PRESSE-INFORMATION - Musée Würth
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Presse-Information Kontakt Marie-France Bertrand Leiterin Handy + 33 (0)6 24 57 00 22 marie-france.bertrand@wurth.fr Alan Sabini Presse und Werbung Handy + 33 (0)6 86 44 71 53 alan.sabini@wurth.fr Musée Würth France Erstein Z.I. ouest / rue Georges Besse / BP 40013 / 67158 Erstein cedex / France tél. + 33 (0)3 88 64 74 84 / mwfe.info@wurth.fr / www.musee-wurth.fr
Inhalt Pressemitteilung S. 4 2020-2021: Frankreich, von Christo verhüllt S. 5 Zur Ausstellung des Musée Würth in Erstein S. 6 Christo und Jeanne-Claude: eine vierhändige poetische Geste S. 9 Ein besuchernahes Museum S. 11 Ausstellungskatalog S. 12 Bildmaterial S. 13 Praktische Informationen S. 15
Pressemitteilung Das Musée Würth in Erstein (Bas-Rhin, Frankreich) widmet Christo zuteilwerden. Die von Christo signierten gezeichneten Spuren sind lediglich einem kleineren Kreis bekannt und und Jeanne-Claude eine umfangreiche Retrospektive vom 12. Juli dennoch maßgeblich für die konkrete Umsetzung ihrer 2020 bis zum 20. Oktober 2021 dank des außergewöhnlichen Fundus Installationen. der Sammlung Würth. Diese richtiggehenden Kunstwerke – oftmals großformatige Bilder, welche topographische Karte, Seinem Qualitätsansatz abseits der ausgetretenen Pfade Foto, Pläne und Projektzeichnung, versehen mit treu bleibend, knüpft das Musée Würth Erstein südlich Notizen und häufig sogar mit einem Stoffmuster von Straßburg an die aufsehenerregende Verhüllung miteinander verbinden– zeugen vom oftmals in des Triumphbogens durch Christo (18. September-3. Jahrzehnten gemessenen Schöpfungsprozess eines Oktober 2021) an, indem es die außerordentliche, unvergleichlichen Künstlerpaares. Sie regen ebenfalls jedoch kaum bekannte zeichnerische Begabung des aus dazu an, monumentale Werke, von denen man häufig nur Bulgarien stammenden und vor kurzem (31. Mai 2020) die ebenso beeindruckende wie temporäre Endfassung verstorbenen amerikanischen Künstlers beleuchtet. kennt, „an der Wand“ und nach menschlichem Maßstab, Fotos der vollendeten Projekte gegenübergestellt auf Die Retrospektive Christo und Jeanne-Claude (1958- ganz andere Weise zu betrachten. 2019). Sammlung Würth, welche das elsässische Museum vom 12. Juli 2020 bis zum 20. Oktober 2021 vorstellt, bietet den Besuchern die Möglichkeit, sich Der außergewöhnliche Fundus der Sammlung Würth ein Werk besser zu eigen zu machen, welches die Diese vorbereitenden Arbeiten, welche sich sowohl Kunstlandschaft und die kollektive Vorstellung des in die Tradition des gezeichneten Faltenwurfs als 20. und 21. Jahrhunderts geprägt hat. Zeichnungen, auch in die Moderne einreihen, sind ebenfalls seit Skizzen, Entwürfe, Collagen und Modelle ließen die langem eine maßgebliche Ressource des Paares für die herausragenden Projekte der Laufbahn des Paares von Eigenfinanzierung seiner Installationen. 1958 bis 2019 ahnen, verfochten und veranschaulichten sie: die Tore im Central Park, die schwimmenden Stege auf die Iseosee, die Verhüllung des Reichstagsgebäudes, Das Musée Würth Erstein schöpft bei seiner Retrospektive aus dem des Pont-Neuf oder der Inseln in der Biscayne Bay, die außergewöhnlichen Fundus der Sammlung Würth, welche seit dem Zwillingsregenschirme von Ibaki und Los Angeles, der im Ende der 1980er Jahre ungefähr 130 Skizzen und Modelle erworben Colorado Valley aufgespannte Vorhang… Die Ausstellung spiegelt den kreativen Werdegang eines hat und die entschieden engagierte Unterstützung des Unternehmers Lebens wider. und Sammlers Reinhold Würth zugunsten dieses bemerkenswerten Werkes unter Beweis stellt. Der komplexe Schöpfungsprozess der Projekte des Paares