MARKTSTUDIE INDIEN 2018 - Die indische Bahnindustrie Mit Profilen der Marktakteure - iXPOS

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MARKTSTUDIE INDIEN 2018 - Die indische Bahnindustrie Mit Profilen der Marktakteure - iXPOS
MARKTSTUDIE INDIEN 2018
Die indische Bahnindustrie

Mit Profilen der Marktakteure
MARKTSTUDIE INDIEN 2018 - Die indische Bahnindustrie Mit Profilen der Marktakteure - iXPOS
Impressum
Herausgeber
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Öffentlichkeitsarbeit
11019 Berlin
www.bmwi.de

Text und Redaktion
AHK Indien

Gestaltung und Produktion
AHK Indien

Stand
23. März 2018

Bildnachweis
Richard Mcall, Pixabay, https://pixabay.com/de/zug-viadukt-
shimla-indien-reisen-2324238/

Die Studie wurde im Rahmen des BMWi-
Markterschließungsprogramms zur Geschäftsanbahnung
für KMU 2018, 1. Tranche für deutsche Unternehmen und
Zulieferer zum Thema Eisenbahnbau, Bahntechnik,
Schienenverkehr und Metro-Verkehr in Indien erstellt.

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Herausgeber                                                         der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, verliehen.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi)
Öffentlichkeitsarbeit
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Text und Redaktion
                                                                    für seine familienfreundliche Personalpolitik
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                                                                    ausgezeichnet worden. Das Zertifikat wird von
XXXX)
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Gestaltung und Produktion
XXXX
MARKTSTUDIE INDIEN 2018 - Die indische Bahnindustrie Mit Profilen der Marktakteure - iXPOS
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
 Tabellenverzeichnis................................................................................................................................... 5
 Abbildungsverzeichnis .............................................................................................................................. 5
 Abkürzungsverzeichnis.............................................................................................................................. 6
 1.     Executive Summary ........................................................................................................................... 8
 2.     Zielmarkt allgemein ........................................................................................................................ 10
      2.1.     Länderprofil ............................................................................................................................. 10
      2.2      Interkulturelles & Doing business in Indien ............................................................................ 23
      2.3      Wirtschaftliche Beziehungen .................................................................................................. 24
      2.4      Rahmenbedingungen für den Import & Export von Waren & Dienstleistungen nach Indien31
      2.5      Die „Make in India“ Initiative .................................................................................................. 33
 3.     Der Eisenbahnsektor in Indien ....................................................................................................... 37
      3.1      Indiens Handelsbilanz im Bereich der Bahnindustrie ............................................................. 39
      3.2      Die Bahn in Indien im Überblick .............................................................................................. 41
      3.3      Der Schienenpersonenverkehr ............................................................................................... 48
      3.4      Der Schienengüterverkehr ...................................................................................................... 50
      3.5      Marktchancen für deutsche Unternehmen ............................................................................ 52
 4.     Die Zukunft des Bahnverkehrs in Indien – Maßnahmen und Projekte ........................................... 53
      4.1      Geplante Projekte ................................................................................................................... 55
      4.2      Rahmenbedingungen für Investitionen und Exporte.............................................................. 59
      4.2.1        Investitionen ....................................................................................................................... 59
      4.2.2        Finanzanreize ...................................................................................................................... 60
      4.2.3        Immobilienerwerb .............................................................................................................. 61
      4.2.4        Exporte ................................................................................................................................ 62
      4.2.5        Ausschreibungen ................................................................................................................. 63
 5. Schlussbetrachtung ........................................................................................................................... 64
 6. Profile der Marktakteure .................................................................................................................. 66
      6.1      Unternehmen .......................................................................................................................... 66
      6.2      Ministerien und Behörden ...................................................................................................... 78
      6.3      Verbände und Organisationen ................................................................................................ 79

                                                                                                                                                            3
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6.4      Wirtschaftsberater und –prüfer .............................................................................................. 79
     6.5      Anwälte ................................................................................................................................... 80
7.     Quellenverzeichnis .......................................................................................................................... 82

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Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Handelsdaten Deutschland Indien 2016 – 2017 mit prozentualer Veränderung ..................... 25
Tabelle 2: Ausgewählte Handelsabkommen Indiens ................................................................................. 29
Tabelle 3: Steuersätze ab dem 01.04.2018, alle Zahlen in INR .................................................................. 33
Tabelle 4: Wert von Indiens Im- und Exporten im Bereich Schienenfahrzeuge ........................................ 40
Tabelle 5: Wachstum von Indian Railways 1950-51 und 2014-15 im Vergleich …………………………………….42
Tabelle 6: Regionalgesellschaften von Indian Railways und Gründungszeitpunkt ................................... 43
Tabelle 7: Wagenklassen Indian Railways .................................................................................................. 49
Tabelle 8: Wettbewerbsfähigkeit Indiens in Bezug auf die Verkehrsinfrastruktur..................................... 50
Tabelle 9: Vergleich des Logistics Performance Index 2016 von Deutschland und Indien 2007-2014 ……51
Tabelle 10: National Rail Plan .................................................................................................................... 53
Tabelle 11: High Speed Rail Corridors ......................................................................................................... 54
Tabelle 12: Dedicated Freight Corridors ..................................................................................................... 54
Tabelle 13: Phase 1 Chennai Metro ........................................................................................................... 57
Tabelle 14: Phase 2 Chennai Metro ........................................................................................................... 57
Tabelle 15: Linien von Kolkata Metro ........................................................................................................ 58
Tabelle 16: Zulässige Bereiche der ausländischen Direktinvestitionen ..................................................... 59
Tabelle 17: Mögliche Beteiligte an partizipative Modellen ....................................................................... 60
Tabelle 18: Möglichkeiten für Investitionen .............................................................................................. 60

Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien ...................................................... 12
Abbildung 2: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre) ............................................................. 13
Abbildung 3: Indiens Bundesstaaten und Unionsterritorien (Stand: 2015) ............................................... 14
Abbildung 4: Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Indiens bis 2016 .............. 17
Abbildung 5: Wirtschaftswachstum in großen Volkswirtschaften 2010 - 2018 ......................................... 19
Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben (2014) .......................................... 21
Abbildung 7: Wirtschaftliche Entwicklung Indiens 2014/15 bis 2016/17 ................................................... 22
Abbildung 8: Deutsch-indischer Handel 1990 - 2015 ................................................................................. 26
Abbildung 9: Indien: Platzierungen im weltweiten Doing Business Ranking zur Attraktivität von Standorten
für Unternehmen 2016 bis 2018................................................................................................................. 28
Abbildung 10: Freihandelsabkommen mit Indien – Chance oder Risiko? .................................................. 30
Abbildung 11: Beabsichtigte Einstellungsrate der 30 größten deutschen Arbeitgeber in Indien bis 2019 31
Abbildung 12: Bahnhof von Lucknow ......................................................................................................... 38
Abbildung 13: Indian Railway Bahnnetz..................................................................................................... 39
Abbildung 14: Bevölkerungsdichte Indiens................................................................................................ 38
Abbildung 15: Eisenbahnnetz von Indien nach Zonen................................................................................ 44
Abbildung 16: Streckennetz ........................................................................................................................ 45
Abbildung 17: Todesfälle und Verletzte in Verbindung mit Eisenbahnen .................................................. 47
Abbildung 18: Phase 2 des RRTS in der NC-Region ..................................................................................... 56

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Abkürzungsverzeichnis
a.n.g. – anderweitig nicht genannt
APTA - Asia Pacific Trade Agreement
Ausg. – ausgenommen
BG - Broad Gauge
BIP – Bruttoinlandsprodukt
BJP - Partei Bharatiya Janata Party
Bspw. – Beispielsweise
CAGR - compound annual growth rate
CEPA - Comprehensive Economic Partnership Agreement, Umfassendes wirtschaftliches
Partnerschaftsabkommen
CIF - Cost, Insurance and Freight
CIP - Carriage and Insurance Paid To
CGST - Central GST, Zentralumsatzsteuer, Steuer der Zentralregierung
CMRL - Chennai Metro Rail Limited
CNG-Lokomotiven - Compressed Natural Gas-Lokomotiven
CORE - Central Organisation for Railway Electrification
DFCCIL - Dedicated Freight Corridor Corporation of India Limited
DMUs - Diesel Multiple Unit
DTA - Domestic Tariff Area
EMUs - Electric Multiple Units
EPFO - Employees Provident Fund Organization
ESIC - Employees State Insurance Corporation
EUR – Euro
FDI – Foreign Direct Investment, ausländische Direktinvestitionen
GATT - General Agreement on Tariffs and Trade (heute WTO)
HS-Code - Harmonized Commodity Description and Coding Systems
ICF - Integral Coach Factory
IGST - Integrated GST, Übergreifende Steuer
IGM - Import-General-Manifest
INC - Indian National Congress
IR - Indian Railways
IRFC - Indian Railway Finance Corporation
km – Kilometer
LPI - Logistics Performance Index
MEMUs - Mainline Electric Multiple Unit
MG - Meter Gauge
Mio. – Millionen
Mrd. – Milliarden
MRTS - Mass Rapid Transit System
NG - Narrow Gauge
NCRTC - National Capital Region Transport Corporation
PPP - Public Private Partnerships
PTA - Preferential trade agreement, Bevorzugtes Handelsabkommen
RRTS - Regional Rapid Transit System
SGST - State GST, die Steuer der Bundesstaaten
TRIPS - Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights

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u. a. – unter anderem
USD – US- Dollar
Vgl. – Vergleiche
z. B. – zum Beispiel

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1.          Executive Summary
Indien ist in seiner Vielfalt für Ausländer nur schwer zu fassen. Zwei National-, 22 Amts- und über 800
lokale Sprachen und Dialekte sind lediglich ein Indikator für die Vielfalt des Landes.1 Ähnlich vielfältig wie
das Land sind die Potenziale des Eisenbahnsektors in Indien. In der vorliegenden Zielmarktanalyse werden
die wichtigsten Branchentrends im indischen Markt beschrieben.

Die Herausforderungen im indischen Markt sind nach wie vor groß. Bürokratie und Korruption bleiben
Unsicherheitsfaktoren, Fremdkapital ist teuer und qualifizierte Arbeitskräfte rar. Die Infrastruktur ist in
weiten Teilen des Landes unzureichend. Das Land bietet allerdings auch ein gewaltiges Potenzial. Die
Bevölkerung und die Wirtschaft wachsen rasant und damit die Nachfrage nach hochwertigen
Technologien, die oft aus dem Ausland importiert werden müssen.

Die Euphorie nach der Wahl Modis zum Premierminister im Mai 2014 ist zwar verflogen, aber das
Vertrauen in den Premierminister ist weiter gewachsen, obwohl nicht alle durchgesetzten Reformen, wie
beispielsweise die „Demonetization“2, bejubelt wurden. Der Premierminister Narendra Modi ist nie im
Zusammenhang mit Korruptionsskandalen aufgefallen und gilt als effizienter Manager. Pogrome gegen
Muslime im Jahr 2002 werfen jedoch einen Schatten auf Narendra Modi, der der hindu-nationalistischen
Partei Bharatiya Janata Party (BJP) angehört. Sein Tonfall seit den Wahlen ist allerdings moderat, zu seiner
Amtseinführung war auch der Premierminister des Erzfeindes Pakistan, Nawaz Sharif, eingeladen. Es
deutet vieles darauf hin, dass Modi erkannt hat, dass Indien nur prosperieren kann, wenn religiöser
Frieden im Land herrscht.

In seiner bald vierjährigen Amtszeit ist es Modi gelungen, das Wirtschaftswachstum im Land weiter
anzutreiben. Er rief hierzu eigens das Investitionsprogram „Make in India“ ins Leben. Railways ist eine der
Fokusbranchen der „Make in India“ Kampagne. Durch das Wirtschaftswachstum angetrieben, wird auch
die Mittelschicht Indiens weiter wachsen und damit die potenzielle Zahl derjenigen, die sich etwa die
neugeplanten Hochgeschwindigkeitszüge leisten können. Durch eine weitere Einbindung in die
Weltwirtschaft wird außerdem das Güterverkehrsaufkommen in Indien wachsen.

Weil Indien jedoch nicht dauerhaft auf Importe im Bereich der Eisenbahngüter angewiesen sein möchte,
versucht das Land weiter, eigene Expertisen aufzubauen. Im Eisenbahnsektor kann Indien bereits auf eine
sehr lange Tradition zurückblicken und ist mit seinen Produkten in diesem Bereich technisch schon weit
fortgeschritten, zudem versucht Indien durch eine geeignete Investitionspolitik, finanzielle Mittel und
Expertise ins Land zu locken. Besonders im Rahmen der „Make in India“ Initiative wurden
Investitionsregulierungen weiter gelockert und Indien zählt aktuell zu den begehrtesten Zielen für
ausländische Direktinvestitionen. Dies gilt auch für den Railways Sector, der Markt könnte damit zu den
Wachstumstreibern der kommenden Jahre gehören. Zwar liegt die Eisenbahnbranche in Indien fast

1 Indische
        Botschaft 2018
2 ImNovember 2016 wurden alle im Umlauf befindlichen 500 und 1.000 INR-Scheine über Nacht entwertet. Dies entsprach 86% der
Bargeldmenge Indiens.

                                                                                                                              8
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vollständig in der Hand von Indian Railways und damit in der Hand des Staates. Diese sind jedoch für
Innovationen und Neuerungen in Indien auf die Expertise und Investitionen von ausländischen Firmen wie
beispielsweise Alstom, Bombardier Transportation, EMD, GE und Siemens angewiesen. Im ganzen Land
sind viele neue Projekte und Maßnahmen in Planung, um die teils prekäre infrastrukturelle Lage unter
Kontrolle zu bekommen. Hier bieten sich sowohl für ausländische Investoren als auch für Exporteure
zahlreiche Chancen sich auf dem indischen Markt einzubringen. Gerade auch die Verteilung des für das
Geschäftsjahr 2018-2019 verabschiedete Budget in Bezug auf den Eisenbahnsektor zeigt deutlich auf, wie
ernst die Regierung das Infrastrukturproblem nimmt.

