Publikationen zur rechtlichen Zusammenarbeit - Deutsch-Georgische Zeitschrift für Rechtsvergleichung

Die Seite wird erstellt Lenja Stumpf
 
WEITER LESEN
Publikationen
                                   zur rechtlichen Zusammenarbeit

 3/2021                            SedarebiTi samarTlis
                                   qarTul - germanuli Jurnali

                                   Deutsch - Georgische Zeitschrift
                                   für Rechtsvergleichung
           1992

                            2002

                                               2012

                                                        2017

                                                                2021

69
Elektronische Publikation
3/2021                         Deutsch-Georgische

                                   ZEITSCHRIFT FÜR
                                   RECHTSVERGLEICHUNG

                                   შედარებითი
                                   სამართლის
                                   ქართულ-გერმანული ჟურნალი

VERLAG DES INSTITUTS FÜR STAAT UND RECHT
Die vorliegende Publikation wird durch finanzielle Unterstützung der Deutschen Stiftung für internationale
rechtliche Zusammenarbeit e.V (IRZ) herausgegeben.
   Seit ihrer Gründung im Jahr 1992 berät die Deutsche Stiftung für internationale Rechtliche Zusammenarbeit
e.V. (IRZ) ihre Partnerstaaten im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz bei
der Reformierung ihrer Rechtssysteme und der Justizwesen. Rechtsstaatlichkeit und Demokratisierung sind
Voraussetzung, um grundrechtliche Freiheiten zu wahren, stabile staatliche und gesellschaftliche Strukturen zu
stärken sowie wirtschaftliches Wachstum anzuregen. Diesen Entwicklungsprozess zu unterstützen ist Aufgabe
der IRZ, wobei die Bedürfnisse des jeweiligen Partnerstaats immer im Mittelpunkt stehen.
   Die Zusammenarbeit mit Georgien basiert auf einer gemeinsamen Erklärung zwischen dem georgischen
Justizministerium und dem Bundesministerium der Justiz von 2005 und wurde im Jahr 2006 aufgenommen.
Die Schwerpunkte der Tätigkeit liegen in der Umsetzung internationaler Abkommen in georgisches Recht, in
der Beratung im Straf- und Strafvollzugsrecht sowie der Aus- und Fortbildung von Rechtsanwenderinnen und
Rechtsanwendern.

  Die Zeitschrift wurde von Geselschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) gegründet. Ab der 3. Ausgabe
2020 wird sie von der Deutschen Stiftung für internationale rechtliche Zusammenarbeit e.V (IRZ) gefördert.
Schriftleitung
                                                 Assoz. Prof. Dr. Giorgi Rusiashvili
                                                     Prof. Dr. Olaf Muthorst
                                                    Assoz. Prof. Lado Sirdadze

                                                          Herausgeber
                                                  Prof. Dr. Dr. hc Tiziana J. Chiusi
                                                      Prof. Dr. Olaf Muthorst
                                                   Notar Justizrat Richard Bock
                                                    Richter Wolfram Eberhard
                                                   Prof. Dr. Arkadiusz Wudarski
                                                    Richter Dr. Timo Utermark
                                                  Rechtsanwalt Dr. Max Gutbrod
                                                      Prof. Dr. Giorgi Khubua
                                                     Prof. Dr. Lasha Bregvadze
                                                       Prof. Dr. Irakli Burduli
                                                     Prof. Dr. Zviad Gabisonia
                                                           Frank Hupfeld
                                                       Khatuna Diasamidze
                                              Assoz. Prof. Dr. Sulkhan Gamqrelidze
                                                 Assoz. Prof. Dr. Giorgi Rusiashvili
                                                Assoz. Prof. Dr. Shalva Papuashvili
                                                    Assoz. Prof. Lado Sirdadze
                                                         David Maisuradze
                                                 Rechtsanwalt Giorgi Zhorzholiani
                                                   Rechtsanwalt Temur Bigvava
                                                  Rechtsanwalt Zviad Batiashvili
                                                           Khatia Papidze
                                                 Rechtsanwalt Gocha Oqreshidze
                                                       Demetre Egnatashvili
                                                  Rechtsanwalt Ketevan Buadze
                                                 Rechtsanwalt Nikoloz Sheqiladze
                                                          Tornike Darjania
                                                Assist. Prof. Dr. Temur Tskitishvili
                                                        Sulkhan Gvelesiani
                                                         Giorgi Kvantaliani

                                         Technische Unterstützung und Layout
                                                         David Maisuradze

                                                         Arbeitsgruppe
                                                          Nino Kavshbaia
                                                         Tatia Jorbenadze
                                                           Ana Baiadze
                                                           Tilman Sutor
ISSN 2587-5191 (print)
ISSN 2667-9817 (online)
© Tinatin-Tsereteli-Institut für Staat und Recht, 2020
© Deutsche Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit e.V. (IRZ) 2020
© Autoren, 2020
G. Kikodze Str. 3, Tbilisi, +995 322983245, administration@isl.ge, www.lawjournal.ge, www.isl.ge
Inhaltsverzeichnis

 AUFSÄTZE

Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19: eine Betrachtung
der georgischen Rechtslage aus deutscher Sicht
                                                                                       1
Ulrich Hagenloch

Rechtliche Probleme bei der Entwicklung des Finanzierungsleasings in Georgien
Levan Gotua
                                                                                       37

 RECHTSPRECHUNG

Der Dachboden als individuelles Eigentum in der Wohngemeinschaft (Oqreshidze)
                                                                                       64
Anspruch auf Entfernung des auf dem Grundstück stehenden Standes (Oqreshidze)
                                                                                       66
Räumung unter Bedingung der Übergabe von alternativem Raum (Oqreshidze)
                                                                                       67
Die Beweislast bei Behauptung der Falschheit eines Dokuments (Oqreshidze)
                                                                                       70
Höhe der Anzahlung bei Rückerstattung (Oqreshidze)
                                                                                       74
Abriss eines nicht autorisierten Balkons (Oqreshidze)
                                                                                       75
Ungültigkeit des Testaments aufgrund der Erstellung eines Testaments in einer Fremd-
sprache für den Unterzeichner (Oqreshidze)
                                                                                       76
Voraussetzungen für die Beantragung eines bezahlten Urlaubs (Oqreshidze)
                                                                                       78
Verbot des Arbeitnehmerwettbewerbs (Oqreshidze)
                                                                                       80
Verbot des Arbeitnehmerwettbewerbs (Oqreshidze)
                                                                                       80
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19:
eine Betrachtung der georgischen Rechtslage aus deutscher Sicht

Ulrich Hagenloch
ehemaliger Präsident des Oberlandesgerichts Dresden

         I. Allgemeine Lage in Deutschland            COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters
                  und in Georgien                     nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung ver-
                                                      wendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein
   Die Covid-19-Pandemie hat sowohl in Geor-
                                                      Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des
gien als auch in Deutschland eine ganze Reihe
                                                      Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des
von neuen Rechtsfragen aufgeworfen. Im Zeit-
                                                      Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss
punkt der Fertigung dieses Aufsatzes (Mitte Feb-
                                                      schwerwiegend verändert hat.
ruar 2021) lagen in Deutschland zu einigen Prob-
lemstellungen Entscheidungen erstinstanzlicher           (2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entspre-
Gerichte vor. Veröffentlichte Entscheidungen von      chend anzuwenden.
Obergerichten sind aber noch nicht ergangen.

   Die rechtliche Ausgangslage ist in Georgien            a) Beim Vergleich der beiden Rechtsordnung
und in Deutschland im Wesentlichen vergleich-         ist zudem zu berücksichtigen, dass sich In der
bar. Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber in       sprachlichen Fassung von § 313 BGB einerseits
Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerli-        und von Art. 398 ZGB andererseits gewisse
chen Gesetzbuch (EGBGB) zu den coronabeding-          Unterschiede ergeben:
ten Leistungsstörungen einige Sonderregelungen
erlassen, welche das georgische Recht so nicht
                                                        „§ 313 BGB - Störung der Geschäftsgrundlage
kennt. Von Interesse für die georgische Rechts-
lage könnte dabei insbesondere die zum                   (1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage
Jahresbeginn 2021 in Kraft getretene Regelung in      des Vertrags geworden sind, nach Vertrags-
Art. 240 Abs. § 7 EGBGB sein (dazu näher unter V.     schluss schwerwiegend verändert und hätten die
4. d) aa)):                                           Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem In-
                                                      halt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vo-
                                                      rausgesehen hätten, so kann Anpassung des Ver-
  § 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet-
                                                      trags verlangt werden, soweit einem Teil unter
und Pachtverträgen
                                                      Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls,
   (1) Sind vermietete Grundstücke oder vermie-       insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen
tete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge         Risikoverteilung, das Festhalten am unveränder-
staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der              ten Vertrag nicht zugemutet werden kann.

