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Schilddrüse und Schwangerschaft Zettinig G, Buchinger W Journal für Klinische Endokrinologie und Stoffwechsel - Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism 2009; 2 (1), 12-16 Homepage: www.kup.at/klinendokrinologie Online-Datenbank mit Autoren- und Stichwortsuche Austrian Journal of Clinical Endocrinology and Metabolism Metabolism
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Schilddrüse und Schwangerschaft Schilddrüse und Schwangerschaft G. Zettinig1, W. Buchinger2 Kurzfassung: Kinderwunsch, Schwangerschaft Diese Übersicht behandelt das aktuelle Ma- as well as the intellectual and physical devel- und die Zeit nach einer Geburt sind besondere nagement von Patientinnen mit Schilddrüsen- opment of the fetus. In this period of life, the Lebensabschnitte bei Patientinnen mit Schilddrü- erkrankungen bei Kinderwunsch, in der Schwan- first manifestation of a thyroid disease may senerkrankungen. Bei jungen Frauen sind Auto- gerschaft und Postpartalperiode. occur. Of special interest is the interaction of immunerkrankungen der Schilddrüse, die Einfluss β-HCG with the TSH receptor. auf die Fruchtbarkeit und die intellektuelle und Abstract: Thyroid Disease and Pregnancy. This review deals with the current manage- körperliche Entwicklung des Fetus haben können, The desire to have children, pregnancy itself as ment of thyroid patients before conception, häufig. Schilddrüsenerkrankungen können sich in well as the post-partum period are special epi- during pregnancy, and following delivery. dieser Lebensphase auch erstmals manifestie- sodes in the life of female patients with thyroid J Klin Endokrinol Stoffw 2009; 2 (1): 12–6. ren; besondere Beachtung verdient die Wechsel- disease. In young women, autoimmune diseases wirkung von β-HCG mit dem TSH-Rezeptor. of the thyroid are frequent, which affect fertility Einleitung Tabelle 1: Erkrankungen der Schilddrüse bei Frauen im ge- bärfähigen Alter. Nach [1] Kinderwunsch, Schwangerschaft und die Zeit nach einer Ge- ● Chronische Immunthyreoiditis burt sind besondere Lebensabschnitte bei Patientinnen mit ● Andere Thyreoiditiden (subakute Thyreoiditis de Quervain, Schilddrüsenerkrankungen. Bei Erkrankungen der Schilddrü- „silent“ Thyreoiditis, medikamentös induzierte Thyreoiditiden se muss die Diagnose der zugrundeliegenden Erkrankung z. B. nach Interferongabe) immer auf Basis von zwei verschiedenen Parametern gemein- ● Morbus Basedow ● Struma nodosa sam gestellt werden: (1) Schilddrüsenfunktion (primärer Scree- ● Struma diffusa ning-Parameter Thyreoidea-stimulierendes Hormon [TSH] ● St. p. Thyreoidektomie bzw. subtotaler Resektion sowie weitere Laborparameter) und (2) Morphologie/Struktur ● St. p. Schilddrüsenkarzinom (primärer Screening-Parameter Ultraschall). Nur in Zusam- ● St. p. Radiojodtherapie ● St. p. Radiatio des Halses in Kindheit oder Jugend menschau von Klinik, Laborbefunden und Morphologie/ ● Hyperthyreosis factitia Struktur kann die korrekte Diagnose einer Schilddrüsen- ● Thyreopathie bei Lithiumtherapie erkrankung erfolgen, die dann einer adäquaten Therapie zuge- ● Kongenitale Hypothyreose führt werden kann [1]. Die häufigsten Schilddrüsenerkrankungen von Frauen im ge- Tabelle 2: Empfehlungen zum TSH-Screening bei Schwan- geren. Nach [2] bärfähigen Alter sind in Tabelle 1 angeführt. Der klinische Verlauf von Schilddrüsenerkrankungen kann während einer 1. Frauen mit einem anamnestischen Hinweis auf Hypothyreose, Schwangerschaft und in der Postpartalperiode variieren, und Hyperthyreose oder nach einer Schilddrüsenoperation 2. Frauen mit der Familienanamnese einer Schilddrüsen- bei einzelnen Patientinnen können sich Schilddrüsenerkran- erkrankung kungen während einer Schwangerschaft auch erstmals mani- 3. Frauen mit Struma festieren. Besondere Beachtung verdient die Wechselwirkung 4. Frauen mit Schilddrüsenantikörpern von ß-HCG mit dem TSH-Rezeptor, die zu einem typischen 5. Frauen mit Symptomen oder klinischen Zeichen einer Hypo- thyreose Verlauf der Schilddrüsenfunktion während der Schwanger- 6. Frauen mit Diabetes mellitus Typ 1 schaft führt. Die vorliegende Übersicht basiert unter anderem 7. Frauen mit anderen Autoimmunerkrankungen auf den Guidelines der „American Endocrine Society“ zum 8. Bei infertilen Frauen sollte eine TSH-Bestimmung im Rahmen Management von Schilddrüsenerkrankungen während Schwan- der Abklärung der Infertilität durchgeführt werden 9. Frauen mit Bestrahlung des Kopfes oder Halses in der Anamnese gerschaft und Postpartalperiode [2]. Die „Österreichische Ge- 10. Frauen mit Abort in der Anamnese sellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe“ empfiehlt ein TSH-Screening aller Schwangeren bis zur 12. Schwanger- schaftswoche (SSW) [3]. Die Empfehlungen der „Arbeits- Schilddrüse und Kinderwunsch gruppe Schilddrüse und Endokrinologie“ der „Österreich- ischen Gesellschaft für Nuklearmedizin“ zum TSH-Screening Eine Hypothyreose kann zu unregelmäßigem Zyklus, Inferti- bei Schwangeren lehnen sich an die „Clinical Guidelines der lität, erhöhtem Abortrisiko und zu eingeschränkter intellektu- Endocrine Society“ an und sind in Tabelle 2 aufgelistet. eller und körperlicher Entwicklung des Fetus führen [4]. In der Literatur finden sich dazu verschiedene Erklärungs- modelle: Aus der 1Schilddrüsenpraxis Josefstadt, Wien und der 2Schilddrüsenambulanz der Internen Abteilung am Krankenhaus der Barmherzigen Brüder, Graz-Eggenberg Die gesteigerte TSH-Stimulation führt zu einer Erhöhung der Korrespondenzadresse: Univ.-Doz. Dr. med. Georg Zettinig, Schilddrüsenpraxis Prolaktinausschüttung. Zusätzlich kommt es zu Veränderun- Josefstadt, A-1080 Wien, Laudongasse 12/8; E-Mail: zettinig@schilddruesenpraxis.at gen im Dopaminstoffwechsel, die zu einem verminderten 12 J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (1) For personal use only. Not to be reproduced without permission of Krause & Pachernegg GmbH.
Schilddrüse und Schwangerschaft Dopaminspiegel führen und damit eine erhöhte Prolaktin- Hypothyreose: Der Einfluss von Schild- sekretion unterstützen. Die durch die Hypothyreose bedingte drüsenhormon auf die fetale Entwicklung Hyperprolaktinämie kann zu gestörter Ovulation, einer ge- störten Lutealphase und sogar zu Oligo- und Amenorrhö füh- Eine unbehandelte maternale manifeste Hypothyreose ist mit ren [5]. Darüber hinaus vermindert Dopamin die pulsatile Frühgeburten, niedrigem Geburtsgewicht und neonatalem Gonadotropin-Releasing-Hormon-Ausschüttung, was zu ei- Lungenversagen assoziiert. Zusätzlich dazu gibt es auch Hin- nem Anstieg des luteinisierenden Hormons führen kann [5– weise auf eine erhöhte fetale und perinatale Mortalität, die 7]. Eine Hypothyreose führt auch zu einem Abfall des Sexual- auch durch eine erhöhte Rate an Gestationshypertonie be- hormon-bindenden Globulins und des Gesamt-Estradiols so- dingt sein könnte [12, 15–17]. Auch bei Müttern mit sub- wie zu einem Anstieg des freien Testosterons und Estradiols klinischer Hypothyreose wurden – allerdings seltener – Kom- [5–7]. Der Metabolismus von Estron und Androstendion ist plikationen berichtet: In der Literatur findet sich eine doppelt vermindert [8]. Ein erhöhter Spiegel von TSH und TRH kann so hohe Rate an Frühgeburten [18] und bei Frühgeburten vor auch eine Corpus-luteum-Dysfunktion verschlechtern [9]. der 32. Woche ist die Inzidenz der subklinischen Hypothyreo- Nach Eintritt einer Schwangerschaft tragen Schilddrüsenhor- se 3-fach erhöht [19]. mone zur Stabilität der feto-plazentaren Einheit bei und sind ein Faktor, der sich bei drohenden Aborten günstig auswirkt Schilddrüsenhormone sind ein essenzieller Faktor für die Ent- [10, 11]. wicklung des fetalen Gehirns. Die fetale Schilddrüse akkumu- liert erst ab der 10.