Eine einzigartige Gelegenheit, eine kaum bekannte Facette von Christos Kunst kennen zu lernen, die in Christo und Jeanne-Claude schufen – vierhändig - den öffentlichen und sich ergänzenden Sammlungen eine aussagekräftige, bunte, rhythmische, aufgrund der Veranstaltungen kaum vertreten ist, welche die ihrer Einzigartigkeit, ihrer Rätselhaftigkeit und ihrer französische Hauptstadt im Jahr 2021 mit Leben erfüllen Schönheit sofort erkennbare poetische Geste. Ihre werden. ▪ Verhüllungsaktionen, Abdeckungsaktionen, Vorhänge, Regenschirme und Kanistermauern ließen ihnen weltweite Sichtbarkeit und öffentliche Bekanntheit 4
2020-2021: Frankreich in Christos Falten Der aus Bulgarien stammende Künstler Christo (1935-2020), der späterhin die amerikanische Christo als Zeichner im Musée Würth Erstein Staatsbürgerschaft erwarb, hatte eine enge Bindung zu Paris: Von 1958 bis 1964 lebte in der französischen Das Musée Würth Erstein sticht als einziger Akteur vor diesem Hauptstadt, begegnete hier seiner späteren Ehefrau bedeutenden Ereignisaußerhalb der französischen Hauptstadt über Jeanne-Claude (1935-2009), mit der er ein einzigartiges einen langen Zeitraum von zehn Monaten dadurch hervor, dass es Werk schuf, und verhüllte 1985 die älteste Brücke der Stadt, den Pont-Neuf. Die Neuheit des künstlerischen vom 12. Juli 2020 bis zum 20. Oktober 2021 einen verkannten, aber Ansatzes, die gigantischen Ausmaße des Werks und maßgeblichen Aspekt von Christos Arbeit vorstellt, der sowohl vom dessen Zugänglichkeit für die breite Öffentlichkeit, Schöpfungsprozess seiner Werke als auch von seiner unleugbaren der neue Blick auf das Pariser Kulturerbe, zu dem es Begabung als Zeichner zeugt. aufforderte, begeisterten damals, nach Jahren der Verhandlungen und der Projektierung. Das elsässische Museum wird zwar nicht verhüllt – im Gegensatz zu seinem Gegenstück in Künzelsau (Baden- Christos in den 1950er Jahren entwickelte Kunstform des Württemberg), dem Museum Würth, das sich 1995 zu Verhüllens, die er an Gegenständen des Alltags erprobte, der bis dahin größten Inneninstallation durch die Künstler waren 1985 bereits in langfristig angelegte, temporäre verwandelte –, veranstaltet jedoch eine groß angelegte Verhüllungen oder Interventionen, bei denen Stoff die Retrospektive über das Werk von Christo und Jeanne- ästhetisch entscheidende Rolle spielte übergegangen. Claude von 1958 bis 2019 über Zeichnungen, Collagen Denkmäler, wilde Küstenlandschaften, Wege oder und Modelle, die alle aus dem Fundus der Sammlung Wasserflächen nahmen unter der Regie des Künstlerpaars Würth stammen. Fotos der vollendeten Projekte und neue Gestalt an. mehrere Filme runden den Blick auf das einzelne Projekt jeweils ab. Christo in Lebensgröße in Paris Diese gezeichneten, kolorierten, mit Notizen versehenen, Die von Christo in Angriff genommene Verhüllung oftmals großformatig angelegten visionären Skizzen und des Pariser Triumphbogens weist alle Merkmale Collagen aus hybriden Werkstoffen sind Kunstwerke, eines einzigartigen und für den Künstler dennoch die sich sowohl in die Tradition der Zeichenkunst als kennzeichnenden, weil von Anfang an so konzipierter auch in die Moderne einreihen. Das Musée Würth Genese auf: Temporär, noch nie dagewesen, bereits 1962 freut sich, diesen Aspekt im Oeuvre Christos in als Idee formuliert, über die Jahrzehnte weiterverfolgt – dieser Breite ausstellen zu können. So bietet es die immer parallel zu anderen Projektplanungen, umfassend Gelegenheit , sich dieses aufsehenerregende und eigenfinanziert über den Verkauf von Arbeiten des äußerst publikumswirksame Werk stärker zu eigen zu Künstlers, wird der verhüllte Triumphbogen (Projekt für machen, das die Kunstlandschaft und die kollektive Paris, Place de l’Étoile-Charles de Gaulle) sechzehn Tage Vorstellungswelt des 20. und 21. Jahrhunderts lang im Herbst 2021 zu sehen sein. eindrücklich wie kaum ein anderes prägt. ▪ Sechsunddreißig Jahre nach der Verhüllung des Pont-Neuf soll dieses posthume Werk aus 25.000 Quadratmeter recyclingfähigem Polypropylen und 7.000 Meter rotes Seil erneut für einen unvergessenen Augenblick die Welt faszinieren. 5
Zur Ausstellung des Musée Würth in Erstein Sechzig Jahre gezeichnete Studien, Collagen, Planskizzen und Modelle, um zeitlich befristete und gigantische Zeichnungen und Modelle: Projekte im öffentlichen Raum von weltweiter das Gedächtnis flüchtiger Werke Ausstrahlung vorstellbar zu machen: Die Retrospektive Christo und Jeanne-Claude (1958-2019), die das Musée Die Retrospektive des Musée Würth in Erstein ist Würth in Erstein vor der Verhüllung des Triumphbogens ausgerichtet auf herausragende Projekte, die von präsentiert, der die Place de l’Étoile im Herbst 2021 Christo und Jeanne-Claude während ihrer gesamten verwandeln wird, würdigt einen in mehrfacher Hinsicht gemeinsamen Laufbahn und darüber hinaus entworfen unschätzbaren Fundus. wurden, und schöpft in umfangreichem Maße aus dem außerordentlichen Fundus der Sammlung Würth, die seit Eine bemerkenswerte dem Ende der 1980er Jahre entstanden über ungefähr einhundertdreißig Zeichnungen, Collagen, Objekte und kaum bekannte zeichnerischer Begabung und Modelle verfügt – sie stellt dem Centre Pompidou übrigens Werke für dessen Ausstellung über die Pariser Die Ausstellung regt andererseits dazu an, Werke „an Periode des Künstlers als Leihgabe zur Verfügung. der Wand“ und nach menschlichem Maßstab über eine ganze, vierhändig aufgebaute Laufbahn zu betrachten, Reinhold Würth hatte das Künstlerpaar im Jahr 1995, also dem von denen man häufig nur die dreidimensionale, monumentale, temporäre… und verhüllte Endfassung Jahr der Verhüllung des Reichstagsgebäudes, ebenfalls um eine kennt. Verhüllung der Innenräume des Museum Würth in Künzelsau (Baden- Im Rahmen dieser Retrospektive kann schließlich Württemberg) am Stammsitz des Unternehmens gebeten. auf Christos bemerkenswerte und kaum bekannte zeichnerische Begabung aufmerksam gemacht werden – Vorbereitende Modelle und Zeichnungen – er signiert seine Zeichnungen alleine mit seinem Namen, richtiggehende Bilder, die topographische Karte, Foto, im Gegensatz zu den Projekten, deren Urheberschaft er Pläne, Projektzeichnung und oftmals sogar Stoffmuster mit Jeanne-Claude teilt – die das Publikum hauptsächlich miteinander verbinden – werden Fotos der vollendeten im Vergleich zu seinen Verhüllungen registriert und von Projekte, die ebenfalls aus der Sammlung Würth den öffentlichen Sammlungen kaum gewürdigt wird. stammen, und mehreren Filmen gegenübergestellt. Zeichnen ist für diesen Künstler vorrangig, der einräumt, dass „die Skizzen eines Architekten mitunter besser sind „Es ist uns ein Anliegen, die Arbeit zu offenbaren, die als seine Gebäude“. den Projekten voranging, von denen man allgemein die Wie könnte er auf diesem „Weg des Realen“, den Endfassung kennt“, erklärt die Kuratorin der Ausstellung die Zeichnung für ihn darstellt, mit einer konstanten Claire Hirner. „Diese Zeichnungen und Modelle sind eine Liebe zum Stoff und seiner Gestalt, nicht in die Nähe Art unveränderliches Gedächtnis von Installationen, die von Künstlern gebracht werden, die sich der Kunst wiederum vergangen sind. Christo und Jeanne-Claude des Faltenwurfs widmeten, und zwar vor allem eines waren sich schon sehr früh der Bedeutung dieser Leonardo da Vinci, der ebenfalls von dieser Suche nach Flüchtigkeit bewusst. Sie haben ihre Vorbereitungen und dem Wirklichen und dem Leben besessen war und ganze ihre Verhandlungen von Anfang an dokumentiert, gefilmt. Hefte mit Stoffdrapierungen füllte? Mit dieser Retrospektive schlagen wir dem Besucher vor, in ihr Atelier einzutreten und sich mit ihnen noch besser vertraut zu machen.“ 6
Zur Ausstellung des Musée Würth in Erstein Sich den Schöpfungsprozess zu eigen machen Die Verhüllung des Triumphbogens wird einundsechzig Jahre bis zur Vollendung benötigen, die Verhüllung des Reichstagsgebäudes Christos Äußerungen dienen als Leitfaden für diese – deren 5,12 x 2,62 Meter großes Modell den gesamten hinteren Begegnung, die die Zeit umkehrt, von den neuesten Projekten –den großformatigeren, teils 2 Meter großen Bereich des Erdgeschosses des Musée Würth einnehmen soll – Zeichnungen – bis zu den 1950er Jahren. „Nicht das vierundzwanzig Jahre, The Gates sechsundzwanzig Jahre… Aber Objekt ist das Kunstwerk, sondern der Prozess“, ein Zitat, „zugegebenermaßen“, gab Christo zu, „verhandeln wir sehr gerne“. könnte die gesamte Retrospektive begleiten. Neben der – über das Modell, aber auch zahlreiche Vorbei an den nie umgesetzten Projekten – der Zeichnungen dargestellte – Verhüllung des Überdeckung des Flusses Arkansas (Over the River) und Reichstagsgebäudes (1971-1995) wird auf die Verhüllung der Mastaba in Abu Dhabi –, sind die beiden letzten der Innenräume des Museum Würth in Deutschland Jahrzehnte geprägt von der Errichtung einer Mauer (1994-1995) sowie die im Außenbereich erfolgte aus 13.000 Ölfässern (The Wall, 1999) in Oberhausen, Verhüllung der Bäume der Fondation Beyeler (Schweiz, Deutschland, der Installation von Toren im New Yorker 1997-1998) eingegangen. Central Park (The Gates, 1979-2005), und von den schwimmenden Stegen auf dem Iseosee in Italien (The Floating Piers, 2014-2016). Werke, die - wie so oft bei Neue Sinneserfahrungen unterstützen Christo und Jeanne-Claude - der Farbe und ihres Umgangs mit dem Licht viel verdanken. Der erste Raum im Obergeschoss setzt die Zeichnungen und Fotos eines im Jahr 1984 in die Wege geleiteten Die Werke, die Biografie, die Arbeit der beiden Künstler Projekts in Szene, das sich nicht nur zeitlich, sondern auch werden im Lauf der Ausstellung Zug um Zug offenbart. Es im Hinblick auf seine Geographie in die Länge zog: 1991 lässt sich erkennen, dass bereits alles im Keim vorhanden wurden dreitausendeinhundert Schirme im japanischen war, als sie sich begegneten: „Bereits in den Pariser Ibaraki (blaue Schirme) und über dreißig Kilometer Jahren sowie in kurzer Zeit fügten sich eine Technik, ein nördlich von Los Angeles, Vereinigte Staaten (gelbe Vokabular, Themenausrichtung, ein Interesse am in situ Schirme), aufgestellt und gleichzeitig geöffnet, wodurch und am Temporären zusammen, die ihre ganze Laufbahn ein in unterschiedliche Räume und Kulturen eingepasstes hindurch präsent bleiben „, bestätigt Claire Hirner. Wenn Zwillingswerk entstand. die Vorliebe für reine Ästhetik auch Antriebskraft der Als Vorahnung der italienischen Floating Piers hüllten Projekte ist, müssen Christo und Jeanne-Claude für die Surrounded Islands die Inseln in der Biscayne Bay ihre Umsetzung zwingende Vorgaben berücksichtigen, in Florida bereits in den 1980er Jahren in einen rosa die über ihren üblichen Rahmen und ihre übliche Schleier. Im Jahr 1985 spiegelte sich wiederum die Temporalität in umfangreichem Maße hinausgehen: goldgelbe Drapierung des Pont-Neuf in der Seine. Verhandlungen mit Politikern und Bürgern, Vergabe von Wasser ist in den Projekten von Christo und Jeanne- Planungsuntersuchungen, Hinterfragung der Werkstoffe Claude sehr oft präsent – zur Veranschaulichung dieser und Management vielköpfiger Teams mobilisieren sie „Gefühlserfahrung“, zu deren Erleben das Paar mit seinen beide, oftmals Jahre lang – was die Skizzen und Modelle Werken anregt. im Gedächtnis behielten. „Ästhetik ist eine maßgebliche Erfahrung für empfindsames Denken und Bewusstsein“, sagt Christo. 7
Zur Ausstellung des Musée Würth in Erstein Hiervon zeugen ebenfalls die Zeichnungen der verhüllten Wege von Kansas City (Wrapped Walk Ways, 1977-1978), des auf den kalifornischen Hügeln wehenden Bandes von Running Fence (1972-1976), des zwischen zwei Felsen gespannten orangen Vorhangs von Valley Curtain Project for Rifle (1970-1972), der Verhüllung der Little Bay in Australien (1968-1969)… Zum Abschluss geht das Musée Würth in Erstein auf umgesetzte bzw. nicht umgesetzte Projekte für Barcelona, Mailand, Rom, den Times Square, die Berner Kunsthalle, das Whitney Museum of American Art und die documenta IV in Kassel ein, die in den 1960er-1970er Jahren gedanklich entwickelt wurden. Claire Hirner führt aus: „Man erkennt, dass die Zeichnung Christos Gedanken bereits am Anfang der Laufbahn des Künstlers begleitet, seine Fragen, seine Überlegungen zur Machbarkeit seiner Projekte bewusst gemacht hat.“ Der Kreis schließt sich mit den Wrapped Oil Barrels, die im Jahr 1958 als Vorversuch der zu Beginn der Ausstellung angesprochenen Mauer aus dem Jahr 1999 betrachtet werden können. ▪ 8
Christo und Jeanne-Claude: eine vierhändige poetische Geste „I have a dream…“, die Anfangsformel von Martin Sie verstanden sich bei der kreativen Schöpfung ohne Luther King könnte für jedes Projekt gelten, welches von Worte, gleich nachdem sie sich in Paris im Jahr 1958 Christo und Jeanne-Claude seit sechzig Jahren gedanklich begegnet waren. Christo (geboren am 13. Juni 1935 in entwickelt und umgesetzt wurde: auf dem Wasser laufen, Gabrowo als Christo Wladimirow Jawaschew, verstorben das Land mit einem im Wind flatternden Band über am 31. Mai 2020 in New York) floh aus dem sowjetischen 40 Kilometer durchqueren, zwei mehr als 380 Meter Bulgarien, in dem er geboren war, aufwuchs und Malerei, auseinander liegende Felsen verbinden, eine Mastaba Bildhauerei und Architektur an der Akademie der errichten, welche höher ist als die Cheops-Pyramide … Bildenden Künste in Sofia (1953-1956) studiert hatte. Ihre monumentalen, utopischen, schwer einzuordnenden Prag, Wien, Genf, schließlich Paris, wo er von 1958 bis Projekte gingen ihren Angaben zufolge aus einer 1964 wohnen und erste Erfahrungen sammeln sollte und Wunschvorstellung rein ästhetischen Vergnügens hervor. sich eine Zeit lang den Nouveaux Réalistes angeschlossen hatte. „Es gibt keine Botschaft“, teilte Christo in Bezug auf seine Mastaba Jeanne-Claude (geboren am 13. Juni 1935 in Casablanca auf dem Serpentine-See in London im Jahr 2018 mit. „Es gibt etwas, als Jeanne-Claude Denat de Guillebon, verstorben was man selbst entdecken muss. Dies ist eine riesige Einladung, wie am 18. November 2009 in New York) lebte in ihrer eine Treppe zum Himmel.“ Jugend wiederum in Frankreich und in der Schweiz und schloss mit einem Bachelor in Latein und Philosophie Wenn von ihren künstlerischen Werken auch behauptet an der Universität Tunis ab. Beide strebten ein wird, sie seien unmotivierte Handlungen – sowohl für gemeinsames Werk an, welches gleich mit ihren ersten sie selbst als auch die Öffentlichkeit, für die sie frei Verhüllungsaktionen im Kölner Hafen und bei ihrer zugänglich sind – sind sie in der Wirklichkeit dennoch Pariser Ausstellung im Jahr 1961 vorgestellt wurde. nicht weniger stark verankert. Und zwar aufgrund Sie ließen sich 1964 in New York nieder und nahmen ihres eigentlichen Wesens, da sie sich in die Umwelt die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Danach einpassen und den natürlichen oder bebauten Raum setzten sie überall auf der Welt die verrücktesten, für - vorübergehend - prägen; anschließend aufgrund ihrer einige die provokantesten, für andere wiederum die konkreten Umsetzung, welche oftmals lange Jahre des zauberhaftesten Projekte um. Kampfes und der Verhandlungen erforderlich macht. Die Verbindung von Wirklichkeit und Vorstellung Eine sofort erkennbare, aussagekräftige poetische Geste Bei den künstlerischen Vorschlägen von Christo und Jeanne-Claude Inmitten dieses Widerspruchs, welcher für einen handelt es sich um die ständig wiederholte Anregung, noch nie Künstler keiner ist und seine Vorstellungskraft beflügelt, schufen Christo und Jeanne-Claude - vierhändig - dagewesene Sinneserfahrungen zu erleben, welche Wirklichkeit und eine aussagekräftige, bunte, rhythmische, aufgrund Vorstellung miteinander verbinden. ihrer Einzigartigkeit, ihrer Rätselhaftigkeit und ihrer Schönheit sofort erkennbare poetische Geste. Die Es geht darum, den Blick dazu zu bewegen, anders zu Signatur des Paares ist seit langem über den Kreis der sehen, und zwar durch Einbeziehung eines künstlichen, Kunstliebhaber hinaus bekannt: seine Monumentalwerke textilen Elements in eine natürliche Umgebung; das – Verhüllungsaktionen, Abdeckungsaktionen, Vorhänge, Wesen eines Ortes oder eines Gebäudes zu offenbaren, Regenschirme… – verliehen ihr weltweit geteilte indem man es verbirgt – dies entspricht dem Prinzip der Sichtbarkeit und öffentliche Bekanntheit. Maske in zahlreichen Zivilisationen, als Gegensatz zu 9
Christo und Jeanne-Claude: eine vierhändige poetische Geste der von Christo gehassten Trompe-l’œil-Malerei; eine verwaltungstechnischen Hindernissen hinzukommen Zirkulation zu bewirken, des Blickes oder des Körpers, um könnte, denen sie aufgrund des Wagemuts, des Ehrgeizes den Betrachter zu ermutigen, sich einen Raum anders und der Einzigartigkeit ihrer Werke gegenüberstehen anzueignen, ihm zu entkommen. – indem sie die Finanzierung ihrer Arbeit mit eigenen Das Werk ist nie von Dauer. „Dies ist für uns sehr Mitteln übernehmen. Christos Atelier – das gleiche seit wichtig“, behauptete das Paar im Jahr 2004. „Und da fünfzig Jahren im New Yorker Stadtviertel Soho – gliedert wir bestimmte Formeln mögen, mögen wir sehr “Es sich in zwei Räume auf, beschreibt Matthias Koddenberg, war einmal”. Dies entspricht unseren Kunstwerken.“ ein Schriftsteller und Freund des Paares2: „Ein Tisch für Sie sind ebenfalls nie eine Entwendung der Natur: Sie die kleinformatigen Zeichnungen und Collagen sowie eine verhüllen, ohne zu entstellen, offenbaren, ohne zu Wand für die großformatigen Zeichnungen“. Sobald seine entblößen. Christo und Jeanne-Claude hinterfragen vorbereitenden Arbeiten gerahmt sind, bietet Christo zu diesem Zweck sowohl die Werkstoffe als auch den sie Sammlern zum Verkauf an. Der Erlös dieses Verkaufs von ihnen genutzten Raum mit einer in die Projekte wird in Einklang mit einem Tugendkreis unmittelbar in die vollkommen eingebundenen ökologischen Rücksicht. künstlerische Schöpfung zurückinvestiert. Das Paar kann Kampfansage an die physikalischen Gesetze des Auftriebs seine Unabhängigkeit dank dieser Selbstfinanzierung zur oder des Widerstands, die Ordnung der Natur, die Schau tragen und die Ausführung seiner Installationen Witterungsverhältnisse… ganz ohne Einschränkungen erleben. Das Paar stellt Innovationsgeist bis in die Herstellung seiner Werkstoffe– Textilmaterial, sein Lieblingswerkstoff, „Wir untersagen uns die Suche nach Sponsoren und nehmen keine aber auch Stahlkabel, welche die Vorhänge oder Strukturen stützen - unter Beweis. „Das Tuch ist eine Schenkungen an, da unsere Projekte allesamt ein Schrei nach zweite Haut“, erläuterte Jeanne-Claude im Oktober Freiheit sind“, schrieb Jeanne-Claude. 