Öffentliches Recht - Jura Intensiv

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ÖFFENTLICHES RECHT                                                                            RA 2003, HEFT 12

                                                                                     Öffentliches Recht

Standort: Beamtenrecht                     Problem: Ämterstabilität; Verschulden bei Amtshaftung

OVG MÜNSTER, BESCHLUSS VOM 05.06.2003                      len ist. Konsequenz wäre, dass die Ernennung des
6 A 4750/01 (NVW Z-RR 2003, 882)                           Konkurrenten nicht mehr im Vorfeld über § 123 I 1
                                                           VwGO verhindert werden müsste, sondern repressiv,
Problemdarstellung:                                        also mit Widerspruch und Anfechtungsklage angegrif-
                                                           fen werden könnte. Diese Rechtsbehelfe blieben statt-
1. Im Beschluss des OVG ging es zunächst um die
                                                           haft, auch eine Verpflichtungsklage auf eigene Ernen-
Frage, ob ein unterlegener Bewerber im beamtenrecht-
                                                           nung bliebe zulässig, würde sich also nicht erledigen.
lichen Konkurrentenstreit noch Ansprüche auf eigene
                                                           Vorläufigen Rechtsschutzes bedürfte es aus diesem
Ernennung geltend machen kann, wenn die zu verge-
                                                           Grund u.U. auch nicht mehr. Die Entscheidung ist von
bende Stelle bereits an einen konkurrierenden Bewer-
                                                           der Lit. und übrigen Rspr. überwiegend ablehnend auf-
ber vergeben worden ist. Bisher gingen Rspr. und Lite-
                                                           genommen worden.
ratur nahezu einhellig davon aus, dass dies wegen des
aus § 59 BRRG abzuleitenden “Grundsatzes der Äm-           Das OVG Münster lässt im vorliegenden Beschluss
terstabilität” nicht möglich sei. Das Ernennungsbegeh-     nun offen, ob es der neuen BVerwG-Rspr. folgt; je-
ren sei mit Vergabe an den Konkurrenten erledigt.          denfalls könne die eigene Ernennung dann nicht mehr
Dies hat prozessual dazu geführt, dass abgelehnte Be-      begehrt werden, wenn der Bewerber die Ernennung
werber neben den Rechtsbehelfen gegen ihre eigene          des Konkurrenten weder im Vorfeld verhindert (wie
Ablehnung (Widerspruch, Klage) auch darauf abzielen        bisher erforderlich) noch mit Widerspruch bzw. Klage
müssen, um jeden Preis die Ernennung des Konkurren-        repressiv angegriffen habe (wie es erforderlich wäre,
ten zu verhindern. Mittel der Wahl ist hierfür § 123 I 1   wenn man BVerwGE 115, 89 beim Wort nähme), die-
VwGO, eine einstweilige Anordnung zur Sicherung            se also habe bestandskräftig werden lassen. Dies ver-
der späteren, eigenen Verpflichtungsklage auf Ernen-       steht sich wegen der dann eingetretenen endgültigen
nung. Versäumt der Bewerber dies oder bleibt ein sol-      Vergabe des einen freien Postens eigentlich von selbst.
cher Antrag ohne Erfolg, tritt durch Ernennung des         2. Ferner ging es um die Frage, ob für die dann allein
Konkurrenten Erledigung der eigenen Bewerbung ein,         statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage ein Feststel-
so dass ihm bestenfalls noch eine Fortsetzungsfeststel-    lungsinteresse besteht (§ 113 I 4 VwGO a.E.). Dies
lungsklage analog § 113 I 4 VwGO (a.A.: Fest-              könnte allein im Hinblick auf ein Schadensersatzpräju-
stellungsklage nach § 43 VwGO) auf Feststellung der        diz der Fall sein. Der angestrebte Amtshaftungsprozess
Rechtswidrigkeit der eigenen Ablehnung bzw. der Er-        muss hierfür aber zumindest gewisse Aussicht auf Er-
nennung des Konkurrenten blieb, um etwa ein Scha-          folg bieten. Da hierfür wiederum ein Versc hulden des
densersatzpräjudiz für einen späteren Amtshaftungs-        Amtswalters Voraussetzung ist (§ 839 I BGB) und
prozess zu schaffen. Selbst einer Anfechtungsklage         man von einem Verwaltungsbeamten nicht mehr ver-
gegen die Ernennung des Konkurrenten soll wegen der        langen kann als von einem mit Volljuristen besetzten
Ämterstabilität das allg. Rechtsschutzinteresse fehlen     Kollegialorgan, vertritt der BGH in st.Rspr. die Auf-
(vgl. Peter, JuS 1992, 1042, 1044).                        fassung, dass Amtshaftungsansprüche (von den in den
Dieses System hat das BVerwG in BVerwGE 115, 89            Gründen erwähnten Ausnahmen abgesehen) von vorn-
erschüttert, wo es heißt, wegen des Gebots effektiven      herein aussichtslos sind, sobald ein kollegial besetztes
Rechtsschutzes nach Art. 19 IV GG könnte die An-           Gericht einmal die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung
fechtung einer erfolgten Ernennung eines Konkurren-        bejaht hat.
ten abweichend von der bisherigen Rspr. zur Ämters-
tabilität möglicherweise doch zulässig sein. Diese Be-     Prüfungsrelevanz:
merkung erfolgte zum einen im Konjunktiv und zum           Der beamtenrechtliche Einschlag ist vor allem im Hin-
anderen im Rahmen einer nicht entscheidungstragen-         blick auf seine prozessualen Auswirkungen für das
den Begründung, eines sogen. “obiter dictums”, so          Examen relevant.
dass das BVerwG wohl wankt, aber noch nicht gefal-         Im Rahmen des Verschuldens beim Amtshaftungsan-

                                                      -729-
RA 2003, HEFT 12                                                                           ÖFFENTLICHES RECHT

spruch wäre zu prüfen, ob dieses nicht allein deswegen     durch Ernennung dasjenige statusrechtliche Amt erhal-
verneint werden kann, weil ein Gericht die Verwal-         te, dem die ausgeschriebene Stelle zugeordnet sei, ist
tungsentscheidung bereits abgesegnet hat.                  eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht
                                                           aufgezeigt. Für die Entscheidung im Berufungsverfah-
Vertiefungshinweise:                                       ren käme es auf diese Frage nicht an:
“ Zur Beförderung eines Hochschullehrers: OVG
Greifswald, NVwZ-RR 2003, 580                              A. Zur Ämterstabilität im Beamtenrecht
                                                           Das BVerwG hat sein vorerwähntes obiter dictum mit
“ Beamtenrechtliche Konkurrentenklage und Ämters-
tabilität: BVerfG, NVwZ 2002, 1367; NVwZ 2003,             der Überlegung gerechtfertigt, zwar möge der Dienst-
                                                           herr gehindert sein, eine von dem unterlegenen Mitbe-
200; BVerwGE 80, 127; Peter, JuS 1992, 1042
                                                           w erber angefochtene Ernennung zurückzunehmen,
                                                           wenn die beamtenrechtlichen Voraussetzungen dafür
Leitsätze:
                                                           nicht gegeben seien. Das schließe aber ihre Anfech-
1. Die Klage eines Hochschulprofessors auf Ver-
                                                           tung durch den unterlegenen Mitbewerber ebenso we-
pflichtung des Dienstherrn zur Neubescheidung
                                                           nig aus wie ihre gerichtliche Überprüfung. Es erschei-
einer Bewerbung um ein höherwertiges Amt erle-
                                                           ne mit Art. 19 IV GG schwer vereinbar, einem Beam-
digt sich mit der Ernennung eines Konkurrenten
                                                           ten den Rechtsschutz mit der Begründung zu versagen,
jedenfalls dann, wenn der Bewerber die Ernennung
                                                           sein Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Auswahlent-
unanfechtbar werden lässt.
                                                           scheidung sei durch den Vollzug der getroffenen, diese
2. Ob dem obiter dictum des BVerwG zur Anfecht-
                                                           Grundsätze möglicherweise verletzenden Auswahlent-
barkeit der Ernennung des Mitbewerbers
                                                           scheidung untergegangen. Dieser Ansatz weicht von
(BVerwGE 115, 89) zu folgen ist, bleibt offen.
                                                           der bisherigen Rechtsprechung des BVerwG und des
3. Zur Verneinung des Interesses an der Feststel-
                                                           Senats (vgl. z.B. OVG Münster, Urteil vom 11.8.1994,
lung, dass die Auswahl des Mitbewerbers rechts-
                                                           6 A 1849/93 m.w.N.), die wiederholt auch die Billi-
widrig gewesen sei, nachdem ein Kollegialgericht
                                                           gung des BVerfG gefunden hat (vgl. zuletzt BVerfG,
die Auswahlentscheidung als rechtlich einwandfrei
                                                           NVwZ 2002, 1367; NVwZ 2003, 200) in der Tat
beurteilt hat.
                                                           grundsätzlich ab. Ob ihm trotz der daran geübten Kri-
                                                           tik zu folgen sein wird (vgl. Schnellenbach, ZBR
Sachverhalt:
                                                           2002, 180 ff.; Lemhöfer, ZBR 2003, 14 ff.; zustim-
Der Kl. war Inhaber einer C3-Professur an einer Uni-
                                                           mend hingegen Battis, NJW 2002, 1085, 1089 sowie
versität des bekl. Landes. Er erstrebte mit der Klage
                                                           Brinktrine, RiA 2003, 15 [17]; vgl. auch Lan-
eine Verpflichtung des Bekl., über seine erfolglose
                                                           dau/Christ, NJW 2003, 1648 f.), braucht der Senat im
Bewerbung um eine C4-Professur an derselben Uni-
                                                           vorliegenden Rechtsstreit nicht zu entscheiden. Folgt
versität unter Beachtung der Rechtsauffassung des Ge-
                                                           man dem BVerwG, muss der unterlegene Mitbewer-
richts erneut zu entscheiden. Hilfsweise begehrte er die
                                                           ber, um eine Erledigung seines Verpflichtungs- bzw.
Feststellung, dass der Ablehnungsbescheid des Minis-
                                                           Neubescheidungsantrages zu vermeiden, auch die Er-
teriums für Wissenschaft und Forschung rechtswidrig
                                                           nennung des erfolgreichen Konkurrenten mit Wider-
gewesen sei. Sein damaliger Konkurrent erhielt die
                                                           spruch und Anfechtungsklage angreifen. Unterbleibt
Professur, nachdem ein Antrag des Kl., die Stellen-
                                                           dies, so kann die Ernennung nur noch unter den engen
besetzung durch eine gerichtliche einstweilige Anord-
                                                           Voraussetzungen der beamtenrechtlichen Rücknahme-
nung vorläufig zu verhindern, ohne Erfolg geblieben
                                                           gründe aufgehoben werden. Sind diese – wie im vor-
war. Das VG wies die Klage ab. Der Antrag auf Zulas-
                                                           liegenden Fall – nicht anwendbar, wird dem
sung der Berufung blieb ebenfalls ohne Erfolg.
                                                           Verpflichtungs- bzw. Neubescheidungsantrag nach
                                                           wie vor mit der Ernennung des Konkurrenten die
Aus den Gründen:
                                                           Grundlage entzogen (vgl. Lemhöfer, ZBR 2003, 14ff.
Mit der vom Kl. unter Hinweis auf die Ausführungen
                                                           sowie Schnellenbach, ZBR 2002, 180 [182] zu einer
des BVerwG im Urteil vom 13.9.2001 (BVerwGE
                                                           künftigen Rechtsschutzgewährung auf neuer Basis).
115, 89 = NVwZ 2002, 604), es sei möglicherweise
                                                           Das gilt jedenfalls dann, wenn die Ernennung nach
nicht mehr daran festzuhalten, dass sich der um eine
                                                           Ablauf der Rechtsbehelfsfristen unanfechtbar gewor-
Beförderungsauswahl geführte Rechtsstreit durch die
                                                           den ist. So verhält es sich hier: Der Kl. hat sich darauf
Ernennung eines Mitbewerbers erledige, aufgeworfene
                                                           beschränkt, den ihm erteilten Ablehnungsbescheid mit
Frage, ob sich das Rechtsmittel eines Bewerbers gegen
                                                           Widerspruch und Klage anzugreifen. Der Ernennung
die Auswahlentscheidung zur Besetzung einer offenen
                                                           des Konkurrenten hat er nicht widersprochen. Nach
Planstelle dadurch erledige, dass ein anderer Bewerber
                                                           Ablauf der hierfür eröffneten Fristen (§§ 70, 58 II, 60
unter Einweisung in die ausgeschriebene Planstelle
                                                      -730-
ÖFFENTLICHES RECHT                                                                           RA 2003, HEFT 12

