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Geburtshilfe ∕ Frauen-Heilkunde ∕ Strahlen-Heilkunde ∕ Forschung ∕ Konsequenzen Wertaschnigg D Präeklampsie – „Life-Long Risk“ für Mutter und Kind Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2015; 33 (1) (Ausgabe für Österreich), 6-8 Speculum - Zeitschrift für Gynäkologie und Geburtshilfe 2015; 33 (1) (Ausgabe für Schweiz), 8-10 Homepage: www.kup.at/speculum Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Krause & Pachernegg GmbH • Verlag für Medizin und Wirtschaft • A-3003 Gablitz P.b.b. 02Z031112 M, Verlagsort: 3003 Gablitz, Linzerstraße 177A/21
Staudin ger Ab sofort in unserem Verlag Thomas i e n e l K Maurice Thomas Staudinger Maurice Kienel EC M O ECMO die Kitteltasche für die Kitteltasche für 2. Auflage Jänner 2019 ISBN 978-3-901299-65-0 2. Auflage 78 Seiten, div. Abbildungen 2018 Copyright eber au d in ger - Herausg 19.80 EUR Thomas St Bestellen Sie noch heute Ihr Exemplar auf Krause & Pachernegg GmbH www.kup.at/cd-buch/75-bestellung.html
33. Jahrgang, 1/2015 Präeklampsie – „Life-Long Risk“ für Mutter und Kind D. Wertaschnigg „Die Gestose ist eine Erkrankung der schobenes Ungleichgewicht dieser Serum- Schwangerschaft, deren einzig kausale marker, und zwar bereits Wochen vor dem Therapie die Entbindung ist und nach dem Auftreten klinischer Symptome. Ein Gleich- Wochenbett folgenlos abheilt […]“ [1]. gewicht dieser Faktoren ist notwendig, um die Endothelfunktion im mütterlichen Ge- Die auch bis vor wenigen Jahren noch fäßsystem zu gewährleisten. Eine Dysbalan- weit verbreitete Annahme, dass dieses ce hingegen führt im Laufe der Schwanger- schwangerschafts- und vor allem schwan- schaft zur klinischen Manifestation des in- gerenspezifische Problem nach der Ent- kompetenten Endothels: Vasokonstriktion bindung keinen Krankheitswert mehr be- führt zu Bluthochdruck, die erhöhte Wand- sitzt, ist längst überholt. Vielmehr scheint permeabilität zur Ausbildung von Ödemen die Präeklampsie einen lebenslangen „Im- und Proteinurie. Der Fetus selbst zeigt pact“ nicht nur auf die Schwangere, son- durch die eingeschränkte Plazentafunktion dern auch auf das Kind zu haben. unterschiedliche Ausprägungsgrade der Wachstumsrestriktion IUGR. Die mittlerweile veraltete Bezeichnung „Schwangerschaftsvergiftung“ beruhte auf Histologische Untersuchungen aus Spi- falschen Vorstellungen über die Ursache, ralarterien von präeklamptischen Schwan- wenngleich die Ätiologie der Präeklampsie geren haben ergeben, dass es sich hierbei auch heute noch nicht vollständig geklärt um eine akute Arteriose – eine Frühform ist. Die Pathophysiologie wird in der ab- der Arteriosklerose – handelt [3]. Sowohl die normen Plazentation während der ersten Arteriosklerose als auch die Präeklampsie Schwangerschaftshälfte gesehen, wo eine sind Entzündungsreaktionen des Gefäßen- insuffiziente Zytotrophoblasteninvasion zu dothels und gehen mit erhöhtem Nachweis einer verminderten Umwandlung der müt- von proinflammatorischen Zytokinen und terlichen Spiralarterien und somit unzurei- Angiogenesefaktoren einher. Weiters schei- chenden Widerstandserniedrigung im Ge- nen sowohl die Präeklampsie als auch die fäßsystem führt. Die Konsequenzen dieser Arteriosklerose überlappende Risikofakto- plazentaren Minderperfusion sind Ischä- ren wie chronische Hypertonie, Adipositas mie, Nekrose, Apoptose und in weiterer Fol- und Diabetes zu haben. Aber auch ohne prä- ge eine Plazentadysfunktion. In den letz- disponierende Risikofaktoren haben Frau- ten Jahren wurde zur besseren