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Ratgeber Trauer Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Ratgeber zur Reihe Fortschritte der Psychotherapie Band 7 Ratgeber Trauer Prof. Dr. Hansjörg Znoj Herausgeber der Reihe: Prof. Dr. Martin Hautzinger, Prof. Dr. Tania Lincoln, Prof. Dr. Jürgen Margraf, Prof. Dr. Winfried Rief, Prof. Dr. Brunna Tuschen-Caffier Begründer der Reihe: Dietmar Schulte, Klaus Grawe, Kurt Hahlweg, Dieter Vaitl Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Hansjörg Znoj Ratgeber Trauer Informationen für Betroffene und Angehörige 2., überarbeitete Auflage Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Prof. Dr. Hansjörg Znoj, geb. 1957. 1980–1987 Studium der Psychologie in Bern. 1984–1993 Wissenschaft licher Mitarbeiter in der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie. 1992 Promotion. 1993–1996 Postdoc an der University of California, San Francisco (UCSF). 2001 Habilitation. Seit 2006 außerordentli cher Professor für Klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie an der Universität Bern. Arbeitsschwer punkte: Psychotherapieforschung, Emotionsregulation, Umgang mit kritischen Lebensereignissen. Wichtiger Hinweis: Der Verlag hat gemeinsam mit den Autoren bzw. den Herausgebern große Mühe darauf verwandt, dass alle in diesem Buch enthaltenen Informationen (Programme, Verfahren, Mengen, Dosierun gen, Applikationen, Internetlinks etc.) entsprechend dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes abge druckt oder in digitaler Form wiedergegeben wurden. Trotz sorgfältiger Manuskriptherstellung und Korrek tur des Satzes und der digitalen Produkte können Fehler nicht ganz ausgeschlossen werden. Autoren bzw. Herausgeber und Verlag übernehmen infolgedessen keine Verantwortung und keine daraus folgende oder sonstige Haftung, die auf irgendeine Art aus der Benutzung der in dem Werk enthaltenen Informationen oder Teilen davon entsteht. Geschützte Warennamen (Warenzeichen) werden nicht besonders kenntlich gemacht. Aus dem Fehlen eines solchen Hinweises kann also nicht geschlossen werden, dass es sich um einen freien Warennamen handelt. Copyright-Hinweis: Das E-Book einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG Merkelstraße 3 37085 Göttingen Deutschland Tel. +49 551 999 50 0 Fax +49 551 999 50 111 info@hogrefe.de www.hogrefe.de Umschlagabbildung: © iStock.com by Getty Images / monkeybusinessimages Satz: Michael Kleine, Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen Format: PDF 2., überarbeitete Auflage 2021 © 2005 und 2021 Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, Göttingen (E-Book-ISBN [PDF] 978-3-8409-2976-2; E-Book-ISBN [EPUB] 978-3-8444-2976-3) ISBN 978-3-8017-2976-9 https://doi.org/10.1026/02976-000 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
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Inhalt Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1 „Trauer“ – was ist das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.1 Wie äußert sich Trauer? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 1.2 Wer trauert wie und weshalb? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 1.3 Wie entwickelt sich der Zustand der Trauer weiter? . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 1.4 Wie wirkt Trauer auf andere? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2 Wie entsteht eine Trauerstörung und warum geht das Leiden nicht von allein weg? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.1 Der normale Verlauf der Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 2.2 Die Trauerarbeit erschwerende Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2.3 Die Entstehung der anhaltenden Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2.4 Das Aufschaukelungsmodell der anhaltenden Trauer . . . . . . . . . . . . . . . 