichen Inanspruchnahme von Ganztagsangeboten in den einzelnen Ländern anzunähern. 5 Auf diese Weise kann mittels beider amtlicher Datenquellen eine integrierte und entsprechend bereinigte Inan- spruchnahme ermittelt werden (vgl. Abbildung 1). 5 Für Länder, in denen es offensichtlich zu Doppelzählungen kam, da sich bei Aufaddieren der Angebote eine Inanspruchnahme von weit über 100% ergibt (Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt), werden nur die Kinder berücksichtigt, die das Angebot besuchen, in dem die höhere Anzahl von Kindern gemeldet wurde (in der Regel sind dies die Angebote der Kinder- und Jugendhilfe). 11
Abbildung 1: Inanspruchnahme1 von Ganztagsangeboten2 für Kinder im Grundschulalter 2019/203 nach Ländern, bereinigte Quoten nach KMK- und KJH-Daten (in Prozent) Amtliche Quellen 2019/20 bereinigt Hortangebote Hort und/oder Ganztagsschule Nicht erfasst* Ganztagsschule BW 6 BW 45 BW BW 49 BY 19 BY 19 BY BY 62 BE 0 BE 79 BE BE 21 BB 38 BB BB 44 BB 19 HB 13 HB 45 HB HB 42 HH 2 HH 97 HH HH 1 HE 10 HE 41 HE HE 49 MV 28 MV MV 43 MV 28 NI 12 NI 39 NI NI 49 NW 0 NW 49 NW NW 51 RP 6 RP 49 RP RP 45 SL 8 SL 56 SL SL 36 SN 2 SN SN 87 SN 11 ST 11 ST ST 64 ST 26 SH 9 SH 23 SH SH 68 TH 1 TH 91 TH TH 9 O-DE 11 O-DE 30 O-DE 41 O-DE 18 W-DE 8 W-DE 41 W-DE W-DE 51 DE 9 DE 39 DE 8 DE 45 * Die Kategorie „Nicht erfasst“ beinhaltet jene Grundschulkinder, die laut der verwendeten amtlichen Statistiken kein Ganz- tagsangebot in Anspruch nehmen. Enthalten ist hier ebenfalls die Tagespflege, die aber lediglich weniger als 1% der nicht erfass- ten Kinder ausmacht. Inwiefern und welche Angebote der Übermittagsbetreuung hier einfließen (insb. kurze Angebote sollten weitgehend enthalten sein) oder möglicherweise bereits in den Statistiken enthalten sind, ist für viele Länder nicht vollständig aufklärbar. Weitere Angebote für Grundschulkinder, die nicht in den amtlichen Statistiken erfasst werden, zählen hier ebenfalls zur Kategorie „Nicht erfasst“. 1 Die Quote der Bildungsbeteiligung wurde jeweils anhand der Gruppe der 6,5- bis 10,5-Jährigen in der Bevölkerung berechnet. 2 Grundschulen sowie Primarstufen an Freien Waldorf- und Integrierten Gesamtschulen. 3 Die Statistiken weisen unterschiedliche Stichtage auf: Die Kinder im Grundschulalter in Hortangeboten werden am 01.03.2019 sowie am 01.03.2020 und die Kinder in Ganztagsgrundschulen im Herbst 2018 und 2019 erfasst. Für die Länder HE, NI und ST liegen keine Angaben über private Ganztagsangebote vor. Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2020. Sowie Sekretariat der KMK, Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik 2019; eigene Berechnungen Eine weitere Datenquelle, die Auskunft über die besuchten Angebotsformen von Grundschulkindern gibt, ist die sogenannte Kinderbetreuungsstudie (KiBS). Dabei handelt es sich um eine repräsentative Umfrage, in der Eltern Auskunft über die aktuelle Betreuungssituation ihrer Kinder im Grundschulalter geben. Diese wird jährlich wiederholt – zuletzt im Jahr 2020. Hierüber liegen somit Auskünfte zu Angebotsformen aus Elternsicht vor, die nicht (einheitlich) über die KJH- oder die KMK-Statistik erfasst werden, wie die Ange- bote der Übermittagsbetreuung (vgl. Abbildung 2). 6 Gleichzeitig muss bedacht werden – und dies zeigt sich auch im Vergleich der Quellen –, dass die von den Eltern so benannten Betreuungsformen häufig nicht mit der landespolitisch offiziellen Sprachregelung übereinstimmen, da es Differenzen zwischen dem 6 Allerdings dürfen die KiBS-Daten nicht losgelöst von den amtlichen Daten betrachtet werden, da die Gewichtung der KiBS- Erhebungen auf den Ergebnissen dieser beruht. 12
alltäglichen Sprachgebrauch der Eltern und der ressortmäßigen Zuordnung der ganztägigen Angebote auf Länderebene gibt. Abbildung 2: Inanspruchnahme1 von Ganztagsangeboten für Kinder im Grundschulalter 2020 nach Ländern, Elternangaben aus der DJI-Kinderbetreuungsstudie U12 (in Prozent) DJI Kinderbetreuungsstudie 2020 Keine Hortangebote Ganztagsschule Übermittagsbetreuung Inanspruchnahme* BW 27 BW 21 BW 16 BW 36 BY 25 BY 12 BY 22 BY 41 BE 54 BE 25 BE 9 BE 12 BB 57 BB 25 BB 5 BB 13 HB 18 HB 43 HB 5 HB 35 HH 17 HH 76 HH 3 HH 4 HE 34 HE 17 HE 18 HE 31 MV 53 MV 21 MV 3 MV 23 NI 16 NI 35 NI 12 NI 38 NW 4 NW 43 NW 19 NW 34 RP 24 RP 28 RP 21 RP 27 SL 19 SL 46 SL 9 SL 26 SN 71 SN 23 SN 1 SN 5 ST 62 ST 13 ST 8 ST 17 SH 17 SH 16 SH 20 SH 47 TH 53 TH 41 TH 2 TH 4 O-DE 59 O-DE 25 O-DE 5 O-DE 11 W-DE 18 W-DE 29 W-DE 18 W-DE 35 DE 26 28 DE 15 DE 30 * Die Kategorie „Keine Inanspruchnahme“ enthält neben den Eltern, die nach eigener Aussage kein Angebot in Anspruch nehmen, auch die „Sonstige“-Kategorie, die deutschlandweit allerdings nur bei einem Prozent liegt. 1 Die Quote der Bildungsbeteiligung wurde jeweils anhand der Gruppe der 6,5- bis 10,5-Jährigen in der Bevölkerung berechnet. Quelle: DJI-Kinderbetreuungsstudie U12 (Erhebung 2020); eigene Darstellung Unabhängig von der Datenquelle werden auch jenseits der von amtlicher Seite unklaren Zuordnung der Übermittagsbetreuung deutliche Unterschiede zwischen den Landesteilen und den Ländern sichtbar (Ab- bildung 1 und Abbildung 2). Insgesamt überwiegen im Vergleich zu Westdeutschland in den ostdeutschen Ländern die Hortangebote bzw. die in die Grundschulen integrierten Horte, und es liegen insgesamt er- kennbar höhere Inanspruchnahmequoten vor. Für Westdeutschland zeigt sich ein äußerst heterogenes Bild, es werden sowohl in Bezug auf das Ausmaß der Inanspruchnahme als auch hinsichtlich der Verteilung der Angebotsformen große Unterschiede zwischen den Ländern deutlich. Auf diese wird an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen, es soll aber zumindest auf einige Auffälligkeiten im Vergleich der amtlichen Daten mit der Elternbefragung eingegangen werden. Erstens sind die bereits genannten Differenzen zwischen dem alltäglichen Sprachgebrauch der Eltern und damit deren Angaben zur Betreuungssituation ihrer Kinder und der tatsächlichen Verortung der Plätze in der amtlichen Statistik zu benennen. So werden z.B. in Berlin in der KJH-Statistik keine Schulkinder (mehr) erfasst, da die Angebote seit einigen Jahren nur noch über die Ganztagsschule organisiert und rechtlich verortet werden. Dennoch bezeichnen die Eltern die Angebote an Grundschulen weiterhin als „Horte“, was sie früher unstrittig auch waren. Im Ergebnis besuchen in Berlin laut Elternbefragung 54% der Kinder im Grundschulalter ein Hortangebot, obwohl diese laut Landesregelung nicht mehr existieren. 13
Diese Zuordnung verwundert insofern nicht, als dass auch von offizieller Seite die gängige Bezeichnung Hort mitunter verwendet und Hortangebote gebucht werden können, obwohl es sich eigentlich um schu- lische Angebote handelt. 