Das Europäische Parlament als Reformmotor für Europa
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
ÖGfE Policy Brief 19’2015 Das Europäische Parlament als Reformmotor für Europa Ein 10-Punkte-Plan Von Hannes Swoboda Wien, 24. Mai 2015 ISSN 2305-2635 Handlungsempfehlungen 1. Um zu überleben braucht die Europäische Union Reformen und ein Mehr an Unterstützung in der Bevölkerung. Es ist das Europäische Parlament, das hier die Initiative ergreifen muss. 2. Das Europäische Parlament muss sich selbst reformieren und den Kontakt mit den WählerInnen und den nationalen Parlamenten stärken. Es muss auch seine Rolle als Europarlament finden und sich dementsprechend reorganisieren. 3. Das Europäische Parlament muss die Kontrolle der EU Kommission intensivieren und die Einhaltung der Charta der Grund- und Freiheitsrechte verstärkt überprüfen. Zusammenfassung Es kann kein Zweifel bestehen, dass die Zukunft der Die Hoffnung auf Strategien und Maßnahmen zur Europäischen Union angesichts verschiedener Krisen Reform der EU liegen im multinationalen Parlament am Prüfstand steht. Das »Elitenprojekt« EU wird von mit einer zwar geschwächten aber noch immer innen kritisiert und in Frage gestellt und von außen starken pro-europäischen Mehrheit. Aus der Le- angegriffen. Solche Kritiken und Angriffe kann man gitimitätskrise der EU kann nur das Europäische nur abwehren, wenn die Bevölkerung Europas in gro- Parlament herausführen: das Parlament ist die einzig ßer Mehrheit das Projekt mitträgt und auch an einer demokratisch legitimierte europäische Institution. Weiterentwicklung interessiert ist. Und das ist wieder Das Weniger an gesetzgeberischen Aktivitäten und nur der Fall, wenn sie sich stärker involviert sieht. der »Beitrittsstopp« für die laufende Gesetzgebungs- Hier ist das Europäische Parlament gefordert. periode sollten durch Aktivitäten zur grundsätzlichen Reform der EU ausgeglichen werden. Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999 1
ÖGfE Policy Brief 19’2015 Das Europäische Parlament als Reformmotor für Europa Ein 10-Punkte-Plan Einleitung Das EP muss sich daher Gedanken machen, wie es auf die Geringschätzung sowohl der Bevöl- Das Europäische Parlament (EP) ist historisch kerung bei den Wahlen als auch durch die nationa- und global gesehen einzigartig. Es ist ein Parla- len Parlamente reagiert. Und anderseits muss es ment, das gemeinsam mit dem Rat für eine Vielzahl sich überlegen, wie es den »Konkurrenten« Rat und von Staaten Gesetze beschließen kann. Dabei Kommission entgegentritt. Die folgenden zehn Vor- wird an der EU ständig weiter gebaut. Jedoch schläge zeigen einen Weg auf um diesen Heraus- arbeiten viele ArchitektInnen und Bauherren/Bauf- forderungen entgegenzutreten. rauen an diesem Werk. Sie haben oftmals sehr unterschiedliche Vorstellungen. Diese Uneinigkeit 1) Etablierung des Europäischen und Widersprüchlichkeit spiegelt sich auch in den Parlaments als DIE pro-europäische verschiedenen Meinungen der die Bevölkerung Institution vertretenden Parlamentarier wieder. Das EP muss sich als Vertreterin der verschie- Nun das haben Parlamente so an sich. Aber im denen nationalen Völker verstehen, die schrittwei- Europäischen Parlament gibt es auch VertreterIn- se zu einer durchaus differenzierten aber doch nen, die die EU als den institutionellen Rahmen, gemeinsamen europäischen Öffentlichkeit zusam- innerhalb dessen sie gewählt wurden, überhaupt menwächst. Es muss eine starke Integrationsrolle ablehnen. Das wird man kaum in einem nationalen übernehmen, da die dafür vorgesehene Kommis- Parlament innerhalb Europas finden. Hinzu kommt, sion oft unter starkem Druck des Rates steht, der dass die Anzahl der »anti-EU«-Abgeordneten in selbst oft Integrationsbestrebungen blockiert. Da- letzter Zeit gestiegen ist1. Verbunden mit der