Diese Investitionschance hat in jüngster Zeit besonders Japan ergriffen und sich als Investitionspartner für
die Modernisierung des Eisenbahnsektors hervorgetan. So liefert Japan nicht nur Technik nach Indien,
sondern sorgt auch für die Finanzierung einzelner Eisenbahnprojekte. Indiens erstes
Hochgeschwindigkeitszugprojekt zwischen Mumbai und Ahmedabad wird beispielsweise auf den
„Shinkansen“ Hochgeschwindigkeitszügen aus Japan basieren.3 Des Weiteren werden mehr als vier
Fünftel der Kosten (15 Milliarden Euro) des Projektes durch ein 0,1% -Zinssatzdarlehen aus Japan
finanziert.4 Anreiz hierzu ist vor allem die Vertiefung der wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder und
der Versuch als Bollwerk gegen den chinesischen Einfluss in Asien zu fungieren.

Der indische Markt stellt daher zwar insgesamt eine Herausforderung dar, bei dem allerdings die Chancen
die Risiken übersteigen. Mit neuem Selbstvertrauen versucht sich Indien nicht nur als Servicestandort,
sondern auch als Produktionshub zu vermarkten. Dies wird jedoch nicht gänzlich ohne Know-How und
Produkte aus dem Ausland funktionieren. Für Deutschland bietet sich dabei die Möglichkeit Produkte
nach Indien zu exportieren und mit indischen Unternehmen Kooperationen aufzubauen. Diese
Möglichkeiten und die Chancen von Kooperationen mit Indien wird die folgende Zielmarktstudie daher
aufzeigen.

3   Hindustan Times, 2017; zu Shinkansen: Central Japan Railway Company, 2018
4 The  Guardian, 2017

                                                                                                          9
2.              Zielmarkt allgemein
Das Land Indien liegt im südasiatischen Raum und grenzt an insgesamt sechs weitere Länder an.5
Flächenmäßig ist es das siebtgrößte Land der Erde mit der zweitgrößten Population6 und mit der
drittgrößten Volkswirtschaft in Asien (Stand 2017) nach China und Japan.7 Das Wirtschafts- und
Bevölkerungswachstum bietet auch deutschen Unternehmen die Möglichkeit vom Potenzial des indischen
Marktes zu profitieren. In den Monaten Januar - Dezember 2017 stiegen die deutschen Exporte nach
Indien im Vergleich zum Vorjahr bereits um 9,3 Prozent an.

          2.1.       Länderprofil

Mit einer Gesamtfläche von 3.287.263 km² ist Indien das siebtgrößte Land der Erde und knapp neunmal
so groß wie die Bundesrepublik Deutschland (357.021 km²). Das Land verfügt über gemeinsame
Landgrenzen mit Pakistan, China, Nepal, Bhutan, Myanmar und Bangladesch. Der äußerste Norden
Indiens ist geprägt durch Hoch- und Mittelgebirge. Südlich davon schließen sich die Täler der Flüsse Indus,
Yamuna und Ganges an. Der flache Küstenstreifen im Westen ist nur sehr schmal. Direkt hinter diesem
Streifen verlaufen über die gesamte Westküste von Norden nach Süden die Western Ghats, ein Gebirge
mit Erhebungen von bis zu 2.700 m. Zentralindien ist geprägt durch das Deccan Plateau. Der durch Gebirge
von Bangladesch abgeschirmte Nordosten des Landes ist nur durch einen schmalen Korridor verbunden,
der sich zwischen Nepal und Bangladesch befindet. Der Osten Indien ist ebenfalls durch die Lange Küste
geprägt, die im Landesinneren durch die von Norden nach Süden verlaufenden flachen Eastern Ghats im
Rücken begrenzt wird. Beide Ghats treffen an der Südspitze Indiens zusammen. Insgesamt verfügt das
Land über rund 7.000 km Küstenlinie.

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes lebten im Jahr 2017 ca. 1,3 Milliarden (Mrd.)8 Menschen im
Land und das Bevölkerungswachstum lag bei 1,15%9, was dem abnehmenden Trend der letzten Jahre
folgt. Indien hatte damit 2017 rund 16-mal so viel Einwohner wie Deutschland (ca. 82,8 Mio.10). Obwohl
Indien gerade einmal über 2,4 % der bewohnbaren Erdoberfläche verfügt, betrug der Anteil der indischen
Bevölkerung an der Weltbevölkerung 2015 ca. 18 %.11 Dies hat entsprechende Auswirkungen auf die
Bevölkerungsdichte. Durchschnittlich lebten 2016 in Indien 445 Menschen pro Quadratkilometer12, wobei
es durchaus dichter besiedelte Bundesstaaten mit über 1.000 Einwohnern gab.13 Zum Vergleich hierzu

5 Nach  indischer Auffassung hat Indien auch eine gemeinsame Grenze mit Afghanistan. Diese Grenze liegt allerdings im pakistanisch
kontrollierten Teil Kaschmirs jenseits der „Line of control“. Indien hat über diesen Teil der Grenze faktisch keine Kontrolle. Angaben zur
Landfläche Indiens variieren daher erheblich.
6 Auswärtiges Amt, 1: Außenpolitik, Indien, 2016
7 Statista, 1: Größte Volkswirtschaften: Länder mit dem größten BIP im Jahr 2017 (in Milliarden US-Dollar), 2018
8 Statista, 2: Indien: Gesamtbevölkerung von 2007 bis 2017 (in Millionen Einwohnern), 2018
9 Statista, 3: Indien: Bevölkerungsentwicklung von 2006 bis 2016 (gegenüber dem Vorjahr), 2018
10 Statistisches Bundesamt, 1: Pressemittelung Nr. 033 vom 27.01.2017, 2017
11 United Nations Department of Economic and Social Affairs, 1: World Population Prospects, 2015
12 Statistisches Bundesamt, 2: Indien: Bevölkerungsdichte von 2006 bis 2016 (in Einwohner pro Quadratkilometer), 2018
13 Census 2011: Bihar Population Census data 2011, 2011

                                                                                                                                       10
Daten aus 2016: Deutschland wies für dieses gleiche Jahr einen Durchschnittswert von 237 auf, China 147
und die USA 35 Einwohner pro Quadratkilometer.14

Obwohl das Bevölkerungswachstum in Indien seit 1981 stetig zurückgeht und auch in Zukunft weiter
sinken wird, steigt die Population absolut gesehen weiter an.15 Indien ist ein junges Land. Im Jahre 2015
betrug der Altersmedian16 der indischen Bevölkerung 26,5 Jahre17 und es wird davon ausgegangen, dass
2020 das durchschnittliche Alter eines Inders bei 28,2 Jahren liegen wird.18 Vergleicht man hierzu
Erwartungen für China (37 Jahre), Japan (48 Jahre) und Deutschland (49 Jahre19), zeigt sich, dass Indien
auch in Zukunft über viele junge Menschen und damit potentielle Arbeitskräfte verfügen wird.