                                                                                                      1
Ulrich Hagenloch                                                       Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

   (2) Einer Veränderung der Umstände steht es       Grundsatz der Vertragstreue auch das georgische
gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur      Recht prägt, wird aber im Folgenden davon
Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als       ausgegangen, dass das georgische Recht mit Art.
falsch herausstellen.                                398 ZGB zumindest keine grundlegend andere
                                                     Konzeption verfolgt als die zentraleuropäische
    (3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht mög-
                                                     Rechtsordnung mit den Grundsätzen zum Wegfall
lich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der
                                                     der Geschäftsgrundlage.
benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An
die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauer-        b) Die nachfolgende Darstellung basiert auf
schuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.“         den in der deutschen Rechtsprechung aus § 313
                                                     BGB abgeleiteten Rechtsprinzipien. Sollte Art.
                                                     398 ZGB geringere Anforderungen an eine
   „Artikel 398 ZGB - Anpassung des Vertrages an
                                                     Anpassung an veränderte Verhältnisse stellen,
veränderte Umstände
                                                     würde dies nichts an der generellen rechtlichen
   (1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage        Vorgehensweise ändern, sondern nur zu einer
des Vertrages geworden sind, nach Vertrags-          Verschiebung der Grenzziehungen führen, also
schluss ersichtlich verändert und hätten die Par-    eine Vertragsanpassung auch bei weniger hohen
teien diesen Vertrag nicht oder mit anderem In-      Anforderungen an die Unzumutbarkeit eröffnen.
halt geschlossen, wenn sie diese Veränderungen
vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des
Vertrages an die veränderten Umstände verlangt         II. Allgemeine Problemstellungen
werden. Im umgekehrten Fall kann von einem Teil
                                                         Bei der Diskussion über die zivilrechtlichen
unter Berücksichtigung der einzelnen Umstände
                                                     Folgen der Covid-19-Pandemie fällt auf, dass ein
das strenge Festhalten am unveränderten Ver-
                                                     gewisser Fokus auf die Frage gerichtet wird, ob
trag nicht verlangt werden.
                                                     eine Vertragsanpassung wegen eines Wegfalls
   (2) Einer Veränderung der Umstände steht es       der Geschäftsgrundlage zu erfolgen habe. Dieser
gleich, wenn die Vorstellungen, die zur Grundlage    Aspekt mag auch im Ergebnis einer der wichtigs-
des Vertrages geworden sind, sich als falsch her-    ten sein. Rechtsdogmatisch ist er aber der letzte
ausstellen.                                          in der Prüfungsreihenfolge. Das folgt daraus, dass
                                                     eine Anwendung der Grundsätze der Geschäfts-
    (3) Die Parteien haben zunächst zu versuchen,
                                                     grundlage ausscheidet, wenn die Störung des
den Vertrag an veränderte Umstände anzupas-
                                                     Vertragsverhältnisses zur Unmöglichkeit der Leis-
sen. Ist eine Anpassung des Vertrages nicht mög-
                                                     tungserfüllung führt oder wenn der gegenständli-
lich oder ist ein anderer Teil damit nicht einver-
                                                     che Regelungsbereich des Minderungs- oder ei-
standen, so kann der Teil, dessen Interessen ver-
                                                     nes sonstigen Gewährleistungsrechts betroffen
letzt wurden, vom Vertrag zurücktreten.“
                                                     ist. Des Weiteren muss vor einer etwaigen Ver-
   Ob der georgische Gesetzgeber mit dieser ab-      tragsanpassung nach den Grundsätzen zum Weg-
weichenden sprachlichen Fassung nennenswerte         fall der Geschäftsgrundlage geprüft werden, ob
Unterschiede gegenüber dem kontinental-              die Leistungsstörung ihre Ursache in der
europäischen Rechtsverständnis (clausula rebus       vertraglichen Risikosphäre einer Partei hat. Ist
sic stantibus; Wegfall der Geschäftsgrundlage)       dem so, kann es zu einer Vertragsanpassung zu-
schaffen wollte, soll offen bleiben. Da der          mindest nicht ohne Weiteres kommen.

2
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19                                                     AUFSATZ

                    III. Unmöglichkeit                         ten) leistungsfähig bleibt.2 Auf den teils weltwei-
                                                               ten Zusammenbruch von Lieferketten, wie er vor
     1. Deutsche Rechtslage
                                                               allem zu Beginn der Covid-19-Pandemie bei eini-
   Ist die Erfüllung einer Leistungspflicht in Folge           gen Produkten eingetreten ist, hatte sich aber
der Covid-19-Pandemie aus rechtlichen oder tat-                selbst ein sorgfältig agierender Kaufmann nicht
sächlichen Gründen unmöglich geworden, ver-                    ohne Weiteres einzustellen. Anders stellt sich
bleibt es im deutschen Recht bei dem Grundsatz,                dies aber dar, wenn sich ein Schuldner nach Be-
dass die Hauptleistungspflicht des Schuldners                  kanntwerden der Pandemie zu einer Leistung
entfällt (§ 275 Abs. 1 BGB). Gemäß § 275 Abs. 4,               verpflichtet hat, deren Erfüllbarkeit angesichts
§ 326 BGB ist dann auch die Gegenleistung nicht                der zwischenzeitlich erkennbar gewordenen Be-
zu erbringen, sofern für die Unmöglichkeit nicht               schaffungsprobleme nicht gesichert war.
der Gläubiger allein oder weit überwiegend ver-
                                                                   Trotz der mit der Covid-19-Pandemie verbun-
antwortlich ist. Hierbei ist unerheblich, ob die
                                                               denen Marktirritationen kann ein Schuldner
Leistungserbringung für jedermann (objektive
                                                               gehalten sein, die ihm mit eigenen Mitteln nicht
Unmöglichkeit) oder nur für den Schuldner (sub-
                                                               mögliche Leistung unter Mitwirkung eines Drit-
jektive Unmöglichkeit/Unvermögen) unmöglich
                                                               ten zu bewirken;3 vor allem bei einer Gattungs-
geworden ist. Liegt eine solche Unmöglichkeit
                                                               schuld und bei anderen nicht personenabhängi-
aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen vor,
                                                               gen Leistungen. Allerdings ist auch hierbei zu be-
bleibt für eine Vertragsanpassung nach den
                                                               rücksichtigen, dass für einige Produkte der Markt
Grundsätzen der Geschäftsgrundlage von
                                                               coronabedingt zeitweilig erheblich gestört war,
vornherein kein Raum.1 Es kommt dann für die
                                                               teilweise sogar weitgehend zusammengebrochen
weitere Abwicklung des Rechtsverhältnisses nur
                                                               ist. Ähnliches gilt, wenn es bei einem Schuldner
noch darauf an, ob der Schuldner die Unmöglich-
                                                               durch eine massenhafte Corona-Infektion oder
keit zu vertreten hat oder nicht.
                                                               Corona-Quarantäne seiner Mitarbeiter zu massi-
   Ob dem Schuldner eine Exkulpation (vgl. §                   ven Produktionsausfällen oder gar zu einer zeit-
280 Abs. 1 Satz 2 BGB) bei einer coronabedingten               weiligen Betriebsstillegung gekommen ist.
Unmöglichkeit gelingt, hängt von den Umständen
                                                                  Für diesen Bereich der sog. wirtschaftlichen
des Einzelfalles ab. Zumindest bei Rechtsverhält-
                                                               Unmöglichkeit, also einer über die zumutbare
nissen, die vor Bekanntwerden der Pandemie be-
                                                               Opfergrenze hinausgehenden Belastung des
gründet wurden, wird aber tendenziell von einer
                                                               Schuldners, ist im deutschen Recht umstritten,
Exkulpation auszugehen sein. Der Auftragneh-
                                                               ob eine Unmöglichkeit i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB
mer/Verkäufer      trägt    zwar    bei     einem
                                                               vorliegt oder ob - wofür einiges spricht - eine
Austauschvertrag das Beschaffungsrisiko. Insbe-
                                                               Vertragsanpassung nach den Grundsätzen über
sondere wenn er einen vollkaufmännisch einge-
                                                               den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu erfolgen
richteten Gewerbebetrieb unterhält, hat er auch
                                                               hat.4 Hierauf soll jedoch nicht weiter eingegan-
gewisse Vorkehrungen dafür zu treffen, dass er
bei vorhersehbaren Leistungserschwernissen                     2
                                                                  vgl. auch Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/
(etwa bei Lieferschwierigkeiten eines Vorlieferan-               Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn. 54
                                                               3
                                                                 vgl. § 275 Abs. 2 BGB; bei Doppelverkauf: BGH, Urteil vom
1
    vgl. Böttcher in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB      25.10.2012 - VII ZR 146/11 - BGHZ 195, 195
                                                               4
    Rn. 35 mwN; Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/         vgl. zum Meinungsstand: Böttcher in: Erman, BGB, 16.
    Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn. 21     Aufl. 2020, § 313 BGB, Rn. 35; Pfeiffer in:

                                                                                                                        3
Ulrich Hagenloch                                                                      Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

gen werden, da sich im georgischen Recht die                    Golfplatzes oder einer anderen Freizeiteinrich-
Folgen einer wirtschaftlichen Unmöglichkeit je-                 tung (dazu unten V. 4. b)).
denfalls nach Art. 398 ZGB beurteilen (dazu un-
                                                                   Bei Dauerschuldverhältnissen, vor allem bei
ten 2.).
                                                                Miet- und Pachtverträgen, hängt von einer Abwä-
   Der Anwendungsbereich des Unmöglichkeits-                    gung der beiderseitigen Interessen ab, ob aus §
rechts ist nicht eröffnet, wenn die geschuldete                 313 BGB auch eine rückwirkende Vertragsanpas-
Leistungshandlung vorgenommen werden kann                       sung verlangt werden kann.6 Gerade bei den
und lediglich der erstrebte Vertragszweck nicht                 durch die Covid-19-Pandemie erfolgten Vertrags-
zu erreichen ist. Diese Unterscheidung ist bei den              störungen wird (soweit die sonstigen Vorausset-
coronabedingten Vertragsstörungen insbeson-                     zungen vorliegen) eine derartige Rückwirkung in
dere im Bereich des Miet- und Pachtrechts von                   aller Regel sachgerecht sein, da die
Belang. Wird durch eine hoheitliche Maßnahme                    coronabedingten Veränderungen derart massiv
unmittelbar die Gebrauchsüberlassung unter-                     und greifbar waren, dass kein redlicher Vertrags-
sagt, liegt Unmöglichkeit vor. Ist hingegen die Ge-             partner bei Betriebsschließungen und ähnlichen
brauchsüberlassung als solche nicht verboten,                   substanziellen hoheitlichen Einriffen auf einen
sondern bezieht sich der staatliche Eingriff auf                unveränderten Fortbestand des Dauerschuldver-
die Nutzung des Vertragsgegenstands, ist die Ver-               hältnisses vertrauen durfte.
tragserfüllung im Rechtsverhältnis zwischen Ver-
pächter/Vermieter und Pächter/Mieter nicht un-
möglich geworden.5 Bei einer aus infektions-                         2. Georgische Rechtslage
schutzrechtlichen Gründen erfolgten Schließung
von Einzelhandelsgeschäften, gastronomischen                       Im georgischen Recht ist die Ausgangslage in-
Betrieben       usw.      kann        daher     die             soweit etwas anders, als bei einer Unmöglichkeit
Gebrauchsüberlassung rechtlich weiterhin erfol-                 nach Art. 401 ZGB zwar kein Verzug eintritt, aber
gen; jedenfalls solange sich der hoheitliche Ein-               das Vertragsverhältnis als solches mit seinen
griff nur auf den Betrieb, also die Nutzung des                 Hauptleistungspflichten fortbesteht. Gemäß Art.
überlassenen Objekts im Rechtsverhältnis zwi-                   398 ZGB ist dann darüber zu befinden, ob eine
schen dem Pächter/Mieter und dessen Kunden                      Vertragsanpassung erfolgen kann bzw. muss.
bezieht. Anders liegt es hingegen, wenn aus                     Scheidet dies aus, entsteht ein außerordentliches
infektionsschutzrechtlichen Gründen unmittelbar                 Rücktritts- oder Kündigungsrecht nach Art. 399
die Ausübung des Nutzungsrechts untersagt                       ZGB.
wurde, so etwa die Anmietung eines Tennisplat-
                                                                   Im Ausgangspunkt ist daher im georgischen
zes sowie die Nutzung eines Fitnessstudios, eines
                                                                Recht eine Vertragsanpassung auch bei einer
                                                                rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit
                                                                eröffnet. Gerade bei den coronabedingten Ver-
    Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger,                  tragsstörungen        sind    aber      derartige
    jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn. 53 f.
5                                                               Vertragsanpassungen nicht ohne Weiteres vor-
     vgl. Seichter in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/
    Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 275 BGB; LG             stellbar. Eine Vertragsanpassung darf nämlich al-
    Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 - 5 O 66/20 - juris; LG
                                                                6
    Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 - HKO 17/20, juris;           dazu im Einzelnen das unter V. 4. d) bb) (3.1)
    LG Frankfurt/M., Urteil vom. 02.10.2020 - 2-15 O 23/20,         auszugsweise wiedergegebene Urteil des Landgerichts
    juris                                                           Mönchengladbach vom 02.11.2020, dort unter bb) (5)

4
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19                                                      AUFSATZ

lein darauf gerichtet sein, die durch die veränder-            gewissem Umfang (Freizeitveranstaltungen, Rei-
ten Umstände eingetretene Störung des Äquiva-                  sen) derartige Gutscheinlösungen (vgl. Art. 240 §
lenzverhältnisses zu beseitigen. Anders formu-                 5 und § 6 EGBGB). Sie beruhen aber auf einer
liert, muss sie also die vertraglich gewollte Äqui-            ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage, werden
valenz der beiderseitigen Leistungspflichten wie-              also nicht auf § 313 BGB gestützt. Zudem wird im
derherstellen.7 Ist die Erfüllung einer Hauptleis-             deutschen Recht uneinheitlich beantwortet, ob
tungspflicht unmöglich, wäre aber eine Ver-                    diese gesetzlichen Regelungen verfassungsge-
tragsanpassung zumindest in der Regel mit einer                mäß sind9 oder ob sie gegen die
Veränderung des inhaltlichen Charakters einer                  verfassungsrechtliche Eigentumsgarantie und
Hauptleistungspflicht verbunden. Ein solcher                   Grundsätze des rechtsstaatlichen Vertrauens-
Eingriff in die Rechtsnatur der Hauptleistungs-                schutzes verstoßen.10
pflicht ist aber kaum möglich, ohne nicht zugleich
                                                                   Es dürfte deshalb viel dafür sprechen, Art. 398
ein rechtliches Aliud zu schaffen.
                                                               ZGB zumindest im Regelfall nur bei einer
   Bei zeitlich begrenzten Dauerschuldverhältnis-              coronabedingten „wirtschaftlichen Unmöglich-
sen, beispielsweise bei einem „Jahres-Abonne-                  keit“ anzuwenden, aber nur ausnahmsweise bei
ment“, kann allerdings im georgischen Recht er-                einer rechtlichen oder faktischen Unmöglichkeit.
wogen werden, ein Vertragsverhältnis um die                    Hierunter fiele etwa, wenn es einem Vertrags-
Dauer der Unmöglichkeit zu verlängern, so etwa                 partner wegen des Zusammenbruchs von
bei einer zeitweiligen Schließung von Fitnessstu-              Produktions- oder Lieferketten nicht mehr mög-
dios8 oder von anderen Freizeiteinrichtungen.                  lich oder zumutbar war, sich eine zur Vertragser-
Hierdurch würde zwar mit der Vertragsdauer ein                 füllung notwendige Leistung zu beschaffen (siehe
wesentliches Vertragselement verändert. In sei-                dazu III. 1. a)). Eine Vertragsanpassung könnte
nem Charakter bliebe es aber erhalten, so dass                 ausnahmsweise zudem in Betracht kommen,
kein rechtliches Aliud entstünde. Dennoch ist                  wenn zwar eine rechtliche Unmöglichkeit einge-
eine Verlängerung der Vertragsdauer allenfalls                 treten sein mag, deren Ursache aber die Risiko-
möglich, wenn hierdurch schutzwürdige Belange                  sphären beider Parteien berührt; so etwa, wenn
des Mieters oder sonstigen Nutzers nicht beein-                ein Mietobjekt in Folge einer Abriegelung von
trächtigt werden.                                              Hotspots unerreichbar ist (dazu V. 4. f) bb)).