–12. Woche Jod und wird erst ab der 20. Obwohl eine Hypothyreose klar mit verminderter Fruchtbar- Woche durch das eigene fetale TSH gesteuert. Zuvor erfolgt keit assoziiert ist, ist eine Empfängnis bei hypothyreoten die Versorgung des Fetus offenbar durch diaplazentaren Frauen möglich. Abalovich et al. [12] berichten, dass in ihrem Transport von mütterlichen Schilddrüsenhormonen. Bereits 8 Kollektiv 34 % der hypothyreoten Frauen schwanger wurden: Wochen nach Konzeption finden sich beim Fetus nukleäre 11 % waren manifest hypothyreot, während sich bei 89 % Rezeptoren für Schilddrüsenhormon [20]. Schon vor 38 Jah- eine subklinische Hypothyreose fand. Bei nicht adäquater ren wurden erste Berichte über einen signifikant reduzierten Substitutionstherapie kam es bei 60 % der Frauen mit mani- Intelligenzquotient bei unbehandelter maternaler manifester fester Hypothyreose und bei 71 % der Frauen mit sub- Hypothyreose veröffentlicht [21]. Bahnbrechend war die Stu- klinischer Hypothyreose zu einem Abort. 20 % der Frauen mit die von Haddow et al. (1999), die prospektiv die Entwicklung manifester Hypothyreose und 7 % der Frauen mit subklini- von Kindern manifest und subklinisch hypothyreoter Schwan- scher Hypothyreose erlitten Frühgeburten. gerer beschrieb [22]: Im Schulalter durchführte neuro- psychologische Tests zeigten, dass bei Kindern von unbe- Da eine maternale Hypothyreose einen klar negativen Ein- handelten hypothyreoten Müttern der Intelligenzquotient (IQ) fluss auf die intellektuelle und körperliche Entwicklung des im Schnitt 7 Punkte unter dem von Kindern gesunder bzw. Fetus hat, wird von der „American Endocrine Society“ bei be- Thyroxin-behandelter Mütter lag. Die Anzahl von Kindern kannter Schilddrüsenerkrankung vor Konzeption ein TSH mit einem IQ von mehr als zwei Standardabweichungen unter < 2,5 μU/ml empfohlen [2]. dem mittleren IQ von Kontrollkindern war bei Kindern von unbehandelt hypothyreoten Schwangeren dreimal so hoch. In der Abklärung von Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch kann neben der Bestimmung des basalen TSH auch die Durch- führung eines Thyreotropin-Releasing Hormon- (TRH-) Physiologische Veränderungen während Tests hilfreich sein: Raber et. al. untersuchten ein Kollektiv einer Schwangerschaft: Schilddrüsen- von 283 Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. In diesem hormonwerte und TSH fand sich bei 41 % bzw. 48 % der Patientinnen mit primärer bzw. sekundärer Infertilität eine Autoimmun-Thyreoiditis. Während der Schwangerschaft kommt es physiologischer- Alle Patientinnen mit einem Anstieg des TSH nach TRH-Sti- weise zu einer vermehrten Produktion von Thyroxin-binden- mulation auf > 15 μU/ml wurden mit Levothyroxin behandelt. dem Globulin, wodurch sich eine Zunahme der Gesamt-Schild- Die Konzeptionsrate von 37 % war signifikant höher als in drüsenhormonkonzentration im Serum ergibt [1]. In der Schwan- einem Vergleichskollektiv und unabhängig von der Schild- gerschaft müssen daher immer die freien Hormone bestimmt drüsenfunktion vor T4-Therapie, von der T4-Dosis oder von werden. Die β-HCG-Konzentration nimmt im ersten Tri- den Schilddrüsen-Antikörper-Titern. Patientinnen, die nie ein menon deutlich zu. β-HCG hat eine TSH-ähnliche Wirkung basales TSH < 2,5 μU/ml oder ein TSH nach TRH-Stimulation und stimuliert die Thyreozyten. Dadurch kommt es in der < 20 μU/ml erreichten, wurden signifikant seltener schwanger Frühschwangerschaft zu einer vermehrten Schilddrüsen- als ein Vergleichskollektiv [13]. hormonproduktion und konsekutiv zu einer TSH-Erniedri- gung. Selten kann sich daraus eine subklinische oder latente Eldar Geva et al. untersuchten 87 Frauen mit unerfülltem Hyperthyreose entwickeln (β-HCG-induzierte Hyperthyreo- Kinderwunsch: Obwohl sich beim basalen TSH-Wert kein signi- se). fikanter Unterschied zeigte, fand sich bei Patientinnen mit Ovulationsstörungen signifikant häufiger ein TSH-Anstieg Von einzelnen Autoren werden „trimesterspezifische“ Norm- > 30 μU/ml nach TRH-Stimulation im Vergleich zu Patient- werte für die Schilddrüsenhormone und das TSH vorgeschla- innen mit normaler Ovulation. Bei diesen Patientinnen fand gen [23, 24]. Unbedingt beachtet werden muss, dass es phy- sich auch eine hochsignifikante Korrelation zwischen TSH siologischerweise im ersten Trimenon (maximal ausgeprägt und Prolaktin [14]. in der ca. 10. Woche) zu einem mäßigen Abfall des TSH kommt. J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (1) 13
Schilddrüse und Schwangerschaft Ein Anstieg des TSH im ersten Trimenon ist mit einer erhöh- Diaplazentarer Transport von TRAK ten Abortrate assoziiert: Raber et al. berichten, dass in ihrer Schilddrüsen-Antikörper können die Plazentaschranke pas- Studie die Frauen, die einen Abort erlitten, zum Zeitpunkt des sieren und stimulierende oder blockierende TSH-Rezeptor- Aborts höhere basale TSH-Werte hatten als zum Zeitpunkt Antikörper können beim Fetus eine Hyper- oder eventuell auch der Konzeption [13]. Dies deckt sich auch mit den Berichten Hypothyreose induzieren. Die kommerziell verwendeten Assays anderer Autoren [11]. zur TRAK-Bestimmung messen neben stimulierenden auch blockierende Antikörper. Obwohl die Reaktivität im Assay (an Hypothyreose und Schwangerschaft eine Membranpräparation mit TSH-Rezeptoren) meist auch mit der TSH-Stimulation einhergeht, können prinzipiell auch Die Diagnose einer Hypothyreose erfolgt durch ein erhöhtes blockierende Antikörper mitgemessen werden [2]. Die Inzi- TSH im Serum, die freien T4-Werte im Serum unterscheiden denz einer neonatalen Hypothyreose auf Basis von diaplazentar zwischen subklinischer und manifester Hypothyreose. Der passierten TRAK ist aufgrund des Zusammenspiels von stimu- Anstieg von TBG und der Abfall von Albumin führen zu lierenden und blockierenden Antikörpern sowie der thyreo- methodenabhängigen Änderungen der fT4-Werte [25]. Eine statischen Therapie der Mutter allerdings niedrig [29]. Es muss einzelne Arbeit berichtet sogar, dass im ersten Trimester darauf hingewiesen werden, dass die mütterlichen TRAK beim bereits TSH-Werte von mehr als 2,3 μU/ml Ausdruck einer Kind langsamer abgebaut werden als die diaplazentar passier- subklinischen Hypothyreose sein können [24]. ten mütterlichen Thyreostatika. Besonderes Augenmerk muss auf thyreoidektomierte oder Radiojod-therapierte Mütter gelegt Die Behandlung der Hypothyreose in der Schwangerschaft werden, da hier die klinische Symptomatik der Mutter keinerlei erfolgt durch die Gabe von Levothyroxin. Bei hypothyreoten Hinweise auf das klinische Bild des Fetus gibt [29]. Die aus- Schwangeren ist der Thyroxinbedarf höher, und bei bereits sagekräftigsten Parameter für eine fetale Hyperthyreose sind vor einer Schwangerschaft mit Thyroxin behandelten Patient- fetale Tachykardie, vermindertes intrauterines Wachstum, feta- innen muss die T4-Dosis meist um 30–50 % erhöht werden. le Herzinsuffizienz sowie fetale Struma. Hyperthyreose und Schwangerschaft Thyreostatische Therapie Zur thyreostatischen Therapie stehen in Österreich Thiamazol Die häufigste Ursache einer Hyperthyreose in der Schwanger- und Propylthiouracil zur Verfügung. Da Propylthiouracil stär- schaft ist neben der β-HCG-induzierten Hyperthyreose der ker an Albumin gebunden wird als Thiamazol, kann postuliert Morbus Basedow [26]. Die β-HCG-induzierte Hyperthyreose werden, dass ersteres geringer plazentagängig ist. Die Emp- manifestiert sich typischerweise in der zweiten Hälfte des ers- fehlung für Propylthiouracil in der Schwangerschaft resultiert ten Trimenons als subklinische Hyperthyreose. Meist norma- unter anderem auch aus einer Studie, die eine geringere dia- lisiert sich die Schilddrüsenfunktion in den folgenden Wo- plazentare Passage von Propylthiouracil beschreibt. chen wieder, nur selten wird der Verlauf durch eine Hyper- emesis gravidarum, eine Gestose oder eine manifeste Hyper- Wenn Patientinnen mit einer subklinischen Hyperthyreose thyreose kompliziert. behandelt werden, so führt dies zu keinem verbesserten Out- come, sondern nur zu einer nicht notwendigen Belastung des Bei der Abklärung einer Hyperthyreose in der Schwanger- Fetus durch die Thyreostatika [30–32]. Bei der maternalen ma- schaft ist neben der Bestimmung des TSH und der freien Hor- nifesten Hyperthyreose muss gewährleistet sein, dass die mone auch die Bestimmung des TSH-Rezeptor-Antikörper- Normalisierung der Schilddrüsenfunktion bei der Mutter nur Titers (TRAK) und eine Sonographie der Schilddrüse erfor- einen minimalen Effekt auf den Fetus hat. Sieben Studien un- derlich. Ein positiver TRAK ist beweisend für einen Morbus tersuchten einen möglichen Zusammenhang zwischen der Thy- Basedow; ein negativer TRAK-Wert und eine unauffällige reostatika-Dosis und der neonatalen Schilddrüsenfunktion und Echostruktur in der Sonographie legen eine β-HCG-induzier- kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Momotani et al. fan- te Hyperthyreose nahe [1, 26]. den, dass bereits Thyreostatika in niedriger Dosierung (< 100 mg Prothiucil, < 10 mg Thiamazol) die fetale Schilddrüsenfunktion Risikofaktoren einer maternalen Hyperthyreose für den Fetus beeinflussen können [33]. Eher als die absolute Thyreostatika- bzw. das Neugeborene sind (1) die mütterliche Hyperthyreose dosis scheint die aktuelle mütterliche Schilddrüsenfunktion selbst, (2) der diaplazentare Transport von TRAK und (3) die eine Orientierung für die fetale Schilddrüsenstoffwechsellage Nebenwirkungen der thyreostatischen Therapie. zu sein. Wenn der mütterliche T4-Spiegel im oberen Drittel von Mütterliche Hyperthyreose Nichtschwangeren liegt, sind bei mehr als 90 % der Neugebore- In retrospektiven Untersuchungen von fast 450 hyperthy- nen die T4-Werte im Normalbereich. reoten Schwangeren war die Rate an Komplikationen zwi- Es gibt keine Darlegungen über teratogene Effekte durch schen behandelten und unbehandelten Patientinnen wie folgt Prothiucil, aber es wurden unter Thiamazoltherapie bei Schwan- [2, 27, 28]: Präeklampsie 7 vs. 14–22 %, Herzinsuffizienz 3 geren vereinzelte Fälle von Aplasia cutis und Choanal- bzw. vs. 60 %, „Thyroid storm“ 2 vs. 21 %. In zahlreichen Studien Ösophagusatresie berichtet. Während der Laktation scheinen wird bei hyperthyreoten Schwangeren eine Assoziation mit Dosen von Prothiucil < 300 mg/Tag bzw. Thiamazol < 20 mg/ vermindertem intrauterinen Wachstum, niedrigem Geburts- Tag keinen Effekt auf den Säugling zu haben. gewicht und möglichem Abort berichtet [27, 28]. Das mittlere erniedrigte Geburtsgewicht sowie die Anzahl von Totgebur- Selbstverständlich ist die Durchführung einer Radiojodthe- ten scheint mit der Schwere der maternalen Hyperthyreose rapie während Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. assoziiert zu sein [28]. Eine diagnostische Szintigraphie mit Tc99m ist bei stillenden 14 J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (1)
