PRESS REVIEW Monday, May 10, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of

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PRESS REVIEW Monday, May 10, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal - Index of
PRESS REVIEW

         Daniel Barenboim Stiftung
Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal

          Monday, May 10, 2021
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PRESS REVIEW                                                           Monday, May 10, 2021

Schabel Kultur Blog, PBS
„Love Longing Loss“: Eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd

Goethe-Institut Dänemark, PBS
Grüße aus der Ferne mit Ole Bækhøj: Warum man um einen Besuch auf dem stillgelegten Flughafen
Tempelhof in Berlin nicht herumkommt

General Anzeige, DB, DIVAN
Der Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft über die Folgen der Corona-Krise für das Beethovenjahr

Die Welt
Christian Thielemann dirigiert in Dresden zum ersten Mal „Capriccio“ und lässt Richard Strauss‘ letzte
Oper glänzen

Rbb Inforadio
Berliner Symphoniker streamen Konzert aus dem Flusspferdhaus im Zoo

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Laurence Equilbey legt jetzt eine Neuaufnahme für Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ mit
historischen Instrumenten vor

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Ausgerechnet am Berliner Maxim-Gorki-Theater, das alles anders machen wollte, soll es
Machtmissbrauch und Rassismus geben

Süddeutsche Zeitung
Ein Buchhändler, ein Kabarettist, eine Diversitäts-Beauftragte und der Leiter eines Festivals für Neue
Musik berichten über rechte Angriffe auf die Kunstfreiheit

Süddeutsche Zeitung
Das Humboldt-Forum ist stolz auf sein „Luf-Boot“ Götz Aly erzählt, wie es in der Südsee geraubt wurde
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Der Tagesspiegel
Die 15. Lange Nacht der Freien Theater in Potsdam

Der Tagesspiegel
Bühnen öffnen rund um Deutschland

Der Tagesspiegel
Clubs begrüßen Aufwertung

Frankfurter Allgemeine Zeitung
Der Saxofonist Shabaka Hutchings spricht über sein afrikanisches Erbe, Sound-Mysterien und die neue
Black-Power-Bewegung

The New York Times
Musicians say Streaming doesn’t pay. Can the Industry change?
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10.5.2021         Vorankündigung – „Love Longing Loss“ – eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd – Scha…

                                                                                             (https://schabel-kultur-blog.de/)

                                                     "Kultur macht glücklich"

           Vorankündigung – „Love Longing Loss“ – eine
     Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten
                          Charles Lloyd
         Veröffentlicht am: 5. Mai 2021 (https://schabel-kultur-blog.de/kino/vorankuendigung-love-longing-loss-eine-
           filmdokumentation-ueber-den-legendaeren-jazz-saxophonisten-charles-lloyd/) von Michaela Schabel
                                           (https://schabel-kultur-blog.de/author/michaela/)

                                                               ©Dorothy Darr

   Über einige Monate hinweg filmte Lloyds Ehefrau, die Malerin und Videokünstlerin Dorothy Darr, ihren Mann
   während der gemeinsamen Isolation in ihrem Haus in Santa Barbara, Kalifornien. Neben musikalischen
   Kindheitserinnerungen wurden Reflexionen über den Kampf Lloyds indigener und schwarzer Vorfahren für
   Freiheit, Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit eingearbeitet und mit Passagen aus musikalischen
   Neukompositionen und Klassikern verwoben, die er auf dem Saxophon, dem Klavier, der Flöte und
   dem Tárogató interpretiert.

   Er selbst beschreibt den Film als seinen persönlichen Weg, als ein „Davonschwimmen“ mit seinen
   Geschichten und seinen Vorfahren.

https://schabel-kultur-blog.de/kino/vorankuendigung-love-longing-loss-eine-filmdokumentation-ueber-den-legendaeren-jazz-saxophonisten-charle…   1/3
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10.5.2021         Vorankündigung – „Love Longing Loss“ – eine Filmdokumentation über den legendären Jazz-Saxophonisten Charles Lloyd – Scha…

   Der Film ist darüber hinaus eine Einladung an alle Zuschauer, sich mit der eigenen Biografie
   auseinanderzusetzen, gleichzeitig eine Meditation über Einsamkeit und Widerstandskraft in den Monaten der
   Pandemie.

   Charles Lloyd, US-amerikanischer Tenorsaxophonist, wurde 1938 in Memphis, Tennessee geboren. Er
   fusionierte in den 1960er Jahren modalen Jazz mit Rockrhythmen. Mit einer Mischung aus Jazz, Rock, Blues
   und Folk Music eroberte als erster Jazzmusiker in Amerika und Europa das junge Rock-Publikum.

   „Love Longing Loss“ ist vom 11. Mai bis 11. Juni über die Webseite des Pierre Boulez Saals verfügbar.

             FILM ÜBER CHARLES LLOYD PRÄSENTIERT VON WWW. SCHABEL-KULTUR-BLOG .DE (HT TPS: //SCHABEL-
            KULTUR-BLOG .DE/ TAG/FILM-UEBER- CHARLES -LLOYD -PRAESENTIERT-VON-WWW-SCHABEL-KU LTUR-BLOG-
                                                         DE/ )
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10.5.2021                              Grüße aus der Ferne - Goethe-Institut Dänemark

                                                                                Foto: Goethe-Institut Dänemark/ Ole Blegvad

   Grüße aus der Ferne
   OLE BÆKHØJ
   Warum man um einen Besuch auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof in Berlin nicht
   herumkommt, erzählt uns Ole Bækhøj in der neuesten Folge von Grüße aus der Ferne.
   Ole Bækhøj ist Leiter des renommierten Pierre Boulez Saal in Berlin. Als Däne in Deutschland
   schätzt er ganz besonders, dass es für die Deutschen seiner Meinung nach nicht so wahnsinnig
   sei, "deutsch" zu sein.
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Quelle:        General-Anzeiger, Bonn, Hardtberg, Beul, Bad Godesberg (G 3201) vom 08.05.2021, S.12 (Tageszeitung / täglich ausser Sonntag,
               Bonn)
Auch in:       5 weiteren Quellen »
Auflage:       12.097                          Reichweite:     26.009                           Autor:         Bernhard Hartmann

           Interview Malte Boecker
           "Die Kultur ist im Mark getroffen"
           Der Geschäftsführer der Jubiläumsgesellschaft über die Folgen der Corona-Krise für das
           Beethovenjahr

           D asrauschenden
                  Jahr 2020 sollte zu einem
                           Fest zum 250. Ge-
                                                               Eigenprojekte der Beethoven Jubilä-
                                                               ums GmbH haben wir immerhin 17
                                                                                                                      erstehungsthema einen klangvollen
                                                                                                                      Schlusspunkt für die Jubiläumsfeier-
           burtstag des im Dezember 1770 in                    realisiert, sind drei noch in Planung                  lichkeiten setzen. Zudem deutet viel
           Bonn geborenen Komponisten Lud-                     und nur vier definitiv abgesagt wor-                   darauf hin, dass es im Mix von Imp-
           wig van Beethoven werden. Doch we-                  den. Klar, vieles ist anders verlaufen                 fungen, Testungen und Hygienemaß-
           gen der Corona-Krise konnten viele                  als geplant, hat sich ganz im Sinne                    nahmen bald auch wieder möglich
           Veranstaltungen nicht wie geplant                   Beethovens neu erfinden müssen.                        sein wird, Orchesterkonzerte mit Pub-
           stattfinden. Um den größten Teil der                Aber der Rückenwind des Jubiläums                      likum zu veranstalten.
           Vorhaben zu retten, wurde das Jubilä-               hat trotzdem zu einer enormen Medi-                       Die Jubiläumsgesellschaft hatte
           umsjahr frühzeitig bis Ende Septem-                 enresonanz geführt.                                    mit Unterstützung der Bundes- und
           ber 2021 verlängert. Doch die Corona-                  Wie sieht es mit den kommenden                      Landesregierung, des Rhein-Sieg-
           Krise hält nach wie vor an. Der künst-              Konzerten aus? Auf der BTHVN2020-                      Kreises und der Stadt Bonn Projekt-
           lerische Geschäftsführer der Jub-                   Homepage sind ja für die nächsten                      fördermittel in Höhe von insgesamt
           läumsgesellschaft, Malte Boecker, gibt              Wochen noch zahlreiche Veranstal-                      24,6 Millionen Euro für das Jubilä-
           im Interview Auskunft über ein                      tungen im Angebot. Sind die alle ge-                   umsjahr allein in Nordrhein-Westfa-
           schwieriges Jahr. Die Fragen stellte                fährdet?                                               len bereitgestellt. Wird angesichts der
           Bernhard Hartmann.                                     Boecker: Prognosen sind ja be-                      vielen abgesagten Opernvorstellun-
              Das Beethovenjahr 2020 wurde                     kanntlich schwierig, insbesondere                      gen, Konzerte, zweier Beethovenfeste
           kurz nach dem ersten Lockdown im                    wenn sie die Zukunft betreffen. Ich                    am Ende nicht sehr viel übrigbleiben?
           März vergangenen Jahres bis zum                     habe mir ehrlicherweise in den letzten                 Wie viel wird das ungefähr sein, und
           September 2021 verlängert. War die                  Monaten Voraussagen abgewöhnt.                         was geschieht mit den bis September
           Entscheidung zu optimistisch?                       Auf jeden Fall sind keineswegs alle ge-                nicht abgerufenen Mitteln?
              Malte Boecker: Die Entscheidung                  fährdet, wie die aktuell laufenden För-                   Boecker: Der Beethoven Jubiläums
           des Aufsichtsrates war richtig. Er                  derprojekte etwa im Popmuseum Gro-                     GmbH sind die Mittel mit einer ganz
           wollte damit so viel wie möglich von                nau, Haus der Geschichte oder Kunst-                   bestimmten Zweckbindung anvertraut
           der kreativen Energie, die in die Jubi-             museum Bonn zeigen. Auch wird die                      worden. Was mit etwaigen Restmit-
           läumsplanungen geflossen ist, zur                   Beethoven Jubiläums GmbH noch                          teln geschieht, müssen die Zuwen-
           Entfaltung bringen. Diese Entschei-                 selbst Projekte veranstalten: Etwa ei-                 dungsgeber entscheiden. Dies liegt
           dung betraf dabei nicht nur die Ver-                ne Uraufführung von Helmut Oehring                     nicht in der Verantwortung der Ge-
           längerung des Förderzeitraums, son-                 für die taubstumme Performance-                        sellschaft.
           dern auch die Flexibilisierung, Projek-             künstlerin Kassandra Wedel, die nun                    Haben Sie Künstlern und Veranstal-
           te an die neuen Herausforderungen                   nicht live in der Bundeskunsthalle,                    tern Ausfallhonorare zahlen können?
           anzupassen.      Zusammengenommen                   sondern als Filmkunstwerk realisiert                      Boecker: Hier kommt es auf den
           hat dies vielen Partnern in einer wirk-             wird. Gemeinsam mit dem WDR pla-                       Einzelfall an. Aber sowohl in Eigen-
           lich schwierigen Zeit frühzeitig eine               nen wir auch ganz konkret das Eröff-                   projekten als auch in Förderprojekten
           neue Planungssicherheit eröffnet.                   nungskonzert im Arkadenhof der Uni                     sind Ausfallhonorare auf Basis der für
              Haben Sie eine Übersicht, wie viele              Bonn für einen von Arte initiierten                    uns geltenden Bundesregelungen als
           der geplanten Projekte und Veranstal-               Symphonien-Zyklus am 6. Juni: "Mit                     zuwendungsfähig anerkannt und aus-
           tungen, die auf eine Unterstützung                  Beethoven durch Europa: 9 Sympho-                      gezahlt worden.
           der Jubiläumsgesellschaft hoffen                    nien, 9 Städte".                                          Die großen Open-Air-Konzerte auf
           durften, abgesagt werden mussten?                      Wie zuversichtlich sind Sie, dass                   der Bonner Hofgartenwiese mit Kraft-
              Boecker: Die Zwischenbilanz des                  das mit Mitteln der Jubiläumsgesell-                   werk, den Fantastischen Vier und
           Jubiläumsjahres fällt aufgrund unse-                schaft geförderte Beethovenfest im                     Robbie Williams sollten ursprünglich
           rer Entscheidung sehr viel positiver                kommenden August stattfinden kann?                     von der Jubiläumsgesellschaft unter-
           aus, als man vielleicht annimmt: Von                Glauben Sie, dass dann schon Orches-                   stützt werden. Nun sind sie erneut
           den circa 200 über BTHVN2020 ge-                    terkonzerte möglich sind? Immerhin                     verschoben worden. Ist die Jubilä-
           förderten Projekten sind erst 22 defi-              sind große Klangkörper wie die Wie-                    umsgesellschaft damit als Förderer
           nitiv abgesagt und immerhin schon                   ner Philharmoniker angekündigt.                        komplett raus?
           68 realisiert worden. Um die 110 sind                  Boecker: Ich bin nicht nur zuver-                      Boecker: Die angedachte Koopera-
           noch in der Planung. Wir bekommen                   sichtlich, sondern weiß auch, dass das                 tion mit der ELH Promotion GmbH
           mit, dass die Projektträger alles versu-            Beethovenfest in diesem Jahr auf alle                  zu den genannten Konzerten war von
           chen, um ihre Ziele noch zu erreichen.              Eventualitäten vorbereitet ist. Frau                   Anfang an rein inhaltlicher Natur, oh-
           Mit Blick auf die 24 angekündigten                  Wagner wird mit Gustav Mahlers Auf-                    ne eine finanzielle Förderung. Inso-

                                                                                                                                                                3
fern ändert sich durch die Verschie-       der Deutschen Orchestervereinigung             Boecker: Wie gesagt, der Schluss-
bung nach 2022 erst einmal nichts.         beklagen die "kollektive politische Ig-     punkt, voraussichtlich mit der Missa
Die Beethoven Jubiläums GmbH               noranz", die der Kultur entgegenge-         im Kölner Dom, ist beim Beethoven-
bleibt ideeller Partner für diese sym-     bracht wird. Stimmen Sie zu?                fest in guter Hand. Darüber hinaus
bolischen Vorhaben. Wir hoffen sehr,          Boecker: Nein, bitte nicht alle Poli-    steht es allen frei, das Jubiläum so en-
dass sie zustande kommen.                  tiker über einen Kamm scheren. Aber         den zu lassen, wie es begonnen hat:
   Das neue Bundesinfektionsschutz-        auch ich erliege spätestens seit dem        mit Hauskonzerten voller Herzblut
gesetz stößt in der Kulturszene auf        Lockdown "Light" im November kei-           für das Geschenk dieser Musik.
viel Kritik. Der Vorsitzende des Deut-     ner Illusion mehr, was von Sonntags-        Ist Bonn bereit für das nächste Beet-
schen Kulturrats Olaf Zimmermann           reden zur Kultur in Krisenzeiten übrig      hovenjahr 2027?
kritisiert, dass Kultur bei einer Inzi-    bleibt. Kultur als Erste zu schließen          Boecker:       Wir      haben     mit
denz von 100 praktisch nicht mehr          und als Letzte zu öffnen ist ihrem          BTHVN2020 gezeigt, welches Poten-
stattfinden kann. Stimmen Sie der          Wert als Grundlage unserer Demokra-         zial Beethoven für Bonn bietet. Die
Kritik zu?                                 tie und Kraftquelle in der Krise nicht      erste Besucherwelle in Bonn bis März
   Boecker: Die Kultur ist definitiv im    angemessen. Die Gleichstellung mit          2020 übertraf alle Erwartungen. Die
Mark getroffen. Für die Kulturinstitu-     verzichtbaren Freizeitaktivitäten war       Stadt braucht die Welle nur noch zu
tionen sind verlässliche Planungs-         für mich ernüchternd. Ich unterstütze       reiten. Die 200. Jahrestage der Urauf-
grundlagen entscheidend. Der inzi-         deshalb die Kampagne "Kultur ins            führung der 9. Sinfonie 2024 und von
denzbasierte Stand-by-Betrieb, mit         Grundgesetz". Kultur braucht unbe-          Beethovens Todestag 2027 bieten da-
ständigem On-Off je nach Index, bie-       dingt eine stärkere Lobby.                  für wunderbare Gelegenheiten.
tet noch nicht die Öffnungsperspekti-         Wie kann man das verlängerte
ve, die wir uns wünschen.                  Beethovenjahr noch festlich zu Ende
   Zahlreiche Künstler, aber auch          bringen?
Funktionäre wie der Geschäftsführer