   Hingegen scheidet wegen des damit einherge-                    Um einem möglichen Missverständnis vorzu-
henden Eingriffs in die Rechtsnatur der Vereinba-              beugen, sei angemerkt, dass sich diese
rung von vornherein aus, einem Vertragspartner                 Ausführungen auf die normative Rechtslage
bei einer coronabedingt unmöglich gewordenen                   beziehen. Deren ungeachtet ist es fraglos gerade
Leistung nicht die bereits entrichtete Vergütung               bei einer coronabedingten Unmöglichkeit in be-
zurück zu gewähren, sondern ihm stattdessen ei-                sonderer Weise sinnvoll, zwischen den Vertrags-
nen Gutschein für die Zeit nach der Pandemie
auszustellen. Zwar gibt es im deutschen Recht in               9
                                                                   so AG Essen, Urteil vom 13.01.2021 13 C 278/20 - juris)
                                                               10
                                                                      so an das Bundesverfassungsgericht gerichteter
7
       vgl. Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/               Vorlagebeschluss des AG Frankfurt/M vom 28.09.2020 -
    Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB Rn. 73        31 C 2936/20 - juris; zweifelnd mit weiteren Nachweisen
    f.                                                             auch:      Eibenstein       in:     Herberger/Martinek/
8
     vgl. zum deutschen Recht auch unter V. 4. b) für              Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art
    „Mitgliedschaft“ in Fitnessstudio                              240 § 5 EGBGB (Stand: 19.11.2020), Rn. 8 ff.

                                                                                                                        5
Ulrich Hagenloch                                                                Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

partnern eine einvernehmliche Lösung zu su-                   Bezug auf die Pachtsache als Mangel in Betracht
chen, die auf ein rechtliches Aliud gerichtet ist.            kommen können (BGH, Urteil 21.09.2005 - XII ZR
Häufig bieten sich hierfür auch kreative Konzepte             66/03 - NJW 2006, 899; BGH, Urteil vom
an, die sich ggf. auch weit von einer Vertragsan-             16.02.2000 - XII ZR 279/97 - NJW 2000, 1714).
passung entfernen können. Was aber bleibt:                    Öffentlich-rechtliche Gebrauchshindernisse und
Diese sinnvollen Lösungswege stellen sich recht-              Gebrauchsbeschränkungen, die dem vertragsge-
lich als Vergleichsschlüsse im Sinne von Art. 360             mäßen        Gebrauch      eines    Pachtobjekts
ZGB dar. Auf diese hat ein Richter im gerichtli-              entgegenstehen, begründen nach der Rechtspre-
chen Verfahren gemäß Art. 218 GEO-ZPO zwar                    chung des Bundesgerichtshofs allerdings nur
hinzuwirken; umsetzen kann er sie aber nur mit                dann einen Sachmangel im Sinne der §§ 536 ff.
Zustimmung der Parteien.                                      BGB, wenn sie auf der konkreten Beschaffenheit
                                                              der Pachtsache beruhen und nicht in persönlichen
                                                              oder betrieblichen Umständen des Pächters ihre
                       IV. Minderung                          Ursache haben (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.2008 -
                                                              XII ZR 1/07 - NJW 2009, 124; BGH, Urteil vom
   Bei den wirtschaftlich von der Covid-19-Pan-               24.10.2007 - XII ZR 24/06 - ZMR 2008, 274; …)
demie besonders betroffenen Miet- und
Pachtverträgen über Gewerberäume (im Folgen-                     Ergeben sich aufgrund von gesetzgeberischen
den nur noch Pachtverträge) führen die aus                    Maßnahmen während eines laufenden Pachtver-
infektionsschutzrechtlichen Gründen angeordne-                hältnisses Beeinträchtigungen des vertragsmäßi-
ten Betriebsschließungen zu keinem Mangel der                 gen Gebrauchs eines gewerblichen Pachtobjekts,
Pachtsache im Sinne von § 581 Abs. 2, § 536 Abs.              kann dies nachträglich einen Mangel iSv §§ 581
1 BGB bzw. von Art. 581 Abs. 1, Art. 535 ZGB.                 Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 BGB begründen (vgl. Ei-
                                                              senschmid in Schmidt-Futterer Mietrecht 10. Aufl.
   Grundsätzlich können zwar hoheitlich                       § 536 Rn. 63). Voraussetzung hierfür ist jedoch,
angeordnete      Betriebsschließungen      oder               dass die durch die gesetzgeberische Maßnahme
Betriebsbeschränkungen einen Sachmangel der                   bewirkte Gebrauchsbeschränkung unmittelbar
Pachtsache auslösen. Voraussetzung hierfür ist                mit der konkreten Beschaffenheit, dem Zustand
jedoch, dass die Ursache für den hoheitlichen                 oder der Lage des Pachtobjekts in Zusammen-
Eingriff in der Beschaffenheit der Pachtsache                 hang steht. Andere gesetzgeberische Maßnah-
liegt. Der Bundesgerichtshof hat hierzu im Zu-                men, die den geschäftlichen Erfolg beeinträchti-
sammenhang mit den durch das Nichtraucher-                    gen, fallen dagegen in den Risikobereich des
schutzgesetz     verbundenen       Nutzungsbe-                Pächters (Wolf/Eckert/Ball Handbuch des
schränkungen von Gaststätten u.a. ausgeführt:11               gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts 10.
                                                              Aufl. Rn. 200). Denn der Verpächter von
   „1. Unter einem Mangel im Sinne von §§ 581
                                                              Gewerberäumen ist gemäß §§ 581 Abs. 2, 535
Abs. 2, 536 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die für den Päch-
                                                              Abs. 1 Satz 2 BGB lediglich verpflichtet, den
ter nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zu-
                                                              Pachtgegenstand während der Vertragslaufzeit in
standes der Pachtsache von dem vertraglich ge-
                                                              einem Zustand zu erhalten, der dem Pächter die
schuldeten zu verstehen, wobei sowohl tatsächli-
                                                              vertraglich vorgesehene Nutzung ermöglicht. Das
che Umstände als auch rechtliche Verhältnisse in
                                                              Verwendungsrisiko bezüglich der Pachtsache
11
     BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 189/09 - NJW 2011,   trägt bei der Gewerberaummiete dagegen grund-
     3151                                                     sätzlich der Mieter (vgl. BGH, Urteil vom

6
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19                                                        AUFSATZ

21.09.2005 - XII ZR 66/03 - NJW 2006, 899...;                    von Raucher- und Nichtraucherbereichen erfor-
BGH, Urteil vom 26.05.2004 - XII ZR 149/02 -                     derlichen baulichen Maßnahmen an die konkrete
NJW-RR 2004, 1236; …). Dazu gehört vor allem                     Nutzung anknüpfen und daher im Risikobereich
das Risiko, mit dem Pachtobjekt Gewinne erzielen                 des Pächters liegen:13
zu können. Erfüllt sich die Gewinnerwartung des
                                                                     „Nach §§ 581 Abs. 2, 535 Abs. 1 Satz 2 BGB
Pächters aufgrund eines nachträglich eintreten-
                                                                 hat der Verpächter die Pachtsache während der
den Umstandes nicht, so verwirklicht sich damit
                                                                 Pachtzeit in einem vertragsgemäßen Zustand zu
ein typisches Risiko des gewerblichen Pächters.
                                                                 erhalten. Im Rahmen dieser Verpflichtung muss
Das gilt auch in Fällen, in denen es durch nach-
                                                                 der Verpächter sämtliche Maßnahmen vorneh-
trägliche gesetzgeberische oder behördliche
                                                                 men, die erforderlich sind, um dem Pächter den
Maßnahmen zu einer Beeinträchtigung des Ge-
                                                                 vertragsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen (Pa-
werbebetriebs des Pächters kommt.“
                                                                 landt/Weidenkaff BGB 70. Aufl. § 535 Rn. 36).
    Hiervon ausgehend entspricht es in Deutsch-                  Diese Instandhaltungs- und Instandsetzungs-
land nahezu einhelliger Auffassung in Rechtspre-                 pflicht kann dazu führen, dass ein Verpächter bei
chung und Literatur, dass coronabedingte Be-                     einer Änderung öffentlich-rechtlicher Vorschriften
triebsschließungen zu keinem Sachmangel der                      durch die Vornahme geeigneter baulicher Verän-
Pachtsache führen, da der hoheitliche Eingriff                   derungen des Pachtgegenstands einen Zustand
nicht auf deren Beschaffenheit beruht, sondern                   schaffen muss, der dem Pächter den weiteren
dazu dient, die mit der Benutzung der Pachtsa-                   vertragsgemäßen Gebrauch der Pachtsache er-
che verbundenen Infektionsgefahren abzuwen-                      möglicht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 11.12.1991 -
den.12                                                           XII ZR 63/90 - NJW-RR 1992, 267; BGH Urteil vom
                                                                 04.04.1979 - VIII ZR 118/78 - NJW 1979, 2351).
   Ein Mangel der Pachtsache oder eine
                                                                 Allerdings ist auch im Rahmen der §§ 581 Abs. 2,
Schadenersatzpflicht des Verpächters können
                                                                 535 Abs. 1 Satz 2 BGB die gesetzliche
sich auch nicht daraus ergeben, dass dieser
                                                                 Risikoverteilung zwischen Verpächter und Pächter
bauliche Maßnahmen unterlässt, die aus Grün-
                                                                 zu berücksichtigen. Deshalb darf auf diesem Weg
den des Infektionsschutzes ergriffen werden
                                                                 das Verwendungsrisiko des Pächters nicht auf
müssten, um in den gepachteten Räumen den
                                                                 den Verpächter abgewälzt werden. Handelt es
vertragsgemäßen Gewerbebetrieb fortsetzen zu
                                                                 sich bei der Gebrauchsbeschränkung um die
können. Der Bundesgerichtshof hat hierzu in
                                                                 Folge einer Gesetzesänderung, die - wie im vorlie-
dem bereits erwähnten Urteil zum Nichtraucher-
                                                                 genden Fall - an die betrieblichen Verhältnisse
schutzgesetz ausgeführt, dass die zur Trennung
                                                                 des Pächters anknüpft, ist der Verpächter für die
12
                                                                 aufgetretene Störung schon deshalb nicht verant-
      vgl. LG München I, Urteil vom 25.01.2021 - 31 O 7743/20
                                                                 wortlich, weil diese ihre Ursache dann nicht in
     - juris; LG Wiesbaden, Urteil vom 05.11.2020 - 9 O
     852/20 - MDR 2021, 28; LG Mönchengladbach, Urteil           dem Zustand oder der Beschaffenheit der
     vom 02.11.2020 - 12 O 154/20 - juris [auszugsweise          Pachtsache hat (vgl. BGH, Urteil vom 11.12.1991
     abgedruckt unter V. 4. d) bb) (3.1)]; LG Frankfurt/M,       - XII ZR 63/90 - NJW-RR 1992, 267).“
     Urteil vom 02.10.2020 - 2-15 O 23/20 - juris; LG
     Zweibrücken, Urteil vom 11.09.2020 - HKO 17/20 - juris;
     LG Heidelberg, Urteil vom 30.07.2020 - 5 O 66/20 - juris;
     a.A. unter Hinweis auf einige wenige gegenteilige
                                                                 13
     Meinungen in der Literatur: LG München I, Urteil vom             BGH, Urteil vom 13.07.2011 - XII ZR 189/09 - NJW 2011,
     22.09.2020 - 3 O 4495/20 - juris                                 3151