Schilddrüse und Schwangerschaft Müttern zur Differenzialdiagnose eines Morbus Basedow der einzelnen Phasen ist variabel. Sie tritt definitionsgemäß versus einer passageren, durch Zellzerfall ausgelösten im ersten Jahr nach der Geburt auf und scheint eine auto- Thyreoiditis möglich, allerdings muss nach Applikation des immune Genese zu haben. Die Prävalenz wird in Europa mit Radiopharmakons für 24 Stunden die Milch verworfen wer- 3–9 % angegeben; bei Frauen mit Diabetes mellitus Typ 1 den [34]. Eine Thyreoidektomie im 2. Trimester ist bei medi- liegt sie wesentlich höher. Positive TPO-Antikörper im ersten kamentös nicht therapierbarer Hyperthyreose möglich. Trimenon identifizieren Patientinnen mit erhöhtem Risiko für eine Postpartum-Thyreoiditis [39]. Die Dauer der hyper- Autoimmunerkrankungen der Schild- thyreoten Phase wird in der Literatur zwischen einem und 6 Monaten angegeben; die hypothyreote Phase tritt zwischen 3 drüse in der Schwangerschaft und 8 Monaten nach der Geburt auf. Die Klinik sowohl der Zahlreiche Autoren haben einen möglichen Zusammenhang hyperthyreoten als auch der hypothyreoten Phase ist variabel. zwischen erhöhten Schilddrüsenantikörpern und Fehlgebur- Zurzeit gibt es noch keine allgemein akzeptierten Therapie- ten untersucht. Diesbezüglich scheint in unselektierten Kol- schemata bei Postpartum-Thyreoiditis. Bis zu 64 % der Frau- lektiven ein Zusammenhang zu bestehen. Ob dieser allerdings en entwickeln in der Folge eine permanente therapiepflichtige tatsächlich durch Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse Hypothyreose [40–42]. bedingt ist oder ob die erhöhten Antikörper lediglich Aus- druck eines Markers für mögliche andere begleitende Auto- Auch im großen Kollektiv der Patientinnen mit vorbekannter immunerkrankungen [35, 36] sind, ist offen. chronischer Immunthyreoiditis findet sich nach der Geburt häu- fig eine passagere hyperthyreote Phase, die dann sehr schnell in Generell kommt es in einer Schwangerschaft meist zu einer eine Hypothyreose übergehen kann. Die durch Zellzerfall ausge- mäßigen Regression von Autoimmunerkrankungen der Schild- löste hyperthyreote Phase zeigt typischerweise keine Speiche- drüse. Nach der Geburt finden sich häufig Rezidive vor- rung in der Szintigraphie, eine thyreostatische Therapie ist bei bestehender Autoimmunerkrankungen. Bei Patientinnen mit diesen Patientinnen kontraindiziert. Bei stillenden Müttern muss floridem Morbus Basedow und dringlichem Kinderwunsch nach der Szintigraphie mit Tc99m, wie bereits erwähnt, die sollte die Möglichkeit einer Thyreoidektomie vor Konzeption Milch für 24 Stunden verworfen werden [34]. diskutiert werden. Jodstoffwechsel in der Schwangerschaft Schilddrüsenknoten, Schilddrüsen- Für Erwachsene wird eine Jodaufnahme von 150 μg pro Tag karzinom und Schwangerschaft empfohlen. In der Schwangerschaft steigt der Jodbedarf durch Die Abklärung von Schilddrüsenknoten während einer Schwan- eine erhöhte renale Clearance, den Jodverbrauch des Fetus gerschaft erfolgt grundsätzlich wie bei Nichtschwangeren und die Zunahme des intravasalen Verteilungsraums an [43]. [40]; eine Schilddrüsenszintigraphie ist zur Diagnostik eines In der Frühschwangerschaft muss