  Die Jubiläumsgesellschaft koordi-         Sie ist zuständig für die Weitergabe        und in der Nähe von Düsseldorf auf-
  niert das Festjahr                        der Projektmittel, die von der öffentli-    gewachsene Volljurist und Kulturma-
  Die Beethoven Jubiläums GmbH              chen Hand bereitgestellt wurden. ht         nager unter anderem für die Bertels-
  gründete sich am 1. Juli 2016 als         Malte Boecker, Jahrgang 1970, ist Di-       mann-Stiftung und die Intendanz von
  Tochtergesellschaft der Stiftung Beet-    rektor des Beethoven-Hauses Bonn            "Weimar 1999 – Kulturstadt Europas"
  hoven-Haus. Träger sind Bund, das         sowie zusätzlich in leitender Position      tätig. In diesem Zusammenhang leit-
  Land NRW, die Stadt Bonn und der          bei der BTHVN2020-Beethoven Jubi-           ete er die Gründung des von Daniel
  Rhein-Sieg-Kreis. Die Gesellschaft        läums gGmbH, zuerst als Vorsitzen-          Barenboim und Edward Said initiier-
  hat den Auftrag, das Beethoven-Jubi-      der des Aufsichtsrates, seit Juli 2019      ten West-östlichen Divan Orchesters
  läumsjahr zu gestalten, zu fördern, zu    als künstlerischer Geschäftsführer.         mit arabischen und israelischen Musi-
  koordinieren und zu verantworten.         Zuvor war der in New York geborene          kern. ht

Alle weiteren Quellen: ga.de (General-Anzeiger Bonn) • General-Anzeiger - Bonner Stadtanzeiger
Königswinter • General-Anzeiger - Rhein-Ahr-Zeitung • General-Anzeiger - Rhein-Sieg-Zeitung Rhein & Sieg
• General-Anzeiger - Rhein-Sieg-Zeitung Voreifel
zum Anfang dieses Artikels                                                         zum Inhaltsverzeichnis

                                                                                                                                  4
22 FEUILLETON                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    DIE WELT        MONTAG, 10. MAI 2021

Der neue Leviathan
Warum unsere freiheitliche demokratische

D
Grundordnung auf der Kippe steht

         ie Freiheit des einen, sein Leben      ma und Terror stehen beispielhaft für ei-
         so zu gestalten, wie er will, hört     nen Gesinnungswandel, dem jede Freiheit
         bekanntlich dort auf, wo sie die       suspekt ist. Die freie Entfaltung der Per-
Freiheit anderer bedroht. Wo genau die          sönlichkeit scheint kaum mehr ein
Grenzen individueller Freiheit liegen, ist      Grundrecht, vielmehr ein Bedrohungssze-
nicht für immer in Stein gemeißelt. Es          nario zu sein, das nur Terroristen, Klima-
hängt von Sitten, Gebräuchen und Wert-          sünder, Virenschleudern kennt, denen das
vorstellungen ab, die in einer Gesellschaft     Handwerk gelegt werden muss. Um das
zu einer bestimmten Zeit dominieren.            zu tun und dafür zu sorgen, dass der freie,
                                                allzu freie Mensch seiner Verantwortung
  VON MICHAEL ESFELD UND PHILIP KOVCE           für das einzig Wahre, Schöne und Gute
                                                gerecht wird, treten mediale Moralapos-
   Die Grenzen individueller Freiheit           tel, akademische Besserwisser und politi-
zieht in erster Linie der Staat: Er ist be-     sche Sittenwächter auf den Plan. Sie mei-
fugt, sie mittels Gesetzen zu definieren –      nen, uns anleiten und überwachen zu
und sein Gewaltmonopol gebietet ihm,            müssen, damit wir von der Freiheit kor-
diesen Grenzschutz auch zwangsweise zu          rekt Gebrauch machen.
gewährleisten. Zieht der Staat die Gren-           Um nicht missverstanden zu werden:
zen individueller Freiheit zu weit, besteht     Terrorismus, Klimawandel und Corona-
die Gefahr, dass einige wenige der Freiheit     Pandemie sind zweifellos große Hypothe-
aller anderen ungestraft zuwiderhandeln;        ken; aber man bedient sie gerade nicht am
zieht der Staat die Grenzen zu eng, bleibt      besten, indem man aufgrund von Terror-,
von der Freiheit der Einzelnen, ihr Leben       Klima- oder Corona-Angst bürgerliche
in die Hand zu nehmen, nicht viel übrig.        Freiheiten staatlicher Zwangsbeglückung
   Wer in Corona-Zeiten hierzulande sein        opfert. In Beispielen gesprochen: Wenn
Leben selbst in die Hand nehmen will, der       der große Bruder nach Lust und Laune
merkt sehr schnell, was von individueller       Telefonate abhören, Briefe öffnen, Konten
Freiheit offensichtlich gehalten wird:          prüfen und Krankenakten einsehen darf;
nicht mehr viel. Da man, so der pandemi-        wenn er unablässig biometrische Daten
sche Generalverdacht, mit nahezu jeder          sammelt und speichert, ist zwar noch kein
alltäglichen Handlung jemanden anste-           Anschlag verhindert, aber schon viel Frei-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            SEMPEROPDER DRESEDEN/LUDWIG OLAH
cken könnte, fühlt sich der vormund-            heit vereitelt. Während die Sicherheit des
schaftliche Staat bemüßigt, das Verhalten       gläsernen Bürgers Illusion ist, ist die Aus-
mündiger Bürger zu kontrollieren. Er ver-       höhlung seiner Freiheit Realität.
fügt, ob Väter bei der Geburt ihrer Kinder         Außerdem unterminiert den Natur-