                                                                                                                          7
Ulrich Hagenloch                                                            Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

   Diese Grundsätze haben zur Konsequenz, dass      während eines bestehenden Vertragsverhältnis-
alle Maßnahmen, die erforderlich sind, um einen     ses die Nutzung der Pachtsache bei veränderten
Geschäftsbetrieb während der Covid-19-Pande-        gesetzlichen Bestimmungen oder bei zusätzli-
mie in gepachteten Geschäftsräumen aufrecht-        chen hoheitlichen Anordnungen fortsetzen zu
erhalten zu können, im Verantwortungsbereich        können.
des Pächters liegen. Die Notwendigkeit derartiger
Maßnahmen beruht nämlich nicht auf dem bauli-
chen Zustand der Pachtsache, sondern auf den                   V. Wegfall der Geschäftsgrundlage
mit deren konkreter Nutzung verbundenen Infek-
tionsgefahren. Verdeutlicht wird dies dadurch,         Inwieweit die gesetzlichen Regelungen zum
dass allein von der Art des unterhaltenen Ge-       Wegfall der Geschäftsgrundlage deutschen
schäftsbetriebes abhängt, ob überhaupt eine         Rechts (§ 313 BGB) bzw. zur Vertragsanpassung
bauliche Veränderung notwendig ist und ggf.         georgischen Rechts (Art. 398 ZGB) hinsichtlich
welche. Dies unterscheidet die aus infektions-      des gegenständlichen Anwendungsbereichs, der
schutzrechtlichen Gründen notwendigen Maß-          tatbestandlichen Voraussetzungen und der
nahmen von jenen, die durch nachträgliche ge-       Rechtsfolgen identisch sind, soll offen bleiben
setzliche           Veränderungen            von    (vgl. oben I.). Zumindest substanzielle Unter-
nutzungsunabhängigen Anforderungen bedingt          schiede dürften aber nicht bestehen.
sind, etwa durch verschärfte Emissionsbestim-
mungen für bereits bestehende Heizungsanla-
gen. Daher kann dahinstehen, inwieweit derar-             1. Gegenständlicher Anwendungsbereich
tige Maßnahmen, etwa der Einbau von
                                                       Wie bereits angesprochen, ist der Anwen-
Trennwänden, von Verglasungen oder von Vor-
                                                    dungsbereich der Grundsätze zum Wegfall der
richtungen zur Steuerung des Kundenverkehrs
                                                    Geschäftsgrundlage im deutschen Recht grund-
sowie das Anbringen von Absperrungen nicht oh-
                                                    sätzlich nicht eröffnet, wenn die Leistungsstö-
nehin Einrichtungen des Pächters darstellen.
                                                    rung zu einer rechtlichen oder tatsächlichen Un-
   Dies gilt unabhängig davon, ob in dem Pacht-     möglichkeit führt (oben III. 1.). Auch im georgi-
vertrag, wie in aller Regel, der Zweck der Nut-     schen Recht dürfte trotz der etwas anderen nor-
zung angegeben ist. Zwar können die Partner ei-     mativen Konzeption bei einer rechtlichen oder
nes Pachtvertrages als Folge der Vertragsfreiheit   tatsächlichen Unmöglichkeit eine Vertragsanpas-
die dargelegten Pflichten und Risikosphären ab-     sung nach Art. 398 ZGB im Ergebnis eher aus-
weichend vom gesetzlichen Leitbild regeln. Hier-    scheiden (oben III. 2). Für beide Rechtsordnun-
für genügt aber die Angabe des Nutzungszwecks,      gen gilt zudem, dass eine Anwendung der
also etwa Restaurant, Hotel, Bank, Friseurge-       Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage
schäft usw. nicht. Mit solchen Regelungen wird      im gegenständlichen Anwendungsbereich des
nämlich ausschließlich bestimmt, welche Nutzun-     Sachmängelrechts in aller Regel nicht in Betracht
gen des Pächters vertragsgemäß sind und wel-        kommt.14
chen Nutzungsanforderungen die Pachtsache bei
deren Übergabe entsprechen muss. Hingegen be-
sagen derartige Bestimmungen nichts darüber,        14
                                                          vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2008 - III ZR 200/07 - MDR
welcher Vertragspartner die Verantwortlichkeit           2008, 615 zum Vorrang des mietvertraglichen
für Maßnahmen trifft, die erforderlich sind, um          Sachmängelrechts

8
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19                                                    AUFSATZ

    Des Weiteren handelt es sich bei § 313 BGB                 schuldrechtliche Vergütung für die einzelne Nut-
und bei Art. 398 ZGB um Regelungen zu den                      zung zu entrichten sind, bleibt der Grundbetrag
Schuldverhältnissen. Dies schließt zwar nicht                  von einer etwaigen Vertragsanpassung ausge-
aus, die aus dem Grundsatz von Treu und Glau-                  schlossen.
ben abgeleiteten Rechtsprinzipien des Wegfalls
der Geschäftsgrundlage auf sonstige Rechtsver-
hältnisse schuldrechtsnaher Art zu übertragen.15                 2. Abgrenzung zwischen kleiner und großer
Auf vereins- oder gesellschaftsrechtliche Teilha-              Geschäftsgrundlage; Normstruktur
berechte lassen sie sich aber nicht erstrecken, da
diese einen korporativen Charakter tragen. Ist                    In der deutschen Zivilrechtsdogmatik wird teil-
etwa das Mitglied eines Vereins oder einer                     weise zwischen der kleinen und der großen Ge-
Gesellschaft unmittelbar aus seiner Mitglied-                  schäftsgrundlage unterschieden. Hierbei handelt
schaft heraus berechtigt, das Vereins- oder das                es sich aber nicht um unterschiedliche
Gesellschaftsvermögen, beispielsweise einen                    Rechtsinstitute, sondern um eine typisierende
Golfplatz oder einen Tennisplatz, zu nutzen und                Einordnung von gewissen Störungslagen.
wird diese Nutzung aus infektionsschutzrechtli-
                                                                  Der großen Geschäftsgrundlage werden die
chen Gründen untersagt, können nicht in Anwen-
                                                               von den konkreten Verhältnissen der Parteien
dung von § 313 BGB bzw. Art. 398 ZGB der ver-
                                                               oder deren Rechtsbeziehungen losgelösten
einsrechtliche Mitgliedsbeitrag oder eine fortlau-
                                                               grundlegenden Veränderungen im Rechts- und
fende gesellschaftsrechtliche Beitragspflicht
                                                               Wirtschaftsverkehr zugerechnet. Zu ihr zählen
reduziert werden.16 Dies ist im Übrigen auch
                                                               vor allem wirtschaftliche Zusammenbrüche gan-
sachgerecht, da sich das Vereinsmitglied bzw. der
                                                               zer Volkswirtschaften, etwa in Folge von Kriegser-
Gesellschafter     in    einer     wirtschaftlichen
                                                               eignissen oder revolutionären Umbrüchen, Hy-
Schicksalsgemeinschaft mit dem Verein bzw. der
                                                               perinflationen, ggf. aber auch Revolutionen im
Gesellschaft befinden. Hiervon zu unterscheiden
                                                               Ausland mit gravierenden Auswirkungen auf die
sind jedoch Fallgestaltungen, in denen die Nut-
                                                               Außenhandelsbeziehungen.17
zung des Vereins- oder Gesellschaftsvermögens
nicht als Teilhaberecht ausgestaltet ist, sondern-                Zur kleinen Geschäftsgrundlage gehören alle
auf einer mit dem Verein oder mit der Gesell-                  anderen Vertragsstörungen, also vor allem jene,
schaft       geschlossenen       schuldrechtlichen             die sich aus den konkreten Vertragsverhältnis-
Vereinbarung beruht (dazu unten V. 4. b)). Dies                sen ergeben.18 Wird in der rechtlichen Diskussion
gilt selbst dann, wenn der Verein oder die Gesell-             nur allgemein von „der Geschäftsgrund-
schaft nach ihrer Satzung Nutzungsvereinbarun-                 lage“ gesprochen, was in Deutschland üblich ist,
gen ausschließlich mit Vereinsmitgliedern oder                 wird damit weitgehend die kleine Geschäfts-
mit Gesellschaftern schließen dürfen. Ist die Be-              grundlage gemeint.
rechtigung für die Nutzung des Vereinsvermö-                   17
                                                                   vgl. Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/
gens dergestalt gesplittet, dass ein vereinsrechtli-
                                                                  Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn. 41;
cher Grundbetrag und zusätzlich eine                              Böttcher in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB, Rn.
                                                                  10.
15                                                             18
    vgl. im Einzelnen zum Anwendungsbereich: Böttcher in:          vgl. näher: Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/
   Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB, Rn. 11                  Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn.
16
     in der rechtlichen Herleitung anders: AG Nürtingen,          42; Böttcher in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB,
   Urteil vom 17.07.2020 - 44 C 2310/20 - juris                   Rn. 11

                                                                                                                       9
Ulrich Hagenloch                                                                    Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

   In diese klassische Unterscheidung lassen sich            bisherigen Vertragsinhalt nicht zugemutet wer-
die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pande-              den kann.
mie nicht ohne Weiteres einordnen.19 Für die
juristische Praxis ist diese mehr dogmatische
Frage aber im Ergebnis unerheblich. Dieses hängt               3. Allgemeine Voraussetzungen für Wegfall
allein davon ab, wie den Besonderheiten dieser               der Geschäftsgrundlage
Pandemie innerhalb der dogmatischen Struktu-
ren von § 313 BGB angemessen Rechnung getra-                   Die Geschäftsgrundlage wird in Deutschland
gen werden kann. Hierbei orientieren sich die                meist mit folgender Kurzfassung definiert:20
nachfolgenden Ausführungen an den vom
                                                                „Die Geschäftsgrundlage eines Vertrages wird
Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages ge-
                                                             nach der ständigen Rechtsprechung des
wählten Begrifflichkeiten und Strukturen (Bericht
                                                             Bundesgerichtshofs gebildet durch die nicht zum
zum COVID-19-Insolvenzfolgen-Abmilderungsge-
                                                             eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Ver-
setz - nachfolgend unter V. 4. d) aa) auszugsweise
                                                             tragsschluß aber zutage getretenen gemeinsa-
abgedruckt). Soweit sich in der Rechtsprechung
                                                             men Vorstellungen beider Vertragsparteien oder
und in der Literatur teilweise etwas andere Dar-
                                                             die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von
stellungen finden, betreffen diese nicht die In-
                                                             ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der einen
halte, sondern die sprachliche Fassung und die
                                                             Vertragspartei von dem Vorhandensein oder dem
Zuordnung der einzelnen Themenbereiche.
                                                             künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf de-
   - Zum realen Merkmal des § 313 Absatz 1 BGB               nen der Geschäftswille der Parteien sich auf-
gehört, dass sich ein Umstand, der zur Grundlage             baut“.
der vertraglichen Vereinbarung (aber nicht zu
                                                                Da das Prinzip der Vertragstreue nur unter
dessen Inhalt) geworden ist, nach Vertragsschluss
                                                             ganz engen Voraussetzungen durchbrochen wer-
schwerwiegend verändert hat.
                                                             den darf, setzt eine zum Wegfall der Geschäfts-
   - Dem schließt sich das hypothetische Ele-                grundlage führende Unzumutbarkeit im Sinne
ment an, also die Frage, ob der Vertrag nicht                von § 313 BGB voraus, dass ein Festhalten am
oder mit anderem Inhalt geschlossen worden                   Vertrag Treu und Glauben widersprechen und zu
wäre, wenn die Parteien die Veränderung voraus-              untragbaren, mit Recht und Gerechtigkeit
gesehen hätten.                                              schlechthin unvereinbaren Ergebnissen führen
                                                             würde. In aller Regel entfällt die Geschäftsgrund-
    - Bei den coronabedingten Vertragsstörungen              lage deshalb nicht durch Leistungsstörungen, die
wird die spezifische Problematik meist im norma-             im vertraglichen Risikobereich einer Partei lie-
tiven Merkmal des § 313 BGB liegen, nämlich bei              gen.21 Hierunter fallen beispielsweise das Be-
der Frage, ob bei Berücksichtigung aller Um-                 schaffungsrisiko eines Verkäufers, Auftragneh-
stände des Einzelfalles, insbesondere der vertrag-           mers, Vermieters oder Verpächters sowie das
lichen oder gesetzlichen Risikozuweisung, zumin-
dest einem Vertragspartner ein Festhalten am                 20
                                                                vgl. zuletzt: BGH, Urteil vom 11.11.2020 - VIII ZR 191/18 -
                                                                NJW-RR 2021, 84
19                                                           21
      vgl. zur Einordnung der Covis-19 Pandemie näher:           BGH, Urteil vom 30.09.2011 - V ZR 17/11 - BGHZ 191,
     Pfeiffer      in:      Herberger/Martinek/Rüßmann/         139; BGH, Urteil vom 21.09.2005 - XII ZR 66/03 - NJW
     Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn.      2006, 899; BGH, Urteil vom 16.02.2000 - XII ZR 279/97 -
     13.4 f.                                                    NJW 2000, 1714

10
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19                                                       AUFSATZ

