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Reflexion eines Mathematik-Vorkurses aus Teilnehmer- und Dozentenperspektive Marcel Klinger, marcel.klinger@uni-due.de Fakultät für Informatik, Technische Universität Dortmund Didaktik der Mathematik, Universität Duisburg-Essen 30. April 2014 Das vorliegende Schriftstück basiert auf den Erfahrungen im Rahmen eines Mathematik- Vorkurses zur Überbrückung der Diskrepanz zwischen schulischer und universitärer Ma- thematik, welcher vom 10. bis 28. März 2014 an der Fakultät für Informatik der Tech- nischen Universität Dortmund stattfand. Der 15-tägige Brückenkurs bestand aus einem Vorlesungsteil sowie einer freien Lernumgebung mit anschließender Frontalbesprechung. Im Rahmen mehrerer anonymer Evaluationen wurden dabei neben personenbezogenen Grunddaten Einstellungen und Beliefs der Teilnehmer zur Mathematik sowie zum spezi- ellen Vorkurs-Curriculum erhoben. 1 Beschreibung der straktionsgrad, welcher in Anfängervorlesungen Veranstaltung üblicherweise erwartet wird. Das Curriculum lässt sich insgesamt wie folgt Der Kurs fand vom 10. bis 28. März an der zusammenfassen: Fakultät für Informatik der Technischen Uni- (1) Grundlagen (erste Woche): versität Dortmund an insgesamt 15 Werkta- Aussagen und Logik, Mengenlehre, Zah- gen (ohne Samstage) statt. Strukturell zeichne- lenbereiche, Rechenregeln und übliche No- te er sich durch einen etwa 90-minütigen Vor- tationsweisen, Beweiskonzepte (einschl. lesungsteil sowie durch eine etwa ebenso lange Induktion), Abbildungen freie Lernumgebung einschließlich einer gemein- samen Besprechung im Frontalstil aus. Letz- (2) Algebra (zweite Woche): tere wurde durch klassische Übungszettel mit Lineare Gleichungssysteme (einschl. Gauß- auf den jeweiligen Vorlesungstag inhaltlich abge- Algorithmus), algebraische Gruppen, stimmten Übungsaufgaben moderiert. Die Teil- Körper und Vektorräume (auf abstrakter nehmerschaft bestand vollständig aus Personen, Ebene), der Rn als Spezialfall, Matrizen- die zum Sommersemester 2014 das Studium kalkül im Bachelor-Studiengang Informatik an der TU (3) Analysis (dritte Woche): Dortmund aufnehmen wollten. Durchschnittlich Folgen und Grenzwerte, Grenzwerte von waren täglich knapp 15 Studierende anwesend. Funktionen, Nullstellen, Stetigkeit, Diffe- renzierbarkeit, schulische Kurvendiskussi- 1.1 Inhalt on, besondere Funktionen (natürliche Ex- ponentialfunktion, trigonometrische Funk- Ziel war der Aufbau einer stofflichen Brücke zwi- tionen, etc.), Integralrechnung schen schulischer und universitärer Mathematik. Dabei wurden einerseits aus der Schule wohlbe- 1.2 Veranstaltungsstruktur und kannte Inhalte aufgegriffen und in universitärer Sozialformen Weise neu präsentiert (Prinzip Definition, Satz, ” Beweis“), andererseits neue Begriffe eingeführt, Die Gesamtveranstaltung ergab sich aus einem an dieser Stelle jedoch noch oft ohne jenen Ab- Vorlesungsteil (etwa 90 Minuten), einer daran 1
anschließenden freien Lernumgebung mit tutori- punkt der Studienaufnahme im mathematisch- eller Unterstützung (etwa 75 Minuten) und ei- naturwissenschaftlichen Bereich (Daten aus dem ner anschließenden Frontalbesprechung (etwa 30 WS2011/12, vgl. Scheller et al. [3, S. 51]). Minuten). Vorlesungsbegleitend wurden jeweils 18-19 ein ausführliches Skriptum am Nachmittag nach 20-21 der Veranstaltung sowie ein Lösungsblatt mit >23 Endergebnissen der Übungsaufgaben veröffent- licht und online bereitgestellt. Der Vorlesungsteil fand klassisch als Tafelvortrag 22-23 statt. Hierbei wurden die wichtigsten Inhalte des Skriptums angeschrieben und erläutert. Zwi- schenfragen waren jederzeit zugelassen und will- Abbildung 1: Altersverteilung der Teilnehmer am zwei- kommen. Dabei fand eine Orientierung des Vor- ten Tag in Jahren lesungstempos bewusst oberhalb des schulischen Dies lässt sich leicht durch den vergleichswei- Niveaus statt. Schaubilder wurden in der Regel se unüblichen Studienbeginn zum Sommerse- an der Tafel entwickelt, mitunter in komplizier- mester erklären, welcher sich für Abiturientin- teren Fällen aber auch projeziert und erläutert. nen und Abiturienten des Jahrgangs 2014 nicht Der Übungsteil (Lernumgebung und Frontal- realisieren lässt. Entsprechend gaben 89,5 Pro- besprechung) basierte auf einen etwa ein- bis zent der Teilnehmer an, das Studium nicht di- zweiseitigen, auf den Vorlesungsstoff des Tages rekt nach dem Abitur aufgenommen zu haben. abgestimmten Übungszettel, welcher in Grup- 36,8 Prozent hatten bereits ein anderes Studi- pen bearbeitet werden sollte. Hierbei stand die um begonnen, ohne dieses zu einem Abschluss Diskussion und das Kommunizieren mathema- zu führen; 41,2 Prozent hatten nach dem Abitur tischer Inhalte und Lösungswege im Mittel- eine Ausbildung aufgenommen und diese über- punkt. Der Tutor griff nur nach expliziter An- wiegend (94,4 Prozent) erfolgreich abgeschlos- frage der Teilnehmer ein, gab Impulse, jedoch sen. Alle Befragten wurden über die Allgemeine keine vollständigen Lösungswege. Die Bespre- Hochschulreife zum Studium an der TU Dort- chung fand punktuell statt und richtete sich dy- mund zugelassen. Davon erhielten 89,5 Prozent namisch nach dem diagnostizierten Bedarf der ihr Abitur in neun Jahren (G9), 5,3 Prozent in Teilnehmer. Sie hatte nicht den Anspruch ei- acht Jahren (G8) und weitere 5,3 Prozent über ne vollständige Musterlösung des Übungsblattes den zweiten Bildungsweg. bereitzustellen. 26 Am letzten Veranstaltungstag wurde der Vorle- 24 sungsanteil auf etwa 30 Minuten reduziert. In 22 der so gewonnenen Zeit wurde ein umfassen- 20 des Übungsblatt, welches einen Querschnitt des 18 16 gesamten Vorlesungsstoffs abbildete, zur Bear- 14 beitung gegeben. Diese Abwandlung wurde zu- 12 vor mit den Teilnehmern im Gruppenkonsens be- 10 schlossen. 8 6 4 1.3 Teilnehmerschaft 2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Die Daten der Teilnehmer wurden am zweiten Kurstag – dem teilnehmerreichsten Tag (vgl. Ab- Abbildung 2: Anzahl der Teilnehmer zu Beginn des Vorlesungsteils im Mathematik-Vorkurs bildung 2) – erhoben. Dabei wurden insgesamt (grüne Säulen) sowie Regressionsgerade 21 Personen erfasst, sechs davon weiblichen Ge- (dunkelgrün) und Mittelwert (orange). schlechts (28,6 Prozent). Zum Verghleich ist jeweils die Anzahl der Abbildung 1 zeigt, dass das Alter der Teil- Teilnehmer im anschließenden Informatik- Vorkurs dargestellt (rote Säulen). nehmer zu einem überwiegenden Anteil deut- lich höher war als das durchschnittliche Alter Die Anwesenheit ist in Abbildung 2 dargestellt von 20,6 Jahren von Studierenden zum Zeit- und zeigt im Wesentlichen den für Hochschul- 2
veranstaltungen typischen monoton fallenden verbundenen subjektiven Verhältnis zur Mathe- Verlauf, der schließlich auf das Plateau des har- matik befragt. Dabei zeigte sich zusammenfas- ” ten Kerns“ trifft (etwa ab dem siebten bis achten send ein relativ stark Mathematik-affines Bild Veranstaltungstag). der Studierenden. Dies lässt sich u.a. durch die Durchschnittlich waren an jedem Veranstal- durchschnittlichen Reaktionen auf die in Abbil- tungstag 14,9 Personen zu Vorlesungsbeginn an- dung 3 gezeigten Items entnehmen. wesend. Gemessen an der später von der Fach- Dabei wurden aus Gründen der Vergleichbarkeit schaft Informatik abgehaltenen Orientierungs- einzelne Items umgepolt. Die Stichprobengröße phase, bei welcher 47 Personen anwesend waren, lag entsprechend der Anwesenheit am zweiten entspricht dies einer Beteiligungsquote von 31,7 Kurstag zwischen 18 und 20. Prozent der ernsthaft am Studium interessierten immatrikulierten Studierenden1 . Die Datenausrisse lassen sich ebenfalls sachlich 1.4 Dozent begründen: Am ersten Tag waren vergleichwei- Die gesamte Veranstaltung wurde von einer Per- se wenig Studierende anwesend, was sich auf ei- son betreut. Es handelte sich um einen im Un- ne suboptimale Eigenwerbung der Veranstaltung terrichten von Nebenfachstudierenden, d.h. Stu- zurückzuführen ist (vgl. Abschnitt 2.4). Erst ei- dierende, welche kein Fachmathematikstudium ne weitere Veranstaltungsankündigung im zeit- aufnehmen, erfahrenen Dozenten. Durch das in lich versetzt laufenden Informatik-Vorkurs der etwa gleiche Alter des Dozenten, die vereinbar- Fakultät führte am zweiten Tag zu einer höher- te Du-Form als pronominale Anrede und eine en Anwesenheit. Der Abfall am siebten Tag lässt Vorstellungsrunde wurde unmittelbar zu Beginn sich auf einen Streik im öffentlichen Personen- der Veranstaltung ein für schulische Maßstäbe nahverkehr zurückführen (vgl. Thiel [6]). Außer- unüblich persönliches Betreuungsverhältnis be- dem fanden am 13. und 14. Tag Streiks statt. gründet. Im Vergleich zum jeweils am gleichen Tag im Anschluss an den Mathematik-Vorkurs abgehal- tenen Informatik-Vorkurs zeigt sich eine deutlich 2 Reflexionen erhöhte Anwesenheit. Am 15. Tag fand dieser Kurs jedoch nicht mehr statt. Wir möchten nun einzelne Aspekte des Vorkur- ses aufgreifen und diese bewerten. Wichtig ist Mathematik habe ich noch nie gemocht. 0 1 2 3 4 5 hierbei, dass auf der einen Seite die Meinung Ich habe mich noch nie sehr für der Teilnehmer, auf der anderen Seite jene des Mathematik interessiert. 0 1 2 3 4 5 Dozenten Gehör findet. Mathematik ist ein notwendiges Übel. 0 1 2 3 4 5 Mathematik liegt mir nicht. 2.1 Themenfelder 0 1 2 3 4 5 Ich bin mathematisch unbe- Wir beginnen zunächst mit der Betrachtung und gabt. 0 1 2 3 4 5 Reflexion inhaltlicher Aspekte, d.h. der einzelnen In der Schule fiel mir die Ma- Themenfelder der Veranstaltung, welche sich in thematik nicht leicht. 0 1 2 3 4 5 die drei Oberbegriffe Grundlagen, Algebra und Abbildung 3: Arithmetisches Mittel der Selbsteinschät- Analysis gliedern (vgl. oben). zung der mathematischen Begabung der Die einzelnen Unterbereiche dieser Themen- Kursteilnehmer, erhoben anhand verschie- dener Skalenitems mit möglichen Werten blöcke wurden anhand von Skalenitems am letz- von 0 bis 5 und den Polen trifft überhaupt ten Veranstaltungstag erhoben. Das Resultat ” nicht zu“ (0) und trifft voll und ganz zu“ ” wurde in Abbildung 4 aufbereitet. (5) Zu bemerken ist, dass das gesamte curricula- re Spektrum auf einem sehr positivem Niveau Ferner wurden die Teilnehmer des Vorkurses zu liegt. Mit einem Mittel von etwa 3,3 wird das ihrer persönlichen Einstellung und dem damit Minimum beim Thema Beweise angenommen, 1 Die Zahl der tatsächlich immatrikulierten Studierenden erweist sich als Metrik ungeeignet, da es sich beim Studien- gang Informatik um eines der wenigen zulassungsfreien Fächer an der TU Dortmund handelt, welche auch zum Sommersemester belegt werden können. 3
jedoch liegt dies immer noch näher am positi- Damit steht das Thema in krassem Gegensatz ven Pol als am negativen. Auch das arithmeti- zur Beweisthematik, wo ein festes Vorgehens- sche Mittel aller Einzelfelder fällt mit 3,92 sehr schema der Natur nach i.d.R. nicht existiert. Es positiv aus. Dabei ist keine Tendenz bezüglich bleibt zu betonen, dass es sich hierbei nur um einer der drei Kategorien spürbar: Wird hier je- eine Deutung unsererseits handelt, die wir ge- weils das arithmetische Mittel gebildet, ergeben genwärtig nicht empirisch untermauern können. sich ähnliche Werte (3,93, 3,89, 3,92). 5.0 2.2 Kompetenzen 4.8 4.6 Im Rahmen der Lernumgebung wurden auch sol- 4.4 che Aufgaben gestellt, bei denen das direkte Ra- 4.2 ten einer ersten Nullstelle nicht möglich war, d.h. 4.0 die Nullstellen nicht in Z enthalten, tatsächlich 3.8 sogar irrational waren. Nach Beobachtungen des 3.6 3.4 Tutors stellte dies die Studierenden teils vor er- 3.2 hebliche Probleme. An einer gewissen mathema- 3.0 tischen Improvisationsfähigkeit, d.h. etwa hier Aussagen Mengen Zahlen Rechenr./Notat. Beweise Abbildungen LGS Gruppen Vektorräume Matrizen Grenzwerte Nullstellen Stetigkeit Differenzierbarkeit Weit. Eig. v. Fkt. Bes. reelle Fkt. Integrale die Entwicklung eines geeigneten heuristischen Näherungsverfahrens, mangelte es den Teilneh- menden zum Teil. Im Sinne des Kompetenzmo- dells der KMK (vgl. wieder KMK [5]) entspricht dies dem Bereich K2 Probleme mathematisch ” lösen“. | {z }| {z }| {z } Grundlagen Algebra Analysis Bezüglich der reinen Rechenkompetenz, d.h. Abbildung 4: Arithmetisches Mittel der persönlichen Empfindungen der Themenfelder der Ver- fehlerfreies Rechnen ohne Verrechnen (vgl. hier- anstaltung, erhoben anhand eines Skaleni- zu auch Altieri [1]), lässt sich qualitativ-fundiert tems je Feld mit möglichen Werten von 0 wenig sagen. Bemerkenswert war jedoch, dass bis 5 und den Polen sehr negativ“ (0) und ein Großteil der Studierenden (10 von 15) be- ” sehr positiv“ (5) sowie Mittel der Mittel ” (orange) reits für einfachste Zwischenrechnungen (bei- spielsweise im Rahmen des Gauß-Algorithmus) Negativer Ausreißer ist das bereits erwähn- einen Taschenrechner heranzog bzw. heranzie- te Thema der mathematischen Beweisführung. hen musste. Diese Zahlen basieren jedoch auf Dies lässt sich möglicherweise anhand seiner Un- Momentaufnahmen des Tutors und wurden nicht terrepräsentiertheit im schulischen Lehrplan er- repräsentativ über die gesamte Veranstaltungs- klären: In den von der Kultusministerkonferenz dauer erhoben. Tatsächlich existieren jedoch definierten Bildungsstandards im Fach Mathe- Studien, die belegen wollen, dass erhöhter Ta- matik für die Allgemeine Hochschulreife (vgl. schenrechnereinsatz im schulischen Umfeld nicht KMK [5]) etwa ist der Begriff Beweis“ ledig- schädlich für händische Rechenkompetenzen ist ” lich zweimal aufzufinden (das Dokument hat 95 (vgl. etwa Bichler [2]). Seiten). Dies geschieht nur in einem von sechs Kompetenzbereichen und in diesem lediglich im 2.3 Veranstaltungsbewertung höchsten Anforderungsbereich, d.h. auf maxima- lem Vernetzungsniveau (man könnte – wohlge- Am Ende der letzten Vorlesung wurde ein ge- merkt etwas zynisch – auch sagen, in Aufgaben nerelles Meinungsbild der Teilnehmer bzgl. al- für Einser-Kandidaten“). ler Veranstaltungskomponenten evaluiert. In die- ” Das einzig positive Ausreißerdatum ist das The- sem Rahmen wurde insbesondere der subjektive ma Nullstellen. Möglicherweise liegt dies an der Lernfortschritt der Studierenden erhoben, wobei Kalkülhaftigkeit dieses Bereichs: Im schulischen nach Veranstaltungskomponenten unterschieden Rahmen werden Nullstellen meist nur bei Poly- wurde. Das Resultat ist in Abbildung 5 zusam- nomfunktionen von niedrigem Grad bestimmt. mengefasst. Dabei wird geraten, dann Polynomdivision und Die Werte entsprechen unserer Einschätzung schlussendlich die pq-Formel angewandt. Andere nach dem didaktischen Konstruktionsprinzip des Vorgehen finden kaum Einzug in den Unterricht. Vorlesungs-Übungs-Konzeptes: Der Erstkontakt 4
mit einer Thematik erfolgt in der Vorlesung, • Gute Wiederholung des Schulwissens. ” während Festigung und sicherer Umgang des Auch ein paar wenige neue Themen wie vermittelten Wissens durch wiederholte Nut- Induktion.“ zung sowie kritische Auseinandersetzung in den Übungsteil verlagert wird, d.h. es besteht insbe- • Die Fähigkeit des Dozenten auch kom- ” sondere nicht der Anspruch an die Studierenden- plizierte Inhalte anschaulich und auf den schaft, das gesamte potentiell im Rahmen eines Punkt zu erklären.“ Vortrