PRESS REVIEW Wednesday, April 21, 2021 - Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal
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PRESS REVIEW Daniel Barenboim Stiftung Barenboim-Said Akademie & Pierre Boulez Saal Wednesday, April 21, 2021
PRESS REVIEW Wednesday, April 21, 2021 Rbb Inforadio Höhenflüge und Tiefpunkte: Igor Levits „Hauskonzert“ Süddeutsche Zeitung Kirill Serebrennikov inszeniert Wagner für die Wiener Staatsoper aus der Ferne Die Welt Aus seinem Moskauer Hausarrest inszeniert Kirill Serebrennikow an der Wiener Staatsoper Wagners „Parsifal“ Frankfurter Allgemeine Zeitung Die Regisseurin Deborah Warner darf am Teatro Real die Oper „Peter Grimes“ von Benjamin Britten vor Publikum zeigen Frankfurter Allgemeine Zeitung Jane Austen trank Tee und aß Zucker – ist sie damit ein Fall für Black Lives Matter? Berliner Morgenpost Komponist und Dirigent Leo Blech prägte Jahrzehnte lang das Berliner Musikleben. Das Ständchen zu seinem 150. Geburtstag muss aber ausfallen Berliner Zeitung Spenden und Stipendien für Musiker in Not Frankfurter Allgemeine Zeitung Scala stellt gleich The New York Times Why Is It So Hard to Show Black Women’s Musical Genius Onscreen? Los Angeles Times Does Spotify pay artists a fair rate? Here’s what musicians, managers and Apple Music have to say
21.4.2021 Höhenflüge und Tiefpunkte: Igor Levits "Hauskonzert" | Inforadio Startseite > Programm > Kultur Di 20.04.2021 | 12:55 | Kultur Höhenflüge und Tiefpunkte: Igor Levits "Hauskonzert" Igor Levit ist gefragter Pianist in großen Konzertsälen und auf Twitter. Während des Lockdowns im Frühjahr 2020 setzte er sich jeden Abend zu Hause ans Klavier und spielte für seine Fans ein Hauskonzert. Jetzt ist die gleichnamige Biografie erschienen. Von Friederike Westerhaus Igor Levit, Florian Zinnecker: Hauskonzert 304 Seiten, 24,00 Euro Hanser Verlag Buchpremiere am 20. April um 19.00 Uhr Instagram Live, @hanserliteratur Stand vom 20.04.2021 Beitrag hören https://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/kultur/202104/20/553674.html 1/1
21.4.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805995/12 Parsifals Double Ki rill Se re bren ni kov in sze niert Wag ner für die Wie ner Staats oper aus der Fer ne VON R E I N H A R D J. B R E M B E C K Jetzt al so Wien. Der Di ri gent Phil ip pe Jordan wurde 1974 in Zü rich ge bo ren. Er war bis vor Kur zem der Mu sikchef der Pa ri ser Opéra, wo er sich in elf Jah ren als An ti-Star und um fas sen der Re per toire - ken ner eta blier te, al lerdings nie Stern stun den her bei mu si zier te. An der Wie ner Staats oper ar bei tet er seit die ser (Lockdown-)Spiel zeit als Mu sikdi rek tor oh ne Live pu bli kum und bewies jetzt in der auf „Ar te Con cert“ fürs drei mo na ti ge Nach strea men fest ge hal te nen „Parsi fal“-Pre mie re, dass er schon ganz an ge kom men ist in Wien. Dass er von den Wie ner Mu si kern ge liebt wird. Und dass auch der Sach se Richard Wag ner im Her zen ein Wie ner war, zu min dest als Mu si ker. Jordan und sei ne Mit wie ner lie ßen die letz te, rät sel haf tes te und bes te Oper Wag ners in ei nem Guss auf le ben, in ei nem klar kon tu rier ten, aber weichen und war men Klang. Das ver mit tel te sich zu min - dest vier Stun den lang aus den klapp ri gen Laut spre chern des Lap tops, obwohl beim Zu schauen nach und nach die Sehn sucht schmerz lich über mäch tig wurde, den Klang end lich wie der live in der Staats - oper zu erle ben, wo die For tis si mo stür me die Bal kon be sit zer aus ih ren Sit zen fe gen kön nen und die lei sen Pas sa gen Ma gie und Ero tik hauchen. Was man sich vor dem Bild schirm aus der Er in ne rung da - zu rei men muss. Ki rill Se re bren ni kov ist ein po li tisch agie ren der Fil me ma cher und Re gis seur, er war in Mos kau Thea - terlei ter und wurde we gen an geb licher Ver un treu ung von Staats gel dern 2017 ver haf tet, an ge klagt und ver ur teilt. Der we gen vie ler Un stim mig kei ten kri ti sier te Pro zess lös te ei ne bis heu te an dauern de So li da ri täts bewe gung („Free Ki rill!“) aus, die Se re bren ni kov zu dem in Kunst krei sen der zeit be rühm - tes ten Dis si den ten mach te. Die Ver fol gung durch die rus si schen Staats mäch te hat ihn nicht daran ge - hin dert, von Mos kau aus Opern zu in sze nie ren, via di gi ta ler Hilfs mit tel und vor Ort agie ren der Ge hil- fen. Erst mals kam so 2018 Mo zarts „Così“ in Zü rich heraus, jetzt hat er so den „Parsi fal“ ge deu tet, we nig über ra schend als ei ne Be frei ungs oper. Wag ners Ma cho män ner trup pe, die sich im Zeichen des omi nö sen Grals mit Welt ver bes se rungs pro - jek ten be schäf tigt, aber auf grund ei ner selt sa men Er kran kung ih res Chefs Am for tas hand lungs un fä - hig her um sitzt, ist in Se re bren ni kovs Les art ei ne Gang von Ge fäng nis in sas sen in Russ land. Der Re - gis seur, der auch Büh ne und Kos tü me erdacht hat und über der Sze ne auf drei Leinwän den tris te Schwarz weiß fil me zeigt, lässt die ge fan ge ne Mensch heit dea len, schlä gern, sich lang wei len. Ein stren ger Typ na mens Gur n emanz, der dauernd et was zu sin gen und sehr viel Rät sel haf tes zu er zäh len hat, sorgt für Ord nung, wenn er nicht ge ra de sei ne Mit ge fan ge nen tä towiert: Al le sind von ihm ge - zeich net. Ge org Zep pen feld macht das gran dios. Sei ne Stim me ge horcht ihm, sie glänzt in der Hö he, be sitzt un abweis ba re Au to ri tät, mischt Dro hung mit Erlö sungs sehn sucht. Dann ist da die se selt sa me Da me, Kund ry, ei ne ele gan te Frau in dem Un terschichts män ner hau fen. Sie wird von den Ge fäng nis wär tern re spek tiert, sie ver teilt heim lich Me di ka men te, sie ist im mer ein Rät sel. Zu mal sie auch als Che fin ei nes Mo de ma ga zins ar bei tet, in dem nur Frauen be schäf tigt sind. Rät sel haft auch ih re Be zie hung zu ei nem Herrn na mens Kling s or: Ist das der Ge fäng nis chef, der Chef re dak teur oder Verle ger, soll es gar Pu tin sein? Wolf gang Koch singt ihn als im po ten ten Ma cho, der Kund ry wie ein Edel zu häl ter be han delt, wes halb sie ihn kur zer hand tö tet. Das ge rech te En de ei- nes Schufts. https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805995/12 1/2
21.4.2021 https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805995/12 Elīna Ga ranča zeigt die se Kund ry als Frau in mitt le ren Jah ren, die wie die Män ner um sie her um auf der Suche nach ei nem Le bens sinn ist. Ga ranča hält sich sin gend und spie lend fern von al len Opern - kli schees, sie sucht in der Schön heit ih res Mez zo so prans die Erlö sung, doch sie wird sie nur in der Lie be fin den, in der Lie be zu Am for tas. Ei ne frü he Li ai son der bei den muss bit ter ge en det sein, Am - for tas versucht sich seit her selbst zu morden, das Blut nässt sein Hemd. Lu dovic Tézier lei det ge fasst, er um kreist sin gend im mer nur die Ver gan gen heit, den Mo ment, in dem sei ne gro ße Lie be zu Kund ry in die Brüche ging, war um auch im mer. Je der Ton lechzt nach Erlö sung, je de Phra se ist mit der Zu- versicht ge tränkt, dass es die se ge ben wird. Der Ton fall macht aus dem „Parsi fal“ ein Werk, das al le Kunst an stren gung aus merzt. Blickt man un ter die aus Chris ten tum, Bud dhis mus, Mit tel al ter kin de - reien und Frauen feind lich keit ge klit ter te Ober flä che, ent deckt man je nen sanft ju beln den Hu ma nis - mus, den die Mu sik aus nur we ni gen Mo tiven dauer geysiert. Und dann kommt er, der Erlö ser, Parsi fal. Bei Se re bren ni kov erscheint da nicht nur Jo nas Kauf mann, son dern auch des sen Dou ble, der ephe ben haft schö ne Ni ko lay Si do ren ko. Kauf mann ist ein in die Jah re ge kom me ner Parsi fal, der die Ge fäng nis in sas sen in die Frei heit der rus si schen Wäl der ent lässt und Kund ry mit Am for tas – durch ih ren Kuss von sei nen Lei den ge heilt – wie der als ge al ter tes Traum paar zu sam men bringt. Kauf manns Parsi fal ist ein Buch hal ter des Glücks, der Glau be an sei ne Mis sion ist ihm ab han den ge kom men. Zu mal Kauf mann auch die se Rol le zuverläs sig wie im mer singt, dun kel im Tim bre, ein we nig her risch und abwei send, in man chen ef fekt voll zu rück ge nom me - nen Hoch tö nen ge quetscht. Kauf mann fehlt al ler Irrsinn, um das Au ßer-der-Welt-Sein des Parsi fal darstel le risch und stimm lich zu be glau bi gen. Parsi fal ist aber kein Mann der Thea ter welt, da er vom Kind di rekt zu ei ner Ema na ti- on Je su mu tiert, in dem er vor Frau, Ero tik und Sex davon läuft. Der Wahnwitz die ses gran dios in Mu- sik um ge setz ten Ge dan kens schim mert bei Kauf mann nie durch. Des halb muss der in Mos kau ge bo - re ne und in Deutsch land le ben de Thea ter- und Film schau spie ler Ni ko lay Si do ren ko als „Der da ma li- ge Parsi fal“ (so steht es auf der Web site der Staats oper), als Kauf manns Al ter Ego an tre ten. Oh ne zu spre chen, oh ne zu sin gen. Al lein durch sein Spiel er füllt Si do ren ko al le Träu me, die Wag ners Parsi fal je im Hö rer geweckt hat. Kein Wun der, dass Elīna Ga rančas Kund ry die sen Jüng ling nicht aus ih rem Kuss frei las sen will. Das Hell sich tig werden im Kuss, das Wag ner fordert, wird im gän gi gen Opern kuss sel ten of fen bar. Hier aber, im Kuss zwi schen der Meis tersin ge rin und dem Groß schau spie ler, wird die ses Mo tiv end- lich nachvoll zieh bar. Hier be greift nicht nur Parsi fal, dass er Am for tas erlö sen muss, das be greift auch Kund ry. Durch die sen Kuss und sei ne Fol gen be freit Se re bren ni kov den „Parsi fal“ von der Au ra der Frauen feind lich keit und der Ero tik pho bie. https://epaper.sueddeutsche.de/webreader-v3/index.html#/805995/12 2/2
22 FEUILLETON V DIE WELT MITTWOCH, 21. APRIL 2021 or sechs Jahren kamen bei serschaft ist sehr breit, weder links noch einem Brand in dem Buka- rechts, sie schlägt die Zeitung auf, um rester Nachtclub „Colectiv“ Sport zu lesen – und bekommt dann auch Eines der Gesichter 27 junge Menschen noch am Investigation präsentiert. der Katastrophe: Ort ums Leben. 37 Schwer- Das Brandopfer verletzte starben in den Wochen danach Von Sportkorruption zum Gesund- Mariana Oprea in Krankenhäusern an Infektionen – heitssystem ist es aber ein ziemlicher zeigte ihre weil, wie Investigativreporter herausfan- Schritt. Wunden öffentlich den, dort ums Zehnfache verdünnte Des- Das kam, weil die gesamte Presse nach infektionsmittel verwendet wurden. Die dem Feuer versagt hat, nicht nachfragte. für zwei Oscars nominierte Dokumenta- Als die Ärzte behaupteten, die Brandop- tion „Kollektiv – Korruption tötet“ er- fer würden gut behandelt, war keiner der zählt die Geschichte dieser Recherche. Journalisten kompetent genug, das infra- Ein Gespräch mit dem in Berlin aufge- ge zu stellen. Tolontan wusste aber mehr, wachsenen rumänischen Regisseur Ale- weil eine Whistleblowerin ihn kontak- xander Nanau (41) über Korruption im tiert hatte. In ihrer ersten E-Mail stand Gesundheitswesen, Corona-Bekämpfung zwar, sie könne ihn nicht ausstehen – To- durch das Militär – und wie ein einziger lontan hat manchmal Meinungen, die to- Film ein ganzes Land verändert hat. tal daneben liegen –, aber außer ihm ver- ALEXANDER NANAU PRODUCTION/ SAMSA FILM/ HBO EUROPE traue sie keinem anderen Journalisten. VON HANNS-GEORG RODEK Ich denke, dass Tolontan und sein Team die moralische Verpflichtung hatten, WELT: Wie läuft das Impfen in Rumä- während einer nationalen Tragödie diese nien? Rolle einzunehmen. ALEXANDER NANAU: Ein bisschen bes- ser als in Deutschland. Es ist jetzt sogar Ja, die Medien: Deutsche Verlage ha- meine Altersgruppe impfbar, die Vierzig- ben nach dem Fall des Kommunismus jährigen. Ich habe auch schon meinen im früheren Ostblock viel aufgekauft. ersten Schuss bekommen, mit Biontech. In Rumänien war es Burda, und sie hat- ten keinen guten Ruf. Was halten Sie vom deutschen Ge- sundheitssystem? Und ansonsten, vermute ich, haben Mein Vater ist Arzt gewesen, ich hatte die Postkommunisten einen großen immer gute Erfahrungen in deutschen Medieneinfluss. Für seine Krankenhäusern. Noch funktioniert es Dan Voiculescu, der größte Mogul, ist je- sehr gut, aber natürlich blicken wir etwas mand, der direkt aus dem Apparat um stark in den Bau neuer Krankenhäuser Ihre Kamera ist scheinbar überall da- junge Demokratie. Es ist ähnlich wie in Dokumentation erstaunt nach Deutschland, weil dort das Ceausescu stammt und von dem bekannt und in die Modernisierung von alten. bei, auf Pressekonferenzen, Redakti- Spanien nach 40 Jahren Franco. Impfen dermaßen schlechter geht als in ist, dass er Zugriff auf die Fremdwäh- Zwei Intensivstationen sind vor Kur- onskonferenzen und selbst bei Treffen „Kollektiv – Korruption vielen anderen Ländern. Davon abgese- rungskonten der Kommunisten hatte. zem in Flammen aufgegangen und Co- mit Whistleblowern. Die EU hat große Probleme, eine Hal- tötet“ kann Alexander hen, werde ich nie verstehen, dass deut- Ihm gehören die größten Fernsehsender, vid-Patienten dabei lebendig verbrannt. Wir haben Tolontan gebeten, vor seinen tung zu den Populisten in Polen und sche Ärzte für Neugeborene empfehlen, und lustigerweise gehörte ihm auch „Ga- Auf Covid-Stationen wird viel mit Sau- Gesprächen mit Whistleblowern fünf Ungarn zu finden. Welche Haltung