29 2.5 Leide ich an einer anhaltenden Trauerreaktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2.6 Wann sollten Sie Hilfe beanspruchen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.7 Symptome der anhaltenden Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 3 Was kann man dagegen tun? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1 Die Phasen der Trauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1.1 Der Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 3.1.2 Aufbrechende Gefühle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3.1.3 Neuorientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 3.2 Wann ist eine Behandlung sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.3 Wie sieht die Behandlung aus? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3.4 Was kann ich selbst dazu beitragen, den Trauerprozess gut zu bewältigen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3.5 Eine unverarbeitete Trauer – Die Geschichte des Herrn O. . . . . . . . . . . . 49 3.6 Ausblick – Der Verlust macht nicht immer Sinn! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 Arbeitsblatt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 5 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
Vorwort Wenn wir trauern, fühlen wir uns erst mal alleingelassen und verzweifelt. Das letzte, was wir brauchen, sind Menschen, die uns trösten wollen, obwohl wir uns gerade in diesem Moment nach Trost sehnen. Das Gefühl, verlassen wor den zu sein, die fehlende Möglichkeit, sich mit seinem Partner1, Elternteil, Geschwister oder gar dem eigenen Kind austauschen zu können, tut weh und hinterlässt eine riesige Lücke. Oft kommen uns die Rituale, welche die Ge sellschaft (Kirche, Staat, Bekannte) bereitstellt, den oder die Verstorbene zu verabschieden, ungenügend und sinnentleert vor. Aber auch die gut gemein ten Ratschläge, wie „das Leben geht weiter“, oder reale Hilfsangebote schei nen uns unnötig, schmerzen und lösen manchmal sogar aggressive Gefühle aus. Die eigene Trauer – so scheint es – ist kaum mitteilbar, sie ist einzigartig und fühlt sich auch gar nicht so an, wie sich Trauer anfühlen sollte. Darüber hinaus realisieren wir, dass andere Menschen nicht wirklich wissen wollen, wie es uns geht. Oder wir sehen, dass sie schmerzlich berührt sind und ver zichten darauf, sie mit unserer Trauer zu belasten. Manchmal entschuldigen wir uns sogar für unseren Zustand. Oftmals empfinden wir gar nichts, sind gegenüber unseren eigenen und den Gefühlen anderer Menschen taub oder der Schmerz teilt sich roher mit, als wir erwartet haben. Oder wir werden von einer großen Unruhe gepackt. Auch das Gegenteil kann eintreffen, eine große Lethargie, die alles unendlich mühsam macht, die notwendigen Arbeiten er schwert und verhindert, dass wir die Voraussetzungen schaffen, neu anzufan gen. Trauer kann einen chronischen Zustand annehmen – wir sprechen dann von einer komplizierten oder anhaltenden Trauer. Der vorliegende aktualisierte Ratgeber soll Betroffenen und Angehörigen die notwendigen Informationen vermitteln, welche Bandbreite die Trauer haben kann und wann es angezeigt ist, professionelle Hilfe aufzusuchen. Dieser Rat- 1 Zugunsten einer besseren Lesbarkeit wird im Text in der Regel das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierungen umfassen gleichermaßen alle Geschlechter (m/w/d). Die verkürzte Sprachform hat nur redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. 7 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
geber ist für alle geschrieben, die entweder selbst direkt betroffen sind oder sich Sorgen um jemanden machen, der eine wichtige Bezugsperson verloren hat. Bern, September 2020 H. J. Znoj 8 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