                                                                                               E
und Verwandte beim Sterben ihrer Ange-          schutz, wer im Kampf gegen den Klima-
hörigen dabei sein, ob Familien zusam-          wandel Biokraftstoffe subventioniert, die
menkommen und Freunde sich treffen              Monokulturen verschlingen, und Elektro-
dürfen. Die Freiheit der Einzelnen wird         mobilität fördert, für die seltene Erden
dabei nicht zum Wohl aller begrenzt, son-       geschürft und fossile Energieträger ver-
dern zulasten aller im Keim erstickt. Ein       brannt werden. Wird obendrein einer al-          Oper in der Oper: In der Dresdner Neuinszenierung von „Capriccio“ vermischen sich die Welten Rokoko, Drittes Reich und DDR
Grund, warum Freiheitsrechte inzwi-             lein selig machenden Digitalisierung das
schen derart verramscht werden, liegt da-       Wort geredet, prädestiniert deren Ener-
rin, dass akademische Marktschreier de-         giebedarf die analoge Welt zum globalen                    igentlich hätte dieses Mu-                                                                 Drehbühnenschwingen seiner Rotunde                                                 kenworten: „Frau Gräfin, das Souper          Christa Mayer) her und bekommt sie
ren Ausverkauf anpreisen: Der Mensch sei        Atommüll-Endlager. Wer in Sachen Coro-                     siktheaterereignis      schon                                                              wie ein Schneckenhaus. Herzog lässt                                                ist serviert.“ Schließlich geht diese, in-   auch. Das italienische, Commedia-
dem Menschen ein Virus, weshalb alle „Vi-       na schließlich meint, allen sei geholfen,                  vor 17 Jahren stattfinden                                                                  darin die Zeitebenen verschwimmen.                                                 zwischen festlich barockreifrockge-          dell’arte-gewandete und gespreizte
ren“ zum Schutz voreinander von Staats          wenn Kinder aus den Schulen ausge-                         sollen. 2004 nämlich wollte                                                                Er präsentiert zunächst bei geschlosse-                                            wandet, ab nach hinten – ins Dunkel          Sängerpaar Tuuli Takala und Beomiijn
wegen isoliert werden sollten. Virusfrei        sperrt, Erwachsene ins Home-Office ver-                    der          strahlendstarke                                                               ner Betonmauerrunde an der Rampe                                                   der Hinterbühne.                             Kim hat eine gute Vokal- wie Essens-
first, Grundrechte second. Wer im Zuge          bannt und Alte in den Heimen eingesperrt       Strauss-Solipsist Christian Thiele-                                                                    eine Art DDR in ihren letzten Zügen.                                                  Dann aber bleiben auch die wenigen        zeit. Und der zart schusselige Wolfgang
dieser Virokratie nicht mehr Diktatur wa-       werden, übersieht nicht nur die fatalen        mann erstmals dessen letzte Oper „Ca-                                                                     Drei Rentner sitzen auf einer Plaste-                                           Zuschauer im Dunkel der Bedeutung            Ablinger-Sperrhacke als von allen ver-
gen will, dem wird vorgehalten, den Ernst       Kollateralschäden dieses ungesunden Ge-        priccio“ in Paris dirigieren. Er sagte die                                                             bank, debattieren ernsthaft über den                                               zurück. Denn im Mittelteil haben sich        gessener Souffleur Taupe genießt sei-
der Lage zu verkennen.                          sundheitsschutzes; er erklärt auch ele-        glamourös besetzte Premiere freilich                                                                   Vorrang von Wort oder Musik in der                                                 die Wände zum Salon geöffnet, wo spä-        nen mystisch flüsternden Soloabgang.
   Stutzig macht, dass in früheren Pande-       mentare Freiheitsrechte mit einem Feder-       zwei Tage vor Probenbeginn ab.                                                                         Oper und sprayen ihre Parolen an die                                               ter nebenan die Schokolade eingenom-            Die politischen Dimensionen des an-
mien ähnlicher Größenordnung liberale           strich zu schöngeistigen Papiertigern.                                                                                                                Wand. Es sind, mit weißem Haar und                                                 men werden wird, und es gibt wieder          scheinend gerade für jüngere Regisseu-
Demokratien       von     mittelalterlichen     Kurzum: Wann immer der Leviathan an-                       VON MANUEL BRUG                                                                            am Stock, die beiden großartig kulti-                                              zwei Zeit- und Evidenzschichten. Da          re wieder interessanten „Capriccio“,
Zwangsmaßnahmen, wie sie derzeit an             bietet, bürgerliche Freiheiten gegen eta-                                                                                                             vierten, dabei in die Gräfin wie das ihr                                           haben wir 1942, Reichskanzleieinrich-        die schöpft Herzog in Dresden, dem
der Tagesordnung sind, nichts wissen            tistische Weltverbesserung einzutau-              Zehn Jahre später, zum 150. Geburts-                                                                                                                                                                                                deutschen Nostalgie-Nirwana, aller-
wollten. Während der Asiatischen Grippe         schen, sollten wir auf der Hut sein. Weil      tag des Adoptionsdresdners Strauss,                                                                                                                                                                                                    dings nicht wirklich aus. Da waren Ro-
Mitte der 1950er oder der Hongkong-             dieser Teufelspakt nicht nur individuelle      langte es für Thielemann gerade einmal                                                                                                                                                                                                 bert Carsen in Paris oder Brigitte Fass-

                                                                                                                                                                                                                        Wahn, Wahn,
Grippe Ende der 1960er-Jahre galt als un-       Freiheit kassiert, sondern auch persönli-      für zwei Repertoirevorstellungen an                                                                                                                                                                                                    baender in Frankfurt durchaus weiter.
vernünftig und unverantwortlich, wer so-        che Verantwortung konterkariert, staatli-      der Semperoper mit Renée Fleming als                                                                                                                                                                                                   Oder virtuos anders, in einer Spiegel-
genannte „nicht-pharmazeutische Inter-          cher Willkür Tür und Tor öffnet.               Werkdebüt. Nicht ohne Ironie also,                                                                                                                                                                                                     und Doppelgängerirrwelt des Salons
ventionen“ wie Lockdowns forderte.                 Was tun? Mit Angela Merkel gespro-          dass er ausgerechnet jetzt – nachdem                                                                                                                                                                                                   sich verlierend: Christof Loy in Madrid

                                                                                                                                                                                                                        überall
   Es war damals ebenso wissenschaftli-         chen: „Mehr Freiheit wagen!“ Genau das         er an seinem Stammhaus in Corona-                                                                                                                                                                                                      (die Koproduktion wird an Pfingsten
cher wie politischer Konsens, die Pande-        forderte die Bundeskanzlerin in ihrer ers-     Abstandzeiten ausgebremst wurde,                                                                                                                                                                                                       von der Züricher Oper gestreamt, wo
mien rein medizinisch zu bekämpfen. Das         ten Regierungserklärung 2005. Nach 16          großes Repertoire, ja überhaupt Oper                                                                                                                                                                                                   sich nicht gespielt werden kann). Hier
wirtschaftliche, gesellschaftliche und so-      Jahren Merkel ist das Pathos dieser For-       zu dirigieren – nun doch noch zu seiner                                                                                                                                                                                                bleibt dieser so seltsame Schwanenge-

                                                                                                                                                                                                                        Opernwahn
ziale Leben wurde aufrechterhalten.             mel längst verflogen. Übriggeblieben ist       spielplantermingerecht für den 8. Mai                                                                                                                                                                                                  sang des alten Olympiers Richard
Wenn sich die epidemiologischen Zahlen,         davon de facto das Gegenteil: weniger          positionierten ersten „Capriccio“-Pre-                                                                                                                                                                                                 Strauss schwelgerische Konvention.
Daten und Fakten ähneln, die politischen        Freiheit lassen. Die Alternativlosigkeit er-   miere kam.                                                                                                                                                                                                                                Aber was tut’s? Wir haben noch die
Reaktionen jedoch unterschiedlicher             lebt in der Corona-Pandemie ihren tragi-          In der nun hoffentlich abklingenden                                                                                                                                                                                                 von der vollständig angetretenen Wun-
kaum sein könnten, dann verweist das auf        schen Höhepunkt. Mit Merkel an der Spit-       Pandemie und einem sich abzeichnen-                                                                                                                                                                                                    derharfe Staatskapelle gar köstlich irri-

                                                                                                                                                                                                                        Christian Thielemann dirigiert in Dresden
einen Mentalitätswandel, der offene Ge-         ze, regiert der akademisch-administrative      den Ende des Lockdowns dirigiert                                                                                                                                                                                                       sierend zelebrierte Partitur. Die Chris-
sellschaften im Kern bedroht. Die Freiheit      Komplex gnadenlos durch – legitimiert          Christian Thielemann ausgerechnet                                                                                                                                                                                                      tian Thielemann auf noble Art gestrig

                                                                                                                                                                                                                        zum ersten Mal „Capriccio“ – und lässt
gleicher Bürger erscheint immer weniger         durch fragwürdige 15-Kilometer-Verord-         dieses     merkwürdig      eskapistische                                                                                                                                                                                               auffächert. Er verbreitet Wohlfühl-Vin-

                                                                                                                                                                                                                        Richard Strauss‘ letzte Oper glänzen.
als Ziel; immer mehr wird sie als ein Holz-     nungen,       Nacht-und-Nebel-Infektions-      Stück. 1942 wird darin in alleredelsten                                                                                                                                                                                                tage, selige Klangbäder, aus der Zeit ge-
weg gebrandmarkt, der die Einzelnen an-         schutzgesetze sowie die normative Kraft        Sahneharmonien in einem imaginären                                                                                                                                                                                                     fallene Opernwonnen. Er tut das aber

                                                                                                                                                                                                                        Ein Erlebnis zwischen Seinsvergessenheit
geblich überfordert. Anders gesagt: Frei-       des Leopoldina-Pseudofaktischen.               Paris der Gluck-Zeit unter Adeligen                                                                                                                                                                                                    auch, im leeren Haus kann das durch-
heit ist keine Verheißung mehr, sondern            Wie könnte gegenüber dieser organi-         über Operninterna disputiert. Die                                                                                                                                                                                                      aus laut werden, mit plötzlich empor-

                                                                                                                                                                                                                        und Angriffsübermut
vor allem ein Synonym für „asozial“.            sierten Freiheitsberaubung ein pandemi-        Oper nahm sich zum Selbstzweck,                                                                                                                                                                                                        schnellender, lustvoller Aggressivität.
   Die grassierende Furcht vor der Frei-        sches Wagnis der Freiheit aussehen? Ganz       während Deutschland langsam begann,                                                                                                                                                                                                    Seinsvergessenheit mutiert zu An-
heit lässt sich anhand dreier Beispiele         einfach: Der Staat hätte sich darauf zu be-    in Trümmern zu versinken.                                                                                                                                                                                                              griffsübermut. Und die sich aufplus-
treffend illustrieren. Seit Jahrzehnten         schränken, den Schutz von Risikogruppen           Und jetzt saßen bei der ersten kom-                                                                                                                                                                                                 ternde, gleißende, prunkende, zitatver-
scheint es opportun, im Krieg gegen Ter-        zu ermöglichen und den Schutz von              pletten Premiere der Semperoper seit                                                                                                                                                                                                   liebte, gelehrtheitspompöse Musik, sie
ror Bürgerrechte systematisch zu schlei-        Grundrechten zu gewährleisten. Dafür           über einem Jahr zur Aufzeichnung für                                                                   gewidmete Opernprojekt verliebten                                                  tungsstil, dunkle Täfelung, Intarsien-       wird immer wieder durchscheinend,
fen. Wer nichts zu verbergen habe, habe         könnte er nicht nur Masken, Impfstoffe         ein Streaming am Pfingstsamstag nur                                                                    Streithansel: der Komponist Flamand                                                parkett. Auf der Drehscheibe kreiseln        warm, menschlich.
auch nichts zu befürchten, heißt es . Mit       und Schnelltests bereitstellen helfen; er      eine Handvoll Journalisten im immer                                                                    (trompetentenorklar: Daniel Behle)                                                 die entsprechenden Sitzmöbel, Alko-             Da gibt es also Stahl und Beton unter
dieser rhetorischen Beruhigungspille ver-       könnte auch jedem Bürger, wenn und so-         noch für das Publikum gesperrten Zu-                                                                   und der Dichter Olivier (baritonsanft                                              holika, aber auch ein Cembalo. Ein ge-       dem Klangstuck und den Pailletten der
sucht die Big-Brother-Lobby zu kaschie-         lange eine „epidemische Lage von natio-        schauerraum. Mehr sich selbst bespie-                                                                  verschattet: Nikolay Borchev). Und der                                             schützter und gleichzeitig gefährdeter       Instrumentierung, geschärfte Sinnhaf-
ren, dass sie längst dabei ist, freiheitliche   naler Tragweite“ festgestellt wird, die        gelnde splendid isolation geht wohl                                                                    sarkastisch lachende, später in seiner                                             Innenraum. Denn auch seine Schalen-          tigkeit, brodelnde, fundamentlose Mo-
Rechtsstaaten zu orwellschen Überwa-            rechtlichen und finanziellen Möglichkei-       kaum. Aber irgendwie war es dann                                                                       großen Brandrede auf das Theater und                                               wände offenbaren außen Brandmauern           derne, exhibitionistisch geile Triebhaf-
chungsstaaten umzubauen. Normalbür-             ten einräumen, freiwillig einen individuel-    doch gerade in seiner Aberwitzigkeit                                                                   seine Weltbedeutung zu blendender,                                                 mit Einschusslöchern, die weiße              tigkeit. Keine eskapistische Audio-
ger werden vorrangig als Beobachtungs-          len Lockdown anzutreten (um andere zu          toll.                                                                                                  stets schlanker Bassurgewaltform auf-                                              Kreideinschrift „LSR“ verweist auf den       Wellness also im Orchestergraben bei
objekte wahrgenommen.                           pflegen oder sich selbst zu schützen).            Draußen hatte die nach wie vor Co-                                                                  laufende Georg Zeppenfeld als Thea-                                                hoffentlich nahen Luftschutzraum.            diesem Dresdner „Capriccio“, das für
   Außerdem wird in jüngster Zeit immer            Eine solche pandemische Philosophie         vid-19-leergefegte Kulissenstadt Dres-                                                                 terdirektor La Roche (wie schon 2014).                                                Sind das da auf der Bühne, jetzt ver-     eine DVD aufgezeichnet wurde und zu-
wieder lautstark gefordert, individuelle        der Freiheit wäre zugleich Blaupause für       den ein blitzeblank sonniges Früh-                                                                        Hinter einem vorhangverzierten                                                  jüngt, mit Koffer und Rucksack, Täter        nächst am Pfingstsamstag auf der Sem-
Freiheit insofern zu eliminieren, als sie       einen Ausnahmezustand, der nicht als           lingskleid angelegt. Da störte auch das                                                                Fenster sitzt zudem vor einer Repro-                                               samt ihrer Theaterutensilien – oder          peroper-Webseite gestreamt werden
nicht klimaneutral sein könnte. Aus dem         Quasi-Diktatur, sondern als Quasi-Anar-        versprengte Häuflein einer AfD-Kund-                                                                   duktion von Raphaels „Sixtinischer                                                 Opfer, die bald flüchten werden? Oder        wird.
Zusammenhang zwischen dem Kohlendi-             chie auf Zeit begriffen wird. Freilich         gebung am Altmarkt kaum. Derglei-                                                                      Madonna“ eine alte Frau beim Fernse-                                               einfach nur Figuranten im doppeldeu-            Und wie geht es mit Christian Thie-
oxid-Ausstoß der Industrialisierung und         scheint derzeit nichts utopischer als das.     chen ist ja auch schon irgendwie Folk-                                                                 hen, es ist die greise Gräfin Madelaine.                                           tigen Spiel, dass auch noch eine baro-       lemann weiter? In Bayreuth ist sein
der globalen Erwärmung wird als elftes          Die Corona-Pandemie hat das totalitäre         lore hier. In Basel hat gerade der                                                                     Oder ist es vielleicht doch die Opern-                                             cke Ebene einzieht, mit einem Wat-           Vertrag bis jetzt nicht verlängert. 2021
Gebot abgeleitet: Du sollst nicht Klima-        Bereitschaftspotenzial vieler Sonntagsde-      Spielplanzufall zum Postpandemie-                                                                      sängerin, die 1944, bei der Dresdner                                               teau-Rückprospekt, das ebenfalls nur         wird er dort nur ein Konzert dirigieren,
sündigen! Ist der Mensch als Parasit des        mokraten in ein postdemokratisches Akti-       neuanfang vor 50 erlaubten Zuschau-                                                                    „Capriccio“-Erstaufführung in der                                                  Theaterkulisse ist? Vor der eine Ballett-    2022 einzig den „Lohengrin“, 2023 wo-
Planeten und Thermostat des Weltklimas          onspotenzial transformiert. Die freiheitli-    ern „Intermezzo“, das andere Strauss-                                                                  letzten wunderfeinen Strauss-Sopran-                                               truppe einen Art Kampf zwischen einer        möglich gar nichts. Man verhandelt
markiert, obliegt es Vater Staat, seine ver-    che demokratische Grundordnung steht           Privatissimum in Opernform, hoch-                                                                      hauptrolle auf der Bühne stand?                                                    modernen Ausdruckstänzerin und ei-           noch. Sein vorletzten Osterfestspiele
meintlich infantilen Untertanen so zu           auf der Kippe. Wer will, dass die Grenzen      ploppen lassen. Ausgerechnet. Und in                                                                      Jetzt startet freilich die vierte lokale                                        nem hinternwackelnden, federnwip-            in Salzburg sind auf Allerheiligen ge-
peitschen, dass Mutter Erde keinen Kli-         individueller Freiheit in der „neuen Nor-      Dresden also die andere hochartifi-                                                                    Neuinszenierung im Strauss-Gralstem-                                               penden Revuekollektiv ausficht?              schoben, dort will er künftig jeden Fes-
maschaden nimmt. Nicht zuletzt gilt als         malität“ nicht noch enger gezogen wer-         zielle Kunstübung aus Richards                                                                         pel. Und am Ende begegnet die famose                                                  Wie auch immer: Jens-Daniel Her-          tivalsommer einmal bei den Wiener
Gebot der Stunde, die Freiheit des homo         den, muss pandemischen Versuchungen            Straussens Werkstatt.                                                                                  Camilla Nylund, die eben mit feinem                                                zog bleibt jedenfalls personenfüh-           Philharmonikern präsent sein.
virologicus, dieser wandelnden, potenziell      der Unfreiheit widerstehen.                       Der nur leider der Regisseur Jens Da-                                                               Silberpeng und schimmernden, durch-                                                rungskönnerisch im Deutungsungefäh-             Eben hat er sein erstes Orchesterde-
tödlichen Biowaffe, präventiv zu be-                                                           niel Herzog nicht so wirklich gerecht                                                                  aus einmal auch voluminösen Legatoli-                                              ren. Er bewegt virtuos sein Ensemble,        büt seit 18 (!) Jahren gegeben – beim
schneiden. Obwohl Sars-CoV-2 inklusive          T Michael Esfeld ist Professor für Wis-        wird. Obwohl er die besten Absichten                                                                   nien und sehr guter Diktion diese Grä-                                             die pausenlose Zeit vergeht schnell.         Symphonieorchester des Bayerischen
Mutanten nur für eine relativ kleine Per-       senschaftsphilosophie an der Univer-           hat. Mathis Neidhardts ästhetisch fei-                                                                 fin Madelaine durchmessen hat, ihrem                                               Klar ist immerhin: Der Bruder der Grä-       Rundfunks. Natürlich mit Robert Schu-
sonengruppe besonders riskant ist, soll         sität Lausanne und Mitglied der Leo-           nes, auch den fast zweieinhalbstündi-                                                                  Alter Ego als Seniorin. So spiegelt sich                                           fin (immer sympathischer Baritonkava-        mann und – mit Richard Strauss. Den
möglichst alles verboten werden, was der        poldina. Philip Kovce, Ökonom und              gen Einakter klug wie abwechslungs-                                                                    Welt und Opernsinn. Die hochtrabend                                                lier: Christoph Pohl) ist ganz rasend        kann er, dieses in Schönheit schmer-
Ausbreitung dieses „Killervirus“ irgend-        Philosoph, ist Mitglied im Thinktank 30        reich gliederndes Bühnenbild öffnet                                                                    bedeutungsvolle Opern-Causerie en-                                                 hinter der Schauspielerin Clairon            zende „Capriccio“ hat es einmal mehr
wie Vorschub leisten könnte. Corona, Kli-       des Club of Rome.                              sich in den konkaven wie konvexen                                                                      det mit den bewusst banalen Domesti-                                               (mezzomuttige          Strauss-Walküre:      nachhaltig bewiesen.