VwGO) ist dafür auch kein Raum mehr.                      Dem Kl. ist nicht darin zu folgen, die oben genannte
                                                          Regel greife nicht ein, weil das VG mit seinen Aus-
B. Zum Schadensersatzpräjudiz                             führungen, die notwendige Anhörung der Hochschule
Bezüglich des hilfsweise gestellten Klageantrages fehlt   sei erfolgt, das Verhalten der Bediensteten des Bekl.
es ebenfalls an einem Zulassungsgrund. Der Hilfsan-       aus Gründen gebilligt habe, die diese selbst nicht er-
trag ist mangels eines berechtigten Interesses des Kl.    wogen hätten. Die vom Kl. damit für sich in Anspruch
an der Durchführung der Fortsetzungsfeststellungs-        genommene Ausnahme gilt nach der Rechtsprechung
klage unzulässig geworden, nachdem das VG unter           des BGH in Fällen, in denen das Gericht das Vorgehen
Mitwirkung von u.a. drei Berufsrichtern die Personal-     des Dienstherrn lediglich mehr oder minder "zufällig"
entscheidung als rechtlich einwandfrei bezeichnet hat.    im Ergebnis billigt, obwohl das Gericht eine Rechts-
Die vom Kl. beabsichtigte Amtshaftungsklage wegen         frage, die bei dem Vorgehen des Dienstherrn entschei-
der vermeintlichen Rechtswidrigkeit der Personalent-      dend war, anders beurteilt (vgl. die vom Kl. angeführ-
scheidung ist nunmehr als aussichtslos anzusehen. Un-     ten Urteile BGH, NJW 1982, 36; DVBl 1981, 825;
ter diesen Umständen scheidet eine Zulassung der Be-      NVwZ 1994, 405). Eine solche Fallgestaltung liegt
rufung anhand der vom Kl. insoweit geltend gemach-        nicht vor [wird ausgeführt].
ten Zulassungsgründe des § 124 II Nrn. 1 bis 3 und 5
VwGO unabhängig von den insoweit im Einzelnen             2. Nur summarische Prüfung
vorgebrachten Argumenten aus.                             Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass von einem
                                                          Beamten eine bessere Rechtseinsicht als von einem
I. Verschulden als Voraussetzung des § 839 BGB            mit mehreren Rechtskundigen besetzten Kollegialge-
Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch ist,       richt nicht erwartet werden kann, ist auch nicht unter
dass der Dienstherr bei der Personalentscheidung          dem Blickwinkel eines gegenüber der Amtspflicht des
rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Das rechts-    Beamten reduzierten Prüfungsmaßstabes des Gerichts
widrige Verhalten muss bei dem übergangenen Bewer-        zu rechtfertigen (vgl. dazu BGH, NJW 1998, 751).
ber einen Schaden adäquat verursacht haben. Dafür ist     Das VG hat – anders als in dem vom Kl. durchgeführ-
die Feststellung Voraussetzung, dass der Dienstherr in    ten Verfahren betreffend den Erlass einer einstweiligen
rechtmäßiger Weise voraussichtlich den Bewerber           Anordnung – keinen in diesem Sinne reduzierten Prü-
(den Kl.) hätte ernennen müssen (vgl. BVerwG, NJW         fungsmaßstab angelegt. Wie das VG zutreffend (u. a.
1992, 927). Diese Voraussetzungen sind im vorliegen-      unter Hinweis auf BVerwG, NVwZ 1986, 374; vgl.
den Fall nicht gegeben, weil es jedenfalls an einem für   auch VGH München, NVwZ-RR 1999, 119) ausge-
die Begründung einer Schadensersatzpflicht erforderli-    führt hat, stand die zum Nachteil des Kl. ausgegangene
chen Verschulden fehlt.                                   Personalentscheidung im – verwaltungsgerichtlich nur
                                                          eingeschränkt nach Maßgabe des § 114 S. 1 VwGO
II. Kein Verschulden bei Bestätigung der Verwaltungs-     überprüfbaren – Ermessen des Dienstherrn. Wenn das
entscheidung durch kollegial besetztes Gericht            VG unter Beachtung dessen (ohne eigene Ermessens-
Denn in Gestalt des erstinstanzlichen Urteils liegt die   erwägungen, die ihm auch zwangsläufig verwehrt wa-
Entscheidung eines Kollegialgerichts vor, mit dem die     ren) die Personalentscheidung für rechtlich einwand-
Entscheidung des Dienstherrn, den Kl. nicht zum C4-       frei gehalten hat, lässt das eine Reduzierung des Prü-
Professor zu berufen, für rechtmäßig erklärt worden       fungsmaßstabs in tatsächlicher oder rechtlicher Hin-
ist. Diese Beurteilung durch ein Kollegialgericht         sicht nicht erkennen. Anders als das LG in dem vom
schließt die Feststellung aus, dass die für den Dienst-   BGH mit Urteil vom 16.10.1997 (NJW 1998, 751)
herrn tätig gewordenen Bediensteten insoweit schuld-      entschiedenen Fall hat das VG – von seinem zutreffen-
haft gehandelt haben (vgl. BVerwGE 80, 127).              den Ausgangspunkt folgerichtig – erkannt, dass die
                                                          Entscheidung rechtmäßig gewesen sei.
III. Ausnahmen
Besondere Gesichtspunkte, die gleichwohl die Annah-       3. Falsche Tatsachengrundlage
me eines Verschuldens auf Seiten des bekl. Landes als     Schließlich trifft die Auffassung des Kl. nicht zu, das
möglich erscheinen lassen könnten (vgl. in diesem Zu-     VG sei von einem anderen, zudem unrichtigen Sach-
sammenhang BVerwGE 80, 127 = NVwZ 1989, 161;              verhalt ausgegangen als der Bekl.; deshalb sei ein Ver-
Schütz, BeamtenR des Bundes und der Länder, ES/A          schulden auf Seiten des Bekl. trotz der Bewertung des
II 1.4 Nr. 22) sind nicht ersichtlich.                    VG nicht auszuschließen (vgl. in diesem Zusammen-
                                                          hang BGH, NJW 1989, 1924; NJW 1993, 3065) [wird
1. Andere Entscheidung in der Rechtsfrage                 ausgeführt].

