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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Monday, May 10, 2021
PRESS REVIEW Monday, May 10, 2021 Schabel Kultur Blog, PBS „Love Longing Loss“: Eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd Goethe-Institut Dänemark, PBS Grüße aus der Ferne mit Ole Bækhøj: Warum man um einen Besuch auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof in Berlin nicht herumkommt General Anzeige, DB, DIVAN Der Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft über die Folgen der Corona-Krise für das Beethovenjahr Die Welt Christian Thielemann dirigiert in Dresden zum ersten Mal „Capriccio“ und lässt Richard Strauss‘ letzte Oper glänzen Rbb Inforadio Berliner Symphoniker streamen Konzert aus dem Flusspferdhaus im Zoo Frankfurter Allgemeine Zeitung Laurence Equilbey legt jetzt eine Neuaufnahme für Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ mit historischen Instrumenten vor Frankfurter Allgemeine Zeitung Ausgerechnet am Berliner Maxim-Gorki-Theater, das alles anders machen wollte, soll es Machtmissbrauch und Rassismus geben Süddeutsche Zeitung Ein Buchhändler, ein Kabarettist, eine Diversitäts-Beauftragte und der Leiter eines Festivals für Neue Musik berichten über rechte Angriffe auf die Kunstfreiheit Süddeutsche Zeitung Das Humboldt-Forum ist stolz auf sein „Luf-Boot“ Götz Aly erzählt, wie es in der Südsee geraubt wurde
Der Tagesspiegel Die 15. Lange Nacht der Freien Theater in Potsdam Der Tagesspiegel Bühnen öffnen rund um Deutschland Der Tagesspiegel Clubs begrüßen Aufwertung Frankfurter Allgemeine Zeitung Der Saxofonist Shabaka Hutchings spricht über sein afrikanisches Erbe, Sound-Mysterien und die neue Black-Power-Bewegung The New York Times Musicians say Streaming doesn’t pay. Can the Industry change?
10.5.2021 Vorankündigung – „Love Longing Loss“ – eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd – Scha… (https://schabel-kultur-blog.de/) "Kultur macht glücklich" Vorankündigung – „Love Longing Loss“ – eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd Veröffentlicht am: 5. Mai 2021 (https://schabel-kultur-blog.de/kino/vorankuendigung-love-longing-loss-eine- filmdokumentation-ueber-den-legendaeren-jazz-saxophonisten-charles-lloyd/) von Michaela Schabel (https://schabel-kultur-blog.de/author/michaela/) ©Dorothy Darr Über einige Monate hinweg filmte Lloyds Ehefrau, die Malerin und Videokünstlerin Dorothy Darr, ihren Mann während der gemeinsamen Isolation in ihrem Haus in Santa Barbara, Kalifornien. Neben musikalischen Kindheitserinnerungen wurden Reflexionen über den Kampf Lloyds indigener und schwarzer Vorfahren für Freiheit, Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit eingearbeitet und mit Passagen aus musikalischen Neukompositionen und Klassikern verwoben, die er auf dem Saxophon, dem Klavier, der Flöte und dem Tárogató interpretiert. Er selbst beschreibt den Film als seinen persönlichen Weg, als ein „Davonschwimmen“ mit seinen Geschichten und seinen Vorfahren. https://schabel-kultur-blog.de/kino/vorankuendigung-love-longing-loss-eine-filmdokumentation-ueber-den-legendaeren-jazz-saxophonisten-charle… 1/3
10.5.2021 Vorankündigung – „Love Longing Loss“ – eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd – Scha… Der Film ist darüber hinaus eine Einladung an alle Zuschauer, sich mit der eigenen Biografie auseinanderzusetzen, gleichzeitig eine Meditation über Einsamkeit und Widerstandskraft in den Monaten der Pandemie. Charles Lloyd, US-amerikanischer Tenorsaxophonist, wurde 1938 in Memphis, Tennessee geboren. Er fusionierte in den 1960er Jahren modalen Jazz mit Rockrhythmen. Mit einer Mischung aus Jazz, Rock, Blues und Folk Music eroberte als erster Jazzmusiker in Amerika und Europa das junge Rock-Publikum. „Love Longing Loss“ ist vom 11. Mai bis 11. Juni über die Webseite des Pierre Boulez Saals verfügbar. FILM ÜBER CHARLES LLOYD PRÄSENTIERT VON WWW. SCHABEL-KULTUR-BLOG .DE (HT TPS: //SCHABEL- KULTUR-BLOG .DE/ TAG/FILM-UEBER- CHARLES -LLOYD -PRAESENTIERT-VON-WWW-SCHABEL-KU LTUR-BLOG- DE/ )
10.5.2021 Grüße aus der Ferne - Goethe-Institut Dänemark Foto: Goethe-Institut Dänemark/ Ole Blegvad Grüße aus der Ferne OLE BÆKHØJ Warum man um einen Besuch auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof in Berlin nicht herumkommt, erzählt uns Ole Bækhøj in der neuesten Folge von Grüße aus der Ferne. Ole Bækhøj ist Leiter des renommierten Pierre Boulez Saal in Berlin. Als Däne in Deutschland schätzt er ganz besonders, dass es für die Deutschen seiner Meinung nach nicht so wahnsinnig sei, "deutsch" zu sein.
Print Quelle: General-Anzeiger, Bonn, Hardtberg, Beul, Bad Godesberg (G 3201) vom 08.05.2021, S.12 (Tageszeitung / täglich ausser Sonntag, Bonn) Auch in: 5 weiteren Quellen » Auflage: 12.097 Reichweite: 26.009 Autor: Bernhard Hartmann Interview Malte Boecker "Die Kultur ist im Mark getroffen" Der Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft über die Folgen der Corona-Krise für das Beethovenjahr D asrauschenden Jahr 2020 sollte zu einem Fest zum 250. Ge- Eigenprojekte der Beethoven Jubilä- ums GmbH haben wir immerhin 17 erstehungsthema einen klangvollen Schlusspunkt für die Jubiläumsfeier- burtstag des im Dezember 1770 in realisiert, sind drei noch in Planung lichkeiten setzen. Zudem deutet viel Bonn geborenen Komponisten Lud- und nur vier definitiv abgesagt wor- darauf hin, dass es im Mix von Imp- wig van Beethoven werden. Doch we- den. Klar, vieles ist anders verlaufen fungen, Testungen und Hygienemaß- gen der Corona-Krise konnten viele als geplant, hat sich ganz im Sinne nahmen bald auch wieder möglich Veranstaltungen nicht wie geplant Beethovens neu erfinden müssen. sein wird, Orchesterkonzerte mit Pub- stattfinden. Um den größten Teil der Aber der Rückenwind des Jubiläums likum zu veranstalten. Vorhaben zu retten, wurde das Jubilä- hat trotzdem zu einer enormen Medi- Die Jubiläumsgesellschaft hatte umsjahr frühzeitig bis Ende Septem- enresonanz geführt. mit Unterstützung der Bundes- und ber 2021 verlängert. Doch die Corona- Wie sieht es mit den kommenden Landesregierung, des Rhein-Sieg- Krise hält nach wie vor an. Der künst- Konzerten aus? Auf der BTHVN2020- Kreises und der Stadt Bonn Projekt- lerische Geschäftsführer der Jub- Homepage sind ja für die nächsten fördermittel in Höhe von insgesamt läumsgesellschaft, Malte Boecker, gibt Wochen noch zahlreiche Veranstal- 24,6 Millionen Euro für das Jubilä- im Interview Auskunft über ein tungen im Angebot. Sind die alle ge- umsjahr allein in Nordrhein-Westfa- schwieriges Jahr. Die Fragen stellte fährdet? len bereitgestellt. Wird angesichts der Bernhard Hartmann. Boecker: Prognosen sind ja be- vielen abgesagten Opernvorstellun- Das Beethovenjahr 2020 wurde kanntlich schwierig, insbesondere gen, Konzerte, zweier Beethovenfeste kurz nach dem ersten Lockdown im wenn sie die Zukunft betreffen. Ich am Ende nicht sehr viel übrigbleiben? März vergangenen Jahres bis zum habe mir ehrlicherweise in den letzten Wie viel wird das ungefähr sein, und September 2021 verlängert. War die Monaten Voraussagen abgewöhnt. was geschieht mit den bis September Entscheidung zu optimistisch? Auf jeden Fall sind keineswegs alle ge- nicht abgerufenen Mitteln? Malte Boecker: Die Entscheidung fährdet, wie die aktuell laufenden För- Boecker: Der Beethoven Jubiläums des Aufsichtsrates war richtig. Er derprojekte etwa im Popmuseum Gro- GmbH sind die Mittel mit einer ganz wollte damit so viel wie möglich von nau, Haus der Geschichte oder Kunst- bestimmten Zweckbindung anvertraut der kreativen Energie, die in die Jubi- museum Bonn zeigen. Auch wird die worden. Was mit etwaigen Restmit- läumsplanungen geflossen ist, zur Beethoven Jubiläums GmbH noch teln geschieht, müssen die Zuwen- Entfaltung bringen. Diese Entschei- selbst Projekte veranstalten: Etwa ei- dungsgeber entscheiden. Dies liegt dung betraf dabei nicht nur die Ver- ne Uraufführung von Helmut Oehring nicht in der Verantwortung der Ge- längerung des Förderzeitraums, son- für die taubstumme Performance- sellschaft. dern auch die Flexibilisierung, Projek- künstlerin Kassandra Wedel, die nun Haben Sie Künstlern und Veranstal- te an die neuen Herausforderungen nicht live in der Bundeskunsthalle, tern Ausfallhonorare zahlen können? anzupassen. Zusammengenommen sondern als Filmkunstwerk realisiert Boecker: Hier kommt es auf den hat dies vielen Partnern in einer wirk- wird. Gemeinsam mit dem WDR pla- Einzelfall an. Aber sowohl in Eigen- lich schwierigen Zeit frühzeitig eine nen wir auch ganz konkret das Eröff- projekten als auch in Förderprojekten neue Planungssicherheit eröffnet. nungskonzert im Arkadenhof der Uni sind Ausfallhonorare auf Basis der für Haben Sie eine Übersicht, wie viele Bonn für einen von Arte initiierten uns geltenden Bundesregelungen als der geplanten Projekte und Veranstal- Symphonien-Zyklus am 6. Juni: "Mit zuwendungsfähig anerkannt und aus- tungen, die auf eine Unterstützung Beethoven durch Europa: 9 Sympho- gezahlt worden. der Jubiläumsgesellschaft hoffen nien, 9 Städte". Die großen Open-Air-Konzerte auf durften, abgesagt werden mussten? Wie zuversichtlich sind Sie, dass der Bonner Hofgartenwiese mit Kraft- Boecker: Die Zwischenbilanz des das mit Mitteln der Jubiläumsgesell- werk, den Fantastischen Vier und Jubiläumsjahres fällt aufgrund unse- schaft geförderte Beethovenfest im Robbie Williams sollten ursprünglich rer Entscheidung sehr viel positiver kommenden August stattfinden kann? von der Jubiläumsgesellschaft unter- aus, als man vielleicht annimmt: Von Glauben Sie, dass dann schon Orches- stützt werden. Nun sind sie erneut den circa 200 über BTHVN2020 ge- terkonzerte möglich sind? Immerhin verschoben worden. Ist die Jubilä- förderten Projekten sind erst 22 defi- sind große Klangkörper wie die Wie- umsgesellschaft damit als Förderer nitiv abgesagt und immerhin schon ner Philharmoniker angekündigt. komplett raus? 68 realisiert worden. Um die 110 sind Boecker: Ich bin nicht nur zuver- Boecker: Die angedachte Koopera- noch in der Planung. Wir bekommen sichtlich, sondern weiß auch, dass das tion mit der ELH Promotion GmbH mit, dass die Projektträger alles versu- Beethovenfest in diesem Jahr auf alle zu den genannten Konzerten war von chen, um ihre Ziele noch zu erreichen. Eventualitäten vorbereitet ist. Frau Anfang an rein inhaltlicher Natur, oh- Mit Blick auf die 24 angekündigten Wagner wird mit Gustav Mahlers Auf- ne eine finanzielle Förderung. Inso- 3
fern ändert sich durch die Verschie- der Deutschen Orchestervereinigung Boecker: Wie gesagt, der Schluss- bung nach 2022 erst einmal nichts. beklagen die "kollektive politische Ig- punkt, voraussichtlich mit der Missa Die Beethoven Jubiläums GmbH noranz", die der Kultur entgegenge- im Kölner Dom, ist beim Beethoven- bleibt ideeller Partner für diese sym- bracht wird. Stimmen Sie zu? fest in guter Hand. Darüber hinaus bolischen Vorhaben. Wir hoffen sehr, Boecker: Nein, bitte nicht alle Poli- steht es allen frei, das Jubiläum so en- dass sie zustande kommen. tiker über einen Kamm scheren. Aber den zu lassen, wie es begonnen hat: Das neue Bundesinfektionsschutz- auch ich erliege spätestens seit dem mit Hauskonzerten voller Herzblut gesetz stößt in der Kulturszene auf Lockdown "Light" im November kei- für das Geschenk dieser Musik. viel Kritik. Der Vorsitzende des Deut- ner Illusion mehr, was von Sonntags- Ist Bonn bereit für das nächste Beet- schen Kulturrats Olaf Zimmermann reden zur Kultur in Krisenzeiten übrig hovenjahr 2027? kritisiert, dass Kultur bei einer Inzi- bleibt. Kultur als Erste zu schließen Boecker: Wir haben mit denz von 100 praktisch nicht mehr und als Letzte zu öffnen ist ihrem BTHVN2020 gezeigt, welches Poten- stattfinden kann. Stimmen Sie der Wert als Grundlage unserer Demokra- zial Beethoven für Bonn bietet. Die Kritik zu? tie und Kraftquelle in der Krise nicht erste Besucherwelle in Bonn bis März Boecker: Die Kultur ist definitiv im angemessen. Die Gleichstellung mit 2020 übertraf alle Erwartungen. Die Mark getroffen. Für die Kulturinstitu- verzichtbaren Freizeitaktivitäten war Stadt braucht die Welle nur noch zu tionen sind verlässliche Planungs- für mich ernüchternd. Ich unterstütze reiten. Die 200. Jahrestage der Urauf- grundlagen entscheidend. Der inzi- deshalb die Kampagne "Kultur ins führung der 9. Sinfonie 2024 und von denzbasierte Stand-by-Betrieb, mit Grundgesetz". Kultur braucht unbe- Beethovens Todestag 2027 bieten da- ständigem On-Off je nach Index, bie- dingt eine stärkere Lobby. für wunderbare Gelegenheiten. tet noch nicht die Öffnungsperspekti- Wie kann man das verlängerte ve, die wir uns wünschen. Beethovenjahr noch festlich zu Ende Zahlreiche Künstler, aber auch bringen? Funktionäre wie der Geschäftsführer Die Jubiläumsgesellschaft koordi- Sie ist zuständig für die Weitergabe und in der Nähe von Düsseldorf auf- niert das Festjahr der Projektmittel, die von der öffentli- gewachsene Volljurist