Verwendungsrisiko eines Käufers, Auftraggebers,                ner Reiserücktrittsversicherung der Eintritt einer
Mieters oder Pächters.22                                       Pandemie dieses Ausmaßes außerhalb der Vor-
                                                               stellungskraft der Vertragspartner gelegen ha-
   Zu den Umständen im Sinne von § 313 BGB
                                                               ben. Dies ändert aber nichts daran, dass der Ein-
zählen nicht nur die tatsächlichen Gegebenhei-
                                                               tritt eines coronabedingten Versicherungsfalles
ten, sondern ggf. auch der Fortbestand oder die
                                                               nicht nur zum Risikobereich des Versicherers
Änderung der bestehenden Gesetzeslage.23
                                                               zählt, sondern sogar Teil des Vertragsinhalts ge-
Selbst dann ist mit entscheidend, in wessen
                                                               worden ist. Bei den Betriebsunterbrechungsversi-
Risikosphäre die unvorhergesehene Änderung
                                                               cherungen wird in der deutschen Rechtspre-
oder der unerwartete Fortbestand der bisherigen
                                                               chung zwar unterschiedlich beantwortet, ob die
Rechtslage angesiedelt ist. Das Vorliegen einer
                                                               Covid-19-Pandemie          nach    den     Versicher-
höheren Gewalt kann deshalb nichts daran än-
                                                               ungsbedingungen zum versicherten Risiko
dern, dass grundsätzlich jeder Vertragspartner
                                                               gehört.26 Soweit dies bejaht wird, kann es jedoch
die Folgen der Covid-19-Pandemie insoweit
                                                               zu keinem Wegfall der Geschäftsgrundlage
selbst zu tragen hat, als sie seinem Risikobereich
                                                               kommen, da es dem Zweck von Versicher-
zuzurechnen sind.24
                                                               ungsverträgen immanent ist, dass der Versicherer
    Bei Verträgen, die sich in einem einmaligen                im Rahmen der versicherten Risikos selbst für
Leistungsaustausch erschöpfen, besteht eine                    unvorhersehbare           Versicherungsfälle     ein-
                                                                                      27
striktere Bindung an das Vereinbarte als bei Dau-              trittspflichtig bleibt.
erschuldverhältnissen oder bei Vereinbarungen,
                                                                  Gewisse konkludente Risikoübernahmen kön-
bei denen die persönlichen Bindungen der Par-
                                                               nen auch in Betracht kommen, wenn nach Be-
teien eine prägende Rolle spielen.25 Des Weiteres
                                                               kanntwerden der Pandemie Hotelzimmer oder
kann vom konkreten Vertragszweck abhängen,
                                                               Ferienwohnungen gebucht (dazu unten V. 4. f)
ob und ggf. in welchem Umfang ein Vertrags-
                                                               cc)) oder Gewerberäume für Geschäftszwecke
partner die mit der Covid-19-Pandemie
                                                               gepachtet wurden, die von möglichen Betriebs-
verbundenen Risiken ausdrücklich oder konklu-
                                                               schließungen oder Betriebsbeschränkungen be-
dent übernommen hat. So mag etwa selbst bei
                                                               sonders betroffen sein konnten. In besonderer
einer privaten Krankenversicherung oder bei ei-
                                                               Weise gilt dies, wenn wegen der coronabedingt
                                                               veränderten Marktverhältnisse ein besonders
22
     vgl. etwa: Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/       niedriger Miet- oder Pachtzins vereinbart wurde.
   Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn.
   13.5; Grunewald in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020,
   Vorbemerkung vor § 433, Rn. 6 ff.; Böttcher in: Erman,
   BGB, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB, Rn. 19; allgemeine
   Meinung.
23
    BGH, Urteil vom 15.12.1983 - III ZR 226/82 - BGHZ 89,
                                                               26
   226.                                                            vgl. dazu zuletzt: LG Darmstadt, Urteil vom 14.01.2021 -
24
       vgl. Pfeiffer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/              28 O 130/20 - juris; .LG Verden, Urteil vom 13.01.2021 - 8
   Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 313 BGB, Rn.          O 140/20 - juris; LG Göttingen, Urteil vom 13.012021 -5 O
   13.5; zu der teilweise etwas anderen Auffassung bei            111/20 - juris
                                                               27
   Pachtverträgen über Gewerberäume unten V. 4. d) bb)              Im Ergebnis ebenso: LG Darmstadt, Urteil vom
   (3).                                                           09.12.2020 - 4 O 220/20 - juris; LG München I, Urteil
25
    vgl. Böttcher in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 313 BGB,      vom 22.10.2020 - 12 O 5868/20 - RuS 2020, 686; LG
   Rn. 16 mwN                                                     Magdeburg, Urteil vom 06.10.2020 - 31 O 45/20 - juris

                                                                                                                          11
Ulrich Hagenloch                                                        Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

     4. Vertragsverhältnisse                          nur Stück für Stück abarbeiten lassen. Die hierbei
                                                      auftretenden Fallgestaltungen unterscheiden sich
     a) Kauf- und Werkverträge
                                                      aber derart stark, dass hier nur die allgemeine
    Soweit kein Fall der wirtschaftlichen Unmög-      Thematik angesprochen werden kann. Die
lichkeit vorliegt, wird bei Kaufverträgen und bei     rechtlichen Lösungswege können von einer tat-
Werkverträgen eine Vertragsanpassung nach §           sächlichen Unmöglichkeit und einer Verneinung
313 BGB in der Regel ausscheiden:                     des Verzuges bis hin zu einer Vertragsanpassung
                                                      nach den Grundsätzen zum Wegfall der
                                                      Geschäftsgrundlage oder einem Kündigungs-
                                                      oder Rücktrittsrecht reichen. So kann es bei einer
   aa) Erfüllungshindernisse und Erfüllungser-
                                                      ihrer Art nach nicht termingebundenen Leistung
schwernisse
                                                      einem Auftraggeber oder Käufer ggf. zumutbar
    Bei absoluten oder relativen Fixgeschäften        sein, einer gewissen Verlängerung der vertragli-
tritt eine rechtliche Unmöglichkeit ein, wenn in-     chen Leistungsfrist zuzustimmen. Dies gilt um so
nerhalb des vertraglichen Leistungszeitraums ein      mehr, als die mit dem entstandenen „Rück-
hoheitliches Erfüllungsverbot besteht. In den an-     stau“ verbundenen Probleme eher branchenty-
deren Fällen liegt nur ein vorübergehendes Erfül-     pisch sind, mithin kaum von den unternehmeri-
lungshindernis vor; der Vertrag wird dann regel-      schen Dispositionen des jeweiligen Auftragneh-
mäßig nach Auslaufen der staatlichen Anordnung        mers oder Verkäufers abhängen.
zu erfüllen sein.

    Anderes mag in Betracht kommen, wenn der
                                                        bb) Wegfall des wirtschaftlichen Ziels
Vertrag in der Zeitspanne zwischen dem Auslau-
fen des hoheitlichen Erfüllungsverbots und dem           In ganz erheblichem Umfang sind durch die
Ende der vertraglichen Erfüllungsfrist rein recht-    Covid-19-Pandemie die mit Kauf- und
lich betrachtet erfüllbar ist, die Erfüllung aber     Werkverträgen erstrebten wirtschaftlichen Ziele
coronabedingt an faktische Grenzen stößt. Sol-        nicht mehr erreichbar. So haben beispielsweise
che Konstellationen können insbesondere entste-       gastronomische Betriebe für die von ihnen
hen, wenn es während der Dauer des Lockdowns          bestellten verderblichen Lebensmittel wegen der
zu einem Stillstand von unternehmerischen Betä-       Schließung von Restaurants keine Verwendung
tigungen gekommen ist und hierdurch Produkti-         mehr. Einzelhändler haben Saisonware geordert,
onsausfälle oder „Staus“ bei der Abarbeitung von      die sie wegen der Betriebsschließungen ihren
Aufträgen eingetreten sind.                           Kunden innerhalb der Saison nicht zum Kauf an-
                                                      bieten können. Reiseveranstalter haben Broschü-
   Isoliert betrachtet, mag dann der Auftragneh-
                                                      ren für Reisen drucken lassen, die nicht durchge-
mer oder Verkäufer zwar im Stande sein, jede
                                                      führt werden können.
einzelne Leistung in dem Zeitraum zwischen dem
Auslaufen des Lockdowns und dem Ende der ver-            Hierdurch haben sich aber allein die typischer-
traglichen Erfüllungsfrist zu erbringen. Häufig       weise vom Käufer bzw. Besteller zu tragenden
wird er jedoch faktisch daran scheitern, dass er      Verwendungsrisiken realisiert. Mag auch die ei-
eine Vielzahl von offenen Verpflichtungen hat,        gentliche Ursache für den Eintritt des Vertragsri-
die in Folge des Lockdowns zeitweilig nicht erfüll-   siko, auf höherer Gewalt beruhen, kommt in die-
bar waren und die sich nach dessen Auslaufen          sen Fällen eine Anwendung der Grundsätze des

12
Zivilrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Covid-19                                               AUFSATZ

