RAUMORDNUNG IM NATIONALSOZIALISMUS: DER "GENERALPLAN OST" - PUBLIKATIONEN | ARL-NET
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L thema 25 Isabel Heinemann R aumordnung im Nationalsozialismus: der „Gener alpl an Ost“ Der „Generalplan Ost“ gilt bis heute als Musterbeispiel für welche die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit hohen die verbrecherischen Raumordnungs- und Umsiedlungs- Summen förderte und an der sich zahlreiche Wissenschaft- konzepte des Nationalsozialismus, welcher im Zweiten ler – in diesem Feld tatsächlich ausschließlich Männer – be- Weltkrieg partiell umgesetzt wurde und ausgedehnte reitwillig beteiligten. Sie taten dies aus Überzeugung und Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung des besetzten Po- unter Wahrung individueller Karriereinteressen und Gestal- lens, aber auch Menschen weiterer Nationalitäten zur Folge tungschancen, wobei die Beteiligten das Großprojekt nach hatte und aufs Engste mit der Ermordung der jüdischen 1945 zunächst höchst erfolgreich als rein theoretische Bevölkerung in Europa verknüpft war. Er war jedoch auch Grundlagenforschung und sogar apolitische Friedenspla- das Produkt von interdisziplinärer Grundlagenforschung, nungen präsentierten. Quelle: Bundesarchiv, R 49 Bild-0705 / Autor unbekannt / CC-BY-SA 3.0 Propagandaplakat zur Umsiedlung in den Warthegau (1939–1941) aus den Akten des RKF
26 thema 01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L Verantwortlicher Koordinator war der Berliner Agrar- doch bereits während des Krieges verwirklicht, wie bei- wissenschaftler Konrad Meyer, der im Auftrag Heinrich spielsweise die Vertreibung von etwa 50.000 Polinnen und Himmlers ab Herbst 1939 als Leiter der Planungsabteilung Polen aus der Gegend um Zamość im Generalgouverne- des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volks- ment zum Zwecke der Germanisierung der Region. Der ge- tums (RKF) unterschiedliche Planungsvarianten erarbeite- waltsame Germanisierungsversuch in den Jahren 1942 und te (zur Rolle von Konrad Meyer in der ARL und als Heraus- 1943 kostete etwa 8.000 Menschen das Leben. Daneben geber der Fachzeitschrift „Raumforschung und Raum- wurden in der besetzten Sowjetunion zahlreiche SS- und ordnung“ vgl. auch die Beiträge von Oliver Werner und Polizeistützpunkte als sogenannte deutsche „Siedlungsper- Andreas Klee in diesem Heft). Nach verschiedenen Vorar- len“ angelegt und die Volksdeutschen auf der Krim, am beiten von 1940 bis 1942 sandte Meyer am 2. Juni 1942 Schwarzen Meer und im Generalkommissariat Shitomir in eine ausführliche Fassung des Planungswerkes an Heinrich eigenen Siedlungen zusammengefasst. Alle diese Projekte Himmler. Darin projektierte der Wissenschaftler eine Ger- begutachtete Konrad Meyer auch vor Ort (Dienstkalender: manisierung der eroberten Gebiete Osteuropas (Polen so- 328, 509-512, 546) Hier offenbarte sich deutlich, dass er wie Teile des Baltikums, der Ukraine und der westlichen So- eben nicht nur Ideengeber und Koordinator der Umvol- wjetunion) durch Ansiedlung von fast fünf Millionen kungspläne war, sondern auch deren Umsetzung vor Ort Reichs- und Volksdeutschen sowie durch die Zwangsein- kontrollierte. deutschung, Vertreibung, Versklavung und Ermordung Der „Generalplan Ost“ und die nächste Planungsvari- großer Teile der lokalen Bevölkerung. Der Plan war das Re- ante, der noch umfassendere „Generalsiedlungsplan“ von sultat eines interdisziplinären Forschungsprogramms von 