Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion TransZ Working Paper No. 2/2020 - Sascha Anders, Stefan Kreutz ...
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Sascha Anders, Stefan Kreutz, Elisabeth Schaumann, Jaqueline Schmidt Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion TransZ Working Paper No. 2/2020
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Reallabore zur Transformation urbaner Zentren – Erfahrungen und kritische Reflexion Sascha Anders (HCU Hamburg) Stefan Kreutz (HCU Hamburg), Elisabeth Schaumann (HFT Stuttgart) Jaqueline Schmidt (HAWK Holzminden) Kontakt: kontakt@transz.de Dieses Working Paper wurde im Kontext des Projekts ‚TransZ: Transformation urbaner Zentren‘ verfasst, das vom BMBF in der Förderinitiative ‚Nachhaltige Transformation ur- baner Räume‘ finanziert wird. Kurzfassung Abstract Onlinehandel und Digitalisierung verän- Online-shopping and digitization not only dern nicht nur den Lebensalltag vieler change our everyday life, they also affect Menschen, sie wirken sich auch auf die the spatial and functional structures of in- baulichen und funktionalen Strukturen der ner cities and neighbourhood centres. This städtischen Zentren aus. Der Beitrag re- article reflects the opportunities, chal- flektiert die Möglichkeiten, Herausforde- lenges and preliminary results of Real- rungen und Zwischenergebnisse der Real- world Laboratories for the transformation labore, die im Rahmen des Forschungs- of centres, which are implemented as part vorhabens TransZ durchgeführt werden. of the TransZ research project. The pro- Projekt geht dabei davon aus, dass die Zu- ject assumes that the future viability of kunftsfähigkeit der Zentren unter anderem urban centres depends, among other davon abhängt, ob und wie es gelingt, die things, on whether and how it is possible relevanten Akteur*innen vor Ort in den to integrate the relevant local stakehold- Transformationsprozess zu integrieren und ers into the process and to give them the ihnen die Möglichkeit zu geben, sich über opportunity to actively co-design the die eigenen Interessen hinausgehend in transformation. In particular, the article den Umgestaltungsprozess einzubringen. refers to established urban planning and Der Beitrag stellt insbesondere einen Zu- urban research, in which transdisciplinary sammenhang zur Stadtplanung und Stadt- research approaches with the participa- forschung her, in denen transdisziplinäre tion and activation of relevant planning Forschungsansätze unter Beteiligung und actors are largely established. It becomes Aktivierung relevanter Planungsakteur*in- clear that Real-world Laboratories can nen weitestgehend etabliert sind. Dabei meaningful complement established for- wird deutlich, dass Reallabore eine sinn- mal and informal urban planning pro- volle Ergänzung abseits etablierter formel- cesses. ler und informeller Stadtplanungsprozesse sein können. II
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Inhalt Kurzfassung 2 Abstract 2 1 Das Forschungsvorhaben „Transformation urbaner Zentren (TransZ)“ 4 1.1 Hintergrund: Herausforderungen von Stadt(teil)zentren 4 1.2 Forschungsansatz 5 2 Aktivierende Ansätze in Stadtplanung und Stadtforschung 6 3 Reallabore im Rahmen von TransZ: Kennzeichen und Vorgehen 11 4 Praktische Erfolge und Wirkungen vor Ort 14 4.1 Kreativhaus Hamburg-Eimsbüttel als Beispiel für das Handlungsfeld Treffpunkte, Soziales und Kultur 14 4.2 Bürgergenossenschaft Holzminden eG als Beispiel für das Handlungsfeld Immobilien und Leerstände 15 4.3 Bauwerkstatt Stuttgart-Wangen als Beispiel für das Handlungsfeld Öffentliche Räume und Grünanlagen 16 5 Chancen und Herausforderungen der TransZ-Reallabore 18 6 Abschließende Bewertung 19 Literaturverzeichnis 22 III
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion 1 Das Forschungsvorhaben 1.1 Hintergrund: Herausforderun- „Transformation urbaner gen von Stadt(teil)zentren Zentren (TransZ)“ Seit einigen Jahren ist in vielen, vor allem Das Forschungsvorhaben TransZ beschäf- größeren Städten ein Trend zur Reurbani- tigt sich vor dem Hintergrund des Struktur- sierung bzw. In-Wert-Setzung von inner- wandels im Einzelhandel und der Digitali- städtischen Wohn-, Arbeits- und Versor- sierung unterschiedlicher Lebensbereiche gungsstandorten zu beobachten. Dieser mit der funktionalen und räumlichen Prozess der Innenentwicklung urbaner Transformation urbaner Zentren. Dafür Strukturen wird politisch gefördert und werden in lokal organisierten Reallaboren planerisch unterstützt. Messbare und innovative Projekte zur nachhaltigen Wei- sichtbare Wirkungen der zunehmenden Sa- terentwicklung städtischer Zentren initi- nierungs- und Investitionstätigkeiten wa- iert und unterstützt. Die Reallabore sollen ren in den vergangenen Jahren wachsende dazu dienen, in Wissenschaft und Gesell- Bevölkerungszahlen, steigende Bodenprei- schaft kreative und reflexive Fähigkeiten se und Immobilienwerte sowie damit ver- im Umgang mit Transformationsprozessen bundene Aufwertungs- und Verdrängungs- zu entwickeln. Die TransZ-Reallabore wer- prozesse (Brake/Herfert 2012). den bundesweit in sechs Zentren durchge- führt und verfolgen einen akteursbezoge- Zugleich gibt es aber auch Städte und städ- nen, transdisziplinären Ansatz, in dem die tische Teilräume, die von diesen räumlich Forschenden im Sinne der Transforma- selektiven Entwicklungen nicht profitieren tionsforschung selbst Teil eines Entwick- und vielmehr unter hohen Anpassungs- und lungsprozesses zwischen Wissensproduk- Erneuerungsdruck geraten. In Großstädten tion und Wissensanwendung sind. Ziel ist leiden insbesondere Nahversorgungs- und es, konzeptionelles und praktisches Wissen Stadtteilzentren sowie Randbereiche der über die Initiierung, Umsetzung und Ver- Innenstädte unter erheblichen Funktions- stetigung von Transformationsprozessen in verlusten. In Klein- und Mittelstädten sind urbanen Zentren zu erlangen (Schäp- häufig die Innenstädte selbst von diesen ke/Stelzer/Bergmann et al. 2017: 1f; Entwicklungen betroffen. Dieser Trend Schneidewind 2014a: 2-6). wird durch den andauernden Strukturwan- del im Einzelhandel verstärkt, welcher TransZ wird vom Bundesministerium für durch die zunehmende Filialisierung, Ver- Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen tikalisierung, größere Verkaufsflächen und der Fördermaßnahme „Nachhaltige Trans- eine Ausdünnung des Standortnetzes (An- formation urbaner Räume“ gefördert und ders/Krüger/Kreutz 2017) sowie durch die ist ein Verbundprojekt der vier