Wegfalls der Geschäftsgrundlage allenfalls ganz                 auslegung zu ermitteln) sind, dass die Veranstal-
ausnahmsweise in Betracht.                                      tung an dem zunächst vereinbarten Termin in
                                                                Folge hoheitlicher Maßnahmen nicht durchge-
                                                                führt werden kann.
   b) Veranstaltungen; Dauerkarten; Eintritts-
                                                                    Auch bei nicht zeitgebundenen ein- oder
karten
                                                                mehrmaligen Nutzungsberechtigungen (Ein-
   Bei einer coronabedingten Absage von Veran-                  trittskarte für Zoo, Einmal-Ticket für öffentlichen
staltungen sowie bei einer Beeinträchtigung der                 Nahverkehr) sind primär die Nutzungsbedin-
durch Dauerkarten oder Eintrittskarten verbrief-                gungen maßgebend. Eine Unmöglichkeit kann
ten Nutzungsmöglichkeiten hängen die rechtli-                   nur eintreten, wenn die Nutzung innerhalb der
chen Folgen entscheidend von der konkreten                      Gültigkeitsdauer der Eintrittskarte oder des
Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses ab. Meist                 Tickets wegen einer coronabedingten Schließung
sind die Auswirkungen von Leistungsstörungen                    überhaupt nicht mehr möglich ist. Gleiches gilt
durch höhere Gewalt oder durch hoheitliche                      grundsätzlich bei rabattierten Mehrfach-Tickets
Maßnahmen in den Allgemeinen Geschäftsbedin-                    (etwa „10-er Karten“), wobei insoweit Grenzfälle
gungen gesondert geregelt. Deshalb können an                    denkbar sind, etwa wenn die Gültigkeitsdauer
dieser Stelle nur einige typische Konstellationen               eines Mehrfach-Tickets kurz             nach der
angesprochen werden.                                            Wiedereröffnung einer coronabedingt ge-
                                                                schlossen gewesenen Einrichtung abläuft.
   Bezieht sich das durch eine Eintrittskarte ver-
briefte Recht auf eine bestimmte Veranstaltung,                    Bei „Dauerberechtigungen“, etwa Dauerkar-
etwa ein durch die Zeit, durch den Ort und durch                ten für öffentliche Verkehrsmittel, Dauerkarten
die Interpreten gekennzeichnetes Konzert, und                   für den Zoo, Dauerkarten für die Heimspiele ei-
wird dessen Durchführung durch eine hoheitliche                 ner         Fußballmannschaft,           „Mitglied-
Anordnung untersagt, liegt in aller Regel eine                  schaft“ (rechtlich: mietrechtlich geprägtes Mit-
rechtliche Unmöglichkeit vor (dazu oben III.).                  Nutzungsrecht) in einem Fitnessstudio, ist der
Gleiches       gilt,     wenn       eine       aus              konkret vereinbarte Nutzungsumfang maßge-
infektionsschutzrechtlichen Gründen undurch-                    bend. So stellt sich etwa die Möglichkeit, einen
führbare Veranstaltung zwar nicht auf einen be-                 Zoo oder ein öffentliches Verkehrsmittel inner-
stimmten Termin festgelegt ist, wohl aber ihren                 halb der Öffnungs- und Betriebszeiten mittels ei-
vertragsgemäßen Zweck nur innerhalb eines be-                   ner Dauerkarte beliebig oft nutzen zu können,
stimmten zeitlichen Rahmens erreichen kann.28                   rechtlich anders dar, als die durch die Dauerkarte
Entscheidend ist dabei aber stets, ob für die Ver-              eines Fußballvereins gewährte Rechtsstellung.
anstaltung nur ein gewisser Zeitrahmen oder ein                 Letztere bezieht sich nämlich auf die jeweiligen
ganz bestimmter Zeitpunkt vorgegeben ist und                    Heimspiele und ist damit (abhängig von der kon-
welche vertraglichen Regelungen für den Fall ge-                kreten Ausgestaltung) einer rabattierten Addition
troffen (oder im Wege der ergänzenden Vertrags-                 von Einzel-Eintrittskarten zumindest angenähert.
                                                                Dauer-Abonnements von Opern-und Konzerthäu-
28
      vgl. bei coronabedingten Absagen: LG Paderborn, Urteil    sern enthalten teilweise Mischformen.
     vom 25.09.2020 - 3 O 261/20 - NJW 2021, 170, für
     relatives Fixgeschäft bei Abitur-Ball; AG Bremen, Urteil      Eher nicht geklärt ist in der deutschen Recht-
     vom 01.12.2020 - 9 C 284/20 - juris, für Fixgeschäft bei   sprechung, was mit „Mitgliedschaften“ in
     Konzertveranstaltung

                                                                                                                 13
Ulrich Hagenloch                                                                       Zeitschrift für Rechtsvergleichung 3/2021

Fitnessclubs und in anderen Freizeiteinrichtun-                men. Den Veranstalter trifft zwar grundsätzlich
gen geschieht. Zunächst ist hierbei entscheidend,              das „Beschaffungsrisiko“.31 Entschließt er sich
welche konkreten Nutzungsmöglichkeiten dem                     aber trotz objektiv vorhandener eigener Leis-
„Mitglied“ nach den Vertragsbedingungen ge-                    tungsfähigkeit vorsorglich für einen „sicheren
währt werden. Sofern keine Leistungsausschlüsse                Weg“, mag dies ausnahmsweise einen Vertrags-
bei höherer Gewalt vereinbart (oder diese                      rücktritt nach § 313 Abs. 3 BGB rechtfertigen
unwirksam) sind, liegt eine zeitweilige                        können.
Unmöglichkeit der Leistungserfüllung nahe. In
                                                                   Wird die Erreichbarkeit von Veranstaltungen
der einzigen zu diesem Problemkreis bislang er-
                                                               durch Ausgangsbeschränkungen erschwert oder
gangenen Entscheidung29 wird allerdings ange-
                                                               vereitelt, ist eine Anlehnung an die unter V. 4. f)
nommen, dass sich wegen eines Wegfalls der Ge-
                                                               für    die      Anmietung von       Hotels und
schäftsgrundlage die Vertragsdauer um den Zeit-
                                                               Ferienwohnungen dargelegten Grundsätze ange-
raum der Schließung verlängere. Dies erscheint
                                                               bracht. Sagt ein Veranstalter eine Veranstaltung
freilich problematisch, da bei einer teilweisen
                                                               von sich aus ab, um sie angesichts massiver Aus-
Unmöglichkeit für die Anwendung von § 313 BGB
                                                               gangsbeschränkungen nicht vor fast „leerem
von vornherein kein Raum wäre und zudem zwei-
                                                               Haus“ durchführen zu müssen, wird ihm trotz des
felhaft erscheint, ob eine Vertragsverlängerung
                                                               ihn treffenden Beschaffungsrisikos ausnahms-
den      berechtigten   Belangen     des „Mit-
                                                               weise ein Rücktrittsrecht aus § 313 Abs. 3 BGB
glieds“ gerecht werden kann.
                                                               zuzubilligen sein.
    Werden Veranstaltungen vom Veranstalter als
Folge von Corona-Infektionen oder Quarantäne-
pflichten von Mitwirkenden abgesagt30 oder ist                       c) Reiseverträge
der Inhaber der Eintrittskarte wegen einer eige-
nen Corona-Infektion oder einer Quarantäne an                      Im Reisevertragsrecht des BGB (§§ 651a ff.
der Teilnahme gehindert, stellen sich durchweg                 BGB) und des ZGB (Art. 657 ff. ZGB) sind in wei-
dieselben - meist mit durch Allgemeine                         ten Bereichen Sonderregelungen geschaffen, die
Geschäftsbedingungen geregelten - Rechtsfragen                 innerhalb ihres gegenständlichen Anwen-
wie bei jeder anderen Erkrankung oder persönli-                dungsbereichs nicht nur einen Rückgriff auf
chen Verhinderung. Ein Covid-19-spezifischer Be-               allgemeine schuldrechtliche Bestimmungen zur
zug entsteht allerdings, wenn sich der Veranstal-              Leistungsstörung verhindern, sondern auch einer
ter selbst entschließt, eine Veranstaltung aus in-             Anwendung von § 313 BGB bzw. Art. 398 ZGB
fektionsschutzrechtlichen Gründen nicht durch-                 entgegenstehen. Im georgischen Recht kommt
zuführen. etwa um ein etwaiges „Spreader-                      hinzu, dass in Art. 666 ZGB eine Regelung zu den
Event“ zu verhindern oder um zum Schutz der                    Rechtsfolgen einer höheren Gewalt enthalten ist.
Bevölkerung, der Besucher und der Mitwirken-                   Diese stellt sich als Konkretisierung der
den eine gewisse Vorbildfunktion zu überneh-                   allgemeinen Prinzipien des Wegfalls der Ge-
                                                               schäftsgrundlage dar und versperrt grundsätzlich
29
     AG Zeitz, Urteil vom 01.12.2020 - 4 C 112/20 - juris      den Rückgriff auf Art. 398 ZGB.32 Auf die
30
      vgl. zu diesem Problemkreis: Spenner/Estner, Absage
                                                               31
     von Veranstaltungen wegen des Coronavirus - wer zahlt?,        vgl. Spenner-Estner, aaO
                                                               32
     BB         2020,        852;         Weller/Schwemmer,          so ausdrücklich zu der mit Art. 666 ZGB inhaltlich
     Veranstaltungsabsagen und ihre Folgen für Besucher und         übereinstimmenden früheren Fassung von § 651j BGB:
     Dienstleister, NJW 2020, 2985                                  Staudinger/Staudinger (2016) BGB § 651j, Rn. 4 und 14

14
Sie können auch lesen