20041 , „es ist sinnlich. Und dann vermittelt das von uns verwendete Tuch ganz direkt den Gedanken des Die Reifungsprozesse gestalten sich jedoch oftmals sehr „Nomadentums”: Nomaden erreichen eine Ebene, langwierig, voller verwaltungstechnischer und politischer schlagen ihre Zelte auf und plötzlich ist da eine ganze Kämpfe oder Bürgerbegehren, bei denen insbesondere Stadt. Eine Woche später packen sie alles zusammen und Jeanne-Claude außergewöhnliche Hartnäckigkeit und sind weg.“ Begabung unter Beweis stellte. Es handelt sich um Jahre, mitunter Jahrzehnte voller Anträge, Simulationen, Vorbereitungen… für Werke, deren Lebensdauer immer Ein Schrei nach Freiheit sehr kurz ist. Aber egal, das ästhetische Vergnügen ist es wert. „Der Grund, weshalb wir temporäre Werke Als Künstler, Architekten, Ingenieure, Manager der oftmals erschaffen möchten“, erläuterte Jeanne-Claude3, „ist, dass vielköpfigen Teams ihrer Projektbaustellen treten Christo und wir denken, es werde herrlich. Und das einzige Mittel, um dies in Erfahrung zu bringen, ist es, sie zu erschaffen. Jeanne-Claude ebenfalls als Finanzträger ihrer Projekte auf. Sobald das Werk da ist […], ist es zehn Milliarden Mal schöner als all unsere Träume. Aber in diesem Augenblick Denn ein grandioses Projekt bedarf eines sind wir keine Künstler mehr. Die Kreativität ist zu Ende.“ ▪ beeindruckenden Budgets. Das Paar umschifft diesen Aspekt – welcher zu den zahlreichen 2 Christo et Jeanne-Claude en/hors, Paris, L’Arche, 2015. 1 L’en-je lacanien, 2005/1, no 4. 3 L’en-je lacanien, op. cit. 10
Das Musée Würth in Erstein, ein besuchernahes Museum Wenn der Name Würth als Zeichen für hochwertiges Siebzehn Ausstellungen wurden in den vergangenen zwölf Werkzeug und Material für die Fachleute aus Bau, Jahren präsentiert, immer mit dem Ansatz ein profundes, Automobilsektor und Industrie steht, lässt er ebenfalls vielfältiges Programm für ein breites Publikum zu bieten: an eine der bedeutendsten Unternehmenssammlungen denken, die die leidenschaftliche Begeisterung, aber 1. Gegenwelt (2008) auch die sozialen Überzeugungen des Unternehmers 2. François Morellet. Vernunft und Ironie und Sammlers Reinhold Würth widerspiegelt. Die in den (2008-2009) 1960er Jahren mit dem Kauf eines Aquarells von Emil 3. Liebe auf den ersten Blick. Ausgewählte Nolde begonnene Sammlung umfasst heute über 18 000 Werke aus der Sammlung Würth (2009) Werke – Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen… – vom 4. Im Schatten der Wörter. Gao Xingjian/Günter Mittelalter bis in die Gegenwart. Da es ihm stets am Herzen lag, diese firmeneigene Sammlung zu vermitteln Grass. Tusche und Aquarelle (2009-2010) und allen zugänglich zu machen, richtete Reinhold Würth, 5. Paris-Karlsruhe-Berlin. Ost und Westwinde wie Christo Jahrgang 1935, seit 1989 fünfzehn Würth- (2010-2011) Ausstellungsorte in Europa, jeweils in Verbindung mit den 6. Anselm Kiefer in der Sammlung Würth (2011) Würth-Landesgesellschaften ein. 7. Éclats ! Le musée se met au verre… contemporain (2011-2012) Das von den Architekten Jacques und Clément Vergély 8. Xénia Hausner. In Flagranti (2012) entworfene und im Jahr 2008 südlich von Straßburg 9. Waldeslust. Bäume und Wald in der eingeweihte Musée Würth Erstein ist darunter Sammlung Würth (2012-2014) eines der größeren Häuser. Es verfügt über drei 10. Art faces. Fotografen begegnen Künstlern Ausstellungsräume und einen Hörsaal mit 224 Plätzen, (2013-2014) zeigt Wechselausstellungen, die aus der Sammlung Würth schöpfen, zudem veranstaltet es eine kulturelles 11. Anthony Caro. Meisterwerke aus der Programm, das Theater, klassische Konzerte (das Sammlung Würth (2014-2015) Herbstfestival Piano au Musée Würth), Aufführungen 12. Fernando Botero. Sammlung Würth für das junge Publikum, Konferenzen und Workshops und Leihgaben (2015-2016) miteinander verbindet. ▪ 13. 