1943/44 (welcher die Eindeutschung Gesamtpolens, des der Agrarwissenschaft bis zur Raumplanung und Rassenan- Protektorates Böhmen und Mähren sowie Elsaß-Lothrin- thropologie: Er sah eine großräumige Umgestaltung von gens vorsah, jedoch kriegsbedingt Fragment blieb), zielten Bevölkerungszusammensetzung, Siedlungs-, Verwaltungs- darauf, lediglich einen kleinen Teil der lokalen Bevölkerung und Infrastruktur sowie von Industrie- und Agrarprodukti- zu Deutschen zu machen (Madajczyk 1994: 235 ff.; Roth on in einem Zeitraum von 25 Jahren vor. Die Ermordung 1993: 96 ff.). Der Großteil der Menschen sollte vertrieben der jüdischen Bevölkerung wurde im „Generalplan Ost“ oder als Arbeitssklaven „verbraucht“ werden, beziehungs- vorausgesetzt, Millionenopfer unter der nicht-jüdischen Zi- weise schlicht verhungern. Schließlich hatten alle Planungs- vilbevölkerung waren einkalkuliert. Allein für die Region Le- varianten zwei gemeinsame, entscheidende Merkmale: Sie ningrad war eine Reduktion der Bevölkerung um nicht basierten erstens auf der Annahme, dass die jüdische Be- weniger als drei Millionen Menschen vorgesehen. Dabei fin- völkerung aus den beplanten Gebieten restlos entfernt sei. den sich die Worte „Vernichtung“, „Verhungern“ oder Zweitens fußten alle Umsiedlungspläne auf den Ergebnis- „Sonderbehandlung“ nicht im Planungswerk – die Men- sen ausgedehnter rassenanthropologischer Musterungen: schen wurde schlicht und einfach aus der Statistik heraus- Nur wer „guten Blutes“ war, sollte in einem Europa unter gerechnet, ihr weiteres Schicksal nicht explizit erwähnt. deutscher Führung seinen Platz haben dürfen (Heinemann Diese aseptische Nüchternheit des Dokuments erlaubte es 2003: 359 ff., 590 ff.). Den Rassenwert von Menschen mit Konrad Meyer später, die von ihm verfassten oder in Auf- nicht-deutscher oder gemischt-nationaler Herkunft zu er- trag gegebenen Planungen als rein theoretische Friedens- mitteln, war Aufgabe der Rasseexperten aus dem Rasse- und Wiederaufbaupläne darzustellen, ohne jede Verbin- und Siedlungshauptamt der SS. dung zur NS-Vernichtungspolitik. Es ist wichtig, den „Generalplan Ost“ nicht als reali- Konrad Meyer als Prototyp eines tätsferne Utopie – als welche die Verantwortlichen ihn nach anwendungsorientierten Wissenschaftlers 1945 erfolgreich darstellten – zu betrachten, sondern als Beim Planungskomplex „Generalplan Ost“ handelte es sich systematisches Konzept. Darin wurden die nationalsozialis- nicht um das Resultat radikaler Planungen einer vom dama- tischen Vorstellungen über die ethnische Neuordnung Ost- ligen deutschen Wissenschaftsbetrieb abgeschotteten europas gebündelt. Meyer betrachtete die Ostsiedlung da- SS-Elite. Vielmehr arbeiteten angesehene Fachwissen- bei als historische Langzeitaufgabe. Dass dies ohne schaftler* an deutschen Universitäten aktiv an der entspre- gravierende Opfer unter der Zivilbevölkerung nicht zu ha- chenden Grundlagenforschung und wurden dafür mit ben war, kalkulierte er ein: „Wir müssen uns heute darüber großzügigen Fördermitteln der Deutschen Forschungsge- im klaren sein, daß der Osten erst in dem Augenblick wirk- meinschaft (DFG) ausgestattet. Die Pläne waren zugleich lich für alle Zeiten deutsch bleiben wird, in dem aus dem das Projekt einer anwendungsorientierten, politisch enga- geschlossenen deutschen Siedlungsraum alles fremde Blut, gierten Wissenschaft. das die einheitliche Geschlossenheit des grenzdeutschen Der Berliner Agrarwissenschaftler