Wie in Abbildung 1 erkennbar ist, wächst die erwerbsfähige Bevölkerung zwischen 2010 und 2020 um
insgesamt 120 Mio. Menschen und damit um durchschnittlich etwa 12 Mio. Personen pro Jahr.20 Von 2020
bis 2030 wird die Zahl der 15-bis 65-Jährigen um weitere 103 Mio. Menschen wachsen. Aber auch Indien
altert: So wächst die Zahl der über 65-Jährigen besonders stark – wenn auch von einem sehr niedrigen
Niveau ausgehend. Auf der anderen Seite wird in diesem Jahrzehnt (2010 bis 2020) nach Prognosen der
Vereinten Nationen die Zahl der unter 15-Jährigen erstmals sinken. Indien hat damit einen Punkt erreicht,
ab dem der Anteil der abhängigen Bevölkerung (unter 15-Jährige und über 65-Jährige) kleiner ist als der
Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung (15- bis 65-Jährige). Somit kommen auf jede Person im
erwerbstätigen Alter immer weniger Personen im abhängigen Alter. Die Wirtschaftsleistung wird in den
kommenden Jahrzehnten von dieser sogenannten „demografischen Dividende“ profitieren.21

Während die arbeitsfähige Bevölkerung nicht nur in Europa sondern bspw. auch in China sinkt, nimmt sie
in Indien noch auf Jahrzehnte zu. Einen größeren Aufwuchs werden nur afrikanische Länder (vor allem
südlich der Sahara) verzeichnen können. Diese Entwicklung wird in Abbildung 2 verdeutlicht.

14 The World Bank, 1: Population density (people per sq. km of land area), 1961 – 2016, 2017
15 Lee, Roanald: The Demographic Transition: Three Centuries of Fundamental Change, Journal of Economic Perspectives, 2003
16 50 % der Bevölkerung sind jünger und 50 % sind älter.
17 Statista, 4: Indien: Durchschnittsalter der Bevölkerung von 1950 bis 2015 (Altersmedian in Jahren), 2018
18 Kaushik Basu: India’s demographic dividend, BBC News South Asia, 2007
19 Grundig, Beate, Pohl, Carsten: Die Auswirkungen des demographischen Wandels auf den Arbeitsmarkt Sachsen – Analysen und

Gegenstrategien, Docbase – Publication Database of the CESifo Group, ifo Insitut für Wirtschaftsforschung, 2004
20 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015
21 Aufgrund statistischer Unsicherheiten bleibt allerdings offen, wie lange dieser Prozess andauern wird.

                                                                                                                             11
Abbildung 1: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen in Indien

              1.2

              1.0

              0.8
     Mrd.

              0.6

              0.4

              0.2

              0.0
                         1950          1960           1970          1980          1990           2000          2010          2020   2030   2040   2050

                  unter 15-jährige                     15- bis 65-jährige                      über 65-jährige

 Quelle: United Nations Department of Economic and Social Affairs / Social Population Division; World Population Prospects

Während die arbeitsfähige Bevölkerung nicht nur in Europa sondern bspw. auch in China sinkt, nimmt sie
in Indien noch auf Jahrzehnte zu. Einen größeren Aufwuchs werden nur afrikanische Länder (vor allem
südlich der Sahara) verzeichnen können. Diese Entwicklung wird in Abbildung 2 verdeutlicht.

                                                                                                                                                  12
Abbildung 2: Bevölkerung im arbeitsfähigen Alter (15 - 64 Jahre)

             1.4

             1.2

              1

             0.8
      Mrd.

             0.6

             0.4

             0.2

              0
                      1950         1960          1970           1980          1990           2000          2010             2020   2030   2040   2050

                   China            Sub-Sahara Afrika                     Europa                  Indien

 Quelle: United Nations, Department of Economic and Social Affairs; Population Division: Demographic Profiles: India 2012

Die Republik Indien besteht aus einem Verbund von 29 Bundesstaaten und 7 Unionsterritorien, die
unmittelbar von der Zentralregierung in Delhi verwaltet werden. Die nachfolgende Darstellung
veranschaulicht die aktuelle Zusammensetzung der indischen Bundesstaaten und Unionsterritorien.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass sich Indien nicht mit allen seiner Nachbarländer über den Grenzverlauf
einig ist. So bestehen besonders mit Pakistan aber auch mit China Differenzen über einiger der nördlichen
Gebiete Indiens. Mit Hinblick auf Pakistan ist dies besonders die Region Kaschmir, die von beiden Seiten
beansprucht wird. Mit China existieren Meinungsverschiedenheiten insbesondere über die Zugehörigkeit
der Regionen Arunachal Pradhesh.

Aus diesen Gründen wird oft auch nicht von „Grenzen“ zwischen Indien und diesen beiden Ländern
gesprochen. Mit Bezug zu Pakistan stellt die „Line of Control“ die de facto Grenze zwischen beiden
Ländern dar. Mit China hingegen bildet die „Line of Actual Control“ die de facto Grenze.

                                                                                                                                                 13
Abbildung 3: Indiens Bundesstaaten und Unionsterritorien (Stand: 2015)

Quelle: Maps of India, 2016

   Indien ist die größte Demokratie der Welt mit regelmäßigen Wahlen, Parteienwettbewerb und
   verfassungsrechtlich verankerten Grundrechten. Vor dem Hintergrund weit verbreiteter Armut,
   ethnischer, religiöser und linguistischer Vielfalt sowie tiefgreifender Kasten- und Klassengegensätze ist es
   in Indien seit der Unabhängigkeit am 15. August 1947 gelungen, ein gefestigtes demokratisches System
   aufzubauen. In den ersten Wahlen im Dezember und Januar 1950/51 siegte der linksliberale Indian

                                                                                                            14
National Congress (INC)22 unter der Führung von Jawaharlal Nehru, der zum ersten Premierminister
gewählt wurde, deutlich. Bis Mitte der 1990er Jahre dominierte die Kongresspartei meist unter Führung
der Nehru-Gandhi-Familie, mit nur zwei kurzen Unterbrechungen, die Politik des Landes. Bei den
Parlamentswahlen im Mai 2014 konnte der INC allerdings gerade noch knapp 20 % der Stimmen auf sich
vereinen. Die oppositionelle Bharatiya Janata Party (BJP) unter Führung von Narendra Modi, der bis zu
seiner Vereidigung als Premierminister Indiens Ministerpräsident in Gujarat war, erhielt über 30 % der
Stimmen. Die Lok Sabha in Indien ist eine Art Unterhaus innerhalb des politischen Systems und auch in
den Funktionen und Befugnissen vergleichbar mit dem deutschen Parlament. Durch das indische
Wahlsystem („First-past-the-post“ in jedem Wahlkreis) verfügt der INC nun über weniger als 10 % der
Sitze, während die BJP mit mehr als 50% der Sitze in der Lok Sabha gewonnen hat und somit über
weitreichende Entscheidungsbefugnisse verfügt.20 Die Erwartungen an Narendra Modi sind gewaltig.
Gujarats Wirtschaft ist in den zwölf Jahren BJP-Herrschaft überdurchschnittlich stark gewachsen. Viele
Inder hoffen, dass Modi Ähnliches nun für ganz Indien gelingt. Kritiker befürchten hingegen, dass Modi
das Land spaltet. Kurz nachdem er 2002 Ministerpräsident von Gujarat geworden war, kam es in dem
Bundesstaat zu Pogromen gegen Muslime, bei denen ca. 2.000 Menschen ums Leben kamen. Bis heute
ist nicht geklärt, welche Rolle Modi bei den Ausschreitungen spielte.