                                                     -731-
RA 2003, HEFT 12                                                                            ÖFFENTLICHES RECHT

Standort: Kommunalrecht                                    Problem: Zulassung zu Volksfest; Erledigung

VGH MÜNCHEN, URTEIL VOM 31.03. 2003                         nach Erledigung fortgesetzt werden kann (hier Ver-
4 B 00.2823 (NVW Z-RR 2003, 771)                            pflichtungsklage - zweite Analogie). Zudem hatte das
                                                            BVerwG in RA 1999, 592 = DVBl 1999, 1660 Zwei-
Problemdarstellung:                                         fel angemeldet, ob die für eine Analogie erforderliche
Die Gemeindeordnungen der Länder sehen für ihre             Regelungslücke existiert, oder ob nicht, wie von einer
Einwohner gebundene Zugangsansprüche zu den öf-             m.M. seit jeher vertreten, § 43 I VwGO zur Anwen-
fentlichen Einrichtungen der Gemeinde vor. Ortsfrem-        dung kommen kann. Hierüber ist in der RA (a.a.O.)
de können immerhin aus Art. 3 I GG einen Anspruch           bereits ausführlich berichtet worden; auch hat die Lite-
auf willkürfreie Ermessensentscheidung über ihren           ratur das Thema vielfach aufgegriffen (vgl. Vertie-
Zugang ableiten. Probleme bereitet die Frage, welches       fungshinweise). Im Ergebnis löst die ganz h.M. in
Organ für die Bewilligung solcher Zugangsansprüche          Rspr. und Lit. aber weiterhin die Fälle der Erledigung
zuständig ist. Grundsätzlich ist nach den Gemeinde-         vor Klageerhebung über die Forts etzungsfeststellungs-
ordnungen die Vertretung (der Rat) zuständig für alle       klage analog § 113 I 4 VwGO, weil es an einem
Verwaltungsangelegenheiten, wobei Geschäfte der             “Rechtsverhältnis” i.S.d. § 43 VwGO fehlt.
laufenden Verwaltung allerdings als auf den Bürger-
                                                            Vertiefungshinweise:
meister übertragen gelten. Der VGH München ist nun
der Ansicht, dass die Vergabe von Stellplätzen auf ei-      “ Anwendbarkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage
nem Volksfest nur dann in die laufende Verwaltung           bei Erledigung vor Klageerhebung: Ehlers, Jura 2001,
und damit die Kompetenz des Bürgermeisters falle,           415; Schenke, NVwZ 2000, 1255
wenn die Vertretung vorher die Vergabekriterien (At-        “ Vergabe von Stellplätzen auf öffentlichem Volks-
traktivität, Rotation, Priorität, Losverfahren, “bekannt    fest durch Private: VG Augsburg, NVwZ-RR 2001,
& bewährt” usw.) festgelegt habe. Lege der Bürger-          468; VG Freiburg, NVwZ-RR 2002, 139
meister hingegen die Kriterien selbst fest, überschreite    “ Vergabe allein nach Straßen- und Wegerecht durch
er seine Kompetenz nur dann nicht, wenn es sich um          Sondernutzungserlaubnisse: VGH Mannheim, NVwZ-
unwesentliche Ergänzungen oder Änderungen handle.           R 2001, 159
Ein Ablehnungsbescheid, der ohne Billigung der Ver-
gabekriterien oder wesentlicher Änderungen derselben        Kursprogramm:
durch die Vertretung erfolgt, sei daher rechtswidrig.       “ Examenskurs: “Kein Platz auf der Kirmes”

Prüfungsrelevanz:                                           Leitsatz:
Neben der oben angesprochenen Zuständigkeitsfrage           Die Einzelentscheidung über die Zulassung von
ist die Entscheidung vor allem wegen ihrer prozessua-       Schaustellern zu einem größeren Volksfest fällt bei
len Komponente interessant. Das Zulassungsbegehren          Vorliegen konkurrierender Zulassungsanträge
des Klägers, eines Schaustellers, hatte sich nämlich        auch in einer Großstadt nur dann als laufende An-
erledigt, nachdem das Volksfest ohne seine Teilnahme        gelegenheit in die Zuständigkeit des ersten Bürger-
stattgefunden hatte. Mit seiner nach Erledigung erho-       meisters gem. Art. 37 I 1 Nr. 1 BayGO, wenn der
benen Klage begehrte er (nur) noch die Feststellung,        Gemeinderat bzw. ein beschließender Ausschuss
dass seine Ablehnung rechtswidrig war. Der VGH              zumindest Vorgaben in Form von Auswahlkriteri-
wendet hierauf unter Hinweis auf eine gefestigte            en beschlossen hat.
Rechtsprechung die Fortsetzungsfeststellungsklage
nach § 113 I 4 VwGO an.                                     Sachverhalt:
Er verschweigt, dass hier bestenfalls eine Anwendung        Am 12.10.1998 beantragten die Kl. bei der Bekl. die
in doppelter Analogie in Betracht kommt, weil sich          Zulassung zum Kiliani-Volksfest 1999 mit der Achter-
zum einen aus der systematischen Stellung des § 113 I       bahn X. Mit Bescheid vom 30.11.1998 lehnte die
4 VwGO im 10. Abschnitt der VwGO (“Urteile und              Bekl. die Zulassung ab. Auf Grund zahlreicher Bewer-
andere Entscheidungen”) ergibt, dass dieser nur bei         bungen und nur begrenzt zur Verfügung stehender Flä-
Erledigung nach Klageerhebung in Betracht kommt             chen habe dem Antrag nicht entsprochen werden kön-
(hier vorher - erste Analogie), und sich zum anderen        nen. Der Bescheid enthielt keine Rechtsbehelfsbeleh-
aus der Bezugnahme des Satzes 4 auf Satz 1 des § 113        rung. Mit am 3.3.1999 eingegangenem Schriftsatz er-
I VwGO ergibt, dass grds. nur die Anfechtungsklage          hoben die Verfahrensbevollmächtigten der Kl. Wider-

                                                      -732-
ÖFFENTLICHES RECHT                                                                         RA 2003, HEFT 12

spruch und rügten die Rechtswidrigkeit der Auswahl-     mangels Regelung der Vergabekriterien durch den
entscheidung. Die Kl. könnten für sich das Kriterium    Stadtrat bzw. einen beschließenden Ausschuss für den
"bekannt und bewährt" in Anspruch nehmen, denn der      Fall konkurrierender Zulassungsanträge nicht als lau-
Vater der Kl. sei bereits 1955 mit einem Fahrgeschäft   fende Angelegenheit i.S. des Art. 37 I 1 BayGO an-
auf dem Kiliani-Volksfest vertreten gewesen und seine   zusehen war. Die Ablehnungsentscheidung ohne Mit-
Tochter setze nun mit ihrem Ehemann diese Tradition     wirkung beschließender Gremien der Bekl. hat das
fort. Das Fahrgeschäft X passe gut in das Konzept des   subjektive Recht der Kl. auf fehlerfreie Ausübung des
Kiliani-Volksfestes und sei bereits im Jahre 1994 von   Auswahlermessens im Rahmen der Zulassungsent-
den Besuchern angenommen worden. Nach der Mit-          scheidung verletzt.
teilung, dass sich ihr Widerspruch nach Durchführung
des Volksfestes erledigt habe, erhoben die Kl. Klage,   1. Zugangsanspruch aus Art. 21 BayGO
die das VG abwies. Ihre vom VG zugelassene Beru-
fung hatte Erfolg.                                      a. Öffentliche Einrichtung
                                                        Das jährliche Kiliani-Volksfest in W. fällt unter den
Aus den Gründen:                                        Begriff der öffentlichen Einrichtung i.S. des Art. 21
Die Berufung der Kl. ist zulässig und begründet. Der    BayGO. Die Bekl. hält nicht etwa nur den Festplatz
Ablehnungs bescheid vom 30. 11. 1998 war rechtswid-     (T.) vor, sondern führt das Volksfest in kommunaler
rig und hat die Kl. in ihren subjektiven Rechten ver-   Regie als eigene Veranstaltung durch. Mangels Fest-
letzt.                                                  setzung richtet sich die Zulassung nicht nach § 70 Ge-
                                                        wO, sondern ist anhand der Gemeindeordnung zu be-
A. Zulässigkeit                                         urteilen.