Hochschu- Auswirkungen des stark wachsenden len HafenCity Universität Hamburg (HCU), E-Commerce deutlich wird (BBSR 2017). Hochschule für Angewandte Wissenschaf- Auch lokalspezifische Rahmenbedingungen ten Hamburg (HAW), Hochschule für ange- beeinflussen die Prozesse - hierzu zählen wandte Wissenschaft und Kunst, Hildes- beispielsweise die Lage und Erreichbarkeit heim/Holzminden/Göttingen (HAWK) und der Zentren, Konkurrenzstandorte in Ge- der Hochschule für Technik Stuttgart werbegebieten, nicht mehr marktgängige (HFT). Kommunale Praxispartner sind die (häufig zu kleine) Verkaufs- und Nutzflä- Bezirksämter Hamburg-Altona und Ham- chen, ungünstige Gebäudestrukturen und burg-Eimsbüttel sowie die Stadtverwaltun- rein renditeorientierte Vermietungsstrate- gen von Holzminden, Höxter, Stuttgart und gien von Eigentümer*innen. Zudem sind Fellbach. TransZ wird seit Februar 2017 häufig die kommunalen Handlungsspiel- gefördert und befindet sich seit April 2020 räume eingeschränkt (z. B. Ressourcen, In- in der zweiten Förderphase (Anschlussvor- strumente, Verfügungsrechte), um flexibel haben), die im März 2022 enden wird. und bedarfsgerecht auf die genannten Herausforderungen reagieren zu können. 4
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Hinzu kommen sozioökonomische Verän- Funktionen sowie den Akteur*innen zu er- derungen wie der demografische und sozi- kennen und zu nutzen (Anders/Krüger ale Wandel und die daraus resultierende 2018). Die Grundannahme des Forschungs- zunehmende gesellschaftliche Diversifizie- vorhabens ist deshalb, dass es zunehmend rung mit verändertem Mobilitäts- und Ein- vom gemeinsamen Handeln der verschie- kaufsverhalten sowie differenzierten An- denen Akteur*innen (Gewerbe, Immobi- sprüchen an das Wohnen, die sich in sozial- lien, Kultur/Bildung/Soziales, Zivilgesell- räumlichen Segregationsprozessen zwi- schaft, Kommune) und ihrer Selbstorgani- schen (groß)städtischen Teilgebieten, sation abhängt, ob und inwieweit eine so- aber auch zwischen Stadt und Land ausdrü- ziale, ökonomische und ökologische Trans- cken. Im Ergebnis kommt es in gewachse- formation der Zentren gelingt. Das heißt, nen Zentren zu Trading-down Prozessen. die lokal Beteiligten müssen ihre eigenen Diese werden an gewerblichen Mindernut- Potenziale und Ressourcen erkennen, mo- zungen wie Spielotheken und Wettbüros, bilisieren und organisieren, um zukunfts- Laden- und Wohnungsleerständen, Immo- weisende und tragfähige Perspektiven ent- bilien mit Sanierungsstau, brachliegenden wickeln zu können. Dafür sind neben Grundstücken und verwahrlosten öffentli- Strukturinnovationen (neue Strukturen chen Räumen sichtbar. Ehemals vitale und interorganisationale Kooperationen) Zentren verlieren dadurch zunehmend an vor allem soziale Innovationen erforderlich Bedeutung und Wertschätzung – nicht nur (Stein 2014; Zapf 1989). Diese sind durch als Orte des Konsums und der Versorgung, ihre Orientierung an einem gesellschaftli- sondern auch als Wohn-, Kommunikati- chen Nutzen und Mehrwert gekennzeich- ons-, Aufenthalts- und Identitätsorte für net (Murray/Caulier-Grice/Mulgan 2010). den Stadtteil oder die Gesamtstadt (Stadt- baukultur NRW 2019: 8-27).1 In TransZ geht es darum, akteursgetragene Prozesse zu initiieren, in denen neue Trotz Unterstützung durch Programme des Handlungsansätze und Innovationen entwi- Bundes und der Länder, zum Beispiel durch ckelt werden, die zur Attraktivitätssteige- das Städtebauförderprogramm „Aktive rung der Zentren beitragen können Stadt- und Ortsteilzentren“, können die (Vaudt/Reichenheim 2020: 2). Hier kom- Kommunen die vielschichtigen Probleme men Innovationsakteur*innen ins Spiel gewachsener Zentren nicht alleine lösen. (Noack 2015 spricht von „Raumpionie- Die Programme können zwar wichtige Im- ren“), die auf bestehende Problemlagen pulse für Transformationsprozesse setzen, mit Innovationen reagieren und verschie- die Verstetigung des Erreichten ist jedoch dene Akteur*innen zusammenzubringen. nach Beendigung der Förderung oftmals TransZ geht davon aus, dass kollektives In- nicht nachhaltig gesichert. novationshandeln durch Anreize (z. B. För- derprogramme) stimuliert werden kann 1.2 Forschungsansatz und nicht unbedingt ein Zufallsprodukt Das Forschungsvorhaben TransZ geht vor sein muss. Für eine nachhaltige Verände- dem Hintergrund dieser skizzierten Trans- rung der Strukturen und Funktionen sind formationsprozesse davon aus, dass sich jedoch nicht nur diese Schlüsselakteur*in- Stadt(teil)zentren nur dann zukunftsfähig nen erforderlich, sondern auch diejenigen, entwickeln können, wenn unterschied- die die Neuerung aufgreifen und verinner- lichste Nutzungen und Funktionen in Ein- lichen (Rogers (2003) spricht von „Change klang gebracht werden und es gelingt, Sy- Agents“ und „Adopters“). Diese Innovati- nergien zwischen den Nutzungen und onsakteur*innen werden zwar auch durch 1 Aktuell werden die innerstädtischen Transforma- Nutzungseinschränkungen diskutiert, die als Trend- tionsprozesse vor allem im Zusammenhang der Co- verstärker wirken. vid 19-Pandemie und den sich daraus ergebenden 5
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Förderprogramme erreicht, allerdings kön- die Nutzer*innen gestaltet und von ihnen nen die inhaltlichen und organisatorischen ohne (finanzielle) Gewinnorientierung ge- Grenzen dieser Programme auch als Diffus- pflegt werden (Vaudt/Reichenheim 2020: sionsbarriere für Neuerungen wirken. Aus 3; Kip/Bieniok/Dellenbaugh 2015). diesem Grund zielen die TransZ-Realla- bore darauf ab, Innovationsakteur*innen Als Grundlage für diesen anwendungsbezo- zu identifizieren, die über Interessen und genen Forschungsansatz dienen sechs Re- Ressourcen verfügen, um Routinen zu ver- allabore in den Zentren in Hamburg-Ris- lassen und Grenzen der üblichen Arbeits- sen, Hamburg-Eimsbüttel, Höxter, Holz- zusammenhänge überschreiten, um neue minden, Stuttgart-Wangen und Fellbach. Ideen anzustoßen und umzusetzen (Willi- Dabei wird untersucht, welche Möglichkei- amson (2012) spricht von „Boundary Span- ten sich unter den gegebenen Rahmenbe- ners“). Gleichzeitig soll die Idee von „Ur- dingungen aus den spezifischen Akteurs- ban Commons“ in den Arbeits- und Ent- konstellationen vor Ort ergeben und wie wicklungszusammenhang von Stadt(teil)- die häufig unterschiedlichen Interessen, zentren integriert werden. Dies sind der Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten Allgemeinheit zugängliche Gemeingüter, für eine nachhaltige Entwicklung der Zen- die durch Selbstbestimmung und Selbstor- tren genutzt werden können. ganisation in einem offenen Prozess durch Abb. 1: Vorgehen in den TransZ-Reallaboren Quelle: Eigene Darstellung. Grafische Umsetzung: D. Holthöfer, Editorial & Corporate Design, Hamburg 6