Konrad Meyer, Volkstums irgendwie gefährden könnte, restlos entfernt Jahrgang 1901, war nicht nur ein namhafter Wissenschaft- ist“ (Meyer 1941). ler, sondern verfügte auch über eine bedeutsame Macht- position an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik. Wissenschaft, Planung, Umsiedlung, Neben seinem Lehrstuhl für „Agrarwesen und Agrarpolitik“ Massenmord an der damaligen Friedrich-Wilhelms-Universität Berlin Wäre der „Generalplan Ost“ komplett umgesetzt worden, koordinierte Meyer verschiedene Forschungsverbünde – so hätte dies die Ermordung von mehreren Millionen Men- so gründete er 1935 die „Reichsarbeitsgemeinschaft für schen aus Osteuropa bedeutet. Erste Ansätze wurden je- Raumordnung“ als Teil der Reichsstelle für Raumordnung,
01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L thema 27 Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-B01718 / CC-BY-SA 3.0 Konrad Meyer (ganz rechts im Bild) bei der Eröffnung der Ausstellung „Planung und Aufbau im Osten 1941“ der Vorgängerorganisation der heutigen Akademie für Für die beteiligten Wissenschaftler um Konrad Meyer Raumentwicklung in der Leibniz-Gemeinschaft (vgl. hierzu galt, dass ihr Engagement für die politischen Ziele des Na- den Beitrag von Oliver Werner in diesem Heft) und den tionalsozialismus freiwillig erfolgte, sie profitierten glei- „Forschungsdienst“, die „Arbeitsgemeinschaft der Land- chermaßen von sich neu eröffnenden Karrierechancen wie bauwissenschaften“ an den deutschen Universitäten. In der von den bereitgestellten Fördergeldern. Die vorbereiten- Deutschen Forschungsgemeinschaft wirkte er unter ande- den Forschungen zum „Generalplan Ost“ stellten zwischen rem als Vizepräsident und Leiter der Fachsparte „Landbau- 1941 und 1945 eines der Prestigeprojekte der Deutschen wissenschaften und allgemeine Biologie“. In der Allgemei- Forschungsgemeinschaft dar, das 1942 mit einer Förder- nen SS, der er seit 1933 angehörte, brachte Meyer es zum summe von 150.000 Reichsmark immerhin zweieinhalb SS-Oberführer. Prozent ihres Jahresetats verschlang – eine immense Sum- Die Expertise der an der Erarbeitung des „General- me für ein Einzelprojekt. Insgesamt wurden die Planungen plan Ost“ beteiligten Wissenschaftler war so vielfältig und mit 510.00 Reichsmark gefördert (Heinemann 2006: 56, weitreichend wie die Pläne selbst. Neben den Agrarwissen- Übersicht der geförderten Projekte 58 ff.). schaftlern aus seinem Universitätsinstitut verpflichtete Konrad Meyer verstand sich selbst explizit als politi- Meyer zahlreiche renommierte Wissenschaftler für die Mit- scher Wissenschaftler, der jenseits des Elfenbeinturms auf arbeit am „Generalplan Ost“: Dazu gehörten der Geograph eine praktische Umsetzung seiner Expertisen hinarbeitete. Walter Christaller, bekannt durch seine bis heute einfluss- So beschrieb er die Wissenschaft bewusst als „Mitgestalter reiche Theorie der zentralen Orte ebenso wie der Staats- am großen Geschehen der Zeit“ (Meyer o. J.: 185). rechtler Reinhard Höhn, die Finanzwissenschaftler Felix Meyer und vielen seiner Kollegen gelang eine zweite Boesler und Max Rolfes sowie die Landesplaner Erhard Mä- Karriere in der Bundesrepublik. Dabei half ihnen die Bereit- ding und Franz Doubek. Sie erstellten Kartenmaterial zur schaft der deutschen Gesellschaft, das Gros der Wissen- Umgestaltung des Altreichs, prüften rechtliche Fragen des schaften im Nationalsozialismus – so auch Raumplanung Siedlungsaufbaus und der Finanzierung, reflektierten