1914-1918 : Krieg der Bilder, Bilder des Krieges (2016-2017) 14. Von Kopff bis Fuß, Menschenbilder im Fokus der Sammlung Würth (2017-2018) 15. Hélène de Beauvoir, Künstlerin und engagierte Zeitgenossin (2018) 16. Namibia. Kunst einer jungen geNerATION (2018-2019) 17. José de Guimarães. Sammlung Würth und Leihgaben (2019-2020) 11
Ausstellungskatalog Christo und Jeanne-Claude. Internationale Projekte Die Sammlung des Museums Würth Christo et Jeanne-Claude. International projects The Würth Museum Collection Mit einer Broschüre mit französischer Übersetzung Katalog herausgegeben vom Swiridoff Verlag Preis: 35 € Christo und Jeanne-Claude, die für ihre monumentalen Installationen im urbanen und natürlichen Raum bekannt sind, schufen einige der umstrittensten und faszinierendsten Kunstwerke des 20. und 21. Jahrhunderts. 12
Bildmaterial CHRISTO Surrounded Islands, Project for Biscayne Bay, Greater Miami, Florida 1980-83 1982 Collage: Bleistift, Stoff, Pastell, Kohle, Emaillack und Kreide auf Holzplatte 71 x 56 cm Sammlung Würth, Inv. 1619 Urheberrecht: Philipp Schönborn, München - © Christo CHRISTO ET JEANNE-CLAUDE The Pont Neuf Wrapped, Paris 1975-85 1985 Fotografie von Wolfgang Volz 70 x 100 cm Sammlung Würth, Inv. 2801 Urheberrecht: Wolfgang Volz - © Christo CHRISTO The Umbrellas, Joint Project for Japan and USA 1984-91 1991 Zeichnung in zwei Teilen: Bleistift, Pastell, Kohle, Kreide, Emaillack, topografische Karte, Stoffmuster und technische Daten 146,5 x 167 cm Sammlung Würth, Inv. 2232 Urheberrecht: Philipp Schönborn, München - © Christo CHRISTO Wrapped Reichstag, Project for Berlin 1971-1995 1994 Zeichnung: Bleistift, Kohle, Pastell und Kreide 165 x 106 cm Sammlung Würth, Inv. 2617 Urheberrecht: © Christo 13
Bildmaterial CHRISTO Valley Curtain, Project for Rifle, Colorado 1970-72 1972 Collage: Bleistift, Stoff, Fotografie von Harry Shunk, Farbstift, Kohle, technische Daten und Klebeband 71 x 56 cm Sammlung Würth, Inv. 2602 Urheberrecht: Harry Shunk - © Christo CHRISTO ET JEANNE-CLAUDE Valley Curtain, Rifle, Colorado 1970-72 1972 Fotografie von Wolfgang Volz 70 x 100 cm Sammlung Würth, Inv. 2799 Urheberrecht: Wolfgang Volz - © Christo Reinhold Würth, Jeanne-Claude und Christo Wrapped Floors and Stairways and covered Windows, Museum Würth Künzelsau 1994-95 1995 Fotografie 70 x 60 cm Urheberrecht: © Roland Bauer CHRISTO ET JEANNE-CLAUDE Wrapped Floors and Stairways and Covered Windows, Museum Würth, Künzelsau 1994-95 1995 Fotografie von Wolfgang Volz 70 x 60 cm Collection Würth, Inv. 4717 Urheberrecht: Wolfgang Volz - © Christo 14
Praktische Informationen Eintritt frei, täglich und für alle. Öffnungszeiten Dienstags bis samstags, 10 bis 17 Uhr Sontags, 10 bis 18 Uhr Gruppen und Führungen Auskunft und Reservierung: + 33 (0)3 88 64 74 84 mwfe.info@wurth.fr Kostenlose Führungen Französisch: jeden Sonntag um 14.30 Uhr Audioguides Französisch, Deutsch Anfahrt Auto: D 1083, Ausfahrt Erstein, dem Schild Z.I. Ouest folgen Zug: TER-Zuglinie Straßburg/Basel, Bahnhof Erstein-gare, dann 8 Minuten zu Fuß Barrierefreier Zugang Parkplatz Musée Würth France Erstein Z.I. ouest / rue Georges Besse / BP 40013 / 67158 Erstein cedex / France tél. + 33 (0)3 88 64 74 84 / mwfe.info@wurth.fr / www.musee-wurth.fr
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