relativ bei müssen für die BürgerInnen die Unterschiede geringen Wahlbeteiligung2 schwächt dies des- auch zwischen den pro-europäischen Fraktionen sen Wirksamkeit. Wobei manchmal der Eindruck durchaus sichtbar bleiben. Aber dennoch sollten besteht, dass insbesondere Regierungschefs und diese Fraktionen – bei aller Unterschiedlichkeit ihrer MinisterInnen kein besonderes Interesse an einem ideologischen Ausrichtung – für ein gemeinsames starken Parlament haben. Das EP sieht sich jedoch und starkes Europa eintreten. auch einer Missachtung und Geringschätzung durch die übrigen EU Institutionen, insbesondere 2) Direktwahl des durch den Rat und die Kommission, ausgesetzt. Kommissionspräsidenten Auch wenn es in Europa und global gesehen sehr unterschiedliche Wahlbeteiligungen gibt3, so ist sicher eine niedrige und vor allem sinkende 1) Wahlergebnisse 2009 und 2014: Website des Europä- Wahlbeteiligung dem Image und dem Einflussver- ischen Parlaments: http://www.europarl.europa.eu/elec- mögen eines Parlaments abträglich. Auch das EP tions2014-results/de/election-results-2014.html braucht WählerInnen, die das Gefühl haben, durch 2) Wahlbeteiligung 1979-2014, europaweit und nach Mit- gliedsland: Website des Europäischen Parlaments: http://www. europarl.europa.eu/elections2014-results/de/turnout.html 3) ibid. 2 Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999
ÖGfE Policy Brief 19’2015 ihre Wahlentscheidung etwas zu verändern. Das den Diskussionen. Allerdings braucht die parla- kann nicht nur an den einzelnen »nationalen« Ver- mentarische Tätigkeit in einem Vielvölkerparlament treterInnen, sondern sollte auch am europäischen mehr Beratungszeit als auf nationaler Ebene. Es Spitzenkandidaten festgemacht werden. kann nicht darum gehen, die Abgeordneten bloß zu Abstimmungen nach Brüssel oder Straßburg zu Bei der letzten Wahl 2014 wurden bereits erste schicken. Es sind nicht nur die unterschiedlichen Schritte gemacht. Es gab bei den pro-europäi- Sprachen sondern auch unterschiedliche kultu- schen Parteien Spitzenkandidaten, die sich zur relle Auffassungen und Herangehensweisen, die Wahl stellten und das dürfte auch das weitere eine »Abstimmung« in Form von Debatten unter Sinken der Wahlbeteiligung verhindert haben. Al- den Abgeordneten innerhalb der Fraktionen und lerdings konnten die SpitzenkandidatInnen nicht dann zwischen den Fraktionen notwendig machen direkt von den WählerInnen gewählt werden, außer – abgesehen von unterschiedlichen ideologischen in dem Land in dem sie als Abgeordnete kandi- Zielsetzungen. Die Informations- und Diskussionstä- dierten. Das muss sich ändern. Die Möglichkeit tigkeit »zu Hause« muss also in einem vernünftigen der Wählerinnen den Kommissionspräsidenten/die Gleichgewicht mit den Diskussionen und Beratun- Kommissionspräsidentin durch ihre Stimme mitbe- gen auf der europäischen Ebene stehen. stimmen zu können, wäre ein wesentlicher Schritt die Wahl zum EP aufzuwerten. Das würde überdies 4) Bessere Interaktion mit nationalen auch die Funktion des Präsidenten/der Präsidentin Parlamenten an der Spitze der EU Kommission stärken und eine direkte Beziehung zwischen Kommissionsspitze Die Beziehungen der einzelnen Mitglieder des und Bevölkerung herstellen. EP zu ihren nationalen Parlamenten sind sehr un- terschiedlich. In Österreich wurde lang über das 3) Verstärkter Dialog mit der Rederecht gestritten5. Aber die Redepraxis und Bevölkerung die weniger kontroversiellen bzw. konfrontativen Formen der Debatten im EP können nur schwer in Parallel dazu müssen sich die einzelnen Abge- die Debatten eingeführt und eingebettet werden, ordneten bzw. die jeweiligen Fraktionen überlegen, die von Auseinandersetzungen von Regierung und wie die Beziehung der Abgeordneten zu den Wäh- Opposition geprägt sind, so wie das auf nationaler