und Kulturma- Die Beethoven Jubiläums GmbH chen Hand bereitgestellt wurden. ht nager unter anderem für die Bertels- gründete sich am 1. Juli 2016 als Malte Boecker, Jahrgang 1970, ist Di- mann-Stiftung und die Intendanz von Tochtergesellschaft der Stiftung Beet- rektor des Beethoven-Hauses Bonn "Weimar 1999 – Kulturstadt Europas" hoven-Haus. Träger sind Bund, das sowie zusätzlich in leitender Position tätig. In diesem Zusammenhang leit- Land NRW, die Stadt Bonn und der bei der BTHVN2020-Beethoven Jubi- ete er die Gründung des von Daniel Rhein-Sieg-Kreis. Die Gesellschaft läums gGmbH, zuerst als Vorsitzen- Barenboim und Edward Said initiier- hat den Auftrag, das Beethoven-Jubi- der des Aufsichtsrates, seit Juli 2019 ten West-östlichen Divan Orchesters läumsjahr zu gestalten, zu fördern, zu als künstlerischer Geschäftsführer. mit arabischen und israelischen Musi- koordinieren und zu verantworten. Zuvor war der in New York geborene kern. ht Alle weiteren Quellen: ga.de (General-Anzeiger Bonn) • General-Anzeiger - Bonner Stadtanzeiger Königswinter • General-Anzeiger - Rhein-Ahr-Zeitung • General-Anzeiger - Rhein-Sieg-Zeitung Rhein & Sieg • General-Anzeiger - Rhein-Sieg-Zeitung Voreifel zum Anfang dieses Artikels zum Inhaltsverzeichnis 4
22 FEUILLETON DIE WELT MONTAG, 10. MAI 2021 Der neue Leviathan Warum unsere freiheitliche demokratische D Grundordnung auf der Kippe steht ie Freiheit des einen, sein Leben ma und Terror stehen beispielhaft für ei- so zu gestalten, wie er will, hört nen Gesinnungswandel, dem jede Freiheit bekanntlich dort auf, wo sie die suspekt ist. Die freie Entfaltung der Per- Freiheit anderer bedroht. Wo genau die sönlichkeit scheint kaum mehr ein Grenzen individueller Freiheit liegen, ist Grundrecht, vielmehr ein Bedrohungssze- nicht für immer in Stein gemeißelt. Es nario zu sein, das nur Terroristen, Klima- hängt von Sitten, Gebräuchen und Wert- sünder, Virenschleudern kennt, denen das vorstellungen ab, die in einer Gesellschaft Handwerk gelegt werden muss. Um das zu einer bestimmten Zeit dominieren. zu tun und dafür zu sorgen, dass der freie, allzu freie Mensch seiner Verantwortung VON MICHAEL ESFELD UND PHILIP KOVCE für das einzig Wahre, Schöne und Gute gerecht wird, treten mediale Moralapos- Die Grenzen individueller Freiheit tel, akademische Besserwisser und politi- zieht in erster Linie der Staat: Er ist be- sche Sittenwächter auf den Plan. Sie mei- fugt, sie mittels Gesetzen zu definieren – nen, uns anleiten und überwachen zu und sein Gewaltmonopol gebietet ihm, müssen, damit wir von der Freiheit kor- diesen Grenzschutz auch zwangsweise zu rekt Gebrauch machen. gewährleisten. Zieht der Staat die Gren- Um nicht missverstanden zu werden: zen individueller Freiheit zu weit, besteht Terrorismus, Klimawandel und Corona- die Gefahr, dass einige wenige der Freiheit Pandemie sind zweifellos große Hypothe- aller anderen ungestraft zuwiderhandeln; ken; aber man bedient sie gerade nicht am zieht der Staat die Grenzen zu eng, bleibt besten, indem man aufgrund von Terror-, von der Freiheit der Einzelnen, ihr Leben Klima- oder Corona-Angst bürgerliche in die Hand zu nehmen, nicht viel übrig. Freiheiten staatlicher Zwangsbeglückung Wer in Corona-Zeiten hierzulande sein opfert. In Beispielen gesprochen: Wenn Leben selbst in die Hand nehmen will, der der große Bruder nach Lust und Laune merkt sehr schnell, was von individueller Telefonate abhören, Briefe öffnen, Konten Freiheit offensichtlich gehalten wird: prüfen und Krankenakten einsehen darf; nicht mehr viel. Da man, so der pandemi- wenn er unablässig biometrische Daten sche Generalverdacht, mit nahezu jeder sammelt und speichert, ist zwar noch kein alltäglichen Handlung jemanden anste- Anschlag verhindert, aber schon viel Frei- SEMPEROPDER DRESEDEN/LUDWIG OLAH cken könnte, fühlt sich der vormund- heit vereitelt. Während die Sicherheit des schaftliche Staat bemüßigt, das Verhalten gläsernen Bürgers Illusion ist, ist die Aus- mündiger Bürger zu kontrollieren. Er ver- höhlung seiner Freiheit Realität. fügt, ob Väter bei der Geburt ihrer Kinder Außerdem unterminiert den Natur- E und Verwandte beim Sterben ihrer Ange- schutz, wer im Kampf gegen den Klima- hörigen dabei sein, ob Familien zusam- wandel Biokraftstoffe subventioniert, die menkommen und Freunde sich treffen Monokulturen verschlingen, und Elektro- dürfen. Die Freiheit der Einzelnen wird mobilität fördert, für die seltene Erden dabei nicht zum Wohl aller begrenzt, son- geschürft und fossile Energieträger ver- dern zulasten aller im Keim erstickt. Ein brannt werden. Wird obendrein einer al- Oper in der Oper: In der Dresdner Neuinszenierung von „Capriccio“ vermischen sich die Welten Rokoko, Drittes Reich und DDR Grund, warum Freiheitsrechte inzwi- lein selig machenden Digitalisierung das schen derart verramscht werden, liegt da- Wort geredet, prädestiniert deren Ener- rin, dass akademische Marktschreier de- giebedarf die analoge Welt zum globalen igentlich hätte dieses Mu- Drehbühnenschwingen seiner Rotunde kenworten: „Frau Gräfin, das Souper Christa Mayer) her und bekommt sie ren Ausverkauf anpreisen: Der Mensch sei Atommüll-Endlager. Wer in Sachen Coro- siktheaterereignis schon wie ein Schneckenhaus. Herzog lässt ist serviert.“ Schließlich geht diese, in- auch. Das italienische, Commedia- dem Menschen ein Virus, weshalb alle „Vi- na schließlich meint, allen sei geholfen, vor 17 Jahren stattfinden darin die Zeitebenen verschwimmen. zwischen festlich barockreifrockge- dell’arte-gewandete und gespreizte ren“ zum Schutz voreinander von Staats wenn Kinder aus den Schulen ausge- sollen. 