I. Statthaftigkeit                                      b. Personale Berechtigung
Der auch im Rahmen der Verpflichtungsklage statt-       Eine Berufung der Kl. auf Art. 21 I 1 BayGO scheidet
hafte Fortsetzungsfeststellungsantrag (vgl. BVerwGE     aus. Ob die Schausteller auf einem Volksfest über-
81, 365 [367] = NJW 1990, 335) ist gem. § 113 I 4       haupt zu den Nutzern i.S. des Art. 21 I 1 BayGO zu
VwGO zulässig.                                          zählen sind (so VGH München, NVwZ 1982, 120;
                                                        krit. Hölzl/Hien/Huber, Art. 21 BayGO Anm. 5c; Bau-
II. Vorverfahren                                        er/ Böhle/Masson/Samper, Art. 21 BayGO Rdnr. 21),
Der Ablehnungsbescheid war im Zeitpunkt des Ein-        kann hier dahinstehen, da die Kl. weder Gemeinde-
tritts der Erledigung noch nicht in Bestandskraft er-   angehörige (Art. 15 I BayGO) von W. sind noch über
wachsen, da die Kl. zuvor rechtzeitig Widerspruch       Grundbesitz oder eine gewerbliche Niederlassung im
erhoben hatten.                                         Stadtgebiet der Bekl. verfügen (Art. 21 III BayGO).

III. Frist                                              2. Zugangsanspruch aus Widmung i.V.m. Art. 3 I GG
Infolge Erledigung während des laufenden Wider-         Einen Zulassungsanspruch vermag ihnen aber auch
spruchsverfahrens unterlag die Klageerhebung keiner     prinzipiell die Widmung der Einrichtung im Zusam-
Fristbindung (BVerwGE, 109, 203 = NVwZ 2000, 63)        menwirken mit dem Gleichbehandlungsanspruch (Art.
und für eine Verwirkung des Klagerechts gibt es vor-    3 I GG, Art. 118 I BayVerf.) zu ermitteln, wenn diese
liegend keinen Anhalt.                                  den Kreis der zulassungsfähigen Schausteller auch auf
                                                        ortsfremde Beschicker erstreckt.
IV. Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Das VG hat das berechtigte Feststellungsinteresse zu-   a. Widmung
treffend aus dem Aspekt der Wiederholungsgefahr         Für das Vorliegen einer Widmung bedarf es keines
hergeleitet (VGH München, NVwZ-RR 1991, 550).           förmlichen Rechtsakts in Form einer Satzung oder ei-
Diese Gefahr hat sich auch tatsächlich manifestiert,    ner schriftlich erlassenen Allgemeinverfügung; letztere
nachdem den Kl. auch in den Folgejahren die Zulas-      vermag auch "in anderer Weise" (Art. 37 II 1
sung zum Kiliani-Volksfest versagt worden ist.          BayVwVfG) und damit konkludent erklärt zu werden
                                                        (VGH München, NJW 1989, 2491 = NVwZ 1990, 333
B. Begründetheit                                        m. Anm. Ennuschat). So verhält es sich hier. Zwar
                                                        liegt eine explizite Widmung nicht vor, aber die Zulas-
I. Rechtswidrigkeit der Ablehnung                       sungsfähigkeit auch ortsfremder Schausteller zum
Die Klage ist begründet, weil die (ablehnende) Zulas-   Kiliani-Volksfest ergibt sich aus der entsprechenden
sungsentscheidung der Bekl. für das Kiliani-Volksfest   jahrelangen Vergabepraxis der Bekl., die Rückschlüsse

                                                   -733-
RA 2003, HEFT 12                                                                          ÖFFENTLICHES RECHT

auf den Umfang der konkludenten Widmung gestattet          Raumausnutzung gesteuert. Planungen für die An-
und damit den Kl. prinzipiell einen Zulassungs-            schlüsse der Geschäfte an Infrastruktureinrichtungen
anspruch verschafft.                                       (Elektrizität, ggf. Frisch- und Abwasser) sowie organi-
                                                           satorische Regelungen zu Steuerung bestimmter Ab-
b. Umwandlung in Auswahlanspruch wegen Kapazi-             läufe runden den die Konkretisierung der Widmung
tätserschöpfung                                            betreffenden Teil des Konzepts ab. Darüber hinaus
Dieser schwächt sich im Falle erschöpfter Kapazität –      sind Entgelte für die Anbieter festzusetzen, und Ver-
wie auch ein Anspruch aus Art. 21 I 1 BayGO – zu           fahrensregelungen (Anmeldefrist, notwendige An-
einem subjektiv-öffentlichen Recht auf sachgerechte        tragsunterlagen) zu treffen. In diese Stufe gehört auch
und fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens ab.          die Formulierung abstrakter Zulassungskriterien, nach
                                                           denen die konkrete Vergabe im Falle konkurrierender
c. Zuständigkeit für Auswahl                               Bewerbungen um nicht für alle Ast. ausreichende Flä-
Die Willensbildung als Grundlage der einzelnen Zu-         chenkontingente zu entscheiden ist. Die auf der Basis
lassungsentscheidung von Beschickern und Schaustel-        eines derartigen Konzepts erfolgte Ausschreibung
lern zu einem Volksfest der hier vorliegenden Größe        führt zu Bewerbungen, unter denen im Falle die Kapa-
fällt bei Vorliegen konkurrierender Zulassungsanträge      zität überschreitender Zahl ausgewählt werden muss.
auch in einer Großstadt von der Größe der Bekl. nur        In diese Auswahlentscheidung münden die genannten
dann als laufende Angelegenheit in die eigene Zustän-      Vorgaben aus Widmung sowie Veranstaltungskonzept
digkeit des ersten Bürgermeisters gem. Art. 37 I 1 Nr.     und werden auf diese Stufe für den Einzelfall konkreti-
1 BayGO, wenn der Gemeinderat bzw. ein beschlie-           siert.
ßender Ausschuss zumindest Vorgaben in Form von
Auswahlkriterien beschlossen hat. Der Senat hat dazu       bb. Systematisierung der Auswahlkriterien
Folgendes erwogen:                                         Die für eine derartige Entscheidung relevanten Aus-
                                                           wahlkriterien unterscheiden sich in Ansatz und Funkti-
aa. Vorgabe der auswahlentscheidung durch Widmung          on: Sachbezogen wird darauf abgestellt, ob das kon-
und Auswahlkriterien                                       krete Geschäft nach seiner Art zu dem gestuft konkre-
Das Resultat der Einzelentscheidung über den Zulas-        tisierten Widmungszweck passt bzw. welches im Fall
sungsantrag eines Schaustellers für ein Volksfest wird     konkurrierender Bewerbungen besser damit harmo-
– inhaltlich gestuft – durch Vorentscheidungen auf         niert. Personenbezogene Aspekte wie Leistungsfähig-
verschiedenen Ebenen beeinflusst: Die Widmung setzt        keit und Zuverlässigkeit bewerten bzw. vergleichen
hinsichtlich der Zweckbestimmung des Volksfes ts als       die Gewähr der Bewerber, Sicherheitsstandards ein-
kommunaler Einrichtung einen grundlegenden Rah-            zuhalten, einen ungestörten Betriebsablauf zu garantie-
men. Sie fixiert zumeist ungefähr Zeit, Dauer und Ort      ren und dadurch zu dem Gelingen der Veranstaltung
des Fests als Typ (z.B. Weinfest), und umreißt zumin-      als Realisierung des Widmungszwecks beizutragen.
dest grob die Anbietergruppen (örtliche Vereine, ge-       Beide Arten von Kriterien statuiert die Gemeinde in
werbliche Schausteller, Verkaufsreinrichtungen, Le-        Ausübung ihrer Ausgestaltungsbefugnis für das Volks-
bensmittelverzehr), mit deren Hilfe die Gemeinde ihre      fest als kommunale Einrichtung. Gleichzeitig formt sie
Einrichtung ausgestaltet (vgl. § 4 der nur für festge-     damit den Zulassungsanspruch des Bewerbers bzw.
setzte Veranstaltungen geltenden Marktsatzung der          sein Recht auf fehlerfreie Ermessensausübung entspre-
Bekl. vom 4.7.1984). Darüber hinaus trifft sie hinsicht-   chend aus. Die in dem Recht der Gemeinden, Einrich-
lich der Besucher die Entscheidung über die Nutzungs-      tungen zum Wohl ihrer Einwohner zu schaffen und zu
art (zulassungsfreier Allgemeingebrauch oder Zulas-        unterhalten, als Ausfluss der Selbstverwaltungsgaran-
sungsgebrauch). Damit werden Charakter, Gestalt und        tie (vgl. Hölzl/Hien/Huber, Art. 1 BayGO Anm. 5)
Prägung der Veranstaltung im Kern umrissen. Die            wurzelnde Gestaltungsbefugnis reicht inhaltlich sehr
mehr oder weniger ausfüllungsbedürftigen Vorgaben          weit; hinsichtlich der personenbezogenen Kriterien ist
aus der Widmung münden zumeist in ein Konzept, mit         sie nur dem aus Art. 3 I GG, Art. 118 I BayVerf. zu
dem der Ablauf der konkret bevorstehenden Veranstal-       entnehmenden Gebot sachgerechter Differenzierung
tung geplant wird. Die Arten der gewünschten Anbie-        unterworfen (VGH München, NVwZ 1982, 120).
tergruppen werden unter Attraktivitätsgesichtspunkten
ausgewählt und ihnen werden Flächenkontingente zu-         cc. Organkompetenz des Rates oder des Bürgermeis-
geordnet. Neben sicherheitsrechtlichen Belangen            ters
(Flucht- und Rettungswege) wird die räumliche Ver-         Die Ausübung der materiell weitreichenden Gestal-
teilung der Anbietergruppen auf dem Festplatz durch        tungskompetenz von der Widmung bis zur Einzelzu-
Aspekte gegenseitiger Verträglichkeit und optimaler        lassung hat die Gemeinde als wesentliche Entschei-

