Psychische Gesundheit im familiären Kontext: Welche Bedarfe gilt es von wem in den Blick zu nehmen? - Ute Ziegenhain Klinik für Kinder- und ...
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Psychische Gesundheit im familiären Kontext: Welche Bedarfe gilt es von wem in den Blick zu nehmen? Ute Ziegenhain Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Universitätsklinikum Ulm Pr#ventionsforum 2020, Berlin, 23. September, 2020
Gliederung Kinder psychisch und suchterkrankter Eltern: Die Ausgangslage Hoher und sektorenübergreifender Unterstützungs- und Versorgungsbedarf Übergreifender und gesamtgesellschaftlicher Ansatz Fazit
Nationale Präventionsstrategie Gesundheitsförderung und Prävention in Lebenswelten: Gesund aufwachsen Neuer Themenschwerpunkt der Nationalen Präventionskonferenz: Psychische Gesundheit bei Kindern aus psychisch und sucht- belasteten Familien zwingend: gesamtgesellschaftliches und politikfeldübergreifendes Zusammenwirken auf allen föderalen Ebenen - bundesweit einheitlicher Handlungsrahmen – (Bundesrahmenempfehlungen nach § 20d Abs. 3 SGB V) Interministerielle Arbeitsgruppe im Auftrag des Deutschen Bundestages https://www.ag-kpke.de/
Zunahme psychischer Belastungen bei Kindern und Jugendlichen .... und der Blick auf die Bedeutung von Familienbeziehungen Abnahme akuter pädiatrischer Erkrankungen, „Verschiebung“ auf chronische Erkrankungen und Verhaltens-/ psychische Störungen (ca. 20% , KIGGS 2007; Reinhardt & Petermann, 2010; Hölling et al., 2014) à neue Morbidität ... bei schwierigen familiären Konstellationen (Bella Studie (Ravens-Siebere ,2006) und RKI Survey KIGGS (2006, 2007; jetzt 1. Welle 2015) doppeltes Risiko bei Alleinerziehenden (OR:2,09) bei 3 Risiken: 30,7% aktuelle Familienkonflikte (OR: 4,97) Konflikte in der Familie der Eltern (OR: 2,02-3,89) à bei 4 Risiken: 47,7% Unzufriedenheit in der Partnerschaft (OR: 2,75) aller betroffener Kinder à Risiko für psychische Erkrankung steigt mit mehreren Belastungen
Kinder aus psychisch und suchterkrankten Familien etwa 3,8 Millionen Kinder und Jugendliche wachsen mit einem psychisch oder suchterkrankten Elternteil auf à etwa jedes vierte Kind bzw. Jugendliche(r) (2018: 13,17 Millionen Minderjährige in rund 8 Millionen Familien) und: … haben hohe (Entwicklungs-) Risiken Ø signifikant erhöhtes Lebenszeitrisiko, selbst eine psychische oder Suchterkrankung zu entwickeln (bis zu 77%) Ø erhöhtes Risiko andere (unspezifische) Verhaltensauffälligkeiten oder sozial- emotionale Probleme zu entwickeln (40-60%) Ø Auswirkungen auf das Kind weniger von Diagnose der Eltern abhängig, sondern vom Verlauf der Erkrankung, Schweregrad, Chronizität, Beginn der Erkrankung im Entwicklungsverlauf und der individuellen/familiären Bewältigung Ø chronischer bzw. phasenhafter Verlauf (Rückkehr in Normalität eher selten) (Christiansen, Anding & Donath, 2014; NZFH, 2016; Wiegand-Grefe, Klein, Kölch, Lenz, Seckinger, Thomasius & Ziegenhain, 2019; Kölch, Nolkemper, Ziegenhain & Fegert, 2019)
…. hohe ökonomische Folgekosten insbesondere in der Lebenslaufperspektive (Meier-Gräwe & Wagenknecht, 2011) … Beispiel rechtzeitige und präventive Frühe Hilfen 500000 450000 400000 Kosten in Euro 350000 300000 250000 200000 150000 100000 50000 0 0 bis
Hoher und sektorenübergreifender Unterstützungs- und Versorgungsbedarf
Probleme in der Unterstützung und Versorgung .... Kinder und Jugendliche aus Familien mit einem psychisch oder suchterkrankten Elternteil sind unterversorgt Ø zunehmend Angebote / Leistungen bzw. einzelne „Leuchtturmprojekte“ à bisher nicht hinreichend ausgestaltet und systematisch in der Breite vorgehalten notwendig: Ø Intensivierung der primären Prävention und Gesundheitsförderung in allen relevanten Lebenswelten (incl. Bildung) - kommunal - Ø intensiver Auf- und Ausbau von altersspezifischen und bedarfsgerechten Unterstützungs- und Versorgungsangeboten für bereits betroffene Kinder und Jugendliche und deren Eltern à zusammengesetzte „Hilfegebinde“ mind. aus SGB V und SGB VIII individuell zusammengestellt und kombiniert über längere Zeit hinweg und auch bei schwankenden Hilfebedarfen
Gesundheitsbezogene Prävention – unterschiedliche Intensitäten und Risiken (nach Munoz, Mrazek & Haggerty, 1994) Intensität der Prävention tertiäre Prävention sekundäre Prävention primäre Prävention
Gesundheitsbezogene Prävention – unterschiedliche Intensitäten und Risiken (nach Munoz, Mrazek & Haggerty, 1994) bereits vorhandene (behandlungsbedürftige) Probleme Intensität der Prävention tertiäre Prävention Vorbeugen erwarteter negativer Verläufe/ Risikogruppen sekundäre Prävention allgemeine Stärkung primäre Prävention psychischer Gesundheit
Schaffung gesundheitsfördernder Strukturen: Setting- bzw. Lebensweltansatz der WHO (Ottawa-Charta (1986; Jakarta-Deklaration (1997) Intensität der Prävention primärpräventive, breite, und nicht stigmatisierende Zugänge Setting Setting KiTa Schule Freizeit- angebote 0–3 Vorschulalter Schulalter Jugendalter
… notwendig: Integrierte und interdisziplinäre Strategien der Gesundheitsförderung und Versorgung vor Ort Intensität der Prävention primärpräventive, Familien- breite, und nicht Geburts- stigmatisierende hebamme Familienbildung klinik Zugänge SGB VIII SGB VIII SGB V Setting Setting KiTa Schule Freizeit- angebote 0–3 Vorschulalter Schulalter Jugendalter
… notwendig: Integrierte und interdisziplinäre Strategien der Gesundheitsförderung und Versorgung vor Ort Intensität der Prävention … und: etablierte, präventive primärpräventive, Familien- Zugänge in den breite, und nicht Geburts- hebamme Familienbildung stigmatisierende klinik SGB VIII SGB VIII Frühe Hilfen SGB V Zugänge Setting Setting KiTa Schule Freizeit- angebote 0–3 Vorschulalter Schulalter Jugendalter
… notwendig: Integrierte und interdisziplinäre Strategien der Gesundheitsförderung und Versorgung vor Ort Kinder- Erwachsenen- Psychotherapie psychiatrie psychiatrie Eltern u/0 Kind SGB V SGB V SGB V Intensität der Prävention Sozialpädagogische Familienhilfe SGB VIII Suchtberatung SGB V Erziehungsberatung Alltagsunterstützung SGB VIII SGB VIII / SGB V Frühförderung … und: etablierte, präventive primärpräventive, Familien- Zugänge in den breite, und nicht Geburts- Frühe Hilfen stigmatisierende hebamme Familienbildung klinik Zugänge SGB VIII SGB VIII SGB V Setting Setting KiTa Schule Freizeit- angebote 0–3 Vorschulalter Schulalter Jugendalter
… notwendig: Integrierte und interdisziplinäre Strategien der Gesundheitsförderung und Versorgung vor Ort Kinder- Erwachsenen- gemeinsame Psychotherapie psychiatrie psychiatrie Behandlung des Eltern u/0 Kind SGB V SGB V psychisch SGB V erkrankten Intensität der Prävention Sozialpädagogische Familienhilfe Elternteils mit Kind SGB VIII Suchtberatung Leistungen SGB V abgestimmt (niedrig-/ hoch- Erziehungsberatung Alltagsunterstützung schwellig) für SGB VIII SGB VIII / SGB V Kinder u/o Eltern Frühförderung … und: etablierte, präventive primärpräventive, Familien- Zugänge in den breite, und nicht Geburts- Frühe Hilfen stigmatisierende hebamme Familienbildung klinik Zugänge SGB VIII SGB VIII SGB V Setting Setting KiTa Schule Freizeit- angebote 0–3 Vorschulalter Schulalter Jugendalter
Übergreifender und gesamtgesellschaftlicher Ansatz
… aus den Empfehlungen der interministeriellen Arbeitsgruppe E6 bundesweit öffentlichkeitswirksame Online-Plattform zur anonymen Beratung für Jugendliche (wissenschaftlich evaluiert / umfassend barrierefrei) E7 Krankenkassen: Verstärkte Orientierung an den spezifischen Bedarfen der Kinder und ihrer Familien - - konsequente Umsetzung der Leistungen zur Prävention und Gesundheitsförderung / GKV-Leitfaden E8 GKV-Förderprogramm (Bündnis für Gesundheit) – Implementierung in Kommunen E9 Träger der NPK: Schwerpunkt Kinder von psychisch und suchterkrankten Eltern E10 Träger der NPK: abgestimmte, koordinierte und vernetzte Vorgehensweisen in der lebensweltbezogenen Prävention und Gesundheitsförderung E11 Oberste Landesgesundheitsbehörden und Landesverbände der Kassen: Anpassung der Landesrahmenvereinbarungen gemäß E9 E12 Prüfen im Rahmen der Bewertung des Präventionsberichtes der NPK: verbesserter Zugang zu präventiven Angeboten (Regelungen / Verfahrensweisen in der Prävention durch Krankenkassen weiterentwickeln E13 Änderung § 20f Absatz 2 Satz 1 Nummer 5 SGB V - Landesrahmenvereinbarungen - wechselseitige Informationsübermittlung über Leistungserbringung der Krankenkassen ßà Träger der örtlichen öffentlichen Jugendhilfe