lerInnen verbessert werden können. Sie müssen Ebene der Fall ist. Sowohl auf nationaler als auch – wie es Parlamentspräsident Martin Schulz bei der auf europäischer Ebene findet die parlamentarische Verleihung des Karlspreises an ihn ausdrückte – »die Hauptarbeit auf der Ebene der Ausschüsse statt. Türen und Fenster öffnen, damit die Bevölkerung in Dort müssen sich die beiden Parlamente begegnen die EU hineinsehen kann«4. Gerade angesichts der und dort kann konstruktiv miteinander gearbeitet geringeren Gesetzesaktivitäten bleibt mehr Zeit für werden. Wobei diese Begegnungen grundsätzlich die Information der Bevölkerung und entsprechen- öffentlich stattfinden sollten, wie ja auch die Arbeit der Ausschüsse im EP öffentlich stattfindet. Besonders im Rahmen einer verstärkten Einfluss- 4) Rede von Martin Schulz anlässlich der Rede des Interna- nahme europäischer Institutionen, vor allem der EU tionalen Karlspreises zu Aachen: http://www.europarl.europa. Kommission auf nationale wirtschaftspolitische, eu/the-president/de/press/press_release_speeches/speeches/ speeches-2015/speeches-2015-may/html/rede-von-martin- schulz--prasident-des-europaischen-parlaments-anlasslich- der-entgegennahme-des-internationalen-karlspreises-zu- 5) Parlamentskorrespondenz Nr. 513 vom 13.05.2015: http:// aachen;jsessionid=7357CFC07939319DB7183E043DE77E8F www.parlament.gv.at/PAKT/PR/JAHR_2015/PK0513/ Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999 3
ÖGfE Policy Brief 19’2015 und hier wieder vor allem budgetpolitische Ent- 6) Stärkere Kontrolle der Kommission scheidungen in der Eurozone ist eine koordinierte Tätigkeit, Beratung und Kontrolle notwendig. Im Das EP ist die Kontrollinstanz gegenüber der Eu- Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters ropäischen Kommission. Dabei ist die Rolle des EP hat diese Zusammenarbeit bereits konkrete Formen insofern geschwächt als der Europäischen Kommis- angenommen, aber verstärkte Schritte in Richtung sion das Recht vorbehalten ist, Gesetzesinitiativen zu einer leistungsfähigen „economic governance« müs- ergreifen und dem Parlament und Rat vorzulegen.8 sen noch getan werden6. Das gilt zwar sowohl gegenüber dem Parlament als 5) Zusätzliche Rolle als Europarlament auch gegenüber dem Rat. Aber politisch ist der Einfluss des Rates auf die Kommission im Allgemeinen stärker9. Durch eine bessere Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten kann auch die Debat- Eine Stärkung der Rolle des EP muss schon bei te um ein eigenes Euro-Parlament7 entschärft den Hearings beginnen. Das Parlament hat schon werden. Ein solches würde das EP schwächen mehrfach den Rückzug von KandidatInnen bzw. und die Unübersichtlichkeit des europäischen einen Ressortwechsel erzwungen. Dadurch hat Institutionengefüges noch verschärfen. Es würde es auch Anerkennung und Sympathie bekommen. jedoch keine großen Probleme machen, würde das Dennoch sind die Fragen manchmal zu zaghaft und EP je nach Notwendigkeit in einer etwas verklei- zu leicht zu beantworten. Es ist auch verständlich, nerten Form als Europarlament tagen – mit den dass die Fraktionen ihre Kandidaten »schützen« Abgeordneten aus den Euroländern als stimmbe- wollen. Darüber hinaus muss das Parlament vor rechtigte Mitglieder. Eine eigene Eurokammer aus allem bezüglich der Einhaltung der fundamentalen den nationalen Parlamenten hingegen würde das Grund- und Freiheitsrechte immer wieder Druck auf EP schwächen und die Bedeutung der Wahlen die Rolle der Kommission als Hüter der Verträge zum EP ab- und nicht aufwerten. ausüben. Der Rat ist dabei oft blockiert, da die Re- gierungschefs ihren AmtskollegInnen nicht wehtun möchten und die Kommission ist manchmal mit Hinweis auf die Rechtslage zu zurückhaltend. Insbesondere jetzt wo sich die Juncker Kommissi- 6) Art. 13 des Fiskalpakts: Europäisches Parlament on mit Gesetzesvorlagen zurückhält, müsste mehr die und nationale Parlamente sollen eine Konferenz einrich- Arbeit der Kommission aber auch die Umsetzung der ten, die haushaltspolitische Fragen diskutiert: http://www. schon beschlossenen Gesetze ins Visier des EP geraten. auswaertiges-amt.de/cae/servlet/contentblob/634300/ publicationFile/175364/121228-Fiskalpakt-Text.pdf Diese Konferenz wurde bereits eingerichtet und findet zwei- mal jährlich statt. Sie ist aber aufgrund interner Differenzen momentan nur bedingt handlungsfähig: Vgl. http://www. 8) Vertrag über die EU, Art 14 + 17: http://eur-lex.europa.eu/ delorsinstitut.de/publikationen/wohin-steuert-die-zusammen- legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12012M/TXT&from=de arbeit-zwischen-nationalen-parlamenten-und-dem-europaei- schen-parlament/ 9) “The institutional balance in the EU needs to be redressed, he [Juncker] continued, with a particular focus on crafting a 7) Vgl. EurActiv, 28.01.2014: Schäuble: Parlament für Euro- stronger alliance between the Commission and Parliament in Länder vorstellbar: http://www.euractiv.de/europa-2020-und- the face of a resistant European Council.” Friends of Europe reformen/artikel/schauble-parlament-fr-euro-lander-vorstell- / Notre Europe (2015): The Commission’s Leadership and the bar-008482 governance of Europe. 4 Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999
ÖGfE Policy Brief 19’2015 7) Bestimmtes Entgegentreten das inhaltlich im Einzelfall, so in der Außen- und gegenüber intergouvernementalen Nachbarschaftspolitik von Vorteil sein, in anderen Bestrebungen des Rates Fällen allerdings kann darin Nachteil bestehen. Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Vertre- Jedenfalls ist den Versuchen des Rates die ter der nationalen Regierungen mehr für den Inter- Gemeinschaftsmethode immer wieder durch eine gouvernementalismus und weniger für die Gemein- lockere – intergouvernementale – Zusammenarbeit schaftsmethode aussprechen. Oftmals sehen sie der Regierungen zu ersetzen stärker entgegen zu im EP einen Störfaktor. treten. Denn eine solche Vorgangsweise des Rates schafft immer wieder Blockademöglichkeiten für An vielen Beispielen von finanzpolitischen Ge- einzelne Regierungen12. setzen, über Energiepolitik bis zur Flüchtlingspolitik kann man belegen, dass die Ansätze, die das Par- 8) Einheitlicheres Auftreten der lament vertreten hat die lösungsorientierteren und Parlamentarier nach außen tragfähigeren sind. Die zögerliche und auf einen Minimalkonsens ausgerichtete Politik des Rates Das EP ist – im Vergleich zu nationalen Parlamen- bringt dementsprechend halbherzige und unbefrie- ten – ein überdurchschnittlich aktiver Mitspieler in der digende Lösungen10. Das neu gewählte Parlament Außenpolitik. Manche Parlamentarier nützen die Ge- sollte dies klar und deutlich aufzeigen. legenheit der Treffen mit ausländischen KollegInnen jedoch um gegen die Europäische Union zu polemi- Das Parlament sollte nun einerseits darauf sieren und damit die Autorität des EP zu untergraben. drängen, dass der Rat in einen Senat umgewan- Andere wieder lassen sich parallel zu den offiziellen delt wird, der öffentlich tagt und damit viel trans- Wahlbeobachtern des EP von den Machthabern als parenter agiert als derzeit. Andererseits muss das »Wahlbeobachter« einladen und verlieren so jede Verhältnis zum Rat neu gestaltet werden – sicher Unabhängigkeit13. Von den Machthabern allerdings eine der schwierigsten Aufgaben. Vor allem auch werden sie als Zeugen für eine korrekte Durchfüh- deshalb, weil es im Rat eine eindeutige Verlagerung rung der Wahlen missbraucht. Eine solche Verletzung des Schwergewichts in Richtung Deutschland ge- parlamentarischer Ethik und Störung der Arbeit der geben hat11. Das zeigt deutlich, dass