7 Komplexer und unübersichtlicher werden diese Differenzen in Ländern, in de- nen auch gesetzlich mehrere Angebotsformen vorhanden sind und die Differenzen somit nicht eindeutig geklärt werden können. Ein Beispiel hierfür wäre Hessen, wo laut KJH-Statistik 10% der Kinder ein Hort- angebot besuchen, in der Elternbefragung jedoch 34% der Eltern dies für ihr Kind angaben. Zweitens wird im Vergleich deutlich, in welchem Umfang die nicht über die amtliche Statistik erfassten Angebote (und hier insbesondere die Übermittagsbetreuung) die Inanspruchnahme steigern. Während laut amtlicher Statistik rund 55% der Kinder im Grundschulalter ein Ganztagsangebot nutzen, sind es bei Berücksichti- gung der weiteren Angebote 71%. Besonders deutlich wird diese Differenz in Bayern und Schleswig-Hol- stein mit einem Unterschied der Inanspruchnahme von 22 bzw. 23 Prozentpunkten. In der Gesamtbetrachtung aber lässt sich anhand der verschiedenen Datenquellen ein Bild zur aktuellen Betreuungssituation der Kinder im Grundschulalter zeichnen, das als Ausgangslage für die weiteren Ana- lysen dient. Herangezogen werden im weiteren Verlauf die aus beiden amtlichen Quellen integrierten, zuvor aufgeführten Inanspruchnahmequoten und deren Verteilung auf die Angebotsformate (aus Abbil- dung 1). 8 Nach der Bereinigung von Doppelzählungen in den Ländern, in denen bekannt ist, dass Kinder sowohl in der KJH- als auch in der KMK-Statistik gemeldet werden (d.h. in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt), kann für die Grundschulkinder in den Ländern jeweils eine Gesamtzahl für die (statistisch erfasste) Inanspruchnahme ganztägiger Angebote ausgewiesen werden (vgl. Tabelle 3): Die Inanspruchnahmequote ist in Schleswig-Holstein und Bayern mit unter 40 Prozent vergleichsweise gering, während sie in Hamburg und Thüringen bei über 90 Prozent liegt. Insgesamt nahmen im Schuljahr 2019/20 rund 1.634.000 Grundschulkinder ein ganztägiges Angebot an Grundschulen oder im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch; das entspricht einem Anteil von rund 55% der Kinder im Grundschulalter. 9 7 Siehe dazu bspw. die Webseite der Stadt Berlin https://www.berlin.de/familie/de/informationen/ergaenzende-foerderung- und-betreuung-von-grundschulkindern-hort-232, Zugriff am 26.08.2021. 8 Für die bereits genannten Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt, für die bekannt ist, dass Kinder doppelt gemeldet werden, wird auf die Verteilung auf die Angebotsformate laut KiBS (Angaben der Eltern) zu- rückgegriffen. 9 Für die Vorausberechnungen zu den Platzbedarfen werden die Kinder anhand der Verteilung innerhalb der KJH-Statistik auf die 4 Klassenstufen verteilt. So werden klassenstufenspezifische Quoten der Inanspruchnahme geschätzt. Nähere Informati- onen hierzu sind in Ergänzung 2 zu finden. 14
Tabelle 3: Anzahl der vorhandenen Ganztagsplätze und Quote der Inanspruchnahme1 von Ganztagsangeboten für Kinder im Grundschulalter 2019/20 nach Ländern, bereinigte Werte amtlicher Quellen (absolut und in Prozent) Anzahl Kinder in Quote der Ganztagsangeboten Inanspruchnahme Baden-Württemberg 202.800 51% Bayern 175.600 38% Berlin 105.600 79% Brandenburg 74.500 81% Bremen 13.500 58% Hamburg 65.300 99% Hessen 116.200 51% Mecklenburg-Vorpommern 40.200 72% Niedersachsen 144.300 51% Nordrhein-Westfalen 313.700 49% Rheinland-Pfalz 77.600 55% Saarland 19.900 64% Sachsen 130.100 89% Sachsen-Anhalt 54.200 74% Schleswig-Holstein 32.600 32% Thüringen 67.700 91% Ostdeutschland 472.300 82% Westdeutschland 1.161.600 49% Deutschland 1.633.800 55% 1 Die Quote beziffert den Anteil an der altersgleichen Bevölkerung. Weitere Hinweise sind den Anmerkungen unter Abbildung 1 zu entnehmen. Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe. Kinder und tätige Personen in Tageseinrichtungen und in öffentlich geförderter Kindertagespflege 2020. Sowie Sekretariat der KMK, Allgemeinbildende Schulen in Ganztagsform in den Ländern in der Bundesrepublik 2019; eigene Berechnungen 15
2. Demografie: Entwicklung der Kinderzahl im Grundschulalter Um den Platzbedarf auf Basis der letzten verfügbaren Ist-Situation vorauszuberechnen, müssen zusätzli- che Annahmen dazu getroffen werden, wie viele Kinder im Grundschulalter es zukünftig geben wird, ge- nauer: müssen die sich abzeichnenden demografischen Entwicklungen und die Anzahl der Kinder in den entsprechenden Klassenstufen 1 bis 4 bis zum Schuljahr 2029/30 abgeschätzt werden. Für die Vorausbe- rechnung dieser Entwicklungen wird nachfolgend die vom Statistischen Bundesamt ausgewiesene „Vari- ante 2“ der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung (kBV) aus dem Jahr 2019 zugrunde gelegt (Statistisches Bundesamt 2019a). 10 Verwendet werden die vorausberechneten Bevölkerungszahlen zum Stichtag 31.12. des jeweiligen Jahres, die sich mit den Ist-Werten vom 31.12.2019 vergleichen lassen. 11 Da über die Bevölkerungsstatistik nicht eindeutig bestimmbar ist, wann genau ein Kind eingeschult wird, wird für die Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung annäherungsweise angenommen, dass nur die Hälfte des Jahrgangs der 6-Jährigen eingeschult wird, während sich am anderen Ende ein halber Jahr- gang der 10-Jährigen bereits im 5. Schuljahr befindet, also außerhalb der ersten 4 Grundschuljahre. Dem- entsprechend wird die Altersspanne der 6,5- bis 10,5-Jährigen als Referenzwert zugrunde gelegt, sodass neben den 3 unstrittigen Jahrgängen der 7-, 8- und 9-Jährigen jeweils ein halber Jahrgang der 6- und der 10-Jährigen hinzugerechnet wird und somit näherungsweise die Anzahl der Kinder im Grundschulalter bestimmt werden kann. 12 Mit Blick auf die Daten zeigt sich deutlich: Die Entwicklung der Bevölkerungszahlen für Kinder im Grund- schulalter entspricht erwartungsgemäß überwiegend einer zeitversetzten Fortführung der starken Dyna- mik bei den jüngeren Kindern (vgl. Rauschenbach et al. 2020: Teil 1 der Vorausberechnungen). Die Anzahl der Grundschulkinder wird deutschlandweit voraussichtlich noch bis Ende des Jahres 2026 deutlich stei- gen (+11% im Vergleich zu 2019) und daraufhin leicht zurückgehen. Aber auch gegen Ende des Jahrzehnts (31.12.2029) wird es voraussichtlich noch 10% mehr Kinder im Grundschulalter geben als im Vergleichs- jahr 2019. 13 Erst weitere 10 Jahre später werden die Zahlen deutschlandweit voraussichtlich auf das Ni- veau von Ende 2019 zurückgegangen sein. Gleichwohl ist es bei diesem Thema von großer Bedeutung, die ungleichen Entwicklungen zwischen Ost- und Westdeutschland zu beachten, da diese sichtlich anders ver- laufen. 10 Nähere Informationen zu den Annahmen der Varianten und länderspezifische Bevölkerungsvorausberechnungen finden sich in Ergänzung 1. 11 Das eröffnet grundsätzlich einen ersten Vergleich mit der realen Entwicklung anhand der inzwischen vorliegenden Bevölke- rungszahlen zum 31.12.2019. Demnach zeigt sich, dass die Anzahl der Kinder im Grundschulalter in den Vorausberechnungen in beiden Landesteilen etwas unterschätzt wurde (West: 0,6%; Ost: 0,2%), die realen Werte also leicht über den geschätzten Werten liegen. Insgesamt sind die Abweichungen aber nicht gravierend. 12 Tiefergehende Informationen und Überlegungen zur Berechnung der Inanspruchnahmequoten finden sich bei Detemple et al. (2021). 13 Die jährlichen vorausberechneten Bevölkerungszahlen für Kinder im Grundschulalter für Deutschland, Ost-/Westdeutschland und die Länder sind Tabelle 13 zu entnehmen. Im Vergleich zur hier verwendeten „Variante 2“ sagt die „Variante 3“ der 14. kBV, die ein höheres Wanderungssaldo annimmt, einen Anstieg um 13% voraus, was 85.500 Kindern zusätzlich zur „Variante 2“ entspricht. Ende September 2021 veröffentlichte das Statistische Bundesamt zudem einen Ausblick auf die Bevölkerungs- entwicklung nach dem Corona-Jahr 2020 (Statistisches Bundesamt 2021). Diese mittelfristige Bevölkerungsvorausberechnung bis zum Jahr 2035 umfasst zwei Varianten, die sich insbesondere bezüglich der Annahmen zum Wanderungssaldo von der verwendeten „Variante 2“ unterscheiden. Für die Altersgruppe der 6,5- bis 10,5-Jährigen wird demnach bis zum Jahr 2029 deutschlandweit ein Zuwachs um 7% (Variante „moderat“) bzw. 11% (Variante „hoch“) im Vergleich zu 2019 erwartet. Die in „Variante 2“ erwarteten +10% liegen also innerhalb dieser neuen Spannweite. Erst mit Blick auf die Länder werden deutli- chere Unterschiede zur „Variante 2“ sichtbar. So zeigen sich für BY, BB, NI und RP, dass die voraussichtlichen Bevölkerungs- zahlen in beiden neuen Varianten oberhalb der „Variante 2“ liegen, die „Variante 2“ diese also möglicherweise unterschätzt, während es in BE, HB, HH, SN, ST und TH durch „Variante 2“ eventuell zu einer Überschätzung der künftigen Bevölkerungs- zahlen kommt. 16
2.1 Westdeutsche Länder In Westdeutschland erhöht sich die Anzahl an Kindern im Grundschulalter in den kommenden Jahren ver- gleichsweise stark und wird ihren Höchstwert mit 2,66 Mio. Kindern erst Ende 2027 erreichen, was in etwa einem Plus von 12% gegenüber dem Wert von 2019 mit 2,37 Mio. Kindern entspricht. Bis Ende 2029 sinkt diese Anzahl nur noch minimal auf 2,66 Mio. Ein leichter Rückgang wirkt sich mithin für das Grundschul- alter im Großen und Ganzen – zumindest für Westdeutschland – erst nach dem betrachteten Beobach- tungszeitraum, also nach 2030, aus. Dieses Muster – deutlicher Anstieg der Anzahl der Grundschulkinder bis etwa Mitte des Jahrzehnts, ge- folgt von einer Stagnation auf hohem Niveau und einem anschließend beginnenden leichten Rückgang – lässt sich grob in allen westdeutschen Ländern beobachten. Dem Umstand geschuldet, dass die Bevölke- rungsgröße der Länder sehr unterschiedlich ist, wird die Entwicklung in den Ländern nachfolgend nicht an absoluten Zahlen, sondern als Index dargestellt, wobei jeweils der vom Statistischen Bundesamt verwen- dete Ausgangswert der Vorausberechnung (31.12.2019) die 100 Prozent-Linie markiert (Abbildung 3). Dargestellt ist somit die prozentuale Entwicklung der vorausberechneten Anzahl an 6,5- bis 10,5-jährigen Kindern in den Ländern bis zum Jahr 2029 im Vergleich zum letzten Ist-Wert aus dem Jahre 2019. Abbildung 3: Voraussichtliche Entwicklung der Anzahl an Kindern im Grundschulalter (6,5 bis 10,5 Jahre) in Westdeutschland bis 2029 (jeweils 31.12.), Variante 2 der 14. kBV für die westdeutschen Länder ohne Berlin (Index: 31.12.2019 = 100; absolute Veränderung 2019-2029) HH BY HB BW RP NW HE SL NI SH WEST insg. 31.12.2019 66.100 460.700 398.600 142.100 640.500 23.200 227.200 283.000 101.900 31.300 2.374.700 31.12.2029 80.000 526.000 450.500 160.000 707.000 26.500 250.500 310.500 109.500 34.500 2.655.000 Anmerkung: Variante 2 der 14. kBV geht von einer moderaten Entwicklung sowohl der Geburten (Geburtenziffer = 1,55) als auch der Lebenserwartung (bei Geburt: 84,4 Jahre (Jungen), 88,1 Jahre (Mädchen)) sowie des Wanderungssaldos aus (Rückgang auf 206.000 bis 2026, danach konstant). Quelle: Statistisches Bundesamt 2019a: eigene Berechnungen Im Ergebnis wird deutlich, dass aller Voraussicht nach Ende 2029 die Anzahl der Kinder im Grundschulalter in allen westdeutschen Ländern klar über dem Niveau am Ende des Jahres 2019 liegen wird. Die länder- spezifischen Zuwachsraten in diesem Zeitraum variieren dabei zwischen 7% und 21% im Vergleich zu 17
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