Nanau am Sonntag die Mütter sollten sie nicht an der Brust zeta Sporturilor“. erstoff hantiert, und ohne die entspre- Minuten mit den Informanten reden zu sollte sie zu Rumänien einnehmen? stillen. Mutterliebe wird ersetzt durch chenden Sicherheitsmaßnahmen ist die dürfen, um sie zu überzeugen, dass wir Wir haben einen Präsidenten, der heißt einen Oscar holen. Sie Pulvermilch. Für mich ist es so was von Ein Vorzeigeobjekt für ihn? Brandgefahr groß. mitfilmen können. Wir haben es bei den Klaus Johannis und gehört zur deut- eindeutig, dass hier eine Industrie Ärzte Sie war erfolgreich. Tolontan hatte das meisten Quellen geschafft – mit dem schen Minderheit. erzählt von dem GAU aufgekauft hat. Talent, eine erfolgreiche Zeitung zu füh- Stimmt es, dass in Rumänien die Co- Versprechen, sie dürften sich den ferti- ren und gleichzeitig Investigation zu ma- vid-Bekämpfung in der Hand des Mili- gen Film ansehen und dann entscheiden, Und hat einen ganz guten Ruf in des rumänischen Der Verdacht von Korruption, wie bei chen. Und er focht Konflikte mit Voicu- tärs liegt? ob sie auftauchen wollen oder nicht. Deutschland. Gesundheitswesens. den deutschen Abgeordneten, die Mil- lescu aus, weil er auch ihn unter die Lupe Die Handhabung der Krise ist aus dem Zum Glück waren all diese Frauen und Aber in Rumänien ist er ein sozusagen lionen an der Vermittlung von Schutz- genommen hat. Die Zeitung wurde in- Gesundheitsministerium ausgelagert Männer mutig und haben zugestimmt. absenter Politiker. Alle wissen, dass es Ein Gespräch über masken verdienten. Wie war das Ver- zwischen verkauft und gehört nun Rin- und dem Militär übergeben worden. Man verlorene Zeit ist, jemanden wie ihn auf hältnis der Rumänen zu ihrem Ge- gier aus der Schweiz. Anscheinend, weil kann sagen, dass die Kampagne so besser Seit dem Beginn der Enthüllungen diesem Posten zu haben. Er ist nur verbal Systemkrisen in sundheitssystem – vor „Kollektiv“? sie nicht mehr genug Gewinn einbrachte. organisiert ist, aber das öffnet auch der sind fünf Jahre vergangen. Ihr Film ein Beschützer der Demokratie, er setzt Ich würde sagen: verlogen. Weil alle wis- Ich glaube, dass Ringier eigentlich Tolon- Korruption Tür und Tor. Anfang des Jah- scheint eine unmittelbare Wirkung ge- offen korrupte Staatsanwälte ein, die Zeiten von Corona sen, dass Schmiergelder gezahlt werden. tan einkaufen wollte, damit er mehr In- res hat Voiculescu Impfdaten veröffent- habt zu haben wie kaum ein anderer wichtige Ermittlungen der Justiz zu Fall Man geht mit einem Briefumschlag zum vestigativteams aufbaut. Sie sind wohl zu licht – aus denen Journalisten ablesen Film, den ich kenne. bringen. Wenn ich hier mit Botschaftern Arzt, und bei manchen schwierigen Ope- dem Schluss gekom- konnten, dass es mehr Hier sind zwei Sachen zu unterscheiden: anderer Länder essen gehe, sagen die rationen an Staatskliniken verlangen men, dass sie am besten geheime Impfstationen die nationale und die internationale mir, dass sie das alles wissen. „Man geht Ärzte sogar, dass die Patienten erst ihre Tolontan mit der gan- gab als öffentliche. Wirkung. Zum Beispiel in der Mongolei, Häuser verkaufen. Ärzte – natürlich gibt zen Zeitung kaufen. wo Journalisten sich ermutigt fühlten, Sterben 30 Jahre nach Ceausescus En- es Ausnahmen – verdienen so viel an Was heißt das? wie Tolontan zu arbeiten und tatsäch- de nicht seine Kader allmählich aus? Schmiergeldern, dass sie gar nicht auf Voiculescu heißt auch Es gab geheime Impfsta- lich erst ihren Gesundheitsminister und Ein System wie das seine erneuert sich mit einem das Konto gucken müssen, wohin ihr Ge- der neue Gesundheits- tionen für die Nomen- dann die Regierung zu Fall brachten. permanent, das hängt nicht von einzel- halt überwiesen wird. Das System minister, der in Ihrem klatura. Militärs, Ge- Der Film ist Ermutigung für Journalis- nen Personen ab. Das Gesundheitssys- stammt aus dem Kommunismus und hat Film ernannt wird. heimdienstler, Politiker ten in Thailand und der Türkei und vor tem ist das beste Beispiel. Es wird immer auch gewisse Vorteile: Man kennt Leute, Die beiden sind nicht konnten sich und ihre allem in Südamerika. In Rumänien ha- noch von den Leuten beherrscht, die aus Briefumschlag kann sie anrufen, um besser behandelt verwandt, aber Vlad Familien dort impfen ben ihn viele Menschen gesehen, vor al- dem Kommunismus kommen, von den zu werden. Nur: Was, wenn eine Krise Voiculescu nennt sich lassen. Es gab deshalb lem junge Zuschauer zwischen 16 und gleichen Professoren, die bestimmen, kommt und alle ihre Connections akti- immer „der gute Voicu- weniger Impstoff für 30. Es ist die Generation, die Antworten wer in welchem staatlichen Krankenhaus vieren? Dann bricht alles zusammen. lescu“, damit die Leute Ärzte, Ältere, Pfleger, braucht: Bleibe ich? Gehe ich? Spannend welche Posten erhält. Aber der Fall „Colectiv“ hat einen Pro- ihn nicht mit dem „bö- Gefährdete. Das war ein auch, was uns Journalisten über die Zahl zum Arzt“ zess der Veränderung ausgelöst. Die Leu- sen“ verwechseln. Vlad großer Skandal, und die der Whistleblower erzählt haben. Als Wie groß ist der Kreis dieser Professo- te stellen die Macht der Groß-Professo- Voiculescu war der Mi- Regierung war gezwun- der Film herauskam, ist die Zahl der ren-Paten? ren infrage, die das System regieren. Es nister einer Technokra- gen, diese geheimen Leute explodiert, die auf sie zukamen, Es sind sechs oder sieben Leute, die die wird anders gewählt, junge Bürgermeis- tenregierung, die nur Zentren für normale von früher zehn pro Tag auf 70, 80, rumänischen Krankenhäuser beherr- ter kommen ins Amt und bekämpfen die ein Jahr amtierte. Er ist Bürger zu öffnen. Die manchmal 120. Die Sehnsucht, in einer schen. Das Netzwerk eines feudalen Sys- Korruption. Die Menschen haben ganz dann in eine der neuen Revanche der Nomen- gerechteren Gesellschaft zu leben, ist tems. Manchmal werden sie erwischt, konkret gemerkt: Wenn die Wahrheit Parteien aus Reformern eingetreten, die klatura bestand darin, dass sie Voicules- groß. Manchmal braucht es nur das Bei- weil sie 10.000 Euro dafür genommen fehlt, bringt uns das um. aus der Privatwirtschaft kommen, weil cu ein Verfahren wegen der Veröffentli- spiel des Mutes Anderer. haben, um einen bestimmten Arzt für ei- GETTY IMAGES FOR ZFF/ FERDA DEMIR sie das für den einzigen Weg halten, die chung geheimer Daten angehängt haben. ne bestimmte Stelle zu nennen – nur die Diese Veränderungen wurden von der Gesellschaft noch zu retten. Diese Partei Begründung des Innenministers: Diese Hat sich die Beziehung der Rumänen Justiz unternimmt selbst dann nichts. In Sportzeitung „Gazeta Sporturilor“ ist nun Teil einer Koalitionsregierung, Geheimzentren seien „wichtige strategi- zu ihrer Presse verändert? Rumänien kann man zehn Jahre lang ver- losgetreten. Ausgerechnet. und so amtiert Voiculescu seit Weih- sche Punkte des Landes“. Blödsinn. Tat- Es gab eine große Kluft des Misstrauens dünntes Desinfektionsmittel an alle Scheint eine Anomalie, aber die Mann- nachten wieder als Gesundheitsminister. sache ist jedenfalls, dass unser Premier- zwischen der Presse und der Bevölke- Krankenhäuser verkaufen, und wenn schaft um Cătălin Tolontan macht seit 25 Seitdem versucht die Gesundheitsmafia, minister sich weigert, einen Lockdown rung. 50 Jahre Diktatur hatten die Kultur man erwischt wird, geht man unbehelligt Jahren mit Herz und Blut investigativen ihn loszuwerden. auszurufen, dass kein einziges Intensiv- des Journalismus zerstört. Nehmen sie nach Hause. Man kann der rumänischen Journalismus. Dafür sind sie bekannt; sie bett frei ist und die Regierung keinen die Filmkritik. 80 Prozent der „Kritiker“ Demokratie erst trauen, wenn sie be- hatten vorher schon zwei Sportministe- Was stört die Mafia an ihm? Alexander Nanau einzigen Mechanismus geschaffen hat, sind bei uns Dilettanten, und die Leute weist, dass ihre Institutionen rechts- rinnen zu Fall gebracht, die dann wegen Es geht vor allem um die Krankenhaus- um der Wirtschaft zu helfen. Das ist Po- folgen denen, die das größte Maul haben. staatlich funktionieren. Was die EU und Korruption ins Gefängnis mussten. Das manager. Die werden von der Politik er- pulismus. Ich sehe keinen Unterschied Erst allmählich, mit dem Reisen und dem Viktor Orban angeht: Es ist die Mit- ist das Clevere an dieser Zeitung. Die Le- nannt, das will er ändern. Er investiert zu Leuten wie Bolzonaro. Studieren im Westen, formt sich eine schuld der EU, dass er da ist, wo er ist. Der Heilige Gral ist auch bloß ein Blechnapf E Aus seinem Moskauer Hausarrest inszeniert Kirill Serebrennikow an der Wiener Staatsoper Wagners „Parsifal“. Die Welt darin ist ein Gefängnis und es gibt zwei Parsifals ine schrecklich futuristische Dys- gen des spätromantischen Notenhexen- den-Opus zeigte, nur im Radio sendete, tiven, der mal Tragödie, mal Satire sein Parsifal, der jüngere, ist übrigens kein rei- erschossen. Der hatte sich ihr, der Star- topie: Ein seit Jahren von einem meisters. Es ist aber unser aller Pande- schon. Zensur? Österreich halt. will, allerdings nicht. Er mag provokativ ner Tor, der im ersten Akt zum Schwanen- reporterin des Hochglanzmagazins Unrechtsstaat in Geiselhaft ge- mie-Theaterwirklichkeit; wobei die real Über das sicherlich vor allem musika- sein, gleitet immer wieder auch ins Zyni- töter wird, sondern ein Menschenmörder, „Schloss“, in der Redaktionsstube zwi- nommener Regisseur inszeniert aus sei- existierenden Verhältnisse des Kirill Se- lisch manipulierte TV-Endergebnis lässt sche ab. Aber mit der dramatischen Ge- der einem Albino, der sich ihm in der schen Cognacschwenker und Monitor zu ner viele Tausend Kilometer entfernten rebrennikow durch die Pandemie noch sich sagen: Es sah gut aus, fesselte selbst schlossenheit der großen jüngeren „Par- Knastdusche unsittlich nähert, mit einer sehr genähert. Isolation Richard Wagners melancho- einmal gleichzeitig verschärft und auf am Computer, die Schnittbilder waren sifal“-Inszenierungen von Stefan Her- Rasierklinge die Kehle durchschneidet. Wie sie sich in #MeToo-Manier wie- lisch-mythischen Bühnenabschied „Par- die Bedingungen der Restmenschheit viel sorgfältiger komponiert als in der heim, Christoph Schlingensief oder Dmi- Das nimmt man freilich nur als Video- derum Parsifal, der sich nackt macht für sifal“ in einem leeren Opernhaus. überhöht wurden. Denn wir alle sind längst allfälligen Stream-Routine. tri Tcherniakow kann er kaum mithalten. film auf einem Leinwand-Triptychon die Pin-ups, die Kundry ständig von ihm seit einem Jahr nur noch Kulturzaungä- Serebrennikow, von Putins Richtern Auf dieser Bühne könnte auch Beetho- über der Szene wahr. Überhaupt ver- und den anderen Mucki-Insassen VON MANUEL BRUG ste in Dauerquarantäne. zu einer dreijährigen Bewährungsstrafe vens „Fidelio“ oder Janáceks „Aus einem wischt sich hier viel, kausal, temporär schießt. In Wien sucht man vermutlich – Sonntag vor einer Woche also hatte wegen „Unterschlagung“ verurteilt und Totenhaus“ spielen. Wir sehen – Sere- wie örtlich. Der dritte Akt, an dem der äl- criminal chic is the new heroin chic – Und das stark bearbeitete Ergebnis nun an der Wiener Staatsoper – als letzte nach wie vor ohne Pass, konnte diesmal – brennikow ist auch sein eigener Ausstat- tere Parsifal dann auch aktiv teilnimmt, „Richard’s next Parsifal Model“. Die Pa- flimmert für die ehrfürchtig-ergebene und wichtigste von nur zwei Neuproduk- statt über Kassiber-USB-Sticks immer- ter – als Gralsburg Montsalvat wenig soll nämlich Jahrzehnte später spielen. role „durch Mitleid wissend“ ist irgend- Anhängergemeinde erst mit gehöriger tionen der frisch installierten Opernlei- hin via Zoom in von seiner Wohnung aus überraschend ein Gefängnis. Wird hier Denn natürlich gilt im Kerker ganz be- wie abhandengekommen. zeitlicher Verzögerung samt einer Sperr- tung – Serbrennikows „Parsifal“-Deu- auf die Wiener Probebühne zugeschaltet Heil gereicht, gar erlöst? Nein, am Ende sonders: „Zum Raum wird hier die Zeit.“ Das sieht alles stylish aus, rätselt we- frist für die Presse über die Kultursen- tung „Premiere“. Aber was heißt das – inszenieren. Willkommen in der neuen gehen einfach alle Insassen bis auf Parsi- Deshalb wird auch Kundry in dieses nig und rührt keine Sekunde. Wohl auch, derbildschirme. schon? Man spielte, und die Arte/ORF- Homeoffice-Opernwelt! Seiner straffen, fal vor die Tür. Glaubensgefängnis eingeliefert, wo Wär- weil am Pult Wiens Opernmusikchef Das könnte eine Szene aus einem Kameras liefen mit, ein paar Lokaljour- facettenreichen Personenführung kam Parsifal gibt es übrigens zweimal. In ter mal kurz einen Blechpott aus einem Philippe Jordan sich jeglicher Andacht Andrei-Tarkowski-Film sein, „Solaris“ nalisten konnten dabei sein. das sicherlich zugute. Gestalt des mittelalten, vornehmlich die geöffneten Häftlingspackerl hochhalten, und (Schein-)heiligkeit verweigert, nach meets „Stalker“ mit einem Hauch Die durften allerdings, anders als bei Nur, was hat er zu erzählen in seinem Hände ringenden Tenorstars Jonas Kauf- wenn vom Gral die Rede ist. zähem Vorspiel hurtig und sachlich „Nostalghia“, geklont mit „Opfer“. ähnlichen Gelegenheiten, bis zur Aus- „Parsifal“? Vieles und gar nichts, sehr mann, der kontrolliert und klar die kürze- Kundry, die