zwar das KollegInnen, die offiziell entsandt werden, dürfte nicht Parlament durch den Vertrag von Lissabon an geduldet werden und sollte als Verstoß gegen die Einfluss und Macht gewonnen hat, dass aber nicht parlamentarischen Regeln geahndet werden. einmal so sehr der Rat aber ein großes Mitglieds- land in wesentlichen Fragen dominiert. Dabei mag 10) Vgl. aktuelle Entscheidung der EU-Außenminister zur Mili- 12) Vgl. Großbritannien blockiert Kompromiss zur Bankenre- tärmission im Mittelmeer: gulierung: Website des Rates: http://www.consilium.europa.eu/de/press/ 3163. Ratssitzung: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/ press-releases/2015/05/18-council-establishes-naval-opera- cms_data/docs/pressdata/en/ecofin/130020.pdf tions-disrupt-human-smugglers-mediterannean/ Vgl. EurActiv, 03.05.2012: http://www.euractiv.de/finanzen-und- Vgl. EurActiv, 19.05.2015: http://www.euractiv.de/sections/ wachstum/artikel/grossbritannien-blockiert-kompromiss-zur- entwicklungspolitik/fluechtlinge-im-mittelmeer-eu-beschliesst- bankenregulierung-006264 militaereinsatz-gegen 13) Vgl. EurActiv, 11.02.2014: Parliament probes MEPs over 11) Vgl. Beck, U. (2012): Das deutsche Europa – Neue Macht- Azeri mission: http://www.euractiv.com/eu-elections-2014/ landschaften im Zeichen der Krise. Edition Suhrkamp. european-parliament-examine-meps-news-533386 Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999 5
ÖGfE Policy Brief 19’2015 9) Reform des Europäischen mit der Bevölkerung vorangehen. Das EP sollte Parlaments und Durchsetzung des daher einen BürgerInnen Konvent einberufen, dem Single-Seat-Parliaments einzelne nationale bzw. regionale Konvente voraus- gehen sollten. In diesen Konventen sollten nationale Auch wenn die grundsätzlichen Refor- und europäische Abgeordnete mit den BürgerInnen men des europäischen Parlamentarismus eine ihre Kritik, Sorgen und alternativen Vorstellungen übergeordnete Systemreform beinhalten müssen, diskutieren. Aus diesen Konventen sollten dann so ist das Parlament selbst auch reformbedürftig. VertreterInnen in den Europäischen BürgerInnen Wie bereits unter Parlamentspräsident Jerzy Buzek Konvent entsandt werden. Da besteht immer die angestrebt14 müssen formelle und von wenigen Gefahr, dass sich Populisten besonders hervortun. Parlamentariern besuchte Sitzungen in arbeitsfähi- Aber allein die Konfrontation mit den Populisten und ge und Diskussionen fördernde Ausschusssitzun- Nationalisten der anderen Mitgliedsstaaten könnte gen umgewandelt werden. Auch die Fragestunde ihnen die Einseitigkeit und mangelnde Realisierbar- an den Kommissionspräsidenten sollte lebendiger keit ihrer Vorstellungen aufzeigen. Und das würde und auch für die Medien interessanter ablaufen. auch die ständige Kritik an den unfähigen PolitikerIn- nen abmildern. Auf jeden Fall müsste das EP nicht Zur Reform des EP gehört auch die leidige Sitz- nur den Prozess imitieren sondern auch begleiten. frage. Es ist sicher unsinnig, dass es den oft zitier- ten Wanderzirkus zwischen Brüssel und Straßburg Zusammenfassung gibt. Man könnte daher den ganzen Übersetzungs- dienst für alle Institutionen der EU in Luxemburg Von den drei politischen EU Institutionen ist das situieren und damit den gegenüber Luxemburg EP am ehesten geeignet, die notwendigen Refor- eingegangenen Verpflichtungen gerecht werden. men der EU und damit auch des Parlaments anzu- Aber alle Dienste des Parlaments, die besser bei stoßen. Die Kommission steht immer unter Druck den Parlamentariern und den MitarbeiterInnen der Regierungen und ist auch durch den eigenen angesiedelt werden würden, sollten nach Brüssel bürokratischen Apparat behindert. Vor allem dieje- umziehen. Straßburg sollte entweder ein Zentrum nigen Kommissionspräsidenten, die selbst Regie- für alle Menschenrechtsangelegenheiten