2004 nämlich wollte Er präsentiert zunächst bei geschlosse- wandet, ab nach hinten – ins Dunkel Sängerpaar Tuuli Takala und Beomiijn wegen isoliert werden sollten. Virusfrei sperrt, Erwachsene ins Home-Office ver- der strahlendstarke ner Betonmauerrunde an der Rampe der Hinterbühne. Kim hat eine gute Vokal- wie Essens- first, Grundrechte second. Wer im Zuge bannt und Alte in den Heimen eingesperrt Strauss-Solipsist Christian Thiele- eine Art DDR in ihren letzten Zügen. Dann aber bleiben auch die wenigen zeit. Und der zart schusselige Wolfgang dieser Virokratie nicht mehr Diktatur wa- werden, übersieht nicht nur die fatalen mann erstmals dessen letzte Oper „Ca- Drei Rentner sitzen auf einer Plaste- Zuschauer im Dunkel der Bedeutung Ablinger-Sperrhacke als von allen ver- gen will, dem wird vorgehalten, den Ernst Kollateralschäden dieses ungesunden Ge- priccio“ in Paris dirigieren. Er sagte die bank, debattieren ernsthaft über den zurück. Denn im Mittelteil haben sich gessener Souffleur Taupe genießt sei- der Lage zu verkennen. sundheitsschutzes; er erklärt auch ele- glamourös besetzte Premiere freilich Vorrang von Wort oder Musik in der die Wände zum Salon geöffnet, wo spä- nen mystisch flüsternden Soloabgang. Stutzig macht, dass in früheren Pande- mentare Freiheitsrechte mit einem Feder- zwei Tage vor Probenbeginn ab. Oper und sprayen ihre Parolen an die ter nebenan die Schokolade eingenom- Die politischen Dimensionen des an- mien ähnlicher Größenordnung liberale strich zu schöngeistigen Papiertigern. Wand. Es sind, mit weißem Haar und men werden wird, und es gibt wieder scheinend gerade für jüngere Regisseu- Demokratien von mittelalterlichen Kurzum: Wann immer der Leviathan an- VON MANUEL BRUG am Stock, die beiden großartig kulti- zwei Zeit- und Evidenzschichten. Da re wieder interessanten „Capriccio“, Zwangsmaßnahmen, wie sie derzeit an bietet, bürgerliche Freiheiten gegen eta- vierten, dabei in die Gräfin wie das ihr haben wir 1942, Reichskanzleieinrich- die schöpft Herzog in Dresden, dem der Tagesordnung sind, nichts wissen tistische Weltverbesserung einzutau- Zehn Jahre später, zum 150. Geburts- deutschen Nostalgie-Nirwana, aller- wollten. Während der Asiatischen Grippe schen, sollten wir auf der Hut sein. Weil tag des Adoptionsdresdners Strauss, dings nicht wirklich aus. Da waren Ro- Mitte der 1950er oder der Hongkong- dieser Teufelspakt nicht nur individuelle langte es für Thielemann gerade einmal bert Carsen in Paris oder Brigitte Fass- Wahn, Wahn, Grippe Ende der 1960er-Jahre galt als un- Freiheit kassiert, sondern auch persönli- für zwei Repertoirevorstellungen an baender in Frankfurt durchaus weiter. vernünftig und unverantwortlich, wer so- che Verantwortung konterkariert, staatli- der Semperoper mit Renée Fleming als Oder virtuos anders, in einer Spiegel- genannte „nicht-pharmazeutische Inter- cher Willkür Tür und Tor öffnet. Werkdebüt. Nicht ohne Ironie also, und Doppelgängerirrwelt des Salons ventionen“ wie Lockdowns forderte. Was tun? Mit Angela Merkel gespro- dass er ausgerechnet jetzt – nachdem sich verlierend: Christof Loy in Madrid überall Es war damals ebenso wissenschaftli- chen: „Mehr Freiheit wagen!“ Genau das er an seinem Stammhaus in Corona- (die Koproduktion wird an Pfingsten cher wie politischer Konsens, die Pande- forderte die Bundeskanzlerin in ihrer ers- Abstandzeiten ausgebremst wurde, von der Züricher Oper gestreamt, wo mien rein medizinisch zu bekämpfen. Das ten Regierungserklärung 2005. Nach 16 großes Repertoire, ja überhaupt Oper sich nicht gespielt werden kann). Hier wirtschaftliche, gesellschaftliche und so- Jahren Merkel ist das Pathos dieser For- zu dirigieren – nun doch noch zu seiner bleibt dieser so seltsame Schwanenge- Opernwahn ziale Leben wurde aufrechterhalten. mel längst verflogen. Übriggeblieben ist spielplantermingerecht für den 8. Mai sang des alten Olympiers Richard Wenn sich die epidemiologischen Zahlen, davon de facto das Gegenteil: weniger positionierten ersten „Capriccio“-Pre- Strauss schwelgerische Konvention. Daten und Fakten ähneln, die politischen Freiheit lassen. Die Alternativlosigkeit er- miere kam. Aber was tut’s? Wir haben noch die Reaktionen jedoch unterschiedlicher lebt in der Corona-Pandemie ihren tragi- In der nun hoffentlich abklingenden von der vollständig angetretenen Wun- kaum sein könnten, dann verweist das auf schen Höhepunkt. Mit Merkel an der Spit- Pandemie und einem sich abzeichnen- derharfe Staatskapelle gar köstlich irri- Christian Thielemann dirigiert in Dresden einen Mentalitätswandel, der offene Ge- ze, regiert der akademisch-administrative den Ende des Lockdowns dirigiert sierend zelebrierte Partitur. Die Chris- sellschaften im Kern bedroht. Die Freiheit Komplex gnadenlos durch – legitimiert Christian Thielemann ausgerechnet tian Thielemann auf noble Art gestrig zum ersten Mal „Capriccio“ – und lässt gleicher Bürger erscheint immer weniger durch fragwürdige 15-Kilometer-Verord- dieses merkwürdig eskapistische auffächert. Er verbreitet Wohlfühl-Vin- Richard Strauss‘ letzte Oper glänzen. als Ziel; immer mehr wird sie als ein Holz- nungen, Nacht-und-Nebel-Infektions- Stück. 1942 wird darin in alleredelsten tage, selige Klangbäder, aus der Zeit ge- weg gebrandmarkt, der die Einzelnen an- schutzgesetze sowie die normative Kraft Sahneharmonien in einem imaginären fallene Opernwonnen. Er tut das aber Ein Erlebnis zwischen Seinsvergessenheit geblich überfordert. Anders gesagt: Frei- des Leopoldina-Pseudofaktischen. Paris der Gluck-Zeit unter Adeligen auch, im leeren Haus kann das durch- heit ist keine Verheißung mehr, sondern Wie könnte gegenüber dieser organi- über Operninterna disputiert. Die aus laut werden, mit plötzlich empor- und Angriffsübermut vor allem ein Synonym für „asozial“. sierten Freiheitsberaubung ein pandemi- Oper nahm sich zum Selbstzweck, schnellender, lustvoller Aggressivität. Die grassierende Furcht vor der Frei- sches Wagnis der Freiheit aussehen? Ganz während Deutschland langsam begann, Seinsvergessenheit mutiert zu An- heit lässt sich anhand dreier Beispiele einfach: Der Staat hätte sich darauf zu be- in Trümmern zu versinken. griffsübermut. Und die sich aufplus- treffend illustrieren. Seit Jahrzehnten schränken, den Schutz von Risikogruppen Und jetzt saßen bei der ersten kom- ternde, gleißende, prunkende, zitatver- scheint es opportun, im Krieg gegen Ter- zu ermöglichen und den Schutz von pletten Premiere der Semperoper seit liebte, gelehrtheitspompöse Musik, sie ror Bürgerrechte systematisch zu schlei- Grundrechten zu gewährleisten. Dafür über einem Jahr zur Aufzeichnung für gewidmete Opernprojekt verliebten tungsstil, dunkle Täfelung, Intarsien- wird immer wieder durchscheinend, fen. Wer nichts zu verbergen habe, habe könnte er nicht nur Masken, Impfstoffe ein Streaming am Pfingstsamstag nur Streithansel: der Komponist Flamand parkett. Auf der Drehscheibe kreiseln warm, menschlich. auch nichts zu befürchten, heißt es . Mit und Schnelltests bereitstellen helfen; er eine Handvoll Journalisten im immer (trompetentenorklar: Daniel Behle) die entsprechenden Sitzmöbel, Alko- Da gibt es also Stahl und Beton unter dieser rhetorischen Beruhigungspille ver- könnte auch jedem Bürger, wenn und so- noch für das Publikum gesperrten Zu- und der Dichter Olivier (baritonsanft holika, aber auch ein Cembalo. Ein ge- dem Klangstuck und den Pailletten der sucht die Big-Brother-Lobby zu kaschie- lange eine „epidemische Lage von natio- schauerraum. Mehr sich selbst bespie- verschattet: Nikolay Borchev). Und der schützter und gleichzeitig gefährdeter Instrumentierung, geschärfte Sinnhaf- ren, dass sie längst dabei ist, freiheitliche naler Tragweite“ festgestellt wird, die gelnde splendid isolation geht wohl sarkastisch lachende, später in seiner Innenraum. Denn auch seine Schalen- tigkeit, brodelnde, fundamentlose Mo- Rechtsstaaten zu orwellschen Überwa- rechtlichen und finanziellen Möglichkei- kaum. Aber irgendwie war es dann großen Brandrede auf das Theater und wände offenbaren außen Brandmauern derne, exhibitionistisch geile Triebhaf- chungsstaaten umzubauen. Normalbür- ten einräumen, freiwillig einen individuel- doch gerade in seiner Aberwitzigkeit seine Weltbedeutung zu blendender, mit Einschusslöchern, die weiße tigkeit. Keine eskapistische Audio- ger werden vorrangig als Beobachtungs- len Lockdown anzutreten (um andere zu toll. stets schlanker Bassurgewaltform auf- Kreideinschrift „LSR“ verweist auf den Wellness also im Orchestergraben bei objekte wahrgenommen. pflegen oder sich selbst zu schützen). Draußen hatte die nach wie vor Co- laufende Georg Zeppenfeld als Thea- hoffentlich nahen Luftschutzraum. diesem Dresdner „Capriccio“, das für Außerdem wird in jüngster Zeit immer Eine solche pandemische Philosophie vid-19-leergefegte Kulissenstadt Dres- terdirektor La Roche (wie schon 2014). Sind das da auf der Bühne, jetzt ver- eine DVD aufgezeichnet wurde und zu- wieder lautstark gefordert, individuelle der Freiheit wäre zugleich Blaupause für den ein blitzeblank sonniges Früh- Hinter einem vorhangverzierten jüngt, mit Koffer und Rucksack, Täter nächst am Pfingstsamstag auf der Sem- Freiheit insofern zu eliminieren, als sie einen Ausnahmezustand, der nicht als lingskleid angelegt. Da störte auch das Fenster sitzt zudem vor einer Repro- samt ihrer Theaterutensilien – oder peroper-Webseite gestreamt werden nicht klimaneutral sein könnte. Aus dem Quasi-Diktatur, sondern als Quasi-Anar- versprengte Häuflein einer AfD-Kund- duktion von Raphaels „Sixtinischer Opfer, die bald flüchten werden? Oder wird. Zusammenhang zwischen dem Kohlendi- chie auf Zeit begriffen wird. Freilich gebung am Altmarkt kaum. Derglei- Madonna“ eine alte Frau beim Fernse- einfach nur Figuranten im doppeldeu- Und wie geht es mit Christian Thie- oxid-Ausstoß der Industrialisierung und scheint derzeit nichts utopischer als das. chen ist ja auch schon irgendwie Folk- hen, es ist die greise Gräfin Madelaine. tigen Spiel, dass auch noch eine baro- lemann weiter? In Bayreuth ist sein der globalen Erwärmung wird als elftes Die Corona-Pandemie hat das totalitäre lore hier. In Basel hat gerade der Oder ist es vielleicht doch die Opern- cke Ebene einzieht, mit einem Wat- Vertrag bis jetzt nicht verlängert. 2021 Gebot abgeleitet: Du sollst nicht Klima- Bereitschaftspotenzial vieler Sonntagsde- Spielplanzufall zum Postpandemie- sängerin, die 1944, bei der Dresdner teau-Rückprospekt, das ebenfalls nur wird er dort nur ein Konzert dirigieren, sündigen! Ist der Mensch als Parasit des mokraten in ein postdemokratisches Akti- neuanfang vor 50 erlaubten Zuschau- „Capriccio“-Erstaufführung in der Theaterkulisse ist? Vor der eine Ballett- 2022 einzig den „Lohengrin“, 2023 wo- Planeten und Thermostat des Weltklimas onspotenzial transformiert. Die freiheitli- ern „Intermezzo“, das andere Strauss- letzten wunderfeinen Strauss-Sopran- truppe einen Art Kampf zwischen einer möglich gar nichts. Man verhandelt markiert, obliegt es Vater Staat, seine ver- che demokratische Grundordnung steht Privatissimum in Opernform, hoch- hauptrolle auf der Bühne stand? modernen Ausdruckstänzerin und ei- noch. Sein vorletzten Osterfestspiele meintlich infantilen Untertanen so zu auf der Kippe. Wer will, dass die Grenzen ploppen lassen. Ausgerechnet. Und in Jetzt startet freilich die vierte lokale nem hinternwackelnden, federnwip- in Salzburg sind auf Allerheiligen ge- peitschen, dass Mutter Erde keinen Kli- individueller Freiheit in der „neuen Nor- Dresden also die andere hochartifi- Neuinszenierung im Strauss-Gralstem- penden Revuekollektiv ausficht? schoben, dort will er künftig jeden Fes- maschaden nimmt. Nicht zuletzt gilt als malität“ nicht noch enger gezogen wer- zielle Kunstübung aus Richards pel. Und am Ende begegnet die famose Wie auch immer: Jens-Daniel Her- tivalsommer einmal bei den Wiener Gebot der Stunde, die Freiheit des homo den, muss pandemischen Versuchungen Straussens Werkstatt. Camilla Nylund, die eben mit feinem zog bleibt jedenfalls personenfüh- Philharmonikern präsent sein. virologicus, dieser wandelnden, potenziell der Unfreiheit widerstehen. Der nur leider der Regisseur Jens Da- Silberpeng und schimmernden, durch- rungskönnerisch im Deutungsungefäh- Eben hat er sein erstes Orchesterde- tödlichen Biowaffe, präventiv zu be- niel Herzog nicht so wirklich gerecht aus einmal auch voluminösen Legatoli- ren. Er bewegt virtuos sein Ensemble, büt seit 18 (!) Jahren gegeben – beim schneiden. Obwohl Sars-CoV-2 inklusive T Michael Esfeld ist Professor für Wis- wird. Obwohl er die besten Absichten nien und sehr guter Diktion diese Grä- die pausenlose Zeit vergeht schnell. Symphonieorchester des Bayerischen Mutanten nur für eine relativ kleine Per- senschaftsphilosophie an der Univer- hat. Mathis Neidhardts ästhetisch fei- fin Madelaine durchmessen hat, ihrem Klar ist immerhin: Der Bruder der Grä- Rundfunks. Natürlich mit Robert Schu- sonengruppe besonders riskant ist, soll sität Lausanne und Mitglied der Leo- nes, auch den fast zweieinhalbstündi- Alter Ego als Seniorin. So spiegelt sich fin (immer sympathischer Baritonkava- mann und – mit Richard Strauss. Den möglichst alles verboten werden, was der poldina. Philip Kovce, Ökonom und gen Einakter klug wie abwechslungs- Welt und Opernsinn. Die hochtrabend lier: Christoph Pohl) ist ganz rasend kann er, dieses in Schönheit schmer- Ausbreitung dieses „Killervirus“ irgend- Philosoph, ist Mitglied im Thinktank 30 reich gliederndes Bühnenbild öffnet bedeutungsvolle Opern-Causerie en- hinter der Schauspielerin Clairon zende „Capriccio“ hat es einmal mehr wie Vorschub leisten könnte. Corona, Kli- des Club of Rome. sich in den konkaven wie konvexen det mit den bewusst banalen Domesti- (mezzomuttige Strauss-Walküre: nachhaltig bewiesen. © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung
10.5.2021 Berliner Symphoniker streamen Konzert aus dem Flusspferdhaus im Zoo | Inforadio Startseite > Programm > Kultur So 09.05.2021 | 08:10 | Kultur Berliner Symphoniker streamen aus dem Flusspferdhaus Bei den Berliner Symphonikern geht es am Sonntagnachmittag tierisch zu: Bären, Schwäne, Hummeln - das alles ist bei ihrem Konzertstream "OverTiere" zu hören. Das Orchester ist dafür an einen besonderen Ort gegangen: ins Flusspferdhaus des Berliner Zoos. Von Maria Ossowski Stand vom 09.05.2021 Beitrag hören https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/202105/09/558262.html 1/1
10.5.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10 F.A.Z. - Musik Montag, 10.05.2021 Gut durchtrainierte Jäger Vor zweihundert Jahren wurde Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ uraufgeführt. Laurence Equilbey legt jetzt eine Neuaufnahme mit historischen Instrumenten vor, in der man den Wald mit Ohren greifen kann. Der Freischütz“ sei in Frankreich alles andere als populär, sagt Laurence Equilbey schmunzelnd. Doch begleite sie dieses Werk, seit es vor gut vierzig Jahren auf ihrem Baccalauréat-Programm stand, dem Pendant zum Abitur. Die Pariser Dirigentin empfängt in ihrer Wohnung auf der Sonnenseite des Montmartre mit Blick über die ganze Stadt. Die „Freischütz“-Ouvertüre, erzählt die neunundfünfzigjährige Dirigentin, habe sie im Konzert häufig gegeben, die ganze Oper seit 2011 immerhin in drei Produk- tionen. Ein Mitschnitt der jüngsten ist auf arte.tv zu sehen, der Audiopart liegt jetzt in ungleich besserer Klangqualität beim Label Erato vor. Das Besondere an dem Unternehmen: Equilbeys Insula Orchestra spielt auf historischen Instrumenten. Bruno Weil hatte zwar bereits 2001 Carl Maria von Webers Meisterwerk mit einem Originalklangensemble eingespielt, der Cappella Coloniensis des WDR. Doch befriedigte diese Aufnahme schon allein tontechnisch nicht. Ungleich ansprechender das vorliegende Album. Die Quecksilbrigkeit der Streicher, die Darmsaiten und alte Bögen verwenden; das fragile, verschattete Kolorit der im Vergleich zu metallenen Böhmflöten vibratoarmen Traversflöten; vor allem der holzige, oft gestopfte Ton der Naturhörner („Der Freischütz“ ist schließlich die Wald- und Jägeroper schlechthin) – all diese unverfeinerten und doch so raffinierten Klänge sind hier farbig, duftig, fast haptisch greifbar eingefangen. Lautmalereien wie die Sechzehntel der Bratschen und Celli, die in Agathes Arie das Rauschen der Tannenwipfel und das Flüstern des Birkenlaubs heraufbeschwören, entfalten unaufdringlich ihre Wirkung. Dank der durchtrainierten Männerstimmen von Equilbeys Chor Accentus wirkt der Jägerchor nicht wie ein adipös-schenkelklopfender Stammtischgesang, sondern wie die fast beiläufige Demonstration eines Olympiateams von Stimmband-Athleten, die zu Gehör bringen, wie lässig und akkurat sie die Hunderte von Tonwiederholungen auf die Interjektion „Tralala!“ zu stemmen vermögen – und sich dabei noch den Luxus feinjustierter dynamischer Abstufungen leisten. Nicht alles ist Gold in diesem „Freischütz“. Die Hauptrollen sind bis auf eine Ausnahme sehr zufriedenstellend besetzt, aber Referenzstatus möchte man keiner und keinem der betreffenden Sängerinnen und Sänger zuschreiben – nicht nur, weil ihnen der letzte Feinschliff in der Aussprache des Deutschen fehlt. Die Inszenierung von Clément Debailleul und Raphaël Navarro, auch auf der Bonus-DVD zu sehen, setzt anregend auf Abstraktion Grau in Grau, auf Zaubertricks und Waldvideos, vergisst darob aber die Personenführung. Noch schwerer zu Buche schlägt, dass auf der prallvollen CD für vier https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10 1/3
10.5.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10 von sechzehn Nummern der Oper kein Platz mehr war. Nicht unbedingt die gehaltvolls- ten Passagen der Partitur, aber doch Lücken in der derzeit einzigen ernstzunehmenden „historischen“ Alternative zu den „modernen“ Säulen der Diskographie. Equilbey ist sich dieses Mankos bewusst. Doch wäre ein Doppelalbum gleich viel teurer gewesen als eine einzelne CD, gibt sie zu bedenken. „Die Produktionsbedingungen sind heute, was sie sind“, seufzt sie. So oder so stellt das Album dem Insula Orchestra und seiner Chefdirigentin einen eindrucksvollen Leistungsnachweis aus. Den Klangkörper hat Equilbey 2012 ins Leben gerufen, auf Wunsch des im Westen an Paris angrenzenden Départements Hauts-de- Seine. Dieses wollte seinem Kinderchor ein Orchester zur Seite stellen, um beide als Residenzensembles in der im Entstehen begriffenen Seine musicale unterzubringen, einem in Boulogne-Billancourt durch den Pritzker-Preisträger Shigeru Ban erbauten Musikkomplex. Den mit Weltklasse-Akustik gesegneten mittleren Saal dort bespielt Equilbey rund vierzig Tage im Jahr: halb mit Gästen (ab 2023 ist zweijährlich ein Tref- fen von Originalklangorchestern geplant), halb mit dem Insula Orchestra. Clou der Saison sind ein oder zwei spektakuläre Inszenierungen klassischer oder romantischer Werke, etwa von Haydns „Schöpfung“ oder von Beethovens „Pastorale“ mit der katalani- schen Theatergruppe La Fura dels Baus. Großen Wert legt Equilbey darauf, Frauen in ihren Konzertprogrammen vorkommen zu lassen. Im März etwa wollte sie wieder einmal die erste und dritte Symphonie von Louise Farrenc aufführen – Corona führte zur Absage dieser Konzerte. Doch wird die Dirigentin die drei Symphonien und zwei Ouvertüren der Zeitgenossin von Berlioz für Erato aufnehmen. „Gern würde ich auch Clara Schumanns Klavierkonzert einspielen, Fanny Mendelssohns Oratorium und Emilie Mayers umwerfende Symphonien“, schwärmt sie. Seit ihr 2012 ein Volontär die ernüchternden Ergebnisse einer Untersu- chung zu lesen gab, die er im Rahmen seines Universitätsstudiums über die Vertretung von Frauen in der Welt der darstellenden Künste durchgeführt hatte, macht sich Equil- bey für Gleichberechtigung stark. „Bis dahin war ich völlig naiv gewesen. Machismo, dachte ich, gibt es in der Welt der Wirtschaft oder Politik, nicht in meinem offenen, wohlwollenden Milieu!“ Auch Equilbeys Kammerchor Accentus, der seit seiner Gründung 1991 rund fünfzig Werke aus der Taufe gehoben hat, achtet beim Erteilen von Kompositionsaufträgen auf Parität. Es ist bemerkenswert, dass eine Dirigentin, die mit ihrem Orchester hauptsäch- lich Werke aus der Zeit zwischen 1750 und 1850 aufführt, mit ihrem Chor wie selbstver- ständlich auch Arbeiten von Heinz Holliger, Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm zum Erklingen bringt – um nur lebende Tonkünstler aus dem deutschen Sprachraum anzuführen, zu dem die im Schwarzwald aufgewachsene und später beim Musikstudium in Wien durch Nikolaus Harnoncourt geprägte Dirigentin eine starke Affinität hat. Equilbeys Strauss- und Schönberg-Alben, ihre originellen Schubert- und Brahms- Aufnahmen verbinden nordischen Sinn für den großen Bogen (der schwedische Chordi- rigent Eric Ericson war neben Harnoncourt Equilbeys zweite Leitfigur) mit französi- scher clarté. Und die Pandemie? Die Musikerin gesteht eine gewisse Entmutigung. „Mitte April habe ich für ein Streaming-Konzert Schuberts As-Dur-Messe dirigiert. Die Mitglieder des Chors trugen alle Masken und waren so weit weg, dass ich mich mit In-Ear-Monitoring https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10 2/3