Rollendebütantin Elina klangfein vorwärtsdirigiert. Ein neuer Schwarz-Weiß-Bilder von Einsamkeit sendung der wiederum aus drei (Vor-) Persönliches aus seiner gegenwärtigen ste aller Wagner-Titelpartien absolviert, Garanca als aschblonde Frau mit sexy Wiener „Parsifal“ als sinnfrei schöne und verlassenen Kirchenruinen, Aufführungen zusammengestückelten Lebenssituation als allzu private Märty- wie als sehnig-schönen, gern halb nack- Höhen und gurrender Mittellage, hat Opernleich. Dystopisch. Schnee, Kälte, Verlorensein, umwabert Aufzeichnung nichts berichten. Der ORF, rergeschichte. Sonderlich kohärent wirkt ten, dabei stummen Jüngling (der russi- nämlich zuvor ihren Chefredakteur von den süchtig chilligen Drogenklän- der zwar nie das komplette Vier-Stun- dieser Zettelkasten an Einfällen und Mo- sche Schauspieler Nikolay Sidorenko). Klingsor (abgesungen: Wolfgang Koch) T Bis 17. Juli auf arte concert abrufbar © WELTN24 GmbH. Alle Rechte vorbehalten - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exclusiv über https://www.axelspringer-syndication.de/angebot/lizenzierung
21.4.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 21.04.2021 Ein Leuchtturm in der Finsternis Die Regisseurin Deborah Warner darf am Teatro Real die Oper „Peter Grimes“ von Benjamin Britten vor Publikum zeigen. Von Hans-Christian Rößler, Madrid Zutiefst verzweifelt hüllt er den toten Jungen in ein graues Netz. Peter Grimes, groß wie ein Bär, kann das zierliche Kind kaum tragen. Verletzlich und zerbrechlich wirkt der bärtige Fischer in seinem Schmerz. Das kalte Mondlicht macht sein Leid noch schwerer. „Moon- light“ heißt das fünfte Orchesterzwischenspiel, das ohne ein gesungenes Wort ins Herz der Madrider Inszenierung führt: Peter Grimes, das Opfer. Gefangen in einem Netz von Hoff- nungen und Selbstüberschätzung, in den Selbstmord getrieben von Dorfnachbarn, die ihn nach dem Tod seiner beiden Lehrlinge erbarmungslos hetzen. Benjamin Brittens „Peter Grimes“ ist eine finstere Oper. Doch die bewegende Inszenierung von Deborah Warner strahlt wie ein Leuchtturm in die Covid-Opernwelt. Das „Teatro Real“ wagt sich ein weiteres Mal vor – und trotzt der Pandemie eine am Montagabend mit Ovatio- nen umjubelte Produktion ab, die mehr als einmal vor dem Scheitern stand. Schon im vergangenen Juli war das Madrider Opernhaus ein Pionier, als es wieder zu spielen begann und seitdem nicht mehr aufhörte. Im Februar hatte dort Richard Wagners „Siegfried“ mit fast neunzig Musikern Premiere. In „Peter Grimes“ ist der Chor einer der Protagonisten. Während auch in Madrid die Corona-Zahlen wieder deutlich steigen, spielen seine gut sechzig Sänger auf der Bühne eine Hauptrolle. Perfekt choreographiert, bewegt der Chor sich agil wie ein Fischschwarm: Er weicht ängstlich zurück, um sich im nächsten Augenblick zu einer menschlichen Mauer aufzubauen. Zusammen mit den Sängern und zusätzlichen Schauspielern sind zeitweise mehr als achtzig Menschen auf der Bühne. Bis auf die Hauptdarsteller tragen sie Masken, aber in den kurzen Momenten, in denen alle schweigen, kann man sie atmen hören – und die Aerosolwolken ahnen, die über ihnen aufsteigen. Anfang April erweckte die spanische Presse den Eindruck, als habe die neue Covid-Welle auch das Teatro Real überrollt. 24 Infektionen wurden gemeldet, auch im Chor und unter den Sängern. Die Theaterleitung, die schon mehr als 1,2 Millionen Euro für den Infektions- schutz ausgegeben hatte, entschied sich für eine Notbremsung. Die Proben wurden für eine Woche gestoppt, bis alle wieder gesund waren. Mit massiven Tests und skrupulöser Nach- verfolgung bekam man die Lage wieder unter Kontrolle. „An manchen Tagen wünschte ich mir ein anderes Werk von Britten. Ohne Chor und mit weniger Sängern“, gesteht die Regisseurin Deborah Warner ein. Die Pandemie war für die Britin und ihr Team, die 2017 in Madrid schon „Billy Budd“ inszenierten, nicht die einzige Herausforderung. „Erst verzögerte sich wegen der neuen Brexit-Bürokratie der Probenbe- ginn. Dann haben wir wegen Covid die Premiere dreimal verschoben. So etwas passiert sonst nie in der Oper. Von Anfang an mussten wir unglaublich anpassungsfähig sein.“ Oft wusste sie nicht, mit wem sie überhaupt arbeiten würde. In Madrid hatten sie Glück: Die https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 1/2
21.4.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 Infektionen verliefen mild, aber einige Künstler mussten sich bis zu drei Wochen gedulden, bis ihre Tests wieder negativ waren. Covid nötigte der Regisseurin jedoch keine künstleri- schen Kompromisse ab, während es für die Sänger dauerhafte Härten bedeutete. Bis zu den letzten Bühnenproben mussten alle einen Mundschutz tragen. Nur die Hauptdarsteller dürfen ihn während Aufführung abnehmen. Aber alle wollten auf die Bühne zurück und ließen sich nicht aufhalten. „Das Teatro Real ist ein Modell, dem hoffentlich mehr Häuser folgen werden. Ich bezweifle nicht, dass sie es gerne tun würden. Aber dafür ist eine Regierung nötig, die sie dabei unterstützt, wie es die Behörden in Madrid leidenschaftlich getan haben, denn schon Kosten und Logistik sind in Covid-Zeiten immens“, sagt Deborah Warner, die mit ihren zum größten Teil britischen Künstlern und Mitarbeitern gleichzeitig an einer völlig neuen zweiten Front zu kämpfen hatte. Wegen des Brexits mussten sie für Spanien auf einmal Arbeitsvisa beantragen. Statt sich mit Brittens Partitur zu beschäftigen, mussten sie Berge von Dokumenten beibrin- gen und sahen sich mit einer völlig überforderten Bürokratie konfrontiert. „Bisher kannten wir das nur, wenn wir in Russland und den Vereinigten Staaten arbeiteten, aber nicht in Europa. Es ist skandalös und nachlässig, wie die britischen Brexit-Unterhändler Leute wie uns schlicht vergessen haben“, klagt Deborah Warner. Das stelle die Existenz freiberuflicher britischer Sänger und Musiker in Frage. Denn sie leben auch davon, dass sie kurzfristig auf dem Kontinent einspringen – etwa bei Britten-Opern, bei denen Briten schon wegen ihrer Muttersprache die erste Wahl sind. Auf der Bühne sind es in Madrid verarmte Engländer in schäbiger Alltagskleidung, die an der rauhen Küste im Südosten ihres Landes um ihr wirtschaftliches Überleben kämpfen – so wie die Menschen aus dem neunzehnten Jahrhundert, die George Crabbe in „The Borough“ beschreibt; auf dem Gedicht basiert das Libretto. Vorbild in Madrid ist das Küstendorf Jaywick Sands, offiziell einer der „am meisten benachteiligten Orte“ Englands. Die Lichtregie lässt die Dorfbewohner trotzdem nicht zur amorphen Masse verschmelzen, sondern arbeitet die einzelnen Gesichter heraus. Das gilt umso mehr für die Charaktere der durchweg exzellenten Hauptfiguren, allen voran, der junge Tenor Allan Clayton (Peter Grimes) – stimmlich und schauspielerisch ebenso überzeugend wie die Sopranistin Maria Bengtsson als Ellen Orford, die um die verlorene Seele des Fischers kämpft. Vergeblich hofft sie darauf, dass die gemeinsame Sorge um den zweiten Jungen ihre Beziehung rettet. In diesen Augenblicken wird die große Oper zum tragischen Kammerspiel, das das Orches- ter unter Ivor Bolton einfühlsam begleitet, um wenig später einen wilden Sturm zu entfa- chen. Für Deborah Warner geht eine „außergewöhnliche gemeinsame Reise“ zu Ende. Nach ihrer Rückkehr müssen alle Briten erst einmal zehn Tage in Quarantäne. In London wird „Peter Grimes“ in Covent Garden nächstes Jahr zu sehen sein, danach in Rom und Paris. In Madrid endete die Arbeit mit einer einsamen Premierenfeier. Nur über Zoom konnten alle mit einem Glas Champagner anstoßen. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 2/2
21.4.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 21.04.2021 Ein fragwürdiger Kolonialwarenhandel Jane Austen trank Tee und aß Zucker – ist sie damit ein Fall für Black Lives Matter? / Von Gina Thomas, London Das Jane-Austen-Museum in dem kleinen Haus in Hampshire, das die Schriftstellerin in den letzten acht Jahren ihres Lebens bewohnte, ist das jüngste in einer langen Reihe briti- scher Institutionen, die sich mit der Ankündigung überschlagen, ihre Sammlungen im Lichte der Black-Lives-Matter-Bewegung überprüfen zu wollen. Jane Austens Beziehungen zur Sklaverei und ihre Stellung im Kolonialismus der Epoche sollen im Rahmen eines „steti- gen und wohlüberlegten Prozesses der historischen Befragung“ unter Heranziehung von Interessengruppen und Fachleuten neu bewertet und aktualisiert werden, teilte Lizzie Dunford, Direktorin des Jane-Austen-Haus-Museums jetzt dem „Daily Telegraph“ mit. Sie sprach von der Einbettung des Denkens über das Empire und den Sklavenhandel in die Planung künftiger Darbietungen und Interpretationen. Als Beispiele für die persönliche Verstrickung der Autorin von „Stolz und Vorurteil“ in die koloniale Ausbeutung nennt die Direktorin Jane Austens Vorliebe für Tee, Zucker und Baumwolle, Produkte des Empires, deren Konsum veranschauliche, wie jede bemittelte Familie mit dem Sklavenhandel in Kontakt gestanden habe. Jane Austen hatte in der Tat mehrere familiäre Beziehungen zu den westindischen Koloni- en. Zwei Vetter hatten sich dort niedergelassen, ein Onkel hatte die Erbin eines Besitzes in Barbados geheiratet und ihr jüngerer Bruder die Tochter eines ehemaligen Kronanwaltes Bermudas. Ihr Vater war zudem Treuhänder der Zuckerplantage eines Oxforder Freundes auf der karibischen Insel Antigua. Das erklärt, weshalb in „Mansfield Park“, einem der Romane, die sie an dem kleinen Walnusstisch am Fenster des Esszimmers verfasste, gerade diese Insel, deren von Sklaven geerntete Bodenschätze wohl die Mittel für das titelgebende Anwesen hergaben, eine Rolle spielt. Auf der Plusseite führt Lizzie Dunford Jane Austens Sympathien für den Abolitionismus an, die ebenfalls in ihren Romanen Niederschlag finden, am auffälligsten in jener Passage von „Mansfield Park“, in der die junge Protagonistin Fanny Price ihren gerade von seinen Besitz- tümern auf Antigua zurückgekehrten Onkel nach dem Sklavenhandel fragt. Sie stößt am Familientisch auf Totenstille. Fanny erzählt ihrem Vetter Edmund, sie hätte gern weitere Fragen gestellt. Aus dem Schweigen und offensichtlichen Desinteresse der anderen Cousi- nen habe sie jedoch geschlossen, „es würde so aussehen, als setze ich mich auf ihre Kosten in Szene, wenn ich ein Interesse zeigte, das er doch vor allem in seinen eigenen Töchtern erwecken möchte“. Diese Szene und die Ursprünge des Reichtums von Fannys Onkel Sir Thomas Bertram sind spätestens seit Edward Saids Reflexionen über Jane Austen und das Empire in seinem 1993 veröffentlichten Buch „Culture and Imperialism“ Gegenstand lebhafter literaturwissen- schaftlicher Debatten. Daran zeigt sich die Unwissenheit, die dem in der gegenwärtigen Auseinandersetzung über den Kolonialismus erhobenen Vorwurf zugrunde liegt, dass diese Fragen bislang wie jene der Fanny Price in „Mansfield Park“ totgeschwiegen worden seien. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 1/2
21.4.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 Edward Said beschuldigte Jane Austen zwar der Komplizenschaft mit dem Empire, indem sie bei aller Kritik an der Sklaverei die Bedeutung der Kolonien für die Komforts im Mutter- land für selbstverständlich halte. Dennoch warnte er vor der Rhetorik der Schuld, der sich „subalterne“ Stimmen oft bedienten, wenn sie Jane Austen oder ihresgleichen nachträglich angriffen, weil sie „weiß, privilegiert, unsensibel, mitschuldig“ seien. Genauso fehlgeleitet ist die Absicht des Jane-Austen-Museums, einen Aushang mit dem Titel „Black Lives Matter to Austen“ zu zeigen, als hätte sie ihre Welt mit den Augen von heute gesehen. https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 2/2
21.4.2021 Berliner Morgenpost KULTUR SEITE 9 | MITTWOCH 21. APRIL 2021 Der letzte Generalmusikdirektor des Kaisers Komponist und Dirigent Leo Blech prägte Jahrzehnte lang das Berliner Musikleben. Das Ständchen zu seinem 150. Geburtstag muss aber ausfallen Zwei befreundete Generalmusikdirektoren beim Opernball in der Krolloper: Leo Blech und Erich Kleiber (r.) 1931. Repro: Friedhelm Hoffmann Von Volker Blech Eigentlich hatten Musiker der Berliner Staatskapelle geplant, am heutigen 150. Geburtstag ihres einst berühmten Generalmusikdirektors Leo Blech ein Ständchen im Hof seines Wohnhauses an der Mommsenstraße 6 zu spielen. Aber es ist gerade keine gute Zeit für Hofkonzerte, nicht einmal für Kammermusik. Es gibt ein historisches Foto von 1931, das zeigt, wie Bläser der Staatsoper in jenem Hinterhof unter Leitung von Erich Kleiber zu seinem 60. Geburtstag aufspielten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/905/articles/1338271/9/9 1/3