Das Bruttoinlandsprodukt Indiens lag 2017 bei 2.439,01 Mrd. USD und hat sich damit im Vergleich zu 2007
verdoppelt.23 Während 1960 in Indien noch fast die Hälfte der Wirtschaftsleistung (rund 43 %) in der
Landwirtschaft entstand, dominierte 2016 mit 53,8 % der Dienstleistungssektor. Der Anteil der
Landwirtschaft am indischen BIP ist, wie auch in den Vorjahren, weiter gesunken. Lag er 1996 noch bei
über 27 %, fiel er 2007 auf knapp 18 %. 2016 lag der Anteil der landwirtschaftlichen Produktion an der
gesamtwirtschaftlichen Produktion bei 17,3 %.24 Dennoch ist die Landwirtschaft für rund die Hälfte der
Bevölkerung noch immer die Haupteinnahmequelle (49 % für 2014/2015).25 Anders als in China hat die
Industrie in Indien immer nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ihr Anteil an der Wertschöpfung lag
2016 bei 28,5 % des indischen BIPs (zum Vergleich: In China liegt der Anteil der Industrie deutlich über 40
%).26 Unter indischen Ökonomen und Politikern setzt sich allerdings zunehmend die Einsicht durch, dass
eine Verbesserung des Lebensstandards für breite Bevölkerungsschichten27 ohne Industrialisierung
unmöglich ist. Die Regierung ist deshalb bestrebt, den Anteil der Industrie an der Wertschöpfung zu
erhöhen. Der indische Premier Narendra Modi hat kurz nach Amtsantritt die Kampagne „Make in India“
ins Leben gerufen.28 Durch eine Vereinfachung des Unternehmens- und Steuerrechts sowie Investitionen
in Infrastruktur und berufliche Bildung soll der Anteil der Industrie am BIP erhöht werden. Indien war im
April 2015 Partnerland der Hannover Messe, die gemeinsam von Angela Merkel und Narendra Modi

22Eine  Einordnung des INC in ein eindimensionales Links-Rechts-Spektrum wird der Komplexität von Politik in Indien nicht ganz gerecht.
Regionale Parteien (Sprache und Religion sind nach wie vor starke entscheidende Faktoren in der indischen Politik) sind in Indien sehr
stark. Der INC sei die einzige „wahre“ nationale Partei Indiens und die einzige Partei, die es geschafft hat, das Land über Jahrzehnte in
Regierungskoalitionen zu führen, die nicht selten aus einem guten Dutzend Parteien bestanden. Dem INC unter Führung der Nehru-
Gandhi-Familie gelingt es wie keiner anderen Partei, regionale und religiöse Strömungen und Partikularinteressen auf nationaler Ebene
auszugleichen.
23 Statista 8 2018
24 Statista 5 2018
25 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015
26 Statista 6 2018
27 In der indischen IT-Industrie arbeiten bspw. nur drei Millionen Menschen.
28 Make in India 1, 2015

                                                                                                                                      15
eröffnet wurde. Ziel auch dieses Auftritts war es, ausländische Unternehmen von der Attraktivität Indiens
als Industriestandort zu überzeugen.29 Die Liste der wirtschaftsfreundlichen Reformen, die die Regierung
umsetzen möchte, ist lang. Allerdings bestehen Zweifel, dass die meisten dieser Reformen umgesetzt
werden können. Zwar verfügt die BJP über eine absolute Mehrheit in der Lok Sabha (vgl. Bundestag),
allerdings hält sie lediglich 53 der 245 Sitze in der Rajya Sabha (vgl. Bundesrat).30 Narendra Modi hatte
daher in der Vergangenheit viele Reformen per Erlass angestoßen. Allerdings müssen diese Erlasse früher
oder später von beiden Kammern des Parlaments bestätigt werden, weshalb nur wenige Unternehmen
auf Basis der Erlasse langfristige Investitionsentscheidungen treffen möchten.31 Dennoch zeigte die
aktuelle Regierung zuletzt, dass sie den Reformpfad weiter begehen will und dass in der indischen
Demokratie Kompromisslösungen gefunden werden können.

Als bremsend für das Wirtschaftswachstum erwies sich die 2016 in Indien durchgeführte Bargeldreform,
die am 9. November 2016 angekündigt, mit sofortiger Wirkung alle 500 INR und 1.000 INR Banknoten für
ungültig erklärte. Damit entwertete Premierminister Modi am 8. November vollkommen überraschend
86 Prozent der sich im Umlauf befindlichen Banknoten Indiens. Neue 500 INR und 2.000 INR Banknoten
ersetzen die alten entwerteten Geldscheine. Alte Banknoten konnten nur bis Ende 2016 bei den Banken
in limitiertem Maße getauscht und eingezahlt werden. Die Geldautomaten zahlten flächendeckend nur
einen Höchstbetrag von 2.000 INR aus, was bestimmte Wirtschaftszweige der Bargeldgesellschaft Indiens
stark belastete. Ziel der Bargeldreform war die Korruptionsbekämpfung und das Beseitigen von
Schwarzgeld, sowie der Steuerhinterziehung.32

Jedoch wurde nach mehr als einer Dekade wiederkehrender Diskussionen33 über die Einführung einer
allgemeinen Umsatzsteuer diese im August 2016 sowohl durch die Rajya Sabha als auch durch die Lok
Sabha genehmigt. Durch diese sehr wichtige Reform, soll das Steuerwirrwarr aus Bundes- und
Landessteuern in Indien beendet werden und Indien damit einen wichtigen Schritt zu einem wirklich
einheitlichen Binnenmarkt mit freiem Verkehr von Gütern und Dienstleistungen gehen. Unternehmen und
Verbraucher erhoffen sich durch ein vereinfachtes Steuersystem nicht nur mehr Transparenz, sondern
auch eine sinkende Steuerbelastung. Im Gegenzug hofft die indische Regierung auf steigende
Steuereinnahmen durch eine Ausweitung der Zahlungspflichtigen.

Die neue allgemeine Umsatzsteuer (Goods and Services Tax) wurde am 1. Juli 2017 eingeführt und schafft
damit erstmalig ein landesweit einheitliches Steuersystem. Sie ist zudem die größte Steuerreform seit
Indiens Unabhängigkeit 1947. 34 Bereits die Ankündigung dieser Reform hat das Vertrauen in Indien bei
vielen Investoren wachsen lassen und die Reaktionen der indischen Wirtschaft fielen in den ersten
Monaten nach ihrer Einführung mehrheitlich positiv aus. Optimistische Schätzungen gehen davon aus,
dass die Reform das indische Wirtschaftswachstum um bis zu 2 % steigern kann, wenngleich bei der
Umsetzung der Reform Schwierigkeiten zu erwarten sind.35 Aufgrund der föderalen Struktur des Landes

29 Die Zeit 1, 2015
30 Parliament of India Rajva Sabha
31 The Economist 1, 2015
32 AHK Indien
33 The Economic Times 1, 2016
34 Ruppert, 2017
35 The Indian Express 1, 2016; Reuters 1, 2016

                                                                                                      16
Abbildung 4: Anteile der Wirtschaftssektoren am Bruttoinlandsprodukt (BIP) Indiens bis 2016

                                    Sektorenanteil am ind. Bruttoinlandsprodukt
       120

       100

        80

        60

        40

        20

          0
                  2006       2007     2008      2009     2010      2011     2012     2013      2014   2015   2016

                                             Landwirtschaft     Industrie   Dienstleistungen

     Quelle: Statista 2018

ist die Umsatzsteuer, die über die Lieferung von Waren bis zur Erbringung von Dienstleistungen nahezu
alle Leistungen abdeckt, in drei Komponenten geteilt. Diese sind die Zentralumsatzsteuer (Central GST,
CGST) – Steuer der Zentralregierung, die Steuer der Bundesstaaten (State GST, SGST), sowie die
Übergreifende Steuer (Integrated GST, IGST). Diese Dreiteilung wirkt sich auf die Komplexität des Systems
aus und sorgt für Schwierigkeiten beim erlaubten Vorsteuerabzug. Die Vorsteuerabzugsfähigkeit der IGST
wirkt sich jedoch positiv bei der Einfuhr von Waren aus, da statt der Gesamtabgabenbelastung von 30,15
% nur der Zoll in Höhe von 10 % (plus Customs Cess) als Kostenfaktor wirkt. Für viele Maschinen und
Anlagen gilt zudem ein reduzierter Basiszoll von 7,5 %. Dies ist jedoch Gegenstand fortfahrender Änderung
und so soll es nun eine nachträgliche Erhöhung einiger Einfuhrzölle geben um die Make in India Kampagne
zu unterstützen.36

Durch eine volle Vorsteuerabzugsberechtigung für Händler können ausländische Unternehmen
bestehende Vertriebsstrukturen umzustellen und beispielsweise einen Handelsvertreter durch einen
Eigenhändler zu ersetzen. Dadurch entfällt einerseits die mit GST belastete Vertreterprovision, und
andererseits die dem Recht der Einkommensteuer entstammenden Risiken einer
Vertreterbetriebsstätte.37

Im Zuge des Zusammenbruchs der Sowjetunion geriet Indien im Jahr 1991 in wirtschaftliche Turbulenzen,
die in einer Zahlungsbilanzkrise und anschließend fast im Staatsbankrott mündeten. Verhindert wurde
dieser nur durch Notkredite der Bank of England und der Bank of Japan. Nachdem der sofortige
wirtschaftliche Zusammenbruch Indiens abgewendet war, unterstützte der Internationale Währungsfond

36 Livemint,  2018
37   Ruppert, 2017

                                                                                                                    17
(IMF) das Land mit langfristigen Krediten, allerdings unter der Bedingung weitreichender wirtschaftlicher
Reformen. Das Jahr 1991 markierte damit den Startschuss für ein Jahrzehnt wirtschaftlicher
Liberalisierung und Prosperität. Die Effekte der Reformen hielten noch bis in das erste Jahrzehnt des
neuen Jahrtausends an, verloren mittlerweile allerdings deutlich an Wirkung. Das Wachstumspotenzial
Indiens ist in der Folge deutlich zurückgegangen. Die von Korruptionsskandalen geschüttelte Regierung
schien zunehmend unfähig, die Wirtschaft mit einer neuen Welle wirtschaftlicher Reformen zu beleben.
Der über 80-jährige Premierminister Manmohan Singh (als Finanzminister eine der Schlüsselfiguren
während der Reformphase zu Beginn der 1990er Jahre) wirkte zunehmend amtsmüde und
durchsetzungsschwach. Im Ergebnis war das Wirtschaftswachstum in Indien deutlich zurückgegangen. Die
indische Rupie verlor an Wert. Das Haushaltsdefizit stieg ebenso wie Indiens Leistungsbilanzdefizit.
Nachdem die indische Rupie im Jahr 2013 innerhalb weniger Monate deutlich über 20 % gegenüber dem
US-Dollar (USD) verloren hatte und die Regierung gezwungen war, Maßnahmen zu ergreifen um nicht
notwendige Importe (vor allem Gold) einzuschränken, sprachen Beobachter bereits von einer
Wiederholung der Ereignisse des Jahres 1991.

Die Märkte haben sich mittlerweile wieder beruhigt: Die indische Rupie stabilisiert sich gegenwärtig und
auch das Leistungsbilanzdefizit hat sich leicht verbessert.38 Nach Angaben der Weltbank reduzierte sich
das Defizit von 5°% des BIP im Jahre 2012 auf 2,6 % in 2013, respektive 1,3 % in 201439 bis auf 0,7% in
2016 und auf 1,4 % in 2017.40 Der Reformbedarf in Indien ist nichtsdestotrotz unübersehbar. Ein Segen
für das Land ist der niedrige Ölpreis. Die Regierung war weise genug, die Preise für Benzin und Diesel nicht
stark zu senken, sondern stattdessen Energiesubventionen abzubauen und den Haushalt zu konsolidieren.
Da Indien einen Großteil seines Bedarfs an fossilen Energieträgern durch Importe deckt, ist durch den
gesunkenen Ölpreis auch das Zahlungsbilanzdefizit zurückgegangen. Beide Entwicklungen und die neue
Reformfreudigkeit der Regierung haben den wirtschaftlichen Ausblick für Indien verbessert.

Abbildung 5 verdeutlicht die relativen Wachstumsraten des indischen BIP von 2010 bis 2018 im Vergleich
mit anderen großen Vorlkswirtschaften, wobei der Wert für 2016 vom Center for Monitoring the Indian
Economy erwartet wird. Für das Jahr 2018 wird erwartet, dass die Wirtschaft in Indien um 7,4 % wachsen
wird.41

38
   Wallstreet online, 2014
39
   World Bank 3, 2015
40
   Knoema, 2018
41
   DataMapper, 2018

                                                                                                         18
Abbildung 5: Wirtschaftswachstum in großen Volkswirtschaften 2010 - 2018

     Quelle: India Press Agency Newspack, 2017, basiert auf dem OECD March 2017 Interim Economic Outlook

Die Inflationsrate lag im Jahr 2017 bei 3,8 %, nachdem sie im Jahr 2016 noch bei 4,5 % stand. 42 Die
Lebensmittelinflation ging von Januar 2014 bis Januar 2015 von knapp 10 % auf 6,13 % zurück. Im Juli
2016 erreichte sie aber wieder 8,1 %, um im September 2016 wieder auf 3,9 % zu fallen (nicht zuletzt auf
aufgrund des guten Monsun, der für eine gute Ernte sorgt und sorgte).43 Im Dezember 2017 betrug sie
4,96 %.44 Die Entwicklung hat Spielräume für die Zentralbank eröffnet, die Zinsen zu senken. Am 15. Januar
2015 senkte die Reserve Bank of India den Leitzins von 8,0 % auf 7,75 % und am 4. März um weitere 0,25
Prozentpunkte auf 7,5 %.45 Hierbei handelte es sich um die erste Senkung seit Beginn des Jahres 2013. 46
Aufgrund sinkender Inflation ergaben sich auch im Folgezeitraum weitere Möglichkeiten zur Zinssenkung.
Derzeit liegt der Leitzinssatz der Reserve Bank of India bei 6%.47 Derzeit versucht die Reserve Bank of India
die, vor allem bei staatseigenen indischen Banken, massiv vorhandenen notleidenden Krediten zu
bekämpfen.48 Nach dem CARE Rating Report belegt Indien weltweit die fünften Rang was notleidende
Kredite betrifft.49

Für einige Unruhe an den Märkten sorgte die die Tatsache, dass der zu der Zeit aus dem Amt geschiedene
und charismatische Vorsitzende der Reserve Bank of India, Dr. Rajan, nach drei Jahren Tätigkeit als

42 Statista 7, 2018,
43 Centre for Monitoring the Indian Economy 2, 2016, Centre for Monitoring the Indian Economy 3, 2016
44 Trading economics, 2018
45 The Hindu, 2015
46 Reserve Bank of India 1, 2015
47 Trading economics, 2018
48 Reserve bank of India 3, 2016
49 Scroll.in, 2018