                                                      -734-
ÖFFENTLICHES RECHT                                                                          RA 2003, HEFT 12

dungen für die öffentliche Einrichtung selbst wahr-      nicht mehr unter die laufenden Angelegenheiten i.S.
zunehmen und kann sie nicht privaten Dritten überlas-    des Art. 37 I 1 Nr. 1 BayGO (so auch VGH Mann-
sen (VGH München, NVwZ 1999, 1122). Die inhaltli-        heim, NVwZ-RR 1992, 90 f.; a.A. VG Ansbach,
che Reichweite der Ausgestaltungsbefugnis als Kehr-      NVwZ-RR 1997, 98 f.). Sie entzieht sich deshalb auch
seite geringer gesetzlicher Determination einer Ent-     einer Delegation auf einen Gemeindebediensteten
scheidung ist aber bei Einrichtungen von gewissem        gem. Art. 39 II 2 BayGO.
Gewicht auch für die innergemeindliche Organkompe-
tenz zur Willensbildung von Bedeutung: Je dünner die     (a). Weiter Gestaltungsspielraum
Dichte materiell-rechtlicher Vorgaben des Gesetzge-      Die Ausfüllung der gesetzlich kaum vorgeformten
bers, desto größer ist der Anteil an Gestaltungs- und    w eitreichenden Gestaltungsbefugnis der Gemeinde
Bewertungselementen, der eine Beteiligung eines Be-      zwingt zu einer Rückkoppelung an ein Beschlussgre-
schlussorgans erfordert.                                 mium. Nur wenn der Gemeinderat bzw. ein beschlie-
                                                         ßender Ausschuss zumindest Vorgaben in Form von
(1). Widmung selbst: Rat                                 Auswahlkriterien beschlossen hat, stellt die konkrete
Bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten von erstem        Zulassungsentscheidung ein Geschäft der laufenden
Bürgermeister und Gemeinderat (bzw. beschließendem       Verwaltung i.S. des Art. 37 I 1 Nr. 1 BayGO dar. Glei-
Ausschuss) ist die Widmung (bzw. ihre Änderung) als      ches dürfte übrigens auch für die in ihrer wirtschaftli-
wesentliche Grundentscheidung zur Ausgestaltung          chen Auswirkung insgesamt zu betrachtende Gestal-
eines größeren Volksfests in Form der öffentlichen       tung der Entgeltregelungen bei einem größeren Volks-
Einrichtung dem Gemeinderat vorbehalten (vgl. auch       fest gelten, die selbst für eine Großstadt wie die Bekl.
Hölzl/Hien/Huber, Art. 21 Anm. 4). Nur zur Klarstel-     grundsätzliche Bedeutung besitzt.
lung ist darauf hinzuweisen, dass diese innergemeind-
liche Kompetenzzuweisung nicht der Annahme einer –       (b). Grundrechtsrelevanz
insbesondere bei traditionellen Volksfesten vorliegen-   Auch wenn wegen des Charakters des Art. 37 BayGO
den (vgl. VGH München, NVwZ 1982, 120) – kon-            als Schutzvorschrift für die Gemeinde die Zuweisung
kludenten Widmung entgegensteht, die letztlich dem       der Organkompetenz aus der Perspektive der Kommu-
Gemeinderat zuzurechnen ist.                             ne vorzunehmen ist, spricht im Ergebnis für die Not-
                                                         wendigkeit der Beteiligung eines Beschlussorgans
(2). Unwesentliche Änderungen und Konkretisierun-        nicht zuletzt die erheblic he Grundrechtsrelevanz der
gen der Widmung: Bürgermeister                           Zulassungskriterien aus der Sicht der betr. Schausteller
Für die verschiedenen Elemente des wiederkehrend zu      (VGH Mannheim, NVwZ-RR 1992, 132 E.).
erstellenden Veranstaltungskonzepts lässt sich die
Kompetenzfrage dagegen nicht einheitlich beantwor-       d. Subsumtion
ten: Im Bereich widmungskonkretisierender Regelun-       Mangels Vorgaben eines Beschlussorgans in Form von
gen (z. B. Änderung der vorgesehenen Geschäftsspar-      Auswahlkriterien war die streitgegenständliche Ableh-
ten) kommt es entscheidend darauf an, ob Er-             nungsentscheidung gegenüber den Kl. für das Kiliani-
scheinungsbild und Charakter des Volksfests tangiert     Volksfest 1999 nicht von Art. 37 I 1 Nr. 1 BayGO ge-
werden können oder ob es sich um untergeordnete Fra-     deckt. Damit schied auch eine Delegation gem. Art. 39
gestellungen (z. B. Sortimentsauswahl, Flächen-          II BayGO an den Bediensteten W. aus, zumal die De-
beschränkungen) handelt. Nur die für eine Einrichtung    legationsanordnung des Oberbürgermeisters vom
wesentlichen Entscheidungen bedürfen der Billigung       7.1.1991 ihrerseits wiederum auf "Angelegenheiten
durch ein Beschlussorgan. Die insoweit entwicklungs-     der laufenden Verwaltung" beschränkt war.
offene, dynamische Widmung lässt genügend Spiel-
raum für die von der Beklagten verständlicherweise       II. Rechtsverletzung des Klägers
reklamierte Flexibilität, um das Volksfest in seiner     Die Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den gemeind-
konkreten Ausgestaltung über die Jahre hinweg ab-        lichen Organen hat rechtliche Bedeutung auch nach
wechslungsreich und attraktiv halten zu können.          außen, d.h. es kann sich ein Außenstehender, dem ge-
                                                         genüber der erste Bürgermeister gehandelt hat, darauf
(3). Bestimmung der Auswahlkriterien ist wesentliche     berufen, dass es an der Tätigkeit oder Mitwirkung des
Frage                                                    zuständigen Gemeinderates fehle und daher das ge-
Demgegenüber fällt die abstrakte Auswahl und Fixie-      meindliche Handeln ihm gegenüber fehlerhaft sei (so
rung der im Einzelfall heranzuziehenden Zulassungs-      bereits VGH München, VGH n. F. 10, 64 [65 f.] mit
kriterien bei größeren Volksfesten als wesentliche De-   Verweis auf das VGH München, VGH n.F. 8, 69
terminante für die jeweilige Auswahlentscheidung         [72]).

                                                    -735-
RA 2003, HEFT 12                                                                        ÖFFENTLICHES RECHT

1. Anwendbarkeit des Art. 46 BayVwVfG bei                Kopp/Schenke, VwGO, § 113 Rdnr. 108 m.w.
Fortsetzungsfeststellungsklage                           Nachw.).
Wegen der auch schon in der Zeit vor In-Kraft-Treten
des Verwaltungsverfahrensgesetzes vertretenen Heil-      2. Subsumtion
barkeit fehlender Organkompetenz bei Erlass von Ver-     Das kann aber letztlich dahinstehen, da vorliegend die
waltungsakten durch nachträgliche Beschlussfassung       mangelnde Beteiligung eines Beschlussorgans auch
(VGH München, VGH n. F. 10, 64 [66]) ist dieser          bei Anwendung des Art. 46 BayVwVfG diesem Ver-
Mangel mit Blick auf die für Verwaltungsverfahren        fahrensfehler nicht die Bedeutung nimmt. Bei der Aus-
geltende Regelung des Art. 45 I Nr. 4 BayVwVfG als       wahlentscheidung als Ermessensverwaltungsakt zu
Verfahrensmangel anzusehen (Hölzl/Hien/Huber, Art.       Lasten der Kl. ist es mit Blick auf die Gestaltungsfrei-
38 BayGO Anm. 2 b; Bauer/Böhle/Masson/Samper,            heit der Gemeinde hinsichtlich der heranzuziehenden
Art. 38 BayGO Rdnr. 6; Widtmann/Grasser, Art. 29         Auswahlkriterien und der selbst bei deren Anwendung
BayGO Rdnr. 25). Die fehlende Beschluss fassung des      in Teilbereichen verbleibenden Einschätzungspräroga-
Stadtrates bzw. eines beschließenden Ausschusses         tive nicht offensichtlich, dass es bei Mitwirkung eines
lässt die Außenvertretungsmacht des Oberbürgermeis-      Beschlussorgans nicht zu einem anderen Ergebnis ge-
ters (bzw. im Fall der Delegation der Verwaltung) als    kommen wäre. Die in der Neufassung des Art. 46
Wirksamkeitsvoraussetzung für den trotzdem erlasse-      BayVwVfG enthaltene Tatbestandsvoraussetzung der
nen Verwaltungsakt unberührt. Sie missachtet aber        negativen Kausalität für den Ausschluss des kl. Kassa-
beim Zustandekommen des Verwaltungsakts die Not-         tionsanspruchs weist die Last des “non liquet” der Be-
wendigkeit einer Beteiligung des Beschlussorgans im      hörde zu und enthält eine widerlegbare Kausalitäts-
Rahmen der innergemeindlichen Willensbildung. Die        vermutung zu ihren Lasten. Für deren Widerlegung ist
Erheblichkeit dieses Verfahrensfehlers bestimmt sich     aber vorliegend nichts ersichtlich.
nach Art. 46 BayVwVfG. Diese Vorschrift ist auch im      Durch den relevanten Verfahrensfehler werden die Kl.
Rahmen der Sachprüfung eines Fortsetzungsfeststel-       in ihrem durch Art. 12 GG fundierten subjektiv-öffent-
lungsantrags von Bedeutung, da die Rechtsschutzzone      lichen Recht auf fehlerfreie Ausübung des Ermessens
des § 113 I 4 VwGO nicht weiter reicht als die des zu    verletzt. Auch wenn das ursprünglich (im Wider-
Grunde liegenden Anfechtungs- oder Verpflichtungs-       spruchsverfahren) verfolgte Verpflichtungsbegehren
antrags. Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll nur     auf Zulassung zum Kiliani-Volksfest 1999 mangels
der spezifischen Situation des Wegfalls der Beschwer     Spruchreife nur zu einem Bescheidungsurteil (§ 113 V
bzw. der unmöglic h gewordenen Erreichbarkeit des        2 VwGO) hätte führen können, hat der auf die Fest-
ursprünglich verfolgten Ziels Rechnung tragen, dem       stellung der Rechtswidrigkeit des Versagungs-
Kläger aber nicht mehr Rechtsschutz als im Falle des     bescheids beschränkte Fortsetzungsfeststellungsantrag
noch zulässigen Primärantrags verschaffen (J.            vollumfänglich Erfolg.
Schmidt, in: Eyermann, VwGO, § 113 Rdnr. 109; a.A.