über und Agrarwissenschaften – per se als unpolitisch anzuer- Siedlungsstruktur, Städteplanung und rassische Zusam- kennen und die selbst geschaffene Legende, beim „Gene- mensetzung der Bevölkerung. Dazu untersuchten sie ganz ralplan Ost“ habe es sich um ein reines Theoriegebilde ge- praktische Fragen von der Anlage der Verkehrswege bis zu handelt. Konrad Meyer wurde zwar 1947 im Fall VIII der Tonaufkommen für die Herstellung von Ziegeln und der Nürnberger Nachfolgeverfahren der Beteiligung an „Kriegs- Verfügbarkeit von Baustoffen. verbrechen“ und „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“
28 thema 01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L angeklagt, jedoch in beiden Punkten freigesprochen und und die darauf aufbauenden Nachfolgeplanungen nicht er- nur für seine Mitgliedschaft in der SS zur Verantwortung stellt werden können. Die Umsiedlungspläne fußten ent- gezogen. Die verhängte Haftstrafe wurde mit seiner Inter- scheidend auf der Arbeit engagierter Wissenschaftler wie nierungszeit und Untersuchungshaft verrechnet, sodass Konrad Meyer, welche die Pläne nicht nur konzipierten und Meyer Nürnberg als freier Mann verließ. Entscheidend für für ihre inhaltliche Ausgestaltung verantwortlich zeichne- den Freispruch in den Hauptanklagepunkten war die Stra- ten, sondern ihnen auch den Anschein wissenschaftlicher tegie der Verteidigung, mittels zahlreicher Zeugenaussagen Seriosität verliehen. die Raumordnungsentwürfe als reine Grundlagenfor- Entgegen der Selbstdarstellung vieler Wissenschaft- schung mit philanthropischer Ausrichtung und ohne Bezug ler* in der Nachkriegszeit dominierte vor 1945 keineswegs zu den NS-Verbrechen darzustellen (vergl. hierzu auch den eine apolitische Wissenschaft. Vertreter aller Disziplinen Beitrag von Oliver Werner in diesem Heft). So erklärte Er- stellten sich bereitwillig in den Dienst der nationalsozialisti- hard Mäding, ehemals Mitarbeiter in der von Meyer geleite- schen Politik. Gerade Konrad Meyer kann dabei nicht als ten Planungsabteilung des RKF, der „Generalplan Ost“ „Verführter“ betrachtet werden, sondern als Wissenschaft- hätte im Falle seiner Umsetzung „eine bedeutende Aufwer- ler, der bewusst seine Karriereinteressen verfolgte und sei- tung der fraglichen Gebiete und damit eine wesentliche ne politischen Ziele umzusetzen bestrebt war. Verbesserung des Lebensstandards der Bewohnerschaft Wie ist nun zu erklären, dass sich mit Konrad Meyer einschließlich der darin verbliebenen polnischen Volksteile (aber auch Erhard Mäding, Max Rolfes, Walter Christaller) bedeutet“ (Eidesstattliche Versicherung Mäding 1947). fähige Wissenschaftler bereitwillig in den Dienst der Umge- Konrad Meyer selbst betonte, es sei im „Generalplan Ost“ staltung Europas, basierend auf Vertreibung und Mord, lediglich darum gegangen, „die volkliche Gemengelage zwi- stellten? schen Deutschen und Polen durch planmäßige Umsiedlun- Erstens traf die Neuordnung des eroberten Ostens, gen zu bereinigen“ (Meyer o. J.: 157). Das amerikanische verstanden als ein Amalgam aus Kolonisierung, Zivilisierung Militärgericht folgte Meyers Argumentation und konsta- und Modernisierung während des Zweiten Weltkrieges in tierte, der Generalplan Ost sei in seiner Variante vom Mai/ breiten Teilen von Bevölkerung und Wissenschaft auf Zu- Juni 1942 nie verwirklicht worden (Rössler 1993: 366 f.). stimmung. Zweitens stand das Projekt in der Tradition Die solchermaßen durch das Gericht vorgenommene deutscher Lebensraumkonzeptionen, konzipiert als konse- Trennung in die verbrecherische Volkstumspolitik der SS im quente Umsetzung des deutschen Drangs nach Osten, der Osten einerseits und die vermeintlich unpolitische Arbeit durch die Kriegsniederlage des Ersten Weltkrieges einen der Raumforscher andererseits dürfte es Meyer wesentlich traumatischen Rückschlag hatte hinnehmen müssen. Drit- erleichtert haben, in der Bundesrepublik wieder wissen- tens gewann die angestrebte „völkische Flurbereinigung“ schaftlich tätig zu werden. Bereits 1956 erhielt Meyer einen einen Teil ihrer Überzeugungskraft aus dem weithin akzep- Lehrstuhl für „Landbau und Landesplanung“ an der Techni- tierten Paradigma einer unterschiedlichen ethnischen wie schen Universität Hannover, wo er bis zu seiner Emeritie- rassischen Wertigkeit der Völker Europas. Man musste kein rung 1966 wirkte. Er engagierte sich in der Akademie für radikaler Nationalsozialist sein, um diese Positionen zu tei- Raumforschung und Landesplanung und beriet die Nieder- len und für das eigene Handeln zu verinnerlichen. Praktisch sächsische Landesregierung in Fragen der Regionalpla- bedeutete dies, dass relevante Teile der deutschen Eliten nung. Inhaltlich schrieb er fortan von „Gesellschaft“ statt dazu bereit waren, das individuelle Schicksal von Millionen „Volk“, ersetzte Großraumdenken durch Regionalplanung, Menschen bereitwillig dem Anspruch auf ein deutsches, postulierte Nachhaltigkeit sowie Naturschutz und pries die rassisch fundiertes Ostraumimperium unterzuordnen. Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, den Vorläufer der Damit ermöglicht die Befassung mit der Geschichte EU, als Verwirklichung der „neuen Ordnung“ Europas. von Raumforschung im Nationalsozialismus keinen beruhi- genden Schlusspunkt, sondern sollte vielmehr den Aus- Folgerungen gangspunkt weiterer Forschungen darstellen. Wer von den Obwohl der „Generalplan Ost“ nur in Teilen verwirklicht Handlungsoptionen und Überzeugungen der beteiligten wurde und der Generalsiedlungsplan selbst Fragment blieb, Wissenschaftler* spricht, soll von den Schicksalen und Le- wurden während des Zweiten Weltkrieges Millionen Men- benswegen der Opfer nicht schweigen. schen in den von Deutschland besetzten Gebieten Opfer von Vertreibung, Umsiedlung und Mord. Auch der Genozid an mehr als sechs Millionen europäischen Jüdinnen und Ju- den gehört in den Kontext der angestrebten ethnischen Homogenisierung und erhielt durch sie zusätzliche Dyna- *Da sich in diesem Feld nur Männer und in den mik. Zugleich förderten Forschung und Planung die Auffas- DFG-Förderakten zu diesem Themenkomplex keine sung innerhalb der deutschen Eliten, dass ethnische Neu- einzige Wissenschaftlerin findet, die beteiligt war ordnung mittels Vertreibung und Genozid nicht nur oder gefördert wurde, wird hier von der Autorin be- politisch wünschenswert, sondern auch wissenschaftlich wusst auf eine geschlechtergerechte Schreibweise planbar und praktisch machbar sei. verzichtet. Im Nationalsozialismus waren Wissen- Ohne die unter anderem von der DFG finanzierte schaftlerinnen (wie bspw. Karin Magnus am KWI Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Raumplanung Berlin) die große Ausnahme. und Agrarwissenschaften hätten der „Generalplan Ost“
01/ 2 021 _ N ac h r i c h t e n d er AR L thema 29 Literatur P r o f. D r . I s a b e l H e i n e m a n n , Der RFSS, RKF, Planungshauptabteilung: Planungsgrundlagen für von 2009 bis 2019 Juniorprofessorin für Neu- den Aufbau der Ostgebiete (1940). Abgedruckt in: Müller, R. D. (1991): ere und Neueste Geschichte an der Westfäli- Hitlers Ostkrieg und die deutsche Siedlungspolitik. Die Zusammen- schen Wilhelms-Universität Münster, seit 2019 arbeit von Wehrmacht, Wirtschaft und SS. Berlin, 130-138. Professorin für Neueste Geschichte an der © Dorothee Rietz, Münster Heinemann, I. (2003): „Rasse, Siedlung, deutsches Blut“: Das Rasse- WWU Münster. Zu ihren Forschungsschwer- und Siedlungshauptamt der SS und die rassenpolitische Neuordnung punkten zählen aktuell Nationalsozialismus, Europas. Göttingen. Holocaust und die Folgen für die Geschichte Heinemann, I. (2006): Wissenschaft und Homogenisierungsplanun- der europäischen Gesellschaften sowie das gen für Osteuropa: Konrad Meyer, der „Generalplan Ost“ und die DFG. Themenfeld Reproduktionspolitiken, Ge- In: Wagner, P.; Heinemann, I. (Hrsg.): Wissenschaft, Planung, Vertrei- schlechterordnungen und Wissensregime in bung: Neuordnungskonzepte und Umsiedlungspolitik im 20. Jahrhun- modernen westlichen Gesellschaften. dert. Stuttgart, 45-72. Heinemann, I. (2014): „Germanisierung“, Umsiedlung, Massenmord: Tel.: +49 251 83-25458 Der „Generalplan Ost“ und die Konzepte zur ethnischen Neuordnung isabel.heinemann@uni-muenster.de Osteuropas im Zweiten Weltkrieg. In: Madajczyk, P.; Popeliński, P. (Hrsg.): Social Engineering. Zwischen totalitärer Utopie und „Piecemeal-Pragmatismus“. Warschau, 161-176. Leendertz, A. (2008): Ordnung schaffen. Deutsche Raumplanung im 20. Jahrhundert. Göttingen. Madajczyk, C. (1994): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungs- plan. München. Mäding, E. (1947): Eidesstattliche Versicherung vor dem amerikani- schen Militärgericht in Nürnberg, 22.11.1947. Bundesarchiv Koblenz, All. Proz. 1, Rep. 501, XXXXIV, M 4, S. 90a. Meyer, K. (o. J., Typoskript): Über Höhen und Tiefen. Ein Lebensbe- richt. Archiv der TIB/Universitätsarchiv Hannover. Meyer, K. (1941): Siedlungs- und Aufbauarbeit im deutschen Osten. In: Münchner Studentenzeitung „Die Bewegung“ 9 (Folge 8), 7. Meyer, K. (28.05.1942): Kurze Zusammenfassung der Denkschrift Ge- neralplan Ost sowie Meyer, K. (02.06.1942): Generalplan Ost. Rechtli- che, wirtschaftliche und räumliche Grundlagen des Ostaufbaus. Beide Quellen abgedruckt in: Madajczyk, C. (1994): Vom Generalplan Ost zum Generalsiedlungsplan. München, 85-130. Letztere Quelle als Fak- simile auch online zugänglich unter https://www.1000dokumente.de/index.html?c=dokument_de& dokument=0138_gpo&object=facsimile&st=&l=de> (09.04.2021). Rössler, M. (1993): Konrad Meyer und der „Generalplan Ost“ in der Beurteilung der Nürnberger Prozesse. In: Rössler, M.; Schleiermacher, S. (Hrsg.): Der „Generalplan Ost“. Hauptlinien der nationalsozialisti- schen Planungs- und Vernichtungspolitik. Berlin, 356-367. Rössler, M.; Schleiermacher, S. (Hrsg.) (1993): Der „Generalplan Ost“. Hauptlinien der nationalsozialistischen Planungs- und Vernich- tungspolitik. Berlin. Roth, K.-H. (1993): „Generalplan Ost“ – „Gesamtplan Ost“. Forschungs- stand, Quellenprobleme, neue Ergebnisse. In: Rössler, M.; Schleierma- cher, S. (Hrsg.): Der „Generalplan Ost“. Hauptlinien der nationalsozia- listischen Planungs- und Vernichtungspolitik. Berlin, 25-117. Witte, P.; Wildt, M.; Voigt, M.; Pohl, D.; Klein, P.; Gerlach, C.; Dieck- mann, C.; Angrick, A.(Hrsg.) (1999) : Der Dienstkalender Heinrich Himmlers 1941/42. Hamburg.
Sie können auch lesen