                                                                                                                  © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung
10.5.2021                                Berliner Symphoniker streamen Konzert aus dem Flusspferdhaus im Zoo | Inforadio

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So 09.05.2021 | 08:10 | Kultur
Berliner Symphoniker streamen aus dem Flusspferdhaus
Bei den Berliner Symphonikern geht es am Sonntagnachmittag tierisch zu: Bären,
Schwäne, Hummeln - das alles ist bei ihrem Konzertstream "OverTiere" zu hören. Das
Orchester ist dafür an einen besonderen Ort gegangen: ins Flusspferdhaus des Berliner
Zoos. Von Maria Ossowski

Stand vom 09.05.2021

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https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/202105/09/558262.html                                            1/1
10.5.2021                                             https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10

        F.A.Z. - Musik                                                                                             Montag, 10.05.2021

                                         Gut durchtrainierte Jäger
        Vor zweihundert Jahren wurde Carl Maria von Webers Oper „Der
        Freischütz“ uraufgeführt. Laurence Equilbey legt jetzt eine Neuaufnahme
        mit historischen Instrumenten vor, in der man den Wald mit Ohren greifen
        kann.

        Der Freischütz“ sei in Frankreich alles andere als populär, sagt Laurence Equilbey
        schmunzelnd. Doch begleite sie dieses Werk, seit es vor gut vierzig Jahren auf ihrem
        Baccalauréat-Programm stand, dem Pendant zum Abitur. Die Pariser Dirigentin
        empfängt in ihrer Wohnung auf der Sonnenseite des Montmartre mit Blick über die
        ganze Stadt. Die „Freischütz“-Ouvertüre, erzählt die neunundfünfzigjährige Dirigentin,
        habe sie im Konzert häufig gegeben, die ganze Oper seit 2011 immerhin in drei Produk-
        tionen. Ein Mitschnitt der jüngsten ist auf arte.tv zu sehen, der Audiopart liegt jetzt in
        ungleich besserer Klangqualität beim Label Erato vor.

        Das Besondere an dem Unternehmen: Equilbeys Insula Orchestra spielt auf historischen
        Instrumenten. Bruno Weil hatte zwar bereits 2001 Carl Maria von Webers Meisterwerk
        mit einem Originalklangensemble eingespielt, der Cappella Coloniensis des WDR. Doch
        befriedigte diese Aufnahme schon allein tontechnisch nicht. Ungleich ansprechender
        das vorliegende Album. Die Quecksilbrigkeit der Streicher, die Darmsaiten und alte
        Bögen verwenden; das fragile, verschattete Kolorit der im Vergleich zu metallenen
        Böhmflöten vibratoarmen Traversflöten; vor allem der holzige, oft gestopfte Ton der
        Naturhörner („Der Freischütz“ ist schließlich die Wald- und Jägeroper schlechthin) – all
        diese unverfeinerten und doch so raffinierten Klänge sind hier farbig, duftig, fast
        haptisch greifbar eingefangen.

        Lautmalereien wie die Sechzehntel der Bratschen und Celli, die in Agathes Arie das
        Rauschen der Tannenwipfel und das Flüstern des Birkenlaubs heraufbeschwören,
        entfalten unaufdringlich ihre Wirkung. Dank der durchtrainierten Männerstimmen von
        Equilbeys Chor Accentus wirkt der Jägerchor nicht wie ein adipös-schenkelklopfender
        Stammtischgesang, sondern wie die fast beiläufige Demonstration eines Olympiateams
        von Stimmband-Athleten, die zu Gehör bringen, wie lässig und akkurat sie die Hunderte
        von Tonwiederholungen auf die Interjektion „Tralala!“ zu stemmen vermögen – und
        sich dabei noch den Luxus feinjustierter dynamischer Abstufungen leisten.

        Nicht alles ist Gold in diesem „Freischütz“. Die Hauptrollen sind bis auf eine Ausnahme
        sehr zufriedenstellend besetzt, aber Referenzstatus möchte man keiner und keinem der
        betreffenden Sängerinnen und Sänger zuschreiben – nicht nur, weil ihnen der letzte
        Feinschliff in der Aussprache des Deutschen fehlt. Die Inszenierung von Clément
        Debailleul und Raphaël Navarro, auch auf der Bonus-DVD zu sehen, setzt anregend auf
        Abstraktion Grau in Grau, auf Zaubertricks und Waldvideos, vergisst darob aber die
        Personenführung. Noch schwerer zu Buche schlägt, dass auf der prallvollen CD für vier

https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10                                                                              1/3
10.5.2021                                             https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466935/10

        von sechzehn Nummern der Oper kein Platz mehr war. Nicht unbedingt die gehaltvolls-
        ten Passagen der Partitur, aber doch Lücken in der derzeit einzigen ernstzunehmenden
        „historischen“ Alternative zu den „modernen“ Säulen der Diskographie. Equilbey ist sich
        dieses Mankos bewusst. Doch wäre ein Doppelalbum gleich viel teurer gewesen als eine
        einzelne CD, gibt sie zu bedenken. „Die Produktionsbedingungen sind heute, was sie
        sind“, seufzt sie.

        So oder so stellt das Album dem Insula Orchestra und seiner Chefdirigentin einen
        eindrucksvollen Leistungsnachweis aus. Den Klangkörper hat Equilbey 2012 ins Leben
        gerufen, auf Wunsch des im Westen an Paris angrenzenden Départements Hauts-de-
        Seine. Dieses wollte seinem Kinderchor ein Orchester zur Seite stellen, um beide als
        Residenzensembles in der im Entstehen begriffenen Seine musicale unterzubringen,
        einem in Boulogne-Billancourt durch den Pritzker-Preisträger Shigeru Ban erbauten
        Musikkomplex. Den mit Weltklasse-Akustik gesegneten mittleren Saal dort bespielt
        Equilbey rund vierzig Tage im Jahr: halb mit Gästen (ab 2023 ist zweijährlich ein Tref-
        fen von Originalklangorchestern geplant), halb mit dem Insula Orchestra. Clou der
        Saison sind ein oder zwei spektakuläre Inszenierungen klassischer oder romantischer
        Werke, etwa von Haydns „Schöpfung“ oder von Beethovens „Pastorale“ mit der katalani-
        schen Theatergruppe La Fura dels Baus.

        Großen Wert legt Equilbey darauf, Frauen in ihren Konzertprogrammen vorkommen zu
        lassen. Im März etwa wollte sie wieder einmal die erste und dritte Symphonie von
        Louise Farrenc aufführen – Corona führte zur Absage dieser Konzerte. Doch wird die
        Dirigentin die drei Symphonien und zwei Ouvertüren der Zeitgenossin von Berlioz für
        Erato aufnehmen. „Gern würde ich auch Clara Schumanns Klavierkonzert einspielen,
        Fanny Mendelssohns Oratorium und Emilie Mayers umwerfende Symphonien“,
        schwärmt sie. Seit ihr 2012 ein Volontär die ernüchternden Ergebnisse einer Untersu-
        chung zu lesen gab, die er im Rahmen seines Universitätsstudiums über die Vertretung
        von Frauen in der Welt der darstellenden Künste durchgeführt hatte, macht sich Equil-
        bey für Gleichberechtigung stark. „Bis dahin war ich völlig naiv gewesen. Machismo,
        dachte ich, gibt es in der Welt der Wirtschaft oder Politik, nicht in meinem offenen,
        wohlwollenden Milieu!“

        Auch Equilbeys Kammerchor Accentus, der seit seiner Gründung 1991 rund fünfzig
        Werke aus der Taufe gehoben hat, achtet beim Erteilen von Kompositionsaufträgen auf
        Parität. Es ist bemerkenswert, dass eine Dirigentin, die mit ihrem Orchester hauptsäch-
        lich Werke aus der Zeit zwischen 1750 und 1850 aufführt, mit ihrem Chor wie selbstver-
        ständlich auch Arbeiten von Heinz Holliger, Helmut Lachenmann und Wolfgang Rihm
        zum Erklingen bringt – um nur lebende Tonkünstler aus dem deutschen Sprachraum
        anzuführen, zu dem die im Schwarzwald aufgewachsene und später beim Musikstudium
        in Wien durch Nikolaus Harnoncourt geprägte Dirigentin eine starke Affinität hat.
        Equilbeys Strauss- und Schönberg-Alben, ihre originellen Schubert- und Brahms-
        Aufnahmen verbinden nordischen Sinn für den großen Bogen (der schwedische Chordi-
        rigent Eric Ericson war neben Harnoncourt Equilbeys zweite Leitfigur) mit französi-
        scher clarté.

        Und die Pandemie? Die Musikerin gesteht eine gewisse Entmutigung. „Mitte April habe
        ich für ein Streaming-Konzert Schuberts As-Dur-Messe dirigiert. Die Mitglieder des
        Chors trugen alle Masken und waren so weit weg, dass ich mich mit In-Ear-Monitoring
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        behelfen musste. Von Geben und Nehmen keine Spur, oft hatte ich den Eindruck, fürs
        Mischpult zu dirigieren. Künstlerisch stieß das an die Grenze dessen, was für mich noch
        Sinn ergibt.“ Mit Feuer zählt Equilbey hingegen ihre längerfristigen Projekte auf. Im
        Tonträgerbereich sind das die Einspielung von Mozarts „Lucio Silla“ mit dem Counterte-
        nor Franco Fagioli (mit dem sie 2015 eine Referenzaufnahme von Christoph Willibald
        Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“ vorgelegt hat) und die Fortsetzung eines Beethoven-
        Zyklus mit Nicholas Angelich am Pleyel-Flügel. Im Bühnenbereich Kollaborationen mit
        Choreographen, Regisseuren und Plastikern zu Beethovens „Fidelio“, Dvořáks „Wasser-
        mann“, Faurés „Requiem“ – und zu Mozarts letztem aktivem Tag, bevor sich der Schöp-
        fer der „Zauberflöte“ Ende November 1791 ins Bett legte, um nie wieder aufzustehen.
        Marc Zitzmann

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        F.A.S. - Feuilleton                                                                                        Sonntag, 09.05.2021

                                        Wovor wir geflohen waren
        Ausgerechnet am Berliner Maxim Gorki-Theater, das alles anders machen
        wollte, soll es Machtmissbrauch und Rassismus geben. Eine Recherche

        Das Berliner Maxim Gorki-Theater galt in Deutschland lange als eine Ausnahme. Divers,
        unkonventionell, progressiv, queer – alles, was die meisten anderen Stadttheater nicht
        waren. Vor allem galt es als Ort, an dem Menschen mit Migrationsgeschichte Karriere
        machen können, während ein für Deutschland scheinbar untypischer Name oder eine
        andere Hautfarbe andernorts durchaus ein Hinderungsgrund sein können. Zweimal
        wurde das Gorki von der Zeitschrift „Theater heute“ als Theater des Jahres geehrt, die
        Inszenierungen erhielten zahlreiche Preise. Viele Zeitungen, darunter die New York
        Times, berichteten über den revolutionären Ansatz, Menschen auf die Bühne zu bringen,
        die man dort sonst selten sah. Geschichten zu erzählen von Flucht, Ausgrenzung und
        Diskriminierung. Geschichten wie es sie in Deutschland überall gibt, auf Theaterbühnen
        aber selten. Am Gorki war all das möglich. Eine der wenigen Prinzipien des Theaters
        lautete: „Es darf keine Arschlöcher geben.“ So sagte es die Intendantin Shermin Lang-
        hoff vor einigen Jahren in einem Interview mit der taz. Die Realität muss da schon eine
        andere gewesen zu sein.

        Zuerst berichtete die Süddeutsche Zeitung, dann der Spiegel über desaströse Zustän-
        de.Am Gorki herrsche ein „Klima der Angst“. Spricht man mit Kennern des Theaterbe-
        triebs, dann sind viele von den Enthüllungen nicht sonderlich überrascht. Ehemalige
        Gorki-Mitarbeiter sagen gegenüber der F.A.S., sie seien froh, dass nun alles ans Licht
        komme: „Ich war so wütend, all diese positiven Berichte zu lesen. Es war so verlogen.“
        Diese Worte fallen mit der Bitte um Anonymität. Vier Menschen schildern ihre Erlebnis-
        se und Eindrücke, namentlich genannt werden wollen sie jedoch nicht. Shermin Lang-
        hoff sagt nichts. Auch andere lehnen es ab. Das öffentliche Schweigen erstaunt, da an
        anderen Theatern schon laut über vergleichbare Vorfälle und Enthüllungen gestritten
        wurde und noch gestritten wird: In Karlsruhe trennte man sich von dem Intendanten
        Peter Spuhler, weil dieser mit cholerischen Anfällen und Kontrollzwang seine Mitarbei-
        ter drangsaliert haben soll. In Düsseldorf und am Berliner Staatsballett gab es Rassis-
        musvorwürfe, an der Berliner Volksbühne musste der Intendant Klaus Dörr nach Sexis-
        mus-Vorwürfen gehen. Einigen Intendanten wird ihr Verhalten zum Vorwurf gemacht;
        in Düsseldorf lautet er hingegen, nicht eingeschritten zu sein, als Vergehen anderer im
        Raum standen. Am Gorki-Theater war, so sagen es ehemalige Mitarbeiter gegenüber der
        F.A.S., offenbar beides der Fall.

        Shermin Langhoff begann ihre Intendanz im Jahr 2013. Die toxische Atmosphäre
        scheint schon bald danach Einzug gehalten zu haben. Von Vetternwirtschaft und Bevor-
        zugung Einzelner ist die Rede, meist seien diese Günstlinge, wie Langhoff selbst, türki-
        scher Abstammung gewesen. Die Belegschaft sei in Lager zerfallen: „Wer sich nicht mit
        Team Langhoff verstand, war ein Loser.“ Langhoff sei regelmäßig ausgerastet, habe mit
        Gegenständen geworfen, Kollegen vor allen niedergeputzt. Bei exzessiven Premierenpar-
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        tys habe nicht nur sie körperliche Grenzen missachtet und das dann als „Kanakengeha-
        be“ entschuldigt und verharmlost. Es wird berichtet von Mobbing, Rassismus und jahre-
        langer Gängelei. Shermin Langhoff soll dabei nicht immer beteiligt, aber Mitwisserin
        gewesen sein. Vieles, so sagen Ehemalige, sei vertuscht worden. Bei Beschwerden wurde
        gedroht: „Wenn du dich nicht anpasst, musst du gehen.“ Noch heute wundert sich eine
        ehemalige Mitarbeiterin, dass sie sich so hätten einschüchtern lassen: „Die macht
        einfach Angst, die Frau.“

        Einige Mitarbeiter haben sich trotzdem gewehrt. Sie wandten sich an die Vertrauensstel-
        le Themis, es gab einen Mediationsprozess, der offenbar wenig half. Die Dramaturgin
        Johanna Höhmann hat das Maxim-Gorki-Theater nun wegen der Nichtverlängerung i
        hres Vertrags verklagt. Die Gründe dafür sieht sie in einem Beschwerdebrief, den sie
        und andere an die Intendantin richteten. Außerdem sei sie als Frau in der Elternzeit
        diskriminiert worden. Die Gerichtsverhandlung endete am Mittwoch mit einem
        Vergleich: Die Klägerin erhält eine Abfindung von 15 000 Euro. Und die Vereinbarung
        enthält eine Schweigeklausel. Mehr war beim Bühnenschiedsgericht nicht zu erfahren;
        gekommen waren nur die Anwälte der beiden Parteien.