Standort: § 70 GewO                   Problem: Vergabe von Stellflächen auf festgesetztem Markt

VGH MÜNCHEN, BESCHLUSS VOM 09.01.2003                    § 70 GewO für jedermann gilt, der zum Teilnehmer-
22 ZB 02.2984 (NVW Z-RR 2003, 837)                       kreis der Veranstaltung (hier: Glühweinstand auf
                                                         Weihnachtsmarkt) gehört. Hier wie dort wandelt sich
Problemdarstellung:                                      der gebundene Zugangsanspruch jedoch auch in einen
Die vorliegende Entscheidung des VGH München ist         Anspruch (nur) auf ermessensfehlerfreie Auswahl un-
im Zusammenhang mit dem vorstehenden Urteil zu           ter den Bewerbern um, wenn die Kapazität erschöpft
lesen. Hier wie dort ging es um einen Zugangs-           ist. Dies ist in § 70 III GewO ausdrücklich geregelt,
anspruch zu einem Volksfest. In diesem Beschluss         während es sich aus den entsprechenden Vorschriften
geht es jedoch um eine festgesetzte Veranstaltung nach   der Gemeindeordnungen i.d.R. nur mittelbar ergibt.
§§ 69 ff. GewO. In diesem Fall verdrängt nach h.M. §     Festzuhalten ist jedenfalls, dass beide Anspruchs-
70 I GewO den Zugangsanspruch aus den Gemeinde-          grundlagen nicht auf Erweiterung vorhandener Kapa-
ordnungen. Der Hauptunterschied besteht darin, dass      zitäten gehen, wie der VGH hier für § 70 I GewO noch
nach den Gemeindeordnungen grds. nur Einwohner           einmal ausdrücklich betont.
der Gemeinde gebundene Zugangsansprüche haben            Am Rande interessant sind die Ausführungen zur ord-
(für Dritte bleibt dann nur willkürfreie Ermessensaus-   nungsgemäßen Begründung einer Ablehnungsent-
wahl, vgl. auch dazu das vorstehende Urteil), während    scheidung, die klarstellen, dass eine solche in jedem
                                                    -736-
ÖFFENTLICHES RECHT                                                                            RA 2003, HEFT 12

Fall einzelfallbezogen sein muss und dass bei unzurei-      Aus den Gründen:
chender Begründung eine Heilungsmöglichkeit nac h §
45 I Nr. 2 VwVfG besteht.                                   A. Formelle Rechtmäßigkeit

Prüfungsrelevanz:                                           I. Begründung der Ablehnungsentscheidung
                                                            Das VG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die
In einer Examensaufgabe, deren Gegenstand die Zu-
                                                            Bekl. ihre verfahrensrechtliche Verpflichtung zur Be-
lassung zu einem öffentlich-rechtlich ausgeprägten
                                                            gründung der Ablehnungsentscheidung (Art. 39 I
Volksfest ist, muss peinlich genau darauf geachtet
                                                            BayVwVfG) durch das nach Bescheidserlass übermit-
werden, ob sich im Sachverhalt ein Hinweis darauf
                                                            telte erläuternde Schreiben vom 7.8.2001 nachträglich
findet, dass die Veranstaltung festgesetzt ist. In diesem
                                                            in ausreichender Form erfüllt hat (Art. 45 I Nr. 2, II
Fall sind die §§ 69 ff. GewO einschlägig, die i.Ü. ne-
                                                            BayVwVfG). Dabei handelte es sich entgegen der Dar-
ben den o.g. Rechten der potenziellen Beschicker noch
                                                            stellung in der Antragsbegründung nicht um ein bloßes
weitere Rechte und Pflichten begründen, z.B. die
                                                            “Standardschreiben”, in dem auf die Eigenheiten des
Pflicht des Veranstalters zur Durchführung der Ver-
                                                            individuellen Falles nicht eingegangen würde. Im
anstaltung (§ 69 II GewO).
                                                            Schreiben vom 7.8.2001 wurde nicht bloß das allge-
In prozessualer Hinsicht hält der VGH auch in diesem
                                                            meine Vergabekonzept der Bekl. bei einem Überhang
Fall eine Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 I
                                                            von Bewerbern für einen Standplatz auf dem Christ-
4 VwGO für ein vor Klageerhebung erledigtes Ver-            kindlesmarkt erläutert, sondern darüber hinaus die
pflichtungsbegehren auf Zugang zu der festgesetzten
                                                            konkrete Situation für die Anbietergruppe 2.2
Veranstaltung für statthaft. Hierzu wurde bereits in
                                                            („Glühwein- und Spirituosenausschank“) im Jahr 2001
dem vorstehenden Urteil ausführlich Stellung genom-         dargelegt. Weiter wurde ausgeführt, dass die Kl. selbst
men.
                                                            bei Freiwerden eines dieser Verkaufsstände nicht zu-
                                                            gelassen werden könnte, da sich einige der anderen
Vertiefungshinweise:                                        Neubewerber bereits häufiger um die Marktzulassung
“ Vergabe von Stellplätzen auf öffentlichem Volks-          beworben hätten. Mit diesen individuellen Erwägun-
fest durch Private: VG Augsburg, NVwZ-RR 2001,              gen war den inhaltlichen Mindestanforderungen des
468; VG Freiburg, NVwZ-RR 2002, 139                         Art. 39 I 2 und 3 BayVwVfG in jedem Falle ausrei-
“ Vergabe von Stellplätzen als Geschäft der laufenden       chend Genüge getan.
Verwaltung: VGH München, NVwZ-RR 2003, 771 (in
diesem Heft)                                                II. Keine Begründung der Nichtabhilfe des Wider-
                                                            spruchs
                                                            Die weiteren Ausführungen der Bekl. im Vorla-
Kursprogramm:
                                                            geschreihen an die Regierung von Mittelfranken vom
“ Examenskurs: “Kein Platz auf der Kirmes”                  29.11.2001 waren dagegen kein Teil der Begründung
                                                            des ablehnenden (Ausgangs-)Bescheids; sie mussten
Leitsätze (der Redaktion):                                  der Kl. demzufolge auch nicht zusätzlich bekannt ge-
1. Aus § 70 I GewO kann kein Anspruch auf Er-               geben werden. In dem genannten Schreiben legte die
weiterung der bisherigen Kapazität eines festge-            Bekl. gegenüber der Widerspruchsbehörde den bishe-
setzten Marktes hergeleitet werden.                         rigen Sachstand sowie die Gründe dar, derentwegen
2. Die Festlegung der Größe der einzelnen Ver-              sie an der angegriffenen Entscheidung ungeachtet der
kaufsstände liegt grundsätzlich im gestalterischen          erhobenen Einwände festhalten wollte. Diese Begrün-
Ermessen des Marktveranstalters. Die Grenze die -           dung der verwaltungsinternen Nichtabhilfeentschei-
ses Spielraums ist erst dort zu ziehen, wo Neube-           dung musste der Widerspruchsführerin im damaligen
werber auf längere Sicht faktisch ausgeschlossen            Verfahrensstadium nach allgemeiner Auffassung nicht
werden.                                                     von Amts wegen zugänglich gemacht werden (vgl.
                                                            Dolde, in: Schoch u.a., VwGO, § 72 Rdnr. 19 m.w.N.).
Sachverhalt:                                                [...]
Die Kl. bewirbt sich seit Jahren erfolglos um die Zu-
lassung zum Glühweinverkauf auf dem Christkindles-          B. Materielle Rechtmäßigkeit
markt in Nürnberg. Ihre Fortsetzungsfeststellungsklage      Auch im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die Bekl.
gegen den ablehnenden Bescheid für das Jahr 2001            bei der nach § 70 III GewO zu treffenden Ermessens-
wies das VG ab. Der Antrag auf Zulassung der Beru-          entscheidung über die Vergabe der Standplätze für den
fung blieb ebenfalls ohne Erfolg.                           Glühweinverkauf sachfremde oder unzureichende Er-
                                                            wägungen angestellt hätte.
                                                       -737-
RA 2003, HEFT 12                                                                          ÖFFENTLICHES RECHT