die Jodaufnahme erhöht Schilddrüsenknotens bei schwangeren Patientinnen kontra- werden, um eine notwendige Steigerung der Schilddrüsen- indiziert. Der größte diagnostische Stellenwert kommt hier hormonproduktion zu ermöglichen [44]. In Gebieten mit aus- der ultraschallgezielten Feinnadelpunktion zu. Eine Operati- reichender Jodversorgung sind die intrathyreoidalen Jod- on ist, wenn notwendig, im 2. Trimenon anzustreben; selbst speicher vor Konzeption ausreichend gefüllt; in Jodmangel- bei punktionszytologischem Verdacht auf Malignität kann gebieten findet sich allerdings während einer Schwanger- eventuell mit der Operation bis nach der Geburt zugewartet schaft eine Abnahme der Jodausscheidung im Urin; korres- werden [2]. pondierend dazu kann es zu einer mütterlichen Hypothyroxin- ämie, einer gesteigerten Stimulation der hypothalamisch- Es gibt keinen Hinweis, dass eine Schwangerschaft die Prog- hypophysär-thyreoidalen Achse und zur Ausbildung einer nose differenzierter Schilddrüsenkarzinome verschlechtert; maternalen und fetalen Struma kommen [45]. Vor Konzeption und es besteht keine Indikation zu einem Schwangerschafts- ist daher eine Jodaufnahme von zumindest 150 μg pro Tag abbruch aufgrund der Diagnose eines differenzierten Schild- anzustreben. Eine Untersuchung der Arbeitsgruppe „Schild- drüsenkarzinoms während einer Schwangerschaft [2]. Bei drüse“ der Österreichischen Gesellschaft für Nuklearmedizin Patientinnen mit Zustand nach Schilddrüsenkarzinom ver- bei Schulkindern in Graz, Klagenfurt und Feldkirch ergab schlechtert eine Schwangerschaft die Prognose nicht [38]. 2004, dass bei diesen Kindern die Jodversorgung nur im un- Auch ist klar erwiesen, dass ein Zustand nach ablativer tersten von der WHO empfohlenen Normalbereich liegt [46]. Radiojodtherapie die Prognose einer Schwangerschaft nicht Bei Schwangeren wird von der WHO eine tägliche Jodauf- verschlechtert. Eine Radiojodtherapie ist bei stillenden Müt- nahme von 250 μg pro Tag empfohlen (Tab. 3), und es ist ein- tern kontraindiziert, und bei ablativer Radiojodtherapie nach Schilddrüsenkarzinom muss im Anschluss ein Jahr lang ver- hütet werden. Tabelle 3: Jodbedarf in der Schwangerschaft: Empfehlungen der WHO. Nach [47] Zielgruppe Empfohlene Jodaufnahme Die Postpartumperiode (mg/Tag) Die Postpartum-Thyreoiditis verläuft wie andere Thyreoidi- Schwangere Frauen 250 tiden phasenweise: Eine passagere, durch Zellzerfall ausge- Stillende Frauen 250 löste hyperthyreote Phase geht in Folge in eine Euthyreose Frauen im fortpflanzungsfähigen Alter 150 Kinder unter 2 Jahren 90 über, der meist eine Hypothyreose folgt [1]. Der Zeitverlauf J KLIN ENDOKRINOL STOFFW 2009; 2 (1) 15
Schilddrüse und Schwangerschaft deutig, dass diese in Österreich nicht erreicht wird [47]. Eine Thyroid-stimulating hormone in singleton (Version 3). Nuklearmedizin 2007; 46: 203– and twin pregnancy: importance of gesta- 5. Jodsubstitution soll daher möglichst schon in der Früh- tional age-specific reference ranges. Obstet 35. Zettinig G, Weissel M, Flores J, Dudczak schwangerschaft begonnen und allen Schwangeren angeboten Gynecol 2005; 106: 753–7. R, Vogelsang H. Dermatitis herpetiformis is 24. Panesar NS, Li CY, Rogers MS. Refer- associated with atrophic but not with werden [3]. ence intervals for thyroid hormones in preg- goitrous variant of Hashimoto’s thyroiditis. nant Chinese women. Ann Clin Biochem Eur J Clin Invest 2000; 30: 53–7. 2001; 38 (Pt 4): 329–32. 36. Zettinig G, Tanew A, Fischer G, Mayr W, Relevanz für die Praxis 25. Bieglmayer C, Buchinger W, Födinger M, Dudczak R, Weissel M. 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