10.5.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10 behelfen musste. Von Geben und Nehmen keine Spur, oft hatte ich den Eindruck, fürs Mischpult zu dirigieren. Künstlerisch stieß das an die Grenze dessen, was für mich noch Sinn ergibt.“ Mit Feuer zählt Equilbey hingegen ihre längerfristigen Projekte auf. Im Tonträgerbereich sind das die Einspielung von Mozarts „Lucio Silla“ mit dem Counterte- nor Franco Fagioli (mit dem sie 2015 eine Referenzaufnahme von Christoph Willibald Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“ vorgelegt hat) und die Fortsetzung eines Beethoven- Zyklus mit Nicholas Angelich am Pleyel-Flügel. Im Bühnenbereich Kollaborationen mit Choreographen, Regisseuren und Plastikern zu Beethovens „Fidelio“, Dvořáks „Wasser- mann“, Faurés „Requiem“ – und zu Mozarts letztem aktivem Tag, bevor sich der Schöp- fer der „Zauberflöte“ Ende November 1791 ins Bett legte, um nie wieder aufzustehen. Marc Zitzmann https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10 3/3
10.5.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466927/37 F.A.S. - Feuilleton Sonntag, 09.05.2021 Wovor wir geflohen waren Ausgerechnet am Berliner Maxim Gorki-Theater, das alles anders machen wollte, soll es Machtmissbrauch und Rassismus geben. Eine Recherche Das Berliner Maxim Gorki-Theater galt in Deutschland lange als eine Ausnahme. Divers, unkonventionell, progressiv, queer – alles, was die meisten anderen Stadttheater nicht waren. Vor allem galt es als Ort, an dem Menschen mit Migrationsgeschichte Karriere machen können, während ein für Deutschland scheinbar untypischer Name oder eine andere Hautfarbe andernorts durchaus ein Hinderungsgrund sein können. Zweimal wurde das Gorki von der Zeitschrift „Theater heute“ als Theater des Jahres geehrt, die Inszenierungen erhielten zahlreiche Preise. Viele Zeitungen, darunter die New York Times, berichteten über den revolutionären Ansatz, Menschen auf die Bühne zu bringen, die man dort sonst selten sah. Geschichten zu erzählen von Flucht, Ausgrenzung und Diskriminierung. Geschichten wie es sie in Deutschland überall gibt, auf Theaterbühnen aber selten. Am Gorki war all das möglich. Eine der wenigen Prinzipien des Theaters lautete: „Es darf keine Arschlöcher geben.“ So sagte es die Intendantin Shermin Lang- hoff vor einigen Jahren in einem Interview mit der taz. Die Realität muss da schon eine andere gewesen zu sein. Zuerst berichtete die Süddeutsche Zeitung, dann der Spiegel über desaströse Zustän- de.Am Gorki herrsche ein „Klima der Angst“. Spricht man mit Kennern des Theaterbe- triebs, dann sind viele von den Enthüllungen nicht sonderlich überrascht. Ehemalige Gorki-Mitarbeiter sagen gegenüber der F.A.S., sie seien froh, dass nun alles ans Licht komme: „Ich war so wütend, all diese positiven Berichte zu lesen. Es war so verlogen.“ Diese Worte fallen mit der Bitte um Anonymität. Vier Menschen schildern ihre Erlebnis- se und Eindrücke, namentlich genannt werden wollen sie jedoch nicht. Shermin Lang- hoff sagt nichts. Auch andere lehnen es ab. Das öffentliche Schweigen erstaunt, da an anderen Theatern schon laut über vergleichbare Vorfälle und Enthüllungen gestritten wurde und noch gestritten wird: In Karlsruhe trennte man sich von dem Intendanten Peter Spuhler, weil dieser mit cholerischen Anfällen und Kontrollzwang seine Mitarbei- ter drangsaliert haben soll. In Düsseldorf und am Berliner Staatsballett gab es Rassis- musvorwürfe, an der Berliner Volksbühne musste der Intendant Klaus Dörr nach Sexis- mus-Vorwürfen gehen. Einigen Intendanten wird ihr Verhalten zum Vorwurf gemacht; in Düsseldorf lautet er hingegen, nicht eingeschritten zu sein, als Vergehen anderer im Raum standen. Am Gorki-Theater war, so sagen es ehemalige Mitarbeiter gegenüber der F.A.S., offenbar beides der Fall. Shermin Langhoff begann ihre Intendanz im Jahr 2013. Die toxische Atmosphäre scheint schon bald danach Einzug gehalten zu haben. Von Vetternwirtschaft und Bevor- zugung Einzelner ist die Rede, meist seien diese Günstlinge, wie Langhoff selbst, türki- scher Abstammung gewesen. Die Belegschaft sei in Lager zerfallen: „Wer sich nicht mit Team Langhoff verstand, war ein Loser.“ Langhoff sei regelmäßig ausgerastet, habe mit Gegenständen geworfen, Kollegen vor allen niedergeputzt. Bei exzessiven Premierenpar- https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466927/37 1/4
10.5.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466927/37 tys habe nicht nur sie körperliche Grenzen missachtet und das dann als „Kanakengeha- be“ entschuldigt und verharmlost. Es wird berichtet von Mobbing, Rassismus und jahre- langer Gängelei. Shermin Langhoff soll dabei nicht immer beteiligt, aber Mitwisserin gewesen sein. Vieles, so sagen Ehemalige, sei vertuscht worden. Bei Beschwerden wurde gedroht: „Wenn du dich nicht anpasst, musst du gehen.“ Noch heute wundert sich eine ehemalige Mitarbeiterin, dass sie sich so hätten einschüchtern lassen: „Die macht einfach Angst, die Frau.