1 „Trauer“ – was ist das? Wenn uns unvermutet eine Person wegstirbt, deren innige und verständige Teil- nahme uns von Jugend an begleitete, deren ununterbrochene Neigung uns gleichsam eine stille Bürgschaft für ein dauerndes Wohlergehen geworden war, so ist es immer, als stockte plötzlich unser eigenes Leben. Eduard Mörike (1804 – 1875), dt. Dichter Trauer ist kein Gefühl! Das mag zunächst etwas seltsam anmuten, denn wir alle kennen das Gefühl von Traurigkeit, wir alle kennen die Tränen, die da zugehören. Diejenigen unter uns, die schon einen geliebten Menschen verlo ren haben, wissen aber auch, dass sich die Trauer ganz anders äußern kann. So gibt es Phasen nach dem Ereignis, in denen überhaupt keine Gefühle mehr vorkommen, oder es gibt Zustände, in denen wir vor lauter Wut oder Bitter keit das Glück anderer Menschen verwünschen, oder Momente, in denen wir plötzlich überwältigt werden und das Gefühl haben, durchzudrehen. Trauer oder sich in Trauer befinden ist ein Zustand, der uns von anderen Menschen trennt und manchmal auch von uns selbst. Trauer verläuft nicht nach einem bestimmten Schema, sondern kann sich ganz verschieden äußern. 1.1 Wie äußert sich Trauer? Der Verlust einer nahestehenden Person löst Schmerz, Angst, Gefühle der Hilflosigkeit oder Entsetzen aus. Dies steht ganz im Gegensatz zum Bild der Trauer, wie es uns oft vermittelt wird. Trauer wird als Bild einer ruhigen Win terlandschaft, eines Bächleins unter einer Eiskruste oder als entblätterter Baum umschrieben. Diese Bilder sollen die Kontinuität des Lebens und die Trauer als einen Teil des Sterbens und Werdens in der Natur versinnbild lichen. Dieses „Trauern“ ist jedoch ein Mythos, der wenig Raum für indivi duelle Gefühle zulässt. Die Trauer dauert oft länger und deren Ausdruck ist vielfältiger als allgemein angenommen. Aber die Trauer sollte auch nicht für immer andauern. Der Verlust muss einmal akzeptiert werden. Die Trauer beschränkt sich nicht nur 9 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
auf den Verlust: Es müssen viele Dinge neu organisiert werden, unter Um ständen stellen sich finanzielle Engpässe ein. Vorwürfe im Zusammenhang mit der Nachlassregelung können zusätzliche Schwierigkeiten bedeuten. Diese Vielzahl von Anforderungen erlaubt oft gar nicht, den verlorenen Men schen richtig zu verabschieden. Die emotionale Belastung kann sich als Angst, Wut, Schuld und Trauer äu ßern, und es kommen auch Gefühle emotionaler Leere, Kälte oder Zustände von Erleichterung oder Einsamkeit vor. Versuche, diese Gefühle mittels Be täubungsmitteln (Medikamente, Alkohol, Drogen) oder Vermeidungsverhal ten zu regulieren, sind meistens erfolglos oder können zu weiteren Störungen oder Einschränkungen führen. Gedankliche Ablenkung kann möglicherweise kurzfristig helfen, aber die wiederkehrenden Gefühle oder Bilder rufen den Verlust immer wieder ins Bewusstsein. Unrast und ein stetes Gefühl von Hilf losigkeit können zu Überaktivität führen. Die innere Unrast hindert am Schla fen und raubt dem Körper die notwendige Ruhe und Gelassenheit, die zur Verarbeitung des Verlustes notwendig wäre. Bei sehr intensiver Trauer kön nen emotionale Regulationsvorgänge nachhaltig gestört werden. Die emoti onale Regulation bewirkt, dass wir uns in sozialen Situationen wohlfühlen oder, wenn notwendig, auch emotional erregt zeigen können. Trauernde ver halten sich nicht immer richtig in sozialen Situationen. Das kann sich bei spielsweise darin äußern, in Gesprächen besonders kurz angebunden zu sein und damit andere zu verprellen. Langfristig kann dies zu zwischenmensch lichen Schwierigkeiten und psychischen Problemen führen. Annahmen und Mythen Die wichtigsten (und oft irreführenden) Annahmen, die über die Bewältigung von Verlusten herrschen, sind im Folgenden aufgelistet: • Einem Verlust schließt sich unvermeidlich eine hohe emotionale Belastung an. Das stimmt nicht in allen Fällen: Seien Sie unbesorgt, wenn Sie Ihrem Schmerz unmittelbar noch keinen Ausdruck geben können oder wenn Sie emotional nicht so tief betroffen sind, wie Sie meinen, sein zu müssen! • Das Erleben intensiver emotionaler Belastung und eine depressive Ver stimmung stellt eine notwendige Voraussetzung für den Heilungsprozess dar. Fehlt eine solche Reaktion, ist dies ein Zeichen einer krankhaften Ent wicklung. Auch das stimmt so nicht: tatsächlich sind in der ersten Zeit die 10 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