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion 2 Aktivierende Ansätze in fenen, Einfluss auf die Inhalte der Planung Stadtplanung und Stadtfor- zu nehmen, bleiben hier verhältnismäßig schung gering. Die TransZ-Reallabore sind als ein Ansatz transformativer Forschung zu verstehen, Darüber hinaus haben sich seit den 1980er mit dessen Hilfe neue Erkenntnisse über Jahren in der Stadtplanung sehr offen ge- soziale Dynamiken und Prozesse im Kon- haltene Beteiligungsprozesse und auch in- text der Transformation urbaner Zentren novative Formate etabliert, die nicht sel- gewonnen werden sollen. Die Perspektive ten zu einer inhaltlich-konzeptionellen transdisziplinärer Forschung unter Beteili- Verbesserung der Planung führen. Einige gung und Aktivierung relevanter Planungs- Kommunen haben z. B. standardisierte Be- akteur*innen ist in der Stadtforschung und teiligungsmodelle oder Bürger*innendia- auch in der Stadtplanungspraxis nicht neu loge eingerichtet.3 Außerdem ermöglicht und ähnelt erprobten und etablierten Ak- der politisch-administrative Planungsap- tivierungsformaten sowie transdisziplinär parat mittlerweile auch Experimente, wie und partizipativ ausgerichteten For- beispielsweise temporäre Interventionen schungsansätzen (Schäpke/Stelzer/Berg- im öffentlichen Raum (Schaumann/Simon- mann et al. 2017). Dabei können im Kon- Philipp 2018).4 Trotz dieser mittlerweile text von Akteurs- und Bewohner*innen- sehr offenen Beteiligungsprozesse, werden beteiligung in der Stadtplanung und mit diese in der Forschung insbesondere im Bezug zur anwendungsbezogenen Stadtfor- Kontext verschiedener Debatten zur Stadt- schung grob die folgenden Zugänge unter- erneuerung kritisch diskutiert (Selle 2013, schieden werden:2 Healey 2012), da es sich bei diesen Forma- ten im weitesten Sinne lediglich um eine a) In der kommunalen Planungspraxis gibt Information und Beteiligung Dritter han- es verschiedene formale und informelle delt. Die eigentlichen Entscheidungen Verfahren, die auf eine Aktivierung und über die Umsetzung der Planung bleiben Beteiligung von Akteur*innen zielen. So nach wie vor dem politisch-administrati- muss bei der Neuaufstellung von Bebau- ven Planungssystem bzw. der*m jeweiligen ungsplänen nach §§ 3 und 4 BauGB eine for- Eigentümer*in unter Wahrung der pla- male Beteiligung der Öffentlichkeit und nungsrechtlichen Vorgaben vorbehalten. der Träger öffentlicher Belange stattfin- Wissenschaftliche Forschung findet dabei den. Bei dieser Art der Beteiligung zielt meist begleitend oder auf der Basis von das Planungsrecht grundsätzlich auf die Fallstudien statt (Brombach/Kurth/Simon- Vermeidung von Beeinträchtigungen oder Philipp 2011; Bodenschatz 2005). In den ei- Störungen Dritter. Es geht vom Grundsatz gentlichen Planungsprozess ist die For- her weniger darum, betroffene Anwoh- schung üblicherweise nicht eingebunden, ner*innen an der Konzeption von Plänen o- die Analyse findet (sehr häufig nur im Er- der neuen Vorhaben mitwirken zu lassen, folgsfall) ex post statt. sondern in der Regel nur um die Informa- tion über die Planung und Realisierung ei- b) Die Förderprogramme der Städte- nes (in den groben Grundzügen) bereits bauförderung (nach Artikel 104b GG) zie- feststehenden bzw. projektierten Planvor- len auf Wohnquartiere und Zentren ab, die habens. Die Möglichkeiten für die Betrof- von Funktionsverlusten und negativen 2 Die Darstellung erhebt keinen Anspruch auf Voll- und Wohnen, siehe: https://www.ham- ständigkeit. Sie soll die unterschiedlichen Beteili- burg.de/stadtwerkstatt/ 4 Zum Beispiel wurden 2019/20 im Hamburger gungsformate und Forschungszugänge exemplarisch darstellen. Stadtteil Ottensen für sechs Monate einige Straßen 3 In Hamburg erfolgt das zum Beispiel über die für den Pkw-Durchgangsverkehr gesperrt, um zu er- Stadtwerkstatt der Behörde für Stadtentwicklung proben, wie der Straßenraum anders genutzt wer- den kann. Siehe: https://ottensenmachtplatz.de/ 7
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion sozioökonomische Entwicklungen geprägt und die regelmäßige Evaluation der einzel- sind (siehe §§ 136 – 171e BauGB, Besonde- nen Programme, in der Regel über Fallstu- res Städtebaurecht). Ziel der Förderpro- dienuntersuchungen (ex post). Der Ansatz gramme ist es, in diesen Gebieten eine verfolgt das Ziel, den Informationsfluss baulich-räumliche und funktionale Erneu- zwischen Wissenschaft und Praxis zu erhö- erung anzustoßen. Die einzelnen Maßnah- hen, um die Ergebnisse in die Weiterent- men werden mit erheblichen finanziellen wicklung der Programme und deren Um- Mitteln gefördert. Grundlage für die setzung einfließen zu lassen. Durchführung sind in der Regel integrierte Entwicklungskonzepte, die unter Beteili- c) Bei den Modellvorhaben der Raumord- gung der Akteur*innen vor Ort (z. B. Be- nung (MORO) 5 unterstützt das Bundesmi- wohner*innen, Gewerbetreibende, Soziale nisterium (BMI) die praktische Erprobung und Kultur-Einrichtungen) entwickelt wer- und Umsetzung innovativer, raumordneri- den. Die Beantragung der Fördermittel scher Handlungsansätze und Instrumente und die Festlegung der Fördergebiete er- in Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft folgt durch das politisch-administrative und Praxis. Die Modellvorhaben dienen ei- Planungssystem. Damit verbunden ist auch ner aktions- und projektorientierten die Festlegung der Handlungsfelder, die – Raumentwicklungspolitik. Gefördert wer- in Abhängigkeit des Förderprogramms – in den beispielhafte Projekte und Untersu- der Regel die Sanierung von Wohngebäu- chungen, die neue Ansätze in der Raum- den, die Instandsetzung öffentlicher Räu- ordnung und der Regionalplanung verfol- me, den Ausbau sozialer und kultureller gen. Die Forschungsfelder der MORO lagen Infrastruktur oder die Förderung des Ge- bislang in den Bereichen Daseinsvorsorge, werbes beinhalten. regionale Landschaftsgestaltung, regiona- les Risikomanagement und aktive Regio- Die Integration der lokalen Akteur*innen in nalentwicklung. Seit 2019 sind Modellvor- den Prozess und deren Mitsprachemöglich- haben zur Weiterentwicklung der Städte- keiten sind fest im Förderprogramm veran- bauförderung und zu Smart Cities hinzuge- kert und in der Regel über verschiedene kommen. Beteiligungsformate wie Auftakt- und Ab- schlussveranstaltungen, Befragungen so- Ähnlich wie die MORO ist auch der Experi- wie unterschiedliche Arbeitsgruppen ge- mentelle Wohnungs- und Städtebau währleistet. Hierdurch gibt es verschie- (ExWoSt)6 ein Forschungsprogramm des dene Teilhabemöglichkeiten bei der Fest- BMI, das innovative Planungen und Maß- legung und Gestaltung von umzusetzenden nahmen zu städtebaulichen und woh- Maßnahmen. Teilweise werden auch Stadt- nungspolitischen Themen fördert. Ein we- teilbeiräte eingerichtet, die institutionell sentlicher Schwerpunkt ist dabei die noch einmal wesentlich stärker in den Pla- wissenschaftliche Begleitung von Pla- nungsprozess eingebunden sind und denen nungs- und Bauvorhaben. Aktuelle For- über eigene Verfügungsfonds eine direkte schungsfelder sind die Ausweitung des Mitbestimmung bei der Umsetzung von kommunalen Wohnungsbestandes als woh- kleineren Maßnahmen eingeräumt wird nungspolitische Strategie, klimaresilienter (BBSR 2018; BMVBS 2012). Stadtumbau, Aktivierung von Innenent- wicklungspotenzialen in wachsenden Kom- Eine wissenschaftliche Prozessbegleitung munen, Green Urban Labs sowie Mobilität erfolgt im Rahmen der Städtebauförde- in städtischen Quartieren. rung vor allem über die Begleitforschung 5 6 Siehe: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/for- Siehe: schung/modellvorhaben/_node.html https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ExWoSt/F orschungsfelder/forschungsfelder_node.html 8
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Die Gemeinschaftsinitiative Nationale und ist somit institutionell verankert. Das Stadtentwicklungspolitik (NSP) 7 zielt da- BBSR finanziert Forschungen zu unter- rauf ab, Strategien und Instrumente (z. B. schiedlichen thematischen Schwerpunk- Städtebauförderung) von Vertreter*innen ten, die in der Regel aktuelle Bezüge ha- aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Wis- ben bzw. in bundespolitische Programme senschaft und Zivilgesellschaft kontinuier- einbezogen sind. In aktuellen Studien geht lich weiterzuentwickeln. Dafür werden in es beispielsweise auch um globale urbane Pilotprojekten innovative Ansätze in der Transformationen (BBSR 2020a) und um Praxis erprobt und von der Gemeinschafts- Strategien der Innenentwicklung (BBSR initiative gefördert. Ziel ist es, den Aus- 2020b). Die Forschungen erfolgen sehr tausch und die Kooperation von öffentli- häufig ex post auf der Grundlage von (ge- chen, privaten und zivilgesellschaftlichen lungenen) Fallbeispielen oder betrachten Akteur*innen in ihrem Engagement für gegenwärtige Entwicklungen von nationa- eine nachhaltige Stadtentwicklung zu un- ler Bedeutung. Auch hier werden die rele- terstützen. Außerdem unterstützt die NSP vanten Akteur*innen in die Forschungen verschiedene Forschungsprogramme und - einbezogen, die Partizipation von Pla- initiativen, um die Wirksamkeit vorhande- nungsakteur*innen ist aber kein expliziter ner Strategien und Instrumente zu über- Forschungs- und Planungsschwerpunkt. prüfen, neue Ansätze zu entwickeln und politischen Handlungsbedarf zu ermitteln. e) Darüber hinaus sind innerhalb der Forschungsfelder sind hier beispielsweise Stadtforschung verschiedene inter- und „Bürger für ihre Stadt aktivieren – Zivilge- transdisziplinär orientierte Forschungszu- sellschaft“ oder „Innovative Stadt – Motor gänge etabliert, die thematisch nicht an der wirtschaftlichen Entwicklung“. Institutionen gebunden sind. Im Kontext von Beteiligung, Stadtentwicklung und Bei den ExWoSt- und MORO-Vorhaben so- Transformationsforschung wird dabei wie bei den Projekten der NSP geht es häufig das Handeln neuer Akteur*innen in hauptsächlich darum, den Wissenstransfer den Fokus der Untersuchungen gestellt zwischen Wissenschaft und Praxis zu un- und deren Bedeutung für innovative stadt- terstützen, um Förderprogramme bzw. - planerische Gestaltungsansätze herausge- maßnahmen vorzubereiten. Die Partizipa- arbeitet. Zu diesem neuen Forschungsbe- tion relevanter Planungsakteur*innen ist reich sind gerade in den vergangenen zwar kein explizites Ziel dieser Vorhaben Jahren einige Aufsätze publiziert worden, und Projekte, sie ist aber häufig ein fester die die besondere Innovationskraft dieser Bestandteil. neuen gestaltenden, intermediären Ak- teur*innen herausstellen (Koch/Tri- d) Die Evaluation und Begleitforschung zu bble/Siegmund et al. 2018; Beck/Schnur den unterschiedlichen Förderprogrammen 2016) oder neue Beteiligungsformate un- der Städtebau-förderung, die Modellvorha- tersuchen (Petrin 2016). Dabei werden ben der Raumordnung, das Forschungspro- partnerschaftliche Organisationsstruktu- gramm ExWoSt und die Gemeinschaftsini- ren im Kontext neuer Projekte des Stadt- tiative NSP verdeutlichen, dass trans- und gestaltens und des Stadtnutzens häufig im interdisziplinäre Forschung in der Stadt- Kontext von „Urban Commons“ diskutiert planung mittlerweile weit verbreitet ist. (Dellenbaugh/Kip/Bieniok et al. 2015). Im Daneben wird ein großer Teil anwendungs- Gegensatz zu den etablierten Forschungen bezogener Stadtforschungen im Auftrag und Beteiligungsansätzen, die den Aus- des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und gangspunkt von Top-down-Planungen bei Raumentwicklung (BBSR) durchgeführt staatlichen Aktiven sehen, gehen diese 7 Siehe https://www.nationale-stadtentwicklungs- politik.de/NSP/DE/Home/home_node.html 9
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Gestaltungsansätze und Forschungen häu- allem auf die Vorhaben zu, bei denen die fig darüber hinaus. Hier stehen eigenstän- Zusammenarbeit zwischen dem politisch- dige privatwirtschaftliche oder zivilgesell- administrativen Planungssystem und wei- schaftliche Impulse und deren Wirkungen teren Planungsakteur*innen vor Ort bereits auf die Stadtentwicklung im Mittelpunkt zu Beginn der Planung oder Forschung des Interesses. partnerschaftlich oder kooperativ organi- siert ist. Eigenständigkeit in dem Sinne, Diese beispielhafte Auswahl macht deut- dass die Aktiven außerhalb des politisch- lich, dass die Mitwirkungsmöglichkeiten administrativen Planungsapparates wirk- von Praxisakteur*innen in den beschriebe- lich über Planungen bestimmen bzw. ei- nen Ansätzen der Stadtplanungspraxis und gene Projekte im Rahmen der dargestell- der Stadtforschung sehr unterschiedlich ten Formate entwickeln und umsetzen sind. In vielen standardisierten, formellen können, ist nur in Ausnahmefällen und im Planungsprozessen beschränkt sich die kleinen Maßstab vorhanden und auch nur Partizipation relevanter Akteur*innen le- insoweit möglich, wie es das