I. “Tauschangebot” nicht bindend                           jeweils einen der bisherigen Verkaufsplätze teilen
Insbesondere war sie nicht verpflichtet, zu Gunsten der    müssten. Ein Anspruch auf Erweiterung der bisherigen
Kl. zu berücksichtigen, dass diese im Fall der Zulas-      Kapazität ergibt sich aus dem in § 70 I GewO normier-
sung zum Glühweinverkauf bereit gewesen wäre, auf          ten generellen Zulassungsanspruch nicht (Tettin-
den ihr seit Jahren zugewiesenen Spielwarenstand           ger/Wank, GewO, § 70 Rdnr. 37 m.w.N.). Es muss
(Anbietergruppe 2.6) zu verzichten. Auf einen derarti-     daher grundsätzlich dem gestalterischen Ermessen des
gen Tausch musste sich die Bekl. nicht einlassen. Nach     Marktveranstalters überlassen bleiben, neben den
ihrem Marktkonzept, wie es auch in der amtlichen Be-       Standorten auch die Größe der einzelnen Verkaufsstän-
kanntmachung für das Jahr 2001 zum Ausdruck                de festzulegen und dadurch mittelbar über die Anzahl
kommt, wird bei der Zulassung von Verkaufsständen          der jeweils möglichen Zulassungen zu entscheiden
nach genau festgelegten Anbietergruppen unterschie-        (vgl. VGH München, BayVBl 1991, 370). An recht-
den, für die jeweils eine maximale Gesamtverkaufsflä-      liche Grenzen stößt dieser Gestaltungsspielraum erst
che vorgesehen ist. Für jede Gruppe muss eine geson-       dort, wo die insgesamt verfügbare Verkaufsfläche oh-
derte Bewerbung eingereicht werden; hieran anknüp-         ne besonderen Grund auf so wenige Stände verteilt
fend wird bei frei werdenden Plätzen maßgeblich auf        wird, dass Neubewerber selbst auf längere Sicht fak-
die Anzahl der bislang erfolglosen Bewerbungen für         tisch ausgeschlossen bleiben. Von einer solchen Situa-
die jeweilige Anbietergruppe abgestellt. Dieses Sys-       tion kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegan-
tem, das nach den vorliegenden Erfahrungen auch            gen werden. Die auf dem Hauptmarkt zugelassenen
Neubewerbern die Chance bietet, im Laufe der Jahre         Glühweinstände haben eine durchschnittliche Ver-
zum Zuge zu kommen, wäre in Frage gestellt, wenn           kaufsfläche von nur ca. 4 lfdm und sind damit kaum
Stammbeschickern aus anderen Anbietergruppen, die          mehr teilbar.
etwa aus wirtschaftlichen Gründen in einen lukrati-        Bei einer Gesamtzahl von neun Ständen kann ein
veren Verkaufszweig wechseln wollen, wegen ihrer           Wechsel unter den Betreibern durchaus stattfinden,
Bereitschaft zur Aufgabe der bisherigen Zulassung ein      wie sich aus der Neuzulassung von Bewerbern in den
bevorzugter Zugang eröffnet würde.                         Jahren 1997 und 1999 ergibt. Auch für die Kl., die auf
                                                           Grund ihrer langjährigen Bewerbung bereits den drit-
II. Keine Kapazitätserweiterung                            ten Platz in der “Nachrückerliste” einnimmt, besteht
Die Bekl. war auch nicht verpflichtet, die bestehende      demnach in absehbarer Zeit eine realistische Chance
Zahl von Verkaufsständen für Glühwein etwa dadurch         auf Zulassung zum Glühweinverkauf.
zu erhöhen, dass sich zwei oder mehrere Bewerber

Standort: Polizeirecht                                                        Problem: “Paintball”-Spiel

VG DRESDEN, BESCHLUSS VOM 28.01.2003                       weil es an einer gegenwärtigen Gefahr fehle. Die ab-
14 K 2777/02 (NVW Z-RR 2003, 848)                          strakte Möglichkeit, dass das Paintball-Spiel verro-
                                                           hend wirken, die Grenzen zwischen Spiel und Realität
                                                           bei einigen Spielern verwischen oder die Menschen-
Problemdarstellung:
                                                           würde gefährden könne, begründe allenfalls einen “Ge-
Das VG Dresden hatte sich im Rahmen des vorläufi-          fahrenverdacht”, der polizei- und ordnungsrechtlich
gen Rechtsschutzes nach § 80 V VwGO mit der Recht-         aber gerade nicht ausreiche, um endgültige Maßnah-
mäßigkeit einer Untersagungsverfügung gegen das            men wie eine Untersagungsverfügung zu rechtfertigen.
sogen. “Paintball”-Spiel zu befassen, bei dem in           Im Übrigen neigt das Gericht zu der Auffassung, dass
Mannschaften organisierte Spieler mit Farbkugeln auf-      auch das spielerisch simulierte Töten bzw. Verletzen
einander schießen, um ein Spielziel, z.B. die Erobe-       von Menschen gesellschaftlich so etabliert ist (bspw.
rung der gegnerischen Flagge, zu erreichen (zur ge-        durch Kampfsportarten, Computerspiele usw.), dass
nauen Beschreibung der Spielregeln sei auf den Sach-       von einem Verstoß gegen einen allgemeinen Werte-
verhalt verwiesen). Die ganz h.M. in der Rspr. und Lit.    konsens und damit gegen die öffentliche Ordnung
hält diese und vergleichbare Spielvarianten wie “Got-      nicht gesprochen werden kann.
cha”, “Laserdrome” usw. für ordnungswidrig und da-
mit unzulässig, wobei in aller Regel das Schutzgut der
“öffentlichen Ordnung” als verletzt angesehen wird.        Prüfungsrelevanz:
Das VG definiert und subsumiert geradezu lehrbuch-         Ein Fall wie dieser lässt sich beinahe ohne Änderun-
haft, wobei es i.E. zu dem abweichenden Ergebnis ge-       gen in eine Examensklausur übernehmen. Die Frage
langt, dass die öffentliche Ordnung nicht gefährdet sei,   nach der Zulässigkeit von Spielveranstaltungen der

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ÖFFENTLICHES RECHT                                                                           RA 2003, HEFT 12