meisten Personen hoch belastet, oft verbunden mit Antriebsschwäche oder dem Gefühl, das Leben sei sinnlos geworden. Das Fehlen solcher Symp tome bedeutet aber nicht, dass der Heilungsprozess nicht eingesetzt hat. • Nach erfolgter „Trauerarbeit“ kommt es zu einer vollständigen Erholung des psychischen Befindens. Trotz abgeschlossenem Trauerprozess ist eine vollständige Heilung oft nicht möglich: die verstorbene Person kommt nicht mehr wieder. Die Lücke bleibt und sie schmerzt auch nach Jahren noch. • Als Ergebnis erfolgreicher Trauerarbeit kann der Verlust nicht nur akzep tiert werden, sondern er bekommt auch eine Bedeutung für das eigene Leben. Ein Verlust muss nicht unbedingt eine größere Bedeutung anneh men – diese Forderung ist nicht für alle Personen sinnvoll. Viele dieser Annahmen konnten durch die Forschung nicht bestätigt werden; sie prägen aber immer noch unser Bild des „richtigen“ Trauerns. Umso wich tiger ist es für Sie als betroffene Person, sich von diesen Mythen nicht beein flussen zu lassen. Welche Trauerformen gibt es? Im westlichen Kulturkreis können zwei konkurrierende Trauerauffassungen gefunden werden. Die kontinuierliche oder „romantische“ Form der Trauer besteht gleichwertig neben einer anderen, manchmal auch als „modern“ be zeichneten Art des Trauerns, bei der die Beziehung zur verstorbenen Person innerhalb relativ kurzer Zeit (wenige Monate bis höchstens wenige Jahre) auf gelöst wird. In der romantischen Trauer wird die Beziehung zur verstorbenen Person nicht aufgelöst, sondern bleibt bestehen. Das bedeutet, dass Sie sich nicht unnötig Sorgen machen müssen, wenn Sie auch noch nach Jahren eine lebendige Beziehung zu Ihrem verstorbenen Partner, Ihrer Gattin oder An gehörigen pflegen. Viel wichtiger ist, dass Sie sich in Ihren Gefühlen gegen über der verstorbenen Person bewusst sind und dass diese Gefühle nicht mit Ihren Lebensplänen in Konflikt stehen. Der Verlust eines geliebten Menschen kann sehr unterschiedlich erlebt wer den – bei manchen ist die erste Zeit nach dem Verlust schrecklich verwirrend –, dieser Zustand hält jedoch nicht lange an, sondern macht allmählich einer gefühlsmäßig klaren Traurigkeit Platz, die das Alltagsleben nur wenig ein schränkt. Bei anderen wird die Trauer weniger als Trauergefühl erlebt. Sol 11 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
che Menschen ziehen sich vielleicht eher zurück, behalten den Schmerz für sich und möchten in ihren privaten Gefühlen nicht belästigt werden. Doch manchmal wird aus einer vorübergehenden Trauer eine lang andauernde Be einträchtigung. Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass die normale Trauerreaktion län ger andauert als bisher angenommen. Menschen mit Partnerverlust leiden oft noch nach Jahren, wenn sie an den Verlust denken. Trotz der Unterschied lichkeit der Trauerreaktionen nehmen normalerweise die Intensität, der Schmerz und die übrigen Anzeichen der Trauer über die Zeit ab. Langandau ernde oder gar chronische Zustände der Trauer kommen selten vor und wer den in diesem Ratgeber im zweiten Kapitel beschrieben. Es handelt sich dabei um eine eigentliche psychische Störung, die als solche auch diagnostiziert und psychologisch behandelt werden kann. Diese Reaktionen auf einen Ver lust sind in den letzten Jahren genauer untersucht worden. Eine Störung liegt in der Regel nur dann vor, wenn weitere körperliche und psychische Symp tome und Beeinträchtigungen auftreten, die mit den Gefühlen von Trauer in keinem direkten Zusammenhang stehen. 1.2 Wer trauert wie und weshalb? Menschen, die an starken Trauerreaktionen leiden, sind dagegen gar nicht so selten. Der Verlust eines Lebenspartners im hohen Alter führt oft dazu, dass der überlebende Teil der Partnerschaft keinen Sinn im Leben mehr sehen kann und viel schneller gesundheitlich geschwächt wird, sodass der eigene Tod beschleunigt wird. In der Roland-Sage wird dieser „Liebestod“ besun gen: Aus dem umfangreichen Inhalt sei nur angeführt, dass eine Armee von Heiden Rolands Nachhut überfällt. Hier findet sich die berühmte Szene, in der Roland mit letzter Kraft in sein Horn Olifant bläst, um Kaiser Karl zu Hilfe zu rufen. Als die Roland versprochene Alde von seinem Tod hört, sinkt sie selbst vor Schmerz tot nieder. Tod und Trauer gehören zusammen. Manchmal kommt es aber – wie in den folgenden Beispielen – zu Reaktionen, die nicht unmittelbar mit dem eigenen Verlusterleben zu tun haben: Der Tod prominenter Menschen, etwa Lady Diana, kann eine weltweite Trauer auslösen. Es ist zu vermuten, dass das Ge fühl der Trauer benutzt werden kann, dem eigenen Leben Sinn und Bedeu 12 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
tung zu geben. Der Tod von prominenten Menschen kann aber auch zu wei teren Todesfällen führen. Der Suizid von Kurt Cobain (einem einst populären Musiker) führte zu Nachahmungssuiziden – ähnlich wie nach dem Erschei nen von Goethes Werther. Viele Menschen machen die Erfahrung, dass der Verlust einer nahen Person (Partner, Kind, Eltern) Angst oder auch Wut und Hilflosigkeit hervorruft. Manchmal kommt es auch zu einer Depression. Eine Depression kann als „Gefühlskälte“ wahrgenommen werden – vor allem positive Gefühle wie Freude werden kaum mehr erlebt. Chronische Trauer kommt oft als Depres sion vor. 1.3 Wie entwickelt sich der Zustand der Trauer weiter? Der Zustand der Trauer ist nicht, wie manchmal irrtümlich angenommen wird, konstant. Trauer gleicht vielfach einem gefühlsmäßigen Karussell oder einer Achterbahn. Herzzerreißender Schmerz wechselt sich ab mit Fröhlich keit und dann wieder Wut auf die Umstände, die es dazu kommen ließen. Diese „Wechselbäder“ sind irritierend und weisen darauf hin, dass der Ver lust noch nicht vollständig verarbeitet ist. Gedanklich sind wir oft schon wei ter, meinen den Verlust akzeptiert zu haben, aber emotional dauert es länger als erwartet – oft kann es noch nach Jahren zu einer überraschenden emotio nalen Reaktion kommen. Nicht wenige Menschen möchten schneller über den Verlust hinwegkommen, als ihnen das emotional möglich ist. Dieser Wunsch ist überhaupt nicht krankhaft und hat auch nichts mit Gefühlskälte zu tun – die Anforderungen des Alltags sind manchmal einfach so, dass wir uns „zusammennehmen“ müssen, damit die Arbeit nicht verloren geht oder weil wir unseren Kindern Halt geben müssen. Allerdings können wir nicht immer die „Abkürzung“ gehen. Es ist wichtig, Gefühle nicht zu verleugnen oder zu versuchen, diese aktiv zu unterdrücken. Solche Versuche schlagen meistens fehl und führen langfristig zu Problemen, die nicht mit der Trauer selbst zusammenhängen, sondern damit, wie wir mit den entsprechenden Gefühlen umgehen. Das Vermeiden von Situationen, die Erinnerungen und emotionale Irritation auslösen, kann im Moment sehr entlastend sein. Wir wissen aber nie genau, ob sich bei einer späteren Begegnung diese Gefühle mit gleicher – das heißt 13 Dieses Dokument ist nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt und darf in keiner Form vervielfältigt und an Dritte weitergegeben werden. Aus H. Znoj: Ratgeber Trauer (ISBN 9783840929762) © 2021 Hogrefe Verlag, Göttingen.
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