                                                                                                           19
Vorsitzender der Bank seinen 2016 regulär auslaufenden Vertrag nicht verlängerte. Sein Nachfolger seit
September 2016 ist Dr. Urjit Patel. Er gilt ebenfalls aus ausgesprochener Fachmann für den Posten und es
wird erwartet, dass er die Arbeit seines Vorgängers thematisch fortsetzt, insgesamt aber leiser und
weniger sichtbar agieren wird.50

Trotz aller Fortschritte in den vergangenen Jahren ist Indien noch immer ein verhältnismäßig armes Land.
Die Zahl der Inder, die in ärmlichen Verhältnissen leben, ist durch den Aufschwung der letzten Jahre
allerdings erheblich gesunken. Die statistische Erfassung von Armut hat sich in den vergangenen Jahren
geändert: Nachdem bis 2014 die offizielle Armutsgrenze bei 27 INR (0,35 EUR) (Dorf) und 33 INR(0,42 EUR)
(Stadt) pro Tag lag, sind nach Neuberechnungen mindestens 32 INR (0,41 EUR) (Dorf) und 47 INR (0,60
EUR) (Stadt) pro Tag zum Überleben notwendig. Hierdurch fallen 100 Mio. Menschen mehr unter die
Armutsgrenze als zuvor angenommen.51 Im Finanzjahr 2014/2015 lebten noch immer etwa 30 % der
Bevölkerung unter der Armutsgrenze und rund 70 % hatten weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung.52
Die Zahl der Inder, die nicht alle Grundbedürfnisse (Essen, Energie, Wohnen, Trinkwasser, Sanitäranlagen,
Gesundheitsversorgung, Bildung, soziale Sicherheit) decken können, ist noch immer relativ hoch. Das
Beratungsunternehmen McKinsey schätzt in einem Bericht aus dem Jahr 2014, dass 680 Mio. Menschen
in Indien in diese Kategorie fallen. Nach Berechnungen der Unternehmensberatung liegen die minimalen
monatlichen Konsumausgaben zur Deckung dieser Bedürfnisse bei 1,336 INR (ca. 17 EUR). Laut einem
Bericht der Weltbank von 2016 hat Indien die meisten Menschen, die unter der internationalen
Armutsgrenze von 1,90 USD pro Tag leben. Die Weltbank geht jedoch von 224 Millionen Menschen aus,
die davon betroffen sind.53 Abbildung 6 zeigt, wie sich die monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben 2014
verteilten.54

50 The Economic Times 2, 2016
51 Die Zeit 2, 2014
52 Auswärtiges Amt Deutschland 2, 2015
53 Express News Service, 2016
54 McKinsey, 2014

                                                                                                      20
Abbildung 6: Verteilung der monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben (2014)

                                       7

                                       6
         Monatliche Pro-Kopf-Konsum-
          ausgaben in Tausend INR

                                       5

                                       4

                                       3

                                       2

                                       1

                                       0
                                              5%       15%   25%      35%           45%          55%     65%   75%   85%        95%

                                                                   kummulierter Anteil der Bevölkerung
                                       Land        Stadt

     Quelle: McKinsey, 2014

Die monatlichen Pro-Kopf-Konsumausgaben von mehr als 95 % der Inder im ländlichen Raum liegen
entsprechend unter 3.000 INR (ca. 40 EUR); in den Städten sind es über 70 %, die weniger zur Verfügung
haben.55 Die Einkommensteuerpflicht in Indien beginnt ab einem Jahreseinkommen von 200.000 INR (ca.
2560 EUR). Daraus ergibt sich, dass lediglich ca. 1,5 % der Bevölkerung aktuell die Einkommensteuer
zahlen. Hierbei sollen die Top 0,1% der Steuerzahler für 26% der insgesamt gezahlten Steuern
verantwortlich sein. Obwohl die Zahl der Einkommenssteuer zahlenden Bevölkerung von 27 Millionen in
2002/3 auf 19 Millionen in den Jahren 2014/15 zurückgegangen ist (aufgrund von Ausnahmeregelungen),
stiegen die Steuereinnahmen von 36,8585 Crore INR56 auf 2,58,326 Crore INR.57

Insgesamt lassen sich die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen Indiens wie in Abbildung 7
zusammenfassen:

55 Ministry of Statistics and Programme Implementation 1, 2014
56 Crore:10.000.000 (10 Millionen)
57 The Economic Times, 2017

                                                                                                                           21
Abbildung 7: Wirtschaftliche Entwicklung Indiens 2014/15 bis 2016/17

                             Wirtschaftliche Entwicklung Indiens 2014/15 bis 2016/17
  10

   8

   6

   4

   2

   0
                          BIP                        Einfuhr (cif)        Bruttoanlage-investitionen   Privater Verbrauch
  -2
                                                 (reale Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %)
  -4

  -6

  -8

                                                         2014/15     2015/16    2016/17

Quelle: Germany Trade & Invest, 2017

       Ursache für das nach wie vor geringe Einkommen ist die hohe Zahl unproduktiver Arbeitsplätze. Zum einen
       sind noch immer mehr als die Hälfte der Beschäftigten in der Landwirtschaft beschäftigt (sehr oft nur
       Subsistenzwirtschaft), zum anderen ist es keiner indischen Regierung bisher gelungen, einen
       leistungsfähigen Industriesektor, wie bspw. in China, aufzubauen. Insgesamt ist ein großer Teil des
       industriellen Sektors nach wie vor starken interventionistischen Maßnahmen und staatlicher Regulierung
       ausgesetzt, welche das Wachstum schwächen. Vor allem das Arbeitsrecht sehr restriktiv. Die World Bank
       kam in ihrem Länderbericht 2008 zu dem Schluss, dass das indische Arbeitsrecht eines der komplexesten
       der Welt sei. Dieses wurde seit der Unabhängigkeit kaum reformiert.58 Aktuell hat die Debatte um
       Reformen des Arbeitsrechtes jedoch wieder Fahrt aufgenommen und die Regierung ist bemüht, auch
       dieses Bereich so zu gestalten, dass mehr Investitionen getätigt werden und vor allem die dringend
       benötigten Arbeitsplätze zur Nutzung der demographischen Dividende geschaffen werden. Im Gespräch
       sind nicht nur eine Vereinheitlich der oft konkurrierenden Gesetze im Bereich des Arbeits- und
       Gehaltsrecht, sondern auch eine allgemeine Entbürokratisierung, gerade auch für kleinere Betriebe und
       Mittelständler. Ferner soll es für Unternehmen mit bis zu 300 Mitarbeiter einfacher werden Personal zu
       kündigen. Ob es jedoch zu einer Umsetzung der Reformen kommt, ist nicht sicher. Nach wie vor bilden
       die Gewerkschaften in Indien eine wichtige Interessengruppe und sie haben bereits ihren Widerstand
       gegen die Reformen angekündigt.59