…. und: Synergien durch akteurs- und sektorenübergreifendes Zusammenwirken Empfehlung Nr. 18 Wir empfehlen daher, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und den Sozialversicherungsträgern einen Handlungsrahmen für ein kommunales Gesamtkonzept zur Entwicklung, Umsetzung, Evaluation und Verstetigung multiprofessioneller, qualitätsgesicherter und rechtskreisübergreifender Hilfesysteme zu erstellen.
…. und: Synergien durch akteurs- und sektorenübergreifendes Zusammenwirken Empfehlung Nr. 18 Wir empfehlen daher, dass der Bundestag die Bundesregierung auffordert, gemeinsam mit den Ländern, den Kommunen und den Sozialversicherungsträgern einen Handlungsrahmen für ein kommunales Gesamtkonzept zur Entwicklung, Umsetzung, Evaluation und Verstetigung multiprofessioneller, qualitätsgesicherter und rechtskreisübergreifender Hilfesysteme zu erstellen. à bedarfsgerechte Entwicklung einer tragfähigen und nachhaltigen Infrastruktur durch parallele Top-Down- und Bottom-Up- Strategien
Kommunales Gesamtkonzept als gemeinsamer Organisationsentwicklungsprozesse Länderübergreifende und interdisziplinär zusammengesetzte Initiative für die Entwicklung und Erprobung im kommunalen Raum Ø Einbezug aller Lebenswelten und Akteure mit unterschiedlichen Teilaspekten des sektorenübergreifenden Unterstützungssystems - primäre Prävention und Gesundheitsförderung / selektive Prävention / Kinder- und Jugend- hilfe / Frühe Hilfen / Eingliederungshilfe / Gesundheitsversorgung / Gemeindepsychiatrie …. Ø Leitvorstellung: offener, partizipativer und strukturierter Netzwerkansatz - Netzwerke innerhalb jeder Kommune / länderübergreifender Erfahrungsaustausch à paralleler Transfer in jedes weitere Bundesland möglich und gewünscht à Zusammenarbeit und Abstimmung mit den Trägern der NPK und insbesondere den Krankenkassen (erstes informelles Gespräch im GKV-Spitzenverband) à Evaluation Vertreter*Innen Familien- und Gesundheitsministerien / Kommunen Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg / Nationales Zentrum Frühe Hilfen, AFET-Bundesverband für Erziehungshilfe, Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz gGmbH, Dachverband Gemeindepsychiatrie e.V., Universitätskliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie Ulm und Rostock sowie Einzelpersonen mit entsprechender Fachexpertise
Fazit
Die Unterstützung und Versorgung von Kindern und Jugendlichen aus Familien mit einem psychisch oder suchterkrankten Elternteil …. ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe Kinder und Jugendliche aus Familien mit einem psychisch oder suchterkrankten Elternteil machen einen hohen Anteil in der Bevölkerung aus und sind eine unterversorgte Gruppe Ihre bedarfsgerechte, umfassende und breite Unterstützung und Versorgung gelingt nur akteurs- und sektorenübergreifend Zwingend notwendig ist eine kommunale und sektorenübergreifende Infrastruktur (kommunales Gesamtkonzept) Ø niedrigschwellige, nicht stigmatisierende Zugänge Ø leistungsübergreifende Planungs- und Netzwerkstrukturen (vergleichbar den Frühen Hilfen) Ø Auf- und Ausbau sowie Sicherung einer verlässlichen Angebotsstruktur (von der Primärprävention bis zur Intervention / Behandlung ) Ø bereichsübergreifende und dauerhafte Finanzierungsstrukturen Ø Qualitätssicherung und -entwicklung
„Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“ Albert Einstein * 1879 Ulm Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
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