        Warum nur wagt sich beim Gorki keiner aus der Deckung, während zeitgleich in gesell-
        schaftspolitischen Initiativen wie #ActOut so viele an die Öffentlichkeit gehen? Oder
        1400 Theaterschaffende den Dramaturgen Bernd Stegemann in einem offenen Brief
        auffordern, sich bei Ron Iyamu zu entschuldigen, den Stegemann, nachdem der Schau-
        spieler rassistische Vorfälle bei Proben am Düsseldorfer Schauspielhaus öffentlich
        gemacht hatte, als „unsicheren jungen, im schauspielerischen Ausdruck blockierten
        Mann“ bezeichnet hatte?

        Offenbar vermittelte das Gorki seinen Mitarbeitern den Eindruck, Kritik könne das
        Konzept des Theaters als grundsätzlich gescheitert erscheinen lassen. Aber auch wenn
        die Ideale einer offeneren, diskriminierungsfreieren Gesellschaft am Gorki nicht immer
        eingelöst wurden, falsch sind sie deshalb nicht: Unter Langhoff wurde nicht nur das
        Ensemble, sondern auch das Publikum jünger, diverser. Sie hat es geschafft, Menschen
        neu für das Theater zu begeistern: „Ich fände es schade, wenn diese Ereignisse diese
        Leistung überschatten“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter. Er sei zum Gorki gekommen,
        weil es ein solches Stadttheater damals nirgendwo sonst in Deutschland gegeben habe:
        ein Stadttheater mit einer türkischstämmigen Frau und einem bekennenden Homosexu-
        ellen an der Spitze. „Die Theaterwelt ist zum größten Teil eine Welt, in der weiße Thea-
        terleute sich selbst reproduzieren.“ Mit dem postmigrantischen Ansatz des Gorki sei das
        nicht zu vergleichen gewesen: „Ich fand das absolut visionär.“ Von den Idealen, von
        denen auf der Bühne erzählt wurde, habe er bei der Arbeit selbst dann aber wenig
        gemerkt. Er habe das Theater „psychisch angeschlagen“ verlassen. Das hört man auch
        von anderen.

        Darüber hinaus gibt es eine verhängnisvolle „Psychologie der Dankbarkeit“, die das
        Schweigen erklärt: Schauspieler, die andernorts womöglich wenig Chancen auf einen
        festen Platz auf der Bühne gehabt hätten, fanden dort eine künstlerische Heimat. Das
        Theater brüstete sich damit, unbekannte Schauspieler groß rauszubringen. Im Interview
        mit der taz sagte Langhoff, „dass man Stars machen kann und nicht einkaufen muss“.
        Von Anfang an sei ihm gesagt worden, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, wie viele Leute
        sich noch auf seine Stelle beworben hätten. Sein Gehalt sei so gering gewesen, dass er
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        sich nicht getraut habe, zu kündigen: „Ich hatte Existenzängste.“ Ein anderer meint, es
        sei im Theater normal, eine „Familie“ zu gründen: „So etwas kann man sich in anderen
        Arbeitsverhältnissen gar nicht vorstellen.“ Im Gorki scheint diese Mentalität noch
        einmal stärker ausgeprägt gewesen zu sein. Von „Sektensituation“ ist die Rede, von
        „Clanmentalität“. Professionelle Zusammenarbeit sei dadurch erschwert worden.

        Manchen hat die Heftigkeit der jetzigen Debatte überrascht – sie steht in starkem
        Kontrast zur Euphorie, die das Gorki in den Anfangsjahren geprägt habe. Dabei ist das
        eine möglicherweise die Konsequenz des anderen: Es ist ein Unterschied, ob Erwartun-
        gen bestätigt oder enttäuscht werden. Die Arbeitsbedingungen an Stadttheatern sind
        schwierig. Es wird lange geprobt und oft schlecht bezahlt, die Gehaltsunterschiede
        zwischen Führungsebene und Künstlern sind enorm. Laut einer Studie von 2019, bei der
        2000 Mitarbeiter an Theatern befragt wurden, haben 59 Prozent der Frauen psychi-
        schen oder physischen Missbrauch erlebt. Trotzdem ist die Erschütterung, dass auch am
        Gorki, einem Theater, das alles anders machen wollte, Machtmissbrauch an der Tages-
        ordnung zu sein scheint, besonders groß. Dort „genau das zu finden, wovor man geflo-
        hen war“, sagt ein ehemaliger Mitarbeiter, sei schlimm gewesen.

        Von allumfassender Liebe sei am Gorki die Rede gewesen, sagt eine Mitarbeiterin. Ihr
        sei das von Anfang an suspekt gewesen. „Den Moralfinger der gesamten Leitung fand ich
        immer schon schwierig und auch veraltet. Niemand weiß, wie es richtig geht.“ Im
        Grunde habe sie am Gorki nichts anderes erlebt als an anderen Stadttheatern, deshalb
        störe sie die Fixierung auf Shermin Langhoff als Person. Sie sei ein „machtorientierter
        Mensch“, aber man habe mit ihr reden können. Das Problem sei die Struktur, die Allein-
        herrschaft von Intendanten, die Missbrauch zur Folge hätten: „Man kann nicht sagen:
        Die Intendanten sind der Teufel. Es ist das System.“ Ein anderer sagt: „Ich habe Angst,
        dass nun am Gorki, an Shermin Langhoff, ein Exempel statuiert wird, während männli-
        che Intendanten wie Klaus Dörr oder Frank Castorf sich genauso verhalten.“

        Die Vorfälle am Gorki sind deswegen so brisant, weil sie eine größere politische Dimen-
        sion haben als ähnliche Fälle an anderen Theatern. Schon 2017 forderte die AfD im
        Berliner Senat, dem Maxim-Gorki-Theater, dem Deutschen Theater und dem Berliner
        Friedrichstadtpalast die Mittel zu kürzen. Menschen wie Hans-Thomas Tillschneider,
        rechtsradikaler Kulturexperte der AfD, der inzwischen vom Verfassungsschutz beobach-
        tet wird, ist das Gorki mit seiner „linksliberalen Vielfaltsideologie“ ein besonderer Dorn
        im Auge. Gerade deshalb stand das Theater, und somit auch Shermin Langhoff, immer
        stärker unter Beobachtung als andere. Die Sonderrolle, die sie im deutschen Theaterbe-
        trieb eingenommen habe, sei Langhoff immer klar gewesen, ist von den Mitarbeitern zu
        hören. Das habe enormen Druck erzeugt, der auch mit dem großen Erfolg des Theaters
        nicht weniger geworden sei. Dieser Druck habe sich auf das Kollegium übertragen; es sei
        wichtig gewesen, volle Vorstellungen, gute Presse zu haben. So erklärt sich ein Mitarbei-
        ter auch, dass noch die kleinste Entscheidung von Langhoff mitkontrolliert worden sei.
        Ohnehin wird bei einem hierarchischen Arbeitsmodell meist eine Person, Intendant
        oder Intendantin, für Fehler verantwortlich gemacht. Eine Verantwortung, mit der man
        umgehen muss.

        Man kann sich vorstellen, dass einige Genugtuung verspüren, weil die Vorwürfe nun
        eine Frau mit progressiven Idealen treffen, so als wäre die Kritik an der bisherigen
        Ordnung, an sogenannten alten weißen Männern, damit unberechtigt oder weniger
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