       58   World Bank 4, 2014; World Bank 7, 2014
       59 Al Jazeera, 2016

                                                                                                                            22
Im Jahr 2009 wurde die obligatorische Aadhar Card von der Unique Identification Authority of India
(UIDAI) eingeführt, welche das Ziel hat, jeden Bürger anhand einer 12-stelligen Aadhar Nummer
identifizieren zu können. Dementsprechend werden auf der Aadhar Card, die das Format eines
Personalausweises hat, alle persönlichen Details einer Person festgeschrieben, was demographische wie
biometrische Informationen beinhaltet. Die Kombination aus demographischen und biometrischen Daten
soll die Einzigartigkeit und Fälschungssicherheit der Karte sicherstellen. Die Karte kann jedoch auch
genutzt werden, um staatliche Unterstützung zu erhalten. Bis dato ist jedoch unklar, wer alles eine Aadhar
Card besitzen muss. Nach letztem Stand muss jeder in Indien lebende Inder sowie Menschen, die mehr
als 182 Tage innerhalb eines Jahres in Indien gelebt haben und Einkommenssteuer zahlen eine solche
Karte besitzen60 und sämtliche Konten und sogar Telefonnummer, Rentenzahlungen und Steuererklärung
damit verknüpfen. Datenschützer sind anhand der Daten, die auf einer Karte gebündelt vorhanden sind
und von der Regierung abrufbar sind, mehr als besorgt und es gab schon erste Hackerangriffe auf die
Aadhar Datenbank.61 Laut offizieller Aadhar Webseite wären auf der universellen Identitätskarte alle
relevanten Informationen vorhanden, weswegen nicht mehr verschiedene Dokumente gebraucht
würden. Des Weiteren soll mit der Karte illegale Immigration bekämpft werden können.62

              2.2 Interkulturelles & Doing business in Indien

Der indische Markt gilt als attraktiv aber kompliziert für Neulinge im Land. Neben den bereits
beschriebenen Herausforderungen bezüglich der Demographie Indiens spielt auch die indische Kultur eine
entscheidende Rolle für den Erfolg oder Misserfolg von Geschäften mit und in Indien.

Der Niederländische Manager und Kulturforscher Geert Hofstede definierte 1973 sechs kulturelle
Dimensionen63 an denen sich die Unterschiede zwischen Deutschland und Indien veranschaulichen lassen.
Vor allem zwei Dimensionen sind besonders konträr und bergen das Potential für Konflikte mit lokalen
Partnern: Während Deutsche als gerne sehr langfristig planend gelten und Unsicherheiten nach
Möglichkeit vermeiden möchten, gilt Indien als ein Land mit einer deutlich kürzeren Zukunftsorientierung
und mit deutlich höheren Bereitschaft Risiken einzugehen. Dies spiegelt sich auch in dem Zeitverständnis
viele Inder wieder. Im Vergleich zu Deutschland läuft die Zeit nicht ab, sondern sie wiederholt sich. Dies
ist darauf zurückzuführen, dass sich im Hinduismus Leben und Tod im Kreislauf wiederholen und nach
dem Leben die Wiedergeburt eintritt. Auch können äußere Einflüsse wie beispielsweise ein hohes
Verkehrsaufkommen Terminabsprachen beeinflussen und Verspätungen verursachen. Wartezeiten
sollten daher in der Terminplanung bedacht werden.64

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass ein Gros der Inder äußerst beziehungsorientiert ist und so gilt vor
allem der häufige persönliche Kontakt zum Vertrauensaufbau als eine notwendige Voraussetzung um in

60 Motiani,2017
61 Johnson TA, 2017
62 Eaadhar.online, 2017
63 Geert Hostede, 2018
64 Manager Magazin, 2008

                                                                                                       23
Indien erfolgreich Geschäfte zu machen. Eine Verschmelzung privater und geschäftlicher Beziehungen ist
daher keine Seltenheit.
Des Weiteren hat der familiäre Zusammenhalt einen sehr hohen Stellenwert in der Gesellschaft, Grund
dafür sind u. a. die fehlenden staatlichen, sozialen Auffangmechanismen. Dieser Zusammenhalt spiegelt
sich auch in der Geschäftswelt wieder. Bis zu 70% der Unternehmen in Indien werden von
Familienorganisationen kontrolliert und auch innerhalb der Unternehmen werden Schlüsselpositionen
häufig von Familienmitgliedern übernommen. Dabei ähneln oftmals auch die Unternehmensstrukturen
der einer Familie – der CEO nimmt eine väterliche Rolle ein, wird hochangesehen und mit sehr viel Respekt
behandelt. Die Angestellten selbst stehen in einer engen Beziehung zueinander und arbeiten zusammen.65
Die Machtdistanz ist in Indien daher recht hoch und es ist üblich, „dass Entscheidungsprozesse von „oben
nach unten“ verlaufen und diesen Entscheidungen nicht widersprochen wird“.66

Neben den persönlichen Beziehungen hat auch der höfliche Umgang einen sehr hohen Stellenwert in der
geschäftlichen Kommunikation. Dieser kann sich in ausführlichen öffentlichen Danksagungen und
Willkommensgeschenken wiederspiegeln, ebenso aber auch in der Face-to-Face Kommunikation. Da
Sachorientierte und direkte Formulierungen häufig als unhöflich wahrgenommen werden, ist das Äußern
von Kritik an einer Person nicht üblich, sondern es wird eher mit Verbesserungsvorschlägen gearbeitet.
Des Weiteren fällt es vielen indischen Geschäftspartnern/Mitarbeitern schwer ein eindeutiges „Nein“ zu
formulieren. Daher ist es wichtig Fragen präzise zu formulieren und genau nachzufragen, wie die Pläne
realisiert werden können. Dadurch lassen sich mögliche Unklarheiten vermeiden und die erwünschten
Ergebnisse können erzielt werden.67

         2.3 Wirtschaftliche Beziehungen

Die deutsch-indischen Wirtschaftsbeziehungen haben sich in den letzten Jahren deutlich intensiviert.
Beleg dafür ist nicht zuletzt die Entwicklung der Mitgliederzahl der Deutsch-Indischen Handelskammer.
Diese stieg um gut 100 % von 1990 bis 2018 auf eine Gesamtzahl an Mitgliedern von heute rund 6.000.

In der Europäischen Union ist Deutschland Indiens wichtigster Handelspartner.68 Im Jahr 2006 lag das
bilaterale Handelsvolumen zwischen Deutschland und Indien erstmals über 10 Mrd. EUR. Bis 2011 war es
auf 18,4 Mrd. EUR angewachsen. Es schien, als wären beide Länder auf einem guten Weg, die von
Manmohan Singh und Angela Merkel auf der gemeinsamen Regierungskonferenz im Jahr 2010 gesetzte
Zielmarke von 20 Mrd. EUR bis 2012, zu erreichen. Doch vor allem aufgrund des Nachlassens der
wirtschaftlichen Dynamik in Indien sank das Handelsvolumen im Jahr 2012 auf 17,4 Mrd. EUR (von einer
winzigen Delle im Jahr 2009 abgesehen der erste Rückgang seit dem Jahr 1999). Im Jahr 2013 sank das
Handelsvolumen auf 16,1 Mrd. EUR, wobei vor allem die deutschen Exporte nach Indien zurückgingen,
was sich in einem deutlich niedrigeren Handelsüberschuss in Höhe von 2,2 Mrd. EUR für Deutschland

65 Australian Business, Consulting & Solutions.
66 IKUD Seminare, Kulturdimensionen Geert Hofstede.
67 Manager Magazin, 2008.
68 Ministry of Commerce and Industry 1, 2016

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