21.4.2021 Berliner Morgenpost Am 21. April 1871 war Leo Blech als Sohn eines Pinsel- und Bürstenfa- brikanten in Aachen geboren worden. Zunächst lernte er bei einem Tuch- händler, begann aber 1891 sein Kompositions- und Klavierstudium an der Charlottenburger Musikhochschule. Zwei Jahre später kam in Aachen seine erste Oper „Aglaja“ heraus. Als Kapellmeister absolvierte er die üb- liche Ochsentour, brachte bereits 1903 Eugen d’Alberts „Tiefland“ und zwei Jahre später seine eigene Oper „Aschenbrödel“ in Prag zur Urauffüh- rung. 1906 wurde er an die Berliner Hofoper verpflichtet. Und wurde ein Stardirigent. Während einer „Aida“-Vorstellung 1913 ließ der Monarch ihn in seine Loge rufen und ernannte ihn zum Königlich-Preußischen Ge- neralmusikdirektor auf Lebenszeit. Er war der letzte GMD des Kaisers, denn Großreiche enden, und Titel auf Lebenszeit sind meist nur symbolisch. Vor einigen Jahren hat der Hamburger Historiker Hannes Heer herausge- funden, dass die erste SA-Gruppe an der Staatsoper eine „Judenliste“ für die Zeit nach der Machtübernahme erstellt hatte. Leo Blech stand an erster Stelle. Zunächst wurde der international berühmte Dirigent von Göring im Amt geschützt, 1937 erfolgte die Zwangspensionierung. Die Emigration führte ihn nach Riga, nach der Besetzung Lettlands durch die Nazis und drohender Inhaftierung folgte mit Billigung Görings eine abenteuerliche Flucht der Blechs nach Schweden. Am Königlichen Opernhaus in Stock- holm begann er eine Alterskarriere, er wurde dort als Verdi- und Wagner- dirigent geschätzt. Geblieben war seine Sehnsucht nach Berlin. Tragischerweise erreichte Leo Blech 1945 ein Schreiben zu spät. Bereits zwölf Tage nach Kriegsende hatte Intendant Heinz Tietjen einen Brief verfasst, wonach er von General- oberst Bersarin beauftragt worden wäre, das Opern- und Konzertleben ein- schließlich der Philharmoniker neu aufzubauen. Blech war seine erste Wahl. Aber dessen Rückkehr zog sich bis 1949 hin. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/905/articles/1338271/9/9 2/3
21.4.2021 Berliner Morgenpost Eines seiner altersmilden Schreiben aus jener Zeit, in denen der Briefkopf ihn als „Professor Leo Blech, Generalmusikdirektor der Städtischen Oper“ ausweist, hängt daheim in meinem Büro. Handschriftlich hat er drei Noten eingefügt. Es ist das berühmte „Fanget an!“ aus Walter von Stolzings Arie in Wagners „Meistersinger von Nürnberg“. Leo Blech hatte sich – trotz seiner Erfahrungen als Jude in der Nazizeit – immer als Verfechter der deutschen Kultur, wozu auch das Opernwerk des Antisemiten Wagners zählt, verstanden. Er starb 1958 in Berlin und wurde auf dem Friedhof Heerstraße beerdigt. Das Land Berlin hat sein Ehrengrab 2013 aufgelöst. Berliner Morgenpost: © Berliner Morgenpost 2021 - Alle Rechte vorbehalten. https://emag.morgenpost.de/titles/bmberlinermorgenpost/10120/publications/905/articles/1338271/9/9 3/3
21.4.2021 https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937684/12-13 Mittwoch, 21. April 2021, Berliner Zeitung / Spenden und Stipendien für Musiker in Not Die Deutsche Orchester-Stiftung will freischaffende Musikerinnen und Musiker in der Pandemie mit Stipendien unterstützen. Mit der Spenden‐ kampagne #MusikerNothilfe sind seit vergangenem Jahr rund 5,1 Millio‐ nen Euro zusammengekommen. Davon seien rund zwei Millionen Euro bis Februar als Nothilfen für mehr als 3500 notbedürftige Freischaffende ausgezahlt worden, teilte die Stiftung am Dienstag in Berlin mit. Nun sol‐ len zusätzlich 1400 Stipendien vergeben werden. Die Spendenkampagne läuft währenddessen weiter, weil noch Hunderte Anfragen auf der Warte‐ liste stehen. (dpa) https://epaper.berliner-zeitung.de/webreader-v3/index.html#/937684/12-13 1/1
21.4.2021 https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 F.A.Z. - Feuilleton Mittwoch, 21.04.2021 Scala stellt gleich Die Mailänder Scala will sich für die Gleichstellung der Geschlechter starkmachen. Das hat Intendant Dominique Meyer bestätigt: „Wir müssen an der Gleichstellung der Geschlechter arbeiten, an den Gehältern, am professionellen Umgang“, sagte Meyer gegenüber der Nach- richtenagentur Ansa und kündigte an, bis zum Sommer einen Verhaltenskodex zu erstellen, um die Würde der Mitarbeiterinnen zu schützen. Zudem soll die Präsenz von Frauen auf der Bühne und im Organigramm des Theaterhauses verstärkt werden. Eine Quote ist nicht geplant. Inwiefern Frauen sich derzeit Diskriminierungen ausgesetzt sehen, werde gerade in einer ersten internen Bestandsaufnahme erhoben. Nach Ansicht des Intendanten hat die Scala jedoch schon einige Schritte in die richtige Richtung gemacht. So gebe es etwa keinen Widerstand mehr innerhalb des Orchesters, wenn eine Frau es dirigiert. Das nächste Konzert der Scala, das am 23.April per Stream übertragen wird, leitet die Dirigentin Susan- na Mälkki. kkr https://zeitung.faz.net/webreader-v3/index.html#/466825/14 1/1
21.4.2021 Why Is It So Hard to Show Black Women’s Musical Genius Onscreen? - The New York Times https://www.nytimes.com/2021/04/20/movies/ma-rainey-billie-holiday.html CRITICʼS NOTEBOOK Why Is It So Hard to Show Black Womenʼs Musical Genius Onscreen? Oscar-nominated performances this season put the emphasis on the trauma, not the artistry, of Billie Holiday and Ma Rainey. The most insightful movie might just be “Soul.” By Salamishah Tillet April 20, 2021 Oscar history has been made, again. For just the second time, two Black women — Viola Davis (“Ma Rainey’s Black Bottom”) and Andra Day (“The United States vs. Billie Holiday”) — are nominated for best actress in the same year. This last happened in 1973 when Cicely Tyson (“Sounder”) and Diana Ross (“Lady Sings the Blues”) were up for the Academy Award, only to lose out to Liza Minnelli for her starring role in “Cabaret.” While we do not know who will take home the gold statue on Sunday, it is undeniable that Davis and Day gave two of the most mesmerizing performances of the year. Despite the fact that it has taken almost 50 years for Oscar history to repeat itself, I hope these nominations indicate a more substantive change in Hollywood, an increase in the number of multidimensional roles offered to Black actresses as well as wider recognition of their standout performances by the academy. But my optimism is also tempered. As much as Hollywood is changing, the way it tells the story of Black women’s musicality still lags behind. For while Davis and Day should be lauded for their exemplary work, their movies overemphasize the trauma and diminish the artistic genius of the icons they embody, Ma Rainey and Billie Holiday. In some ways, this is a genre problem. Far too many films about music relegate actual processes of music-making — song composition and arrangements, studio sessions and band rehearsals, an experimentation with sounds and a honing of craft — to the background, preferring to focus on the psychological and social struggles that artists face. Angela Bassett voices Dorothea Williams in the Pixar film “Soul.” Disney/Pixar Both “Ma Rainey’s Black Bottom” and “The United States vs. Billie Holiday” represent the singers more as victims of their social circumstances than virtuosos, potentially