Diagnose- en mit einer positiven Anamnese einer Pla- stellung und Prognoseabschätzung die kli- zentadysfunktion ein signifikant höheres Ri- nische Forschung auf die Bestimmung von siko für die Entwicklung einer Hypertonie, plazentaren Wachstumsfaktoren fokussiert. für Schlaganfall, koronare Herzerkrankung Die derzeit in der klinischen Routine am und Thromboembolien. Es ist noch nicht häufigsten angewendeten Marker sind die geklärt, ob die Präeklampsie einen unabhän- Proangiogenesefaktoren PAPP-A („pregnan- gigen Risikofaktor für die Entstehung einer cy-associated plasma protein-A“) und PLGF Arteriosklerose darstellt oder aber ob durch („placental growth factor“) sowie der Anti- die Präeklampsie eine bereits vorbestehende angiogenesemarker sFlt-1 („soluble fms- Prädisposition für Arteriosklerose vorüber- like tyrosine kinase 1“) [2]. gehend demaskiert wird. Im Falle einer insuffizienten Plazentation Interessante Erkenntnisse wurden bei der 6 besteht ein zur Antiangiogenese hin ver- Untersuchung des Gefäßwiderstands und For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
33. Jahrgang, 1/2015 der „arterial stiffness“ gewonnen: Schwan- 7]. Wie bei präeklamptischen Schwange- gere mit Präeklampsie zeigen einen signi- ren konnte auch bei diesen Mangelernähr- fikant erhöhten peripheren Gefäßwider- ten bereits im Neugeborenenalter eine ver- stand sowie erhöhten peripheren diastoli- dickte Intima-Media-Schicht als „Frühform“ schen Blutdruck. Die arterielle Compliance der Arteriosklerose gemessen werden [8]. ist deutlich vermindert und die verstärkte Der Mangel an Nährstoffen und chronischer Vasokonstriktion führt zu einem erhöhten Stress führen aber nicht nur zu einem nied- zentralen Druck in der Aorta. Sonographi- rigen Geburtsgewicht, sondern auch zu Ver- sche Untersuchungen haben eine verdick- änderungen im fetalen Gehirn: Geringes Ge- te Intima-Media-Schicht im arteriellen Ge- hirnvolumen, veränderte Myelinisierungs- fäßsystem zeigen können, so wie sie typi- vorgänge, Gyrierungsabnormalitäten und scherweise bei Patienten mit kardiovasku- Mikroinfarkte führen zu einem signifikant lären Erkrankungen zu finden ist. All diese schlechteren neurologischen Outcome. beschriebenen Gefäß- und Kreislaufverän- Vor allem motorische Entwicklungsdefi- derungen bei präeklamptischen Patientin- zite und Verhaltensauffälligkeiten im Sin- nen finden wir bereits im ersten Trimenon ne von Konzentrationsschwierigkeiten und und diese sind auch noch bis zu einem Jahr Interaktionsproblemen verschlechtern zu- nach der Entbindung nachzuweisen. sätzlich die Langzeitprognose dieser Kinder. Weiters konnte in einer prospektiven Zusammenfassend kann gesagt werden, Kohortenstudie gezeigt werden, dass jene dass die Plazenta zwar die Schlüsselrolle in Frauen, welche eine hypertensive Schwan- der Pathogenese der Präeklampsie spielt, gerschaftserkrankung entwickeln, bereits aber die Beendigung der Schwangerschaft vor der Schwangerschaft eine erhöhte und damit die Entfernung der Plazenta aus „pulsed wave velocity“ als Ausdruck ei- der mütterlichen Zirkulation keine resti- ner erhöhten „arterial stiffness“ und somit tutio ad integrum erbringt. Vielmehr de- verminderten Gefäßcompliance haben [4]. maskiert und triggert diese pathologische Manche Frauen scheinen eine Prädisposi- Schwangerschaft eine bestehende Endo- tion zur Endotheldysfunktion zu haben, die theldysfunktion und präsentiert sich als dann in der Schwangerschaft durch die Pla- frühe Entzündungsreaktion der mütterli- zenta getriggert wird und als Präeklampsie chen Gefäßwand. Auch wenn die meisten klinisch manifest erscheint. Die Schwan- Frauen nach der Schwangerschaft klinisch gerschaft wirkt somit nicht nur als vorüber- asymptomatisch erscheinen, sollte eine ent- gehender Stressfaktor, sondern auch als sprechende Aufklärung über die Langzeit- Testlauf für das spätere Leben. morbidität erfolgen und eine engmaschige Weiterbetreuung durch eine Kooperation 15 % aller Frühgeburten in Deutschland mit entsprechenden Fachdisziplinen ange- sind die Folge von hypertensiven Schwan- boten werden. Die fetale Programmierung gerschaftserkrankungen. Die Kombination bedingt ein erhöhtes Risiko dystropher von vorzeitiger Entbindung und intraute- Neugeborener für die Entwicklung meta- riner Wachstumsrestriktion IUGR führt zu bolischer Erkrankungen und die schlech- einer deutlich erhöhten perinatalen Mor- te intrauterine Versorgung führt außerdem talität. Die intrauterine Mangelversorgung zu einem irreparablen Entwicklungsdefizit führt im Vergleich zu eutrophen Frühge- der Gehirnstrukturen. In der Nachbetreu- burten außerdem zu einer signifikanten Er- ung muss deshalb besonderes Augenmerk höhung der Langzeitmorbidität. David Bar- auf die Entdeckung und Behandlung arte- ker hat bereits in den 1980er-Jahren postu- riosklerotischer Risikofaktoren gesetzt wer- liert, dass die plazentare Mangelversorgung den. Weiters sollen diese Kinder durch ent- einen chronischen Stress darstellt und ei- sprechende Frühförderung die Möglichkeit nen Adaptierungsprozess beim Fetus aus- bekommen, kognitive und motorische Ent- löst, der so ein Überleben im Mutterleib er- wicklungsdefizite zu verbessern. möglicht [5]. Dieser Anpassungsmechanis- mus wird auch als „fetal programming“ be- zeichnet und stellt bei diesen dystrophen LITERATUR: Neugeborenen die Grundlage für ein ho- 1. Pfleiderer A (Hrsg). Gynäkologie und Geburtshil- hes Risiko für metabolische Erkrankungen fe. Thieme, Stuttgart, 1995. wie Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie und 2. Levine RJ, Maynard SE, Qian C, et al. Circulating Adipositas sowie Folgeerkrankungen wie In- angiogenic factors and the risk of preeclampsia. N sult und koronare Herzerkrankung dar [6, Engl J Med 2004; 350: 672–83. 7
33. Jahrgang, 1/2015 3. Staff AC, Dechend R, Pijnenborg R. Learn- 7. Kelly BA, Lewandowski AJ, Worton SA, et al. An- ing from the placenta: acute atherosis and vascu- tenatal glucocorticoid exposure and long-term al- lar remodeling in preeclampsia – novel aspects for terations in aortic function and glucose metabo- atherosclerosis and future cardiovascular health. lism. Pediatrics 2012; 129: e1282–90. Hypertension 2010; 56: 1026–34. 8. Skilton MR, Evans N, Griffiths KA, et al. Aor- 4. Hale SA, Badger GJ, McBride C, et al. Prepreg- tic wall thickness in newborns with intrauterine nancy vascular dysfunction in women who subse- growth restriction. Lancet 2005; 365: 1484–6. quently develop hypertension during pregnancy. Pregnancy Hypertens 2013; 3: 140–5. 5. Hales CN, Barker DJ, Clark PM, et al. Fetal and Korrespondenzadresse: infant growth and impaired glucose tolerance at age OÄ Dr. Dagmar Wertaschnigg 64. BMJ 1991; 303: 1019–22. Universitätsfrauenklinik Salzburg 6. Davis EF, Lazdam M, Lewandowski AJ, et al. Car- diovascular risk factors in children and young adults PMU Salzburg born to preeclamptic pregnancies: a systematic re- A-5020 Salzburg, Müllner Hauptstraße 48 view. Pediatrics 2012; 129: e1552–61. E-Mail: d.wertaschnigg@salk.at 8
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