hoheitliche diglich auf eine reine Information über die Planungsrecht zulässt (siehe Abbildung). (bereits vorher erarbeitete) Planung. Im besten Fall wird eine Aktivierung in dem Diese Beispiele verdeutlichen, dass eine Sinne erreicht, dass auf die Ansprüche der prozessbegleitende, thematisch weitest- Beteiligten eingegangen wird. Es gibt dort gehend offene, wissenschaftliche Beglei- also Raum für einen Austausch und Dialog. tung von anwendungsbezogenen Planungs- In den Programmen der Städtebauförde- und Beteiligungsprozessen in der räumli- rung sowie im Rahmen von Modellvorhaben chen Stadtentwicklungsplanung nicht der Raumordnung, ExWoSt-Vorhaben und gänzlich neu ist. Ganz im Gegenteil, die NSP-Pilotprojekten sind auch partner- Stadtplanungsprofession kann sich auf eine schaftliche und kooperative Planungs- und differenzierte Planungsgeschichte beru- Forschungsansätze mit unterschiedlichen fen, in der die Integration von relevanten Akteur*innen zu erkennen. Hier können Akteur*innen und ihre Beteiligung inner- einzelne Beteiligtengruppen weitestge- halb formeller und informeller Planungs- hend unabhängig agieren und über Teilbe- prozesse eine große Bedeutung besitzen.8 reiche sogar mitentscheiden. Das trifft vor Abb. 2: Spektrum der Mitwirkungsmöglichkeiten Quelle: Eigene Darstellung und Aktualisierung nach Lüttringhaus (2000) 8 auseinandersetzt (Selle 2017; Nuissl/Heinrichs Hier lassen sich auch Bezüge zur Governance-De- batte innerhalb der Stadtplanung herstellen, die 2011). sich mit dem veränderten Stadtplanungsverständnis 10
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion 3 Reallabore im Rahmen von die Transformation von urbanen Zen- TransZ: Kennzeichen und tren gezogen werden können. Vorgehen ▪ Selbstorganisation: Ein weiterer Die Reallabore im Rahmen von TransZ neh- Schwerpunkt liegt auf der Befähigung men diese Erfahrungen aus der trans- und der Akteur*innen zur Selbstorganisa- interdisziplinären Stadtforschung auf und tion. Dabei wird ein Bezug zu For- setzen sie in den Kontext zur aktuellen De- schungsschwerpunkten hergestellt, wie batte über die Transformation urbaner sie in den vergangenen Jahren vor allem Zentren. Sie sind durch acht Merkmale ge- im Kontext der „Urban Commons“ un- kennzeichnet, die sich je nach lokalen tersucht wurden. Rahmenbedingungen und dem spezifischen ▪ Neutraler Impulsgeber: Die Hochschu- inhaltlich-methodischen Ansatz teilweise len nehmen als Impulsgeberinnen und von den dargestellten Planungs- und For- Beraterinnen mit wissenschaftlicher Ex- schungsansätzen unterscheiden: pertise eine besondere Rolle ein. Sie agieren als unabhängige „neutrale In- ▪ Transdisziplinarität: Die beteiligten stanz“ ohne Eigeninteresse oder exter- Hochschulen arbeiten mit unterschied- nen Auftrag. Sie handeln nicht im Auf- lichen Praxisakteur*innen zusammen. trag der Kommunen, sondern arbeiten Ziel ist es, das Wissen und die Kompe- ergebnisoffen mit ihnen zusammen. tenzen von Forschung und Praxis direkt ▪ Rolle der Kommune: Die Kommunen in die Prozesse vor Ort zu integrieren nehmen, anders als in formellen Pla- (Rose/Warner/Hilger 2018: 2). Das me- nungsprozessen, eine für sie unge- thodische Spektrum umfasst Interviews, wohnte Rolle im Hintergrund ein. Sie partizipative Kartierungen, qualitative können den Reallabor-Prozess inhaltlich Netzwerkanalysen sowie reflektierende nicht steuern, sich aber (wie alle ande- Gruppendiskussionen und ist auf eine ren Akteur*innen auch) aktiv einbringen enge Kooperation zwischen Wissen- und dadurch zu einer mitgestaltenden schaft und Praxis ausgelegt. Akteurin werden. ▪ Thematische Offenheit: Die Realla- ▪ Begleitende Forschung: Die prakti- bore sind thematisch offen konzipiert. schen Erfahrungen und die Forschungs- Den inhaltlichen Fokus bestimmen aus- erkenntnisse werden von den vier Hoch- schließlich die Praxisakteur*innen vor schulen gesammelt, ausgewertet und Ort (Bewohner*innen, Immobilieneigen- an die beteiligten Aktiven zurückge- tümer*innen, Gewerbetreibende, Kul- spielt. Dies erfolgt einerseits kontinu- turschaffende, soziale Institutionen). ierlich und zusätzlich im Sinne einer Auf die Vorgabe von inhaltlichen wissenschaftlichen Reflexion über be- Schwerpunkten wurde bewusst verzich- stimmte Themen (Governance, gemein- tet. Der einzige thematische und räum- schaftliches Handeln sowie öffentli- liche Bezugspunkt ist die Transforma- chen- und Begegnungsräumen), die mit tion urbaner Zentren. den beteiligten Akteur*innen vor Ort ▪ Ergebnisoffen/Scheitern möglich: Der diskutiert werden (Kanning 2018). Output und die Wirkungen der Realla- ▪ Eingeschränkte Projektmittel: Sach- bore sind vorab nicht planbar. Die Pra- und Investitionsmittel sind nur begrenzt xisakteur*innen entscheiden über die verfügbar und beschränken sich auf An- Umsetzung der Projekte vor dem Hin- schubfinanzierungen in der Initial- und tergrund ihrer eigenen Interessen und Umsetzungsphase der Projekte. Finanz- Ressourcen. Zudem gibt es Raum für ein mittel für eine Verstetigung erfolgrei- Scheitern der angestoßenen und umge- cher Projekte müssen aus anderen setzten Projekte und Prozesse. Es wird Quellen kommen. davon ausgegangen, dass auch aus ge- scheiterten Projekten Erkenntnisse für 11
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Trotz dieser gemeinsamen Merkmale sind tungen und Workshops gestartet. Die die Reallaborprozesse in den sechs TransZ- TransZ-Ansätze verfolgten in unterschied- Projektgebieten sehr unterschiedlich ver- licher Form das Ziel, verschiedene Ak- laufen. Durch den ergebnisoffenen Ansatz teur*innengruppen zu erreichen und mitei- war zu Beginn nicht klar bzw. nicht festge- nander über die Zentren ins Gespräch zu legt, was für Projektideen vor Ort entste- bringen. Durch einen Austausch von Zivil- hen würden und ob überhaupt Projekt- gesellschaft, Gewerbetreibenden, kultu- ideen von Akteur*innen vor Ort umgesetzt rellen Akteur*innen, sozialen Akteur*inn- werden können. en, Eigentümer*innen und kommunalen Vertreter*innen sollten verschiedene In allen Projektgebieten wurden zu Beginn Sichtweisen auf und Bedürfnisse an die in der Analysephase (2017/2018) Exper- Zentrenentwicklung diskutiert werden. teninterviews zur Identifikation möglicher Hier wurde bereits deutlich, dass die Zen- Multiplikator*innen und Innovationsak- tren und deren Potenziale von den Ak- teur*innen im Zentrum geführt. In diesen teur*innengruppen sehr unterschiedlich Gesprächen wurden jeweils weitere Kon- wahrgenommen werden und es entspre- takte erfragt, die im Sinne des TransZ-An- chend heterogene Interessenslagen gibt. satzes interessant sein könnten. Im Detail Während in Hamburg-Rissen, Holzminden unterschieden sich die Ansätze in den Pro- und Höxter für die Auftakttreffen öffent- jektgebieten. Da in Holzminden und Höx- lich geworben wurde und alle Interessier- ter schnell deutlich wurde, dass die Be- ten teilnehmen konnten, beschränkte sich wohner*innen die relevante Zielgruppe im in Hamburg-Eimsbüttel der Kreis der Teil- Projekt sein würden, wurde in der Lokal- nehmer*innen weitgehend auf die bereits presse für das Projekt und interessierte interviewten Personen zuzüglich mögli- Mitstreiter*innen geworben. In Hamburg cher weiterer Innovationsakteur*innen, und Stuttgart wurden zum Start Interviews die in den Gesprächen genannt wurden. Im mit ausgewählten Akteur*innen geführt. Rahmen der Auftaktveranstaltungen und Durch ein „Schneeballsystem“ konnten im- einer darauf aufbauenden Workshoprunde mer weitere Multiplikator*innen identifi- wurden in Hamburg mit den beteiligten ziert werden. In Stuttgart waren Gesprä- Aktiven mögliche Innovationsthemen in che allgemein auf Akteur*innen gerichtet, Kleingruppen herausgearbeitet. In Stutt- die sich für den Stadtbezirk interessieren. gart und Fellbach fanden zunächst aus- So konnten diverse Institutionen, Vereine, schließlich Treffen mit bereits bekannten Organisationen und Anwohner*innen für Akteur*innen statt. Zusätzlich wurde nach den Prozess gewonnen werden. In Ham- einem halben Jahr ein weiteres offenes burg lag der Fokus auf bereits aktiven Per- Treffen für alle Interessierten aus den je- sonen in den Zentren. Die auf unterschied- weiligen Projektgebieten organisiert. liche Weise erreichten Schlüsselak- teur*innen und Multiplikator*innen haben In dieser Projektphase wurden in allen Re- in allen Projektgebieten in der Anfangs- allaboren Themengruppen gebildet, um phase eine zentrale Rolle gespielt. Parallel konkrete Projektideen (weiter) zu entwi- zu diesen Interviews wurden statistische, ckeln und selbstorganisiert zu gestalten. räumliche und funktionale Daten ausge- Diese wurden anschließend in der Umset- wertet und in Zentrenprofilen9 zusammen- zungsphase (2018/2019) durch Praxisak- geführt, um ein umfassendes Bild der Ge- teur*innen vor Ort mit Unterstützung der biete zu erhalten. Hochschulen in Projekte umgesetzt, mit dem Ziel, sie dauerhaft und selbsttragend Die Vorbereitungsphase (2018) wurde in in den Zentren zu etablieren. Da es in den Gebieten mit öffentlichen Veranstal- Hamburg-Eimsbüttel bereits zu Beginn des 9 Einsehbar unter: http://www.transz.de 12
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Prozesses konkrete Projektideen und für Seit dem Start der Anschlussförderung im deren Umsetzung engagierte Akteur*innen April 2020 befindet sich TransZ mit einigen gab, waren die Vertreter*innen der Hoch- Projekten in der Verstetigungs- und Eva- schulen hier vor allem als Moderator*innen luationsphase, in der unterschiedliche Fi- der weiteren Projektentwicklung tätig, nanzierungs- und Fördermöglichkeiten ge- haben inhaltlich-konzeptionelle Unterstüt- prüft und angewendet werden. Im Idealfall zung geleistet, finanzielle Fördermöglich- sollen und können die durch TransZ initi- keiten ausgelotet und mit den kommuna- ierten Innovationen und Projekte dauer- len Partner*innen Umsetzungsstrategien hafte Beiträge zu einer Transformation der diskutiert. In Hamburg-Rissen mussten zu- Zentren leisten. nächst erstmal Praxisakteur*innen identi- fiziert werden, die bereit waren, eigen- Zentrale Aufgabe der Hochschulen war die ständig Projekte zu entwickeln und um- Zusammenführung der unterschiedlichen zusetzen. Auch in Holzminden und Höxter Akteur*innen vor Ort. Die deutliche Tren- gab es keine bestehenden Projektideen, nung von präsenter und aktiver Hochschule sodass mögliche thematische Ansätze zu- und eher im Hintergrund unterstützender sätzlich auf einer öffentlichen Auftaktver- Kommune wurde im gesamten TransZ-Pro- anstaltung durch die Vertreter*innen der zess von den Projektakteur*innen sehr po- Hochschule präsentiert wurden. Hierzu sitiv wahrgenommen und hat sich in der wurden weitere Gespräche geführt und Mehrheit der Projektgebiete als hilfreich eine Vortragsreihe mit externen Impulsen herausgestellt. Gleichwohl war die part- organisiert. Während der Umsetzung der nerschaftliche Zusammenarbeit mit den Projekte war die Rolle der Hochschule sehr kommunalen Partner*innen für das Gelin- stark durch organisatorische Aufgaben ge- gen der Projekte von großer Bedeutung. prägt. Auch in Stuttgart waren die betei- Das Maß der praktischen Unterstützung ligten Akteur*innen zu Beginn dazu aufge- durch das Forschungsteam war sehr unter- fordert, die benötigten Kompetenzen fest- schiedlich. Die meisten Projekte wurden zulegen und Verantwortliche für die ver- über mehrere Monate hinweg sehr intensiv schiedenen Aufgaben zu benennen. So war von TransZ-Mitarbeiter*innen begleitet. es möglich, fehlende Kompetenzen zu Nur sehr wenige Projektgruppen haben identifizieren und Lücken zu füllen, gleich- sich bereits nach einem Auftakttreffen zeitig konnten auch Zuständigkeiten ge- weitgehend selbstständig organisiert und klärt und der organisatorische Aufwand re- die entwickelten Ideen umgesetzt. Je nach duziert werden. In allen Projektgebieten Initiative, Engagement und Projektstand waren die Hochschulen unterstützend bei reichte die Zusammenarbeit von täglichen Fragen zur Projektkonzeption, Genehmi- bilateralen Abstimmungen über wöchentli- gung, Finanzierung und Verantwortung tä- che Arbeitstreffen bis zu eher loser Zusam- tig. menarbeit und unregelmäßigen Treffen. Abb. 3: Beispielhafter Ablauf des TransZ-Reallabors in Hamburg-Eimsbüttel Quelle: Eigene Darstellung 13
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Im Laufe der Projektphasen haben sich un- 4.1 Kreativhaus Hamburg-Eimsbüt- terschiedliche Personen am Projekt betei- tel als Beispiel für das Hand- ligt. Während manche Interessierte von lungsfeld Treffpunkte, Soziales Beginn an aktiv waren, haben andere le- und Kultur diglich in der Ideenentwicklung mitge- Das Zentrum Osterstraße im Hamburger wirkt. Andere konnten für die konkrete Stadtteil Eimsbüttel ist durch seine Klein- Umsetzung gewonnen werden bzw. haben teiligkeit, Vitalität und ein attraktives Ein- erst durch die Umsetzung zum Projekt ge- zelhandelsangebot geprägt. Neben Filial- funden und begleiten es seitdem. Auch die betrieben befinden sich zahlreiche Akteur*innenstruktur in den einzelnen Ge- inhaber*innengeführte Geschäfte im Zent- bieten und Gruppen ist sehr unterschied- rum, die das Angebotsniveau mit teilweise lich. In vielen Projekten sind Aktive aus neuen Geschäftskonzepten bestimmen. In der Zivilgesellschaft die treibende Kraft. den vergangenen Jahren sind außerdem In Abhängigkeit vom Thema werden die zahlreiche Gastronomieangebote entstan- Projekte aber auch von Gewerbetreiben- den, die ein junges und urbanes Publikum den, Immobilieneigentümer*innen, Kultur- ansprechen. Das hochverdichtete Eimsbüt- schaffenden oder institutionellen Ak- tel ist ein vitaler Stadtteil mit wenigen teur*innen vorangetrieben. Leerständen, vielfältigen Angeboten und vielen engagierten und kreativen Men- schen. 4 Praktische Erfolge und Wir- kungen vor Ort Trotz der großen Vielfalt im Stadtteil TransZ ist es während der bisherigen Pro- wurde bereits zu Beginn des TransZ-Pro- jektlaufzeit gelungen, kleine und große zesses deutlich, dass es im Zentrum an ei- Projekte in den sechs Projektgebieten an- nem niedrigschwelligen Stadtteiltreff- zustoßen, das heißt kreative Projekte mit punkt fehlt, in dem Kreative und Nicht- den Innovationsakteur*innen vor Ort zu ini- Kreative arbeiten, zusammenkommen und tiieren und umzusetzen. Das Spektrum der sich ohne Konsumzwang austauschen kön- entwickelten Projektideen reicht von kon- nen. Zu Beginn des Reallabors im April zeptionellen und baulich-räumlichen Vor- 2018 hat sich deshalb eine Gruppe von bis schlägen für Immobilien und öffentliche zu zehn ehrenamtlich engagierten Eims- Räume bis hin zu neuen Kooperationen so- bütteler*innen regelmäßig getroffen und wie Trägerstrukturen und Finanzierungs- diskutiert, wie ein offenes und nied- ansätzen. rigschwelliges Kulturzentrum in Eimsbüt- tel aussehen könnte, wo es verortet sein Drei zentrale Handlungsfelder der Trans- müsste, wie es organisiert sein könnte und formation urbaner Zentren wurden dabei welche Angebote in welcher Form dort deutlich: stattfinden müssten. Für eine funktionie- rende Organisationsstruktur wurde ein 1. Treffpunkte, Soziales und Kultur, Konzept erarbeitet, das die Zusammenar- 2. Immobilien und Leerstände, beit in der kontinuierlich wachsenden 3. Öffentliche Räume und Grünflächen. Gruppe erleichtert hat. Nach mehr als 40 Gruppentreffen und zahlreichen Einzelge- Im Folgenden wird zu diesen drei Hand- sprächen ist es gelungen, einen zunächst lungsfeldern jeweils ein TransZ-Projekt temporären Standort in direkter Nähe zur beispielhaft dargestellt. Osterstraße zu nutzen. Parallel dazu hat sich der Stadtteil- und Kulturverein Eims- büttel gegründet, der als eingetragener und gemeinnütziger Verein dem Kreativ- haus (KHE) einen formellen Rahmen gibt. 14
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion Das Konzept des Kreativhauses sieht vor, Projekte der Initiator*innen des Kreativ- dass Engagierte hier Kurse, Treffpunkte o- hauses sind unter anderem ein zweimal der gemeinschaftliches und kreatives Ar- wöchentlich stattfindender Stadtteiltreff beiten für andere Personen aus dem Stadt- (Klönschnack), eine Kunstaustellung, teil anbieten. Zudem haben auch Externe Chor-Singen, Flohmärkte und politische die Möglichkeit, Projekte und Veranstal- Stadtteilgespräche. Externe Angebote wa- tungen durchzuführen und es wurde sich ren bislang Fotokurse, Nähkurse, Seiden- bewusst dafür entschieden, die möglichen malerei und Yoga. Seit Sommer 2020 be- Themen der Projekte und Veranstaltungen findet sich das Kreativhaus in der Ver- offen zu halten. Das KHE stellt Externen stetigungsphase. Aufgrund der hohen An- hierfür die Räume gegen einen geringen gebotsnachfrage wird perspektivisch das Kostenbeitrag zur Verfügung. Dieser soll Ziel verfolgt, eine feste personelle Unter- lediglich die laufenden Kosten decken, es stützung zu sichern und Räume für das Kre- werden keine gewinnorientierten Interes- ativhaus zu finden, die dauerhaft genutzt sen verfolgt. werden können. Herzstück der Organisation des KHE ist das 4.2 Bürgergenossenschaft Holzmin- sogenannte Kernteam, das mittlerweile den eG als Beispiel für das aus 15 Personen besteht und sich 14-täg- Handlungsfeld Immobilien und lich trifft, um aktuelle Themen und anste- Leerstände hende Arbeiten zu besprechen. Hierzu Holzminden ist ein Mittelzentrum in Nie- zählen hauptsächlich engagierte Eimsbüt- dersachsen mit knapp 20.000 Einwoh- teler*innen, die privat und beruflich in un- ner*innen und liegt direkt an der Landes- terschiedlichen Sphären tätig sind - von grenze zu Nordrhein-Westfalen. Die Klein- jungen und alten Kreativen über enga- teiligkeit der Altstadt macht ihren Charme gierte Eltern, interessierte Musiker*innen, aus, begrenzt allerdings gleichzeitig die Künstler*innen bis hin zu motivierten Eims- einzelhandelsspezifischen und gewerbli- bütteler*innen der älteren Generation. Die chen Entwicklungsmöglichkeiten. Der Han- Innovationsakteur*innen des KHE sind im del in der Altstadt wird durch zwei größere Stadtteil gut vernetzt, sodass es zahlrei- Kaufhäuser dominiert. Dieses Angebot che Unterstützer*innen bei Aktionen und wird durch kleinteiligen Einzelhandel er- speziellen Angeboten gibt. Es ist dem KHE gänzt, der in Summe allerdings kaum eine gelungen, über verschiedene Kommunika- größere Anziehungskraft besitzt. Als be- tionswege Aufmerksamkeit zu erzielen. deutende Konkurrenzstandorte sind das in- Dazu trugen neben einer eigenen Internet- nerstädtische Gewerbegebiet Bülte mit seite10 auch Flyer, ein Imagefilm und die mehreren Fachmärkten, sowie die neun Ki- Nutzung verschiedener Social Media-Platt- lometer entfernte und gut frequentierte formen bei. Besondere Aufmerksamkeit Altstadt Höxters zu nennen. Das Zentrum konnte das Kreativhaus durch seine öffent- ist durch eine hohe Leerstandsquote ge- lichkeitswirksame Eröffnungsparade an werblicher Flächen gekennzeichnet. drei aufeinanderfolgenden Tagen im Sep- tember 2019 erreichen.11 Im Rahmen des Reallabors hat sich eine Themengruppe „Immobilien und Finanzie- Bis zum Frühjahr 2020 sind bei den Organi- rungsmöglichkeiten“ gebildet, die die Idee sator*innen des KHE über 50 Projektideen zur Gründung einer Bürgergenossenschaft eingegangen, die zu einem großen Teil be- aufgegriffen hat, die bereits vor Beginn reits umgesetzt werden konnten. Eigene von TransZ innerhalb der Stadt diskutiert 10 Siehe: www.kreativhauseimsbuettel.de Eimsbuettel-oeffnet-seine-Tue- 11 Siehe: https://www.ndr.de/fernsehen/sen- ren,hamj87296.html dungen/hamburg_journal/Das-Kreativhaus- 15
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion wurde, aber aus unterschiedlichen Grün- Abb. 4: Sitzung zur Vorbereitung der den nicht weiterverfolgt werden konnte. Gründungsversammlung der Bürgergenos- Den entscheidenden Impuls hat ein Vortrag senschaft Holzminden der Bürgergenossenschaft Hann. Münden im Rahmen der TransZ-Vortragsreihe im Herbst 2018 geliefert. Nachfolgend wur- den mit Unterstützung von TransZ eine In- formationsveranstaltung und zwei Info- stände auf dem Wochenmarkt durchge- führt, um auch die Bewohner*innen über die Notwendigkeit und die Potenziale ei- ner Bürgergenossenschaft zu informieren. Durch den positiven Zuspruch aus der Be- völkerung und den gut vernetzten Initiato- Quelle: Täglicher Anzeiger Holzminden ren konnten in der Folge potenzielle Auf- sichtsrats- und Vorstandsmitglieder aus Anfang Juni 2020 hatte die Bürgergenos- relevanten Bereichen (Finanz-, Bank-, senschaft 117 Mitglieder aus ganz Deutsch- Steuer-, und Rechtswesen) benannt wer- land (darunter auch die Stadt Holzminden) den. Schließlich fand im September 2019 und ca. 1.000 gezeichnete Anteile im Wert die Gründungsversammlung der Bürgerge- von knapp 100.000 Euro. Vor dem Hinter- nossenschaft Holzminden statt. grund der niedrigen Immobilienpreise in der Altstadt steht die Genossenschaft im Die Bürgergenossenschaft Holzminden eG12 Sommer 2020 kurz vor dem Erwerb einer verfolgt das Ziel, durch Erwerb, Sanierung ersten Immobilie, um deren Sanierung und und Wiedernutzung leerstehender oder Wiedernutzung starten zu können. mindergenutzter Gebäude die Wohnfunk- tion in der Altstadt zu stärken und das 4.3 Bauwerkstatt Stuttgart-Wangen kleinteilige Gewerbe zu unterstützen. Dies als Beispiel für das Handlungs- soll perspektivisch zur innerstädtischen feld Öffentliche Räume und Belebung beitragen. Es ist den Initiatoren Grünanlagen der Genossenschaft ein wichtiges Anlie- Stuttgart-Wangen ist mit knapp 9.400 Ein- gen, Teile der Sanierungsarbeiten in ge- wohner*innen einer der kleineren Stadtbe- meinschaftlicher Eigenleistung zu erbrin- zirke Stuttgarts. Die sozioökonomische gen und dadurch auch den Gemeinschafts- Struktur Wangens ist eher schwach. Die Ul- sinn innerhalb der Stadt zu stärken. Die mer Straße bildet das Zentrum des ge- Genossenschaft soll auch dazu dienen, wachsenen Stadtbezirks, allerdings ist der weitere Teile der Bewohner*innen für die Einzelhandel dort auf dem Rückzug. Ledig- Entwicklung der Altstadt zu sensibilisieren lich im nördlichen Bereich des Zentrums und aktiv an der Weiterentwicklung des ei- befinden sich zwei bedeutende Nahversor- genen Wohnumfeldes und des eigenen ger, die eine stärkere Anziehungskraft für Zentrums zu beteiligen. das Zentrum besitzen. Punktuell sind ent- lang der Ulmer Straße gastronomische und soziale bzw. städtische Einrichtungen vor- handen, allerdings wird fast ein Drittel der Erdgeschossnutzungen mittlerweile als Wohnraum genutzt. Anlässe, die Ulmer Straße aufzusuchen, haben sich deutlich vermindert, attraktive öffentliche Flächen 12 Siehe: www.bg-hol.de 16
TransZ Working Paper 02|2020 Reallabore zur Transformation urbaner Zentren Erfahrungen und kritische Reflexion sind im Zentrum nicht vorhanden. Der Kel- der öffentliche Raum gewissermaßen als tervorplatz13, der zentrale Platz an der Ul- Labor für Experimente genutzt werden mer Straße, lädt durch seine Gestaltung konnte (Oswalt/Overmeyer/Misselwitz und die wenigen angrenzenden Funktionen 2014: 14). Dadurch wurden Erlebnisräume kaum zum Verweilen ein. Die Stadt Stutt- geschaffen, um neue Impulse für die Ge- gart plant deshalb, den Platz in den nächs- staltung des Platzes anzustoßen. Die Er- ten Jahren umzugestalten. gebnisse wurden mit den Bewohner*innen diskutiert und werden von der Stadt Stutt- Der TransZ-Initiative StadtGerüst ist es ge- gart in die Planungen zur Neugestaltung lungen, Möglichkeiten zur Umgestaltung des Keltervorplatzes einbezogen. Die Bau- des Keltervorplatzes im Rahmen einer of- werkstatt selbst wurde mit einem Image- fenen Bauwerkstatt zu erproben und inte- film14 dokumentiert, außerdem wurde eine ressierte Bewohner*innen in den Prozess Bauanleitung des entstandenen Sitzmö- einzubinden. Die Bauwerkstatt am 29. Juni bels15 produziert, um auch in anderen 2019 wurde von der Projektgruppe mit Un- Stadtbezirken eine solche Aktion zu er- terstützung von TransZ eigenständig vor- möglichen. bereitet. Ziel war es, mögliche Nutzungen durch einfache konstruktive Elemente aus- Abb. 5: Bauwerkstatt Stuttgart-Wangen zuprobieren. Konkrete Fragen zur Geneh- migung wurden direkt mit der Bezirksvor- steherin geklärt. Die Unterstützung durch TransZ bestand im größten Teil darin, dass die verschiedenen Interessierten zu Beginn miteinander vernetzt wurden und somit die Möglichkeit geschaffen wurde, ein ge- meinsames Bauprojekt umzusetzen. Au- ßerdem wurde die Bauwerkstatt finanziell bei der Beschaffung der Baumaterialien, der Organisation und Durchführung sowie Quelle: Natalie Brehmer der Dokumentation unterstützt. Die Umsetzung des Projektes war dank der Nach einer Begrüßung und Einführung engen und partnerschaftlichen Zusammen- durch die TransZ-Initiative bauten interes- arbeit mit der Bezirksverwaltung Stutt- sierte Anrainer*innen und Helfer*innen un- gart-Wangen während des gesamten Real- ter professioneller Anleitung eines Anwoh- labors möglich. Die Bauwerkstatt als urba- ners mit Holzpaletten, einfach zu trans- ne Intervention und temporäres Experi- portierende Sitzgelegenheiten und Pflanz- ment soll einen kreativen Impuls für die beete, die auf dem Platz variabel angeord- Stadtentwicklung in Wangen geben und net werden konnten. Mit der Sitzland- dazu beitragen, den Planungsprozess zur schaft ist es gelungen, eine neue Organi- Umgestaltung des Keltervorplatzes durch sation des Platzes temporär zu erproben. co-kreative Formen zu ergänzen (Schau- Dadurch konnte den Beteiligten und den mann/Simon-Philipp 2018). Die niedrig- Passant*innen ein Eindruck von den Umge- schwellige Initiierung des Prozesses hat staltungsmöglichkeiten des Platzes ver- auch dazu beigetragen, die beteiligten Ak- mittelt werden. Vor und während der ei- teur*innen und die Stadtteilöffentlichkeit gentlichen Bauwerkstatt wurde auspro- von Wangen für Planungsprozesse allge- biert und ergebnisoffen diskutiert, sodass mein zu sensibilisieren. 13 14 Die Kelter ist in Schwaben ein Press- oder Kelter- Siehe: https://vimeo.com/348536945 haus, in dem Früchte für die Verwendung als Saft 15 Verfügbar über www.transz.de oder Wein gepresst werden/wurden 17
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