“ Einige Mitarbeiter haben sich trotzdem gewehrt. Sie wandten sich an die Vertrauensstel- le Themis, es gab einen Mediationsprozess, der offenbar wenig half. Die Dramaturgin Johanna Höhmann hat das Maxim-Gorki-Theater nun wegen der Nichtverlängerung i hres Vertrags verklagt. Die Gründe dafür sieht sie in einem Beschwerdebrief, den sie und andere an die Intendantin richteten. Außerdem sei sie als Frau in der Elternzeit diskriminiert worden. Die Gerichtsverhandlung endete am Mittwoch mit einem Vergleich: Die Klägerin erhält eine Abfindung von 15 000 Euro. Und die Vereinbarung enthält eine Schweigeklausel. Mehr war beim Bühnenschiedsgericht nicht zu erfahren; gekommen waren nur die Anwälte der beiden Parteien. Warum nur wagt sich beim Gorki keiner aus der Deckung, während zeitgleich in gesell- schaftspolitischen Initiativen wie #ActOut so viele an die Öffentlichkeit gehen? Oder 1400 Theaterschaffende den Dramaturgen Bernd Stegemann in einem offenen Brief auffordern, sich bei Ron Iyamu zu entschuldigen, den Stegemann, nachdem der Schau- spieler rassistische Vorfälle bei Proben am Düsseldorfer Schauspielhaus öffentlich gemacht hatte, als „unsicheren jungen, im schauspielerischen Ausdruck blockierten Mann“ bezeichnet hatte? Offenbar vermittelte das Gorki seinen Mitarbeitern den Eindruck, Kritik könne das Konzept des Theaters als grundsätzlich gescheitert erscheinen lassen. Aber auch wenn die Ideale einer offeneren, diskriminierungsfreieren Gesellschaft am Gorki nicht immer eingelöst wurden, falsch sind sie deshalb nicht: Unter Langhoff wurde nicht nur das Ensemble, sondern auch das Publikum jünger, diverser. Sie hat es geschafft, Menschen neu für das Theater zu begeistern: „Ich fände es schade, wenn diese Ereignisse diese Leistung überschatten“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Er sei zum Gorki gekommen, weil es ein solches Stadttheater damals nirgendwo sonst in Deutschland gegeben habe: ein Stadttheater mit einer türkischstämmigen Frau und einem bekennenden Homosexu- ellen an der Spitze. „Die Theaterwelt ist zum größten Teil eine Welt, in der weiße Thea- terleute sich selbst reproduzieren.“ Mit dem postmigrantischen Ansatz des Gorki sei das nicht zu vergleichen gewesen: „Ich fand das absolut visionär.“ Von den Idealen, von denen auf der Bühne erzählt wurde, habe er bei der Arbeit selbst dann aber wenig gemerkt. Er habe das Theater „psychisch angeschlagen“ verlassen. Das hört man auch von anderen. Darüber hinaus gibt es eine verhängnisvolle „Psychologie der Dankbarkeit“, die das Schweigen erklärt: Schauspieler, die andernorts womöglich wenig Chancen auf einen festen Platz auf der Bühne gehabt hätten, fanden dort eine künstlerische Heimat. Das Theater brüstete sich damit, unbekannte Schauspieler groß rauszubringen. Im Interview mit der taz sagte Langhoff, „dass man Stars machen kann und nicht einkaufen muss“. Von Anfang an sei ihm gesagt worden, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, wie viele Leute sich noch auf seine Stelle beworben hätten. Sein Gehalt sei so gering gewesen, dass er https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466927/37 2/4
10.5.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466927/37 sich nicht getraut habe, zu kündigen: „Ich hatte Existenzängste.“ Ein anderer meint, es sei im Theater normal, eine „Familie“ zu gründen: „So etwas kann man sich in anderen Arbeitsverhältnissen gar nicht vorstellen.“ Im Gorki scheint diese Mentalität noch einmal stärker ausgeprägt gewesen zu sein. Von „Sektensituation“ ist die Rede, von „Clanmentalität“. Professionelle Zusammenarbeit sei dadurch erschwert worden. Manchen hat die Heftigkeit der jetzigen Debatte überrascht – sie steht in starkem Kontrast zur Euphorie, die das Gorki in den Anfangsjahren geprägt habe. Dabei ist das eine möglicherweise die Konsequenz des anderen: Es ist ein Unterschied, ob Erwartun- gen bestätigt oder enttäuscht werden. Die Arbeitsbedingungen an Stadttheatern sind schwierig. Es wird lange geprobt und oft schlecht bezahlt, die Gehaltsunterschiede zwischen Führungsebene und Künstlern sind enorm. Laut einer Studie von 2019, bei der 2000 Mitarbeiter an Theatern befragt wurden, haben 59 Prozent der Frauen psychi- schen oder physischen Missbrauch erlebt. Trotzdem ist die Erschütterung, dass auch am Gorki, einem Theater, das alles anders machen wollte, Machtmissbrauch an der Tages- ordnung zu sein scheint, besonders groß. Dort „genau das zu finden, wovor man geflo- hen war“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, sei schlimm gewesen. Von allumfassender Liebe sei am Gorki die Rede gewesen, sagt eine Mitarbeiterin. Ihr sei das von Anfang an suspekt gewesen. „Den Moralfinger der gesamten Leitung fand ich immer schon schwierig und auch veraltet. Niemand weiß, wie es richtig geht.“ Im Grunde habe sie am Gorki nichts anderes erlebt als an anderen Stadttheatern, deshalb störe sie die Fixierung auf Shermin Langhoff als Person. Sie sei ein „machtorientierter Mensch“, aber man habe mit ihr reden können. Das Problem sei die Struktur, die Allein- herrschaft von Intendanten, die Missbrauch zur Folge hätten: „Man kann nicht sagen: Die Intendanten sind der Teufel. Es ist das System.“ Ein anderer sagt: „Ich habe Angst, dass nun am Gorki, an Shermin Langhoff, ein Exempel statuiert wird, während männli- che Intendanten wie Klaus Dörr oder Frank Castorf sich genauso verhalten.“ Die Vorfälle am Gorki sind deswegen so brisant, weil sie eine größere politische Dimen- sion haben als ähnliche Fälle an anderen Theatern. Schon 2017 forderte die AfD im Berliner Senat, dem Maxim-Gorki-Theater, dem Deutschen Theater und dem Berliner Friedrichstadtpalast die Mittel zu kürzen. Menschen wie Hans-Thomas Tillschneider, rechtsradikaler Kulturexperte der AfD, der inzwischen vom Verfassungsschutz beobach- tet wird, ist das Gorki mit seiner „linksliberalen Vielfaltsideologie“ ein besonderer Dorn im Auge. Gerade deshalb stand das Theater, und somit auch Shermin Langhoff, immer stärker unter Beobachtung als andere. Die Sonderrolle, die sie im deutschen Theaterbe- trieb eingenommen habe, sei Langhoff immer klar gewesen, ist von den Mitarbeitern zu hören. Das habe enormen Druck erzeugt, der auch mit dem großen Erfolg des Theaters nicht weniger geworden sei. Dieser Druck habe sich auf das Kollegium übertragen; es sei wichtig gewesen, volle Vorstellungen, gute Presse zu haben. So erklärt sich ein Mitarbei- ter auch, dass noch die kleinste Entscheidung von Langhoff mitkontrolliert worden sei. Ohnehin wird bei einem hierarchischen Arbeitsmodell meist eine Person, Intendant oder Intendantin, für Fehler verantwortlich gemacht. Eine Verantwortung, mit der man umgehen muss. Man kann sich vorstellen, dass einige Genugtuung verspüren, weil die Vorwürfe nun eine Frau mit progressiven Idealen treffen, so als wäre die Kritik an der bisherigen Ordnung, an sogenannten alten weißen Männern, damit unberechtigt oder weniger https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466927/37 3/4
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