obscuring the contributions of two of the most innovative, influential American figures to ever sing onstage. Based on the August Wilson play of the same title, “Ma Rainey’s Black Bottom” takes place during a single recording session in which Rainey, known in the 1920s as the Mother of Blues, strives to maintain artistic control and authority over her all-male band and production team, while she staves off her own anxiety that the phonograph’s new technologies and jazz’s rising popularity will make her obsolete. The movie ends by validating some of Rainey’s concerns; a white band does record the song instead of hers. But the other conflict remains unresolved: her battle with Levee (Chadwick Boseman), an ambitious cornet player, over the direction of their art. Levee and Rainey’s white producer venerates his compositions as more sophisticated, modern and cosmopolitan than her blues (which Levee derides as “jug-band music”), marking an important historical rupture: the moment that Blues singers like Rainey, or later Bessie Smith, were considered subordinate to rather than the forerunners of the virtuoso Black male jazz instrumentalists. https://www.nytimes.com/2021/04/20/movies/ma-rainey-billie-holiday.html 1/3
21.4.2021 Why Is It So Hard to Show Black Women’s Musical Genius Onscreen? - The New York Times Likewise, “The United States vs. Billie Holiday” doesn’t spend much time revealing what made Holiday’s style so original — her musical phrasing, her mellow timbre, her intimate mastery of the microphone onstage and in the studio — and so influential to artists as diverse as Frank Sinatra, Ray Charles and Nina Simone. Instead, it revels in Holiday’s addiction, her abusive male partners and the lingering effects of being raped at a young age. “Billie Holiday was one of our most innovative artists,” Farah Jasmine Griffin, the author of “If You Can’t Be Free, Be a Mystery: In Search of Billie Holiday,” told me. “Certainly she requires a kind of innovative and experimental representation to tell her story. But, there’s often a refusal with women artists, especially with Black women, to do that in film. It’s easier to talk about pathology actually.” The movie is ostensibly about how the anti-lynching anthem “Strange Fruit” became so inseparable from Holiday’s career that she was under constant F.B.I. surveillance. But we never fully understand why it is her version that endures. “That song had a life before her, but the reason why it became famous is that she agrees to sing it and interprets it in a certain way,” Griffin said. The film doesn’t go into any of that, she noted, “and that’s where the courage is, right?” The tension between Black women’s personal traumas and their musical talent also drives much of the plot in National Geographic’s television mini-series, “Genius: Aretha” (starring Cynthia Erivo) and the HBO documentary about Tina Turner, “Tina.” The themes of sexual assault and domestic violence are present in Aretha Franklin’s story. (Both “Genius” and “The United States vs. Billie Holiday” were written by the Pulitzer Prize-winning playwright Suzan-Lori Parks.) But it is Franklin’s musical precocity, not her pain, that is the basis of this mini-series, her exceptionality and her vulnerability. In the mini-series, one way her father, the well-known Rev. C.L. Franklin, nurtures his daughter’s vocal dexterity and piano skills is by taking her on the road, exposing her to his own brilliant preaching style and to great gospel singers like Clara Ward. But on tour, the minister is distracted by sex parties and often leaves his daughter defenseless against sexual advances by older men. In reality, Aretha Franklin never publicly disclosed the details that led to her giving birth to her first child at age 12, and a second one at 15. In the mini-series, these pregnancies remain shrouded in silence, and are treated mainly as events that neither she nor her family dwells on as she goes on to share her unparalleled gifts of music with the world. At first, “Tina” treads on narrative territory similar to that of the 1993 biopic “What’s Love Got to Do with It” (for which Angela Bassett was nominated for an Oscar for best actress). The first half of this documentary focuses on Turner, born Anna Mae Bullock, learning how to sing as a teenager in a Black Baptist church, joining Ike Turner’s band in the late 1950s and surviving the extreme emotional abuse and violence that he, as her husband and musical partner, inflicted on her for more than 16 years. But midway through, the film flips this familiar story on its head. Tina Turner repeatedly emphasizes how much work she has done to overcome her past trauma and reveals how the media focus on her as a survivor of abuse is so limiting to her and her musical legacy. The boldness of her comeback, which included her first solo album, “Private Dancer” in 1984, and her singular blend of grit, gospel and gravelly vocals have been repeatedly erased, Turner reminds us, by interviewers. In the 45 years since she left Ike, they have asked more often about her relationship with him than her musical inventiveness. Ultimately, it is another Oscar-nominated film that offers up the most unencumbered depiction of Black women’s musical virtuosity: “Soul,” the animated Pixar film, with its revered jazz saxophonist Dorothea Williams (coincidentally voiced by Bassett). Partly because we know so little of her back story, she comes across as an icon, and is the musician whom the film’s protagonist, the pianist Joe Gardner, most wants to play with and emulate. “There is an unspoken narrative in jazz that the men play the music and the women sing,” Terri Lyne Carrington, a jazz drummer and founder of the Berklee Institute of Jazz and Gender Justice, told me. “But, in ‘Soul,’ we can actually hear Dorothea’s virtuosity as both a saxophonist and as a bandleader.” Carrington — who was only 11 when Ella Fitzgerald told Oscar Peterson he needed to hear Carrington play — was also a consultant for “Soul.” But she insists that the Pixar character was already exceptional before she came on board the project, making the film’s invention of Dorothea an even more radical addition to Hollywood’s jazz canon. “She’s the future,” Carrington said. “What they did was make us imagine the future. Because there’s not a woman right now that every young dude wants to play with as an instrumentalist. And I dare say that there really never has been. That was transformative.” https://www.nytimes.com/2021/04/20/movies/ma-rainey-billie-holiday.html 2/3
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