genannten Art ist zudem äußerst aktuell, wie weitere     gesetzlichen Werteordnung zu messen, wenn durch
Entscheidungen zu diesem Thema beweisen (siehe           das Spiel eine schlechthin geächtete Emotion er-
Vertiefungshinweise).                                    zeugt werden soll oder wenn der Spielende die
Angemerkt sei, dass die ganz h.M. nach wie vor ein       Grenze zwischen "Spielwelt" und "Alltagswelt"
Verbot befürwortet, das VG also die m.M. vertritt. Be-   übertritt (hier verneint).
reits in RA 2002, 359 (Urteil in Fallstruktur) wurde     3. Ein gesellschaftlicher Wertekonsens gegen die
jedoch der Beschluss des BVerwG vom 24.10.2001           spielerische Simulation von Tötungs- und Verlet-
(NVwZ 2002, 598) behandelt, mit dem das BVerwG           zungshandlungen ist weder empirisch belegt, noch
dem EuGH die Frage vorgelegt hat, ob ein                 lässt die öffentliche Bewertung anderer Spiele mit
Laserdrome-Verbot in Deutschland gegen Grundfrei-        ähnlichen Spielinhalten einen Rückschluss auf das
heiten des Gewerbetreibenden nach dem EG-Vertrag         Bestehen einer solchen allgemein herrschenden
verstößt, weil solche Spiele in anderen Mitgliedsstaa-   Auffassung zu.
ten für zulässig gehalten werden. Diese europarecht-
liche Komponente schwebt wie ein Damoklesschwert         Sachverhalt:
über der ein Verbot befürwortenden h.M. und könnte       Die Ast. begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine
bei einer entsprechenden Entscheidung des EuGH zu        Ordnungsverfügung, mit der ihr untersagt wurde, in
einer Neubewertung jedenfalls für die Fälle führen, in   ihren Räumlichkeiten Paintball-Spiele zu gestatten.
denen ein Grenzübertritt und damit ein europarecht-      Die Ast. betreibt eine Freizeit- und Sporthalle in B. auf
licher Einschlag vorliegt (also z.B. eine ausländische   einem ehemaligen Industriegelände. Mit der Anlage
Muttergesellschaft in Deutschland einen Laserdrome       zum Bauantrag wies die Ast. darauf hin, dass in der
eröffnen will). Sollte es so kommen, müsste aber auch    Freizeit- und Sporthalle die Ausübung der Sportarten
die Frage gestellt werden, ob man dann nationalen An-    Speedball, Paintball und Sub-Air erfolgen solle. Hier-
bietern weiterhin das verbieten kann, was europäi-       bei handelt es sich nach dem Liga-Regelwerk "Deut-
schen Mitbewerbern erlaubt werden muss.                  sches Paintball" u.a. des Deutschen Paintball Verban-
                                                         des um Mannschaftsspiele, die zwischen jeweils zwei
                                                         Mannschaften ausgetragen werden. Die Spieler sind
Vertiefungshinweise:                                     mit Gasdruckpistolen – so genannten Markierern –
“ Weitere “Laserdrome”-Fälle: OVG Münster, RA            ausgerüstet. Als Munition dienen mit Farbflüssigkeit
2001, 163 = NWVBl 2001, 94; NWVBl. 1995, 473;            gefüllte Gelatinekugeln (paintball). Die Spielhandlung
OVG Koblenz, NVwZ-RR 1995, 30; Haurand, JA               besteht in Kampf der Mannschaften um eine bzw. zwei
1995, 196                                                Flaggen, die es zu erobern (Flagge reißen) und in die
“ Zur europarechtlichen Komponente der “Laser-           eigene oder gegnerische Startposition zu bringen gilt
drome”-Fälle: Szczekalla, JA 2002, 996                   (Flagge legen). Ein Mittel hierfür ist das Ausschalten
                                                         gegnerischer Mitspieler durch deren Markierung, d.h.
Kursprogramm:                                            durch das Treffen des Spielers mit einem paintball.
“ Examenskurs: “Laserdrome”                              Ziel des Spieles ist das Erreichen des höchsten Punkte-
                                                         standes, wobei die höchsten Punktzahlen von 25 und
                                                         50 Punkten für das Reißen und Legen der Flagge ver-
Leitsätze:
                                                         geben werden. Für das Markieren eines gegnerischen
1. Die Gefahr einer Menschenwürdeverletzung ist
                                                         Spielers erhält eine Mannschaft demgegenüber 5
nur dann gegeben, wenn aktuell ein Verhalten
                                                         Punkte.
droht, durch das die Subjektqualität eines Men-
                                                         Unter der Bezeichnung "Speedball" wird nach Anga-
schen prinzipiell in Frage gestellt wird oder in dem
                                                         ben der Ast. eine Spielvariante mit verkürzter Spiel-
im konkreten Fall eine willkürliche Missachtung
                                                         dauer verstanden, bei der anstatt der üblichen 4 Spiel-
der menschlichen Würde liegt. Für eine Verschie-
                                                         teilnehmer nur zwei Spielteilnehmer pro Mannschaft
bung der Schutzschwelle von dem konkret drohen-
                                                         zum Einsatz kommen. ", “Sub-Air” bezeichnen dem-
den Eingriff zum Bestehen eines Gefahrenpotenzi-
                                                         gegenüber einen Spielmodus, bei dem genormte Hin-
als gibt es keine Rechtfertigung. Bietet das fragliche
                                                         dernisse in Form von aufgeblasenen Kegeln, Pyrami-
Verhalten nur Anlass zur Sorge, dass es späteren
                                                         den, etc. zum Einsatz kämen. Die Ag. wies die Ast.
e ntwürdigenden Behandlungen von Menschen Vor-
                                                         vorab auf ordnungsrechtliche Bedenken hinsichtlich
schub leisten kann oder sich die allgemeinen Wert-
                                                         des unternehmerischen Betreibens einer Paintball-An-
vorstellungen oder das Verhalten in der Gesell-
                                                         lage hin. Mit Bescheid vom 26.11.2002 untersagte die
schaft nachteilig ändern, liegt keine Verletzung der
                                                         Ag. der Ast., im Grundstück X. auf allen Flächen und
Menschenwürde vor.
                                                         in allen Räumen, die sich in ihrer Verfügungsbefugnis
2. Ein "spielerischer Tabubruch" ist an der grund-
                                                    -739-
RA 2003, HEFT 12                                                                          ÖFFENTLICHES RECHT

befinden, Gelegenheit dafür zu bieten, dass mit Waf-      wie die Dringlichkeit des behördlichen Einschreitens
fen oder Schussgeräten Farbmarkierungskugeln auf          besonders zu beachten. Die Schwere der Auswirkun-
Menschen geschossen werden (Nr. 1) und ordnete den        gen des Vollzugs eines sich nachträglich als rechtswid-
sofortigen Vollzug dieser Verfügung an (Nr. 2). Dem       rig erweisenden Verwaltungsaktes für den Betroffenen
hiergegen gerichteten Eilantrag gab das VG unter Auf-     sind dem Ausmaß der zu befürchtenden Beeinträchti-
lagen statt.                                              gung öffentlicher Belange gegenüberzustellen, wenn
                                                          die Wirksamkeit der Regelung suspendiert, deren
Aus den Gründen:                                          Rechtmäßigkeit im Hauptsacheverfahren aber festge-
Der zulässige Antrag ist begründet. Die aufschiebende     stellt wird. Gemessen an diesem Maßstab überwiegt
Wirkung des Widerspruchs der Ast. gegen die für so-       hier das Aussetzungsinteresse der Ast., denn bei sum-
fort vollziehbar erklärte Untersagungsverfügung war       marischer Prüfung spricht nach dem derzeitigen Er-
gem. 80 V 1 Alt. 2 VwGO unter Anordnung von Auf-          kenntnisstand viel dafür, dass der angegriffene Ver-
lagen gem. Satz 4 dieser Bestimmung wiederherzu-          waltungsakt im Hauptsacheverfahren aufzuheben sein
stellen.                                                  wird; zudem besteht bei Vollziehung der Untersa-
                                                          gungsverfügung die Gefahr einer erheblichen, irrepar-
A. Formelle Rechtmäßigkeit der Vollziehungsanord-         ablen Grundrechtsverletzung der Ast., während dem
nung                                                      öffentlichen Interesse durch die Anordnung von Aufla-
Zwar genügt die Anordnung des Sofortvollzugs den          gen hinreichend Rechnung getragen werden kann.
formellen gesetzlichen Anforderungen; sie konnte als
Regelung ohne Verwaltungsaktqualität ohne Anhö-           1. Erfolgsaussichten in der Hauptsache
rung gem. § 1 SächsVwVfG i.V. mit § 28 I VwVfG
erlassen werden (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12.             a. Ermächtigungsgrundlage
Aufl., § 80 Rdnr. 82 m.w.N. ), und wurde auch ord-        Die gesetzliche Grundlage für den Erlass der Untersa-
nungsgemäß begründet (§ 80 III VwGO). Die Ag. hat         gungsverfügung bildet § 3 I Alt. 2 SächsPolG. Nach
mit dem Hinweis auf die Vorbild- und Werbefunktion        dieser Alternative der polizeilichen Generalklausel
der fraglichen Anlage einzelfallbezogen dargelegt, auf    kann die Polizei innerhalb der durch das Recht gesetz-
Grund welcher Umstände sie von einem besonderen           ten Schranken die erforderlichen Maßnahmen treffen,
öffentlichen Interesse an einem Wegfall der aufschie-     um eine in einzelnen Fällen bestehende Gefahr für die
benden Wirkung ausgeht. Ob die angeführte Begrün-         öffentliche Ordnung abzuwehren.
dung inhaltlich richtig und sachlich tragfähig ist, ist
dagegen für die Erfüllung der formellen Anforderun-       aa. Anwendbarkeit
gen nicht von Belang.                                     Diese allgemeine polizeirechtliche Befugnisnorm wird
                                                          nicht durch eine speziellere gewerberechtliche Ein-
B. Interessenabwägung                                     griffsermächtigung verdrängt, noch wird deren An-
Die Abwägung des Interesses der Ast., zunächst von        wendbarkeit durch sonstige Rechtsvorschriften ausge-
den Wirkungen des bekämpften Verwaltungsaktes ver-        schlossen. Insbesondere ist der Ag. die Heranziehung
schont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Inter-      der polizeilichen Generalklausel hier nicht deshalb
esse an seinem Vollzug ergibt allerdings hier nach        verwehrt, weil sie mit ihrer Untersagungsverfügung
Auffassung der Kammer ein Überwiegen des Suspen-          regelnd in die durch Art. 12 I i.V. mit Art. 19 III GG
sivinteresses.                                            und Art. 28 I i.V. mit Art. 37 III SächsVerf. grund-
                                                          rechtlich geschützte Berufsausübung der Ast. eingreift.
I. Abwägungskriterien                                     Zwar ist grundsätzlich für eine behördliche Berufsaus-
Bei der hierbei zu treffenden Ermessensentscheidung       übungsregelung eine spezielle Ermächtigungsgrundla-
kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der      ge erforderlich (grundlegend BVerwGE 10, 164; eben-
Hauptsache grundlegende Bedeutung zu, soweit diese        so BVerwGE 115, 189).
bereits überschaubar sind. Diese Erfolgsaussichten
sind summarisch zu prüfen; weder können im Rahmen         (1). Generalklausel als Berufsausübungsschranke
eines Eilverfahrens schwierige Rechtsfragen abschlie-     Der Regelungsvorbehalt des Art. 12 GG richtet sich an
ßend geklärt werden noch können aufwendige Beweis-        den Gesetzgeber, der fachlich orientierte Gesetze ent-
erhebungen erfolgen. Lässt sich danach kein hinrei-       sprechend der Belange der jeweils berührten Lebens-
chender Grad an Wahrscheinlichkeit für ein Obsiegen       bereiche treffen muss. Doch behält auch die polizeili-
oder eine voraussic htliche Niederlage in der Hauptsa-    che Generalklausel trotz ihres weiten Geltungsberei-
che feststellen, sind bei der Abwägung das Gewicht        ches den Charakter einer Berufsausübungsregelung
der zu besorgenden Folgen eines Vollzuges ebenso          i.S. von Art. 12 I GG. Ihre Anwendung ist jedoch auf

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