werden rungschefs waren, denken immer wieder in deren – dort befindet sich ja schon der Europäische Men- Kategorien. Der Europäische Rat ist das Organ der schenrechtsgerichtshof – oder überhaupt viele der Regierungschefs, und hat einen ehemaligen Regie- Agenturen der EU beherbergen. rungschef als Vorsitzenden. Daher kommen meist die nationalen Anliegen stärker zum Vorschein als 10) Einberufung eines BürgerInnen- die europäischen. So bleibt das Parlament, das Konvents für eine neue „Verfassung“ durch diverse, mehrheitlich unabhängige und an Europa-orientierte Kräfte beherrscht wird und das Die formalen Änderungen in der EU selbst gehen einen unabhängigen Präsidenten hat. Dabei sollte nur über einen Konvent, in dem vor allem nationale die gestärkte Position des gegenwärtigen Präsiden- aber auch europäische Abgeordnete und Regier- ten genützt werden, um sie dauerhaft zu verankern. unsvertreterInnen beraten und Vorschläge machen. Aber einem solchen Konvent müsste die Beratung Auch wenn nach den letzten Wahlen die Anzahl der Anti-EU Abgeordneten höher ist als je zuvor, so kann aus der Mitte des Parlaments eine reformeri- sche Kraft gebildet werden. Gerade weil es so viele 14) Jerzy Buzek, End of Term Report: http://www.europarl. Europa-kritische und nationalistische Abgeordnete europa.eu/former_ep_presidents/president-buzek/ressource/ gibt, sollte sich eine Reformkoalition bilden, die Eu- static/newsletter/jerzy-buzek-end-of-term-report-final.pdf ropa wieder einen neuen Schwung geben könnte. 6 Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999
ÖGfE Policy Brief 19’2015 Über den Autor Dr. Hannes Swoboda wurde 1996, bei den ersten Wahlen ins Europäische Parlament in Österreich, aus der Position eines Wiener Stadtrats ins Parlament gewählt. Im Juni 2014 kandidierte er nicht mehr und schied nach fast achtzehn Jahren aus dem EP aus. Nach- dem er von Anbeginn Vizepräsident der Sozialdemokratischen Fraktion und für viele Jahre zusätzlich parlamentarischer Geschäftsführer dieser Fraktion war, folgte er Martin Schulz nach dessen Wahl zum Parlamentspräsidenten Anfang 2012 als Fraktionsvorsitzender nach. Ein Jahr nach seinem Ausscheiden gibt diese langjährige Erfahrung die Möglichkeit das EP in seiner Rolle zu bewerten und einige Ideen für seine Zukunft zu entwerfen. Dabei möchte er nicht als Besserwisser auftreten sondern als einer, der seine Erfahrungen an die NachfolgerInnen weiterleitet. Viele der hier publizierten Vorschläge hat Swoboda schon während seiner aktiven Zeit gemacht. Über die ÖGfE Die Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) ist ein parteipolitisch unab- hängiger Verein auf sozialpartnerschaftlicher Basis. Sie informiert über die europäische Integration und steht für einen offenen Dialog über aktuelle europapolitische Fragen und deren Relevanz für Österreich. Sie verfügt über langjährige Erfahrung im Bezug auf die Förderung einer europäischen Debatte und agiert als Katalysator zur Verbreitung von europapolitischen Informationen. ISSN 2305-2635 Impressum Die Ansichten, die in dieser Publikation zum Ausdruck Österreichische Gesellschaft für Europapolitik kommen, stimmen nicht unbedingt mit jenen der ÖGfE Rotenhausgasse 6/8-9 oder jenen, der Organisation, für die der Autor arbeitet, A-1090 Wien, Österreich überein. Generalsekretär: Mag. Paul Schmidt Verantwortlich: Christoph Breinschmid, M.A. Zitation Tel.: +43 1 533 4999 Swoboda, H. (2015). Das Europäische Parlament als Re- Fax: +43 1 533 4999 – 40 formmotor für Europa. Ein 10-Punkte-Plan. Wien. ÖGfE E-Mail: policybriefs@oegfe.at Policy Brief, 19’2015 Web: http://oegfe.at/policybriefs Österreichische Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) | Rotenhausgasse 6/8-9 | A-1090 Wien | europa@oegfe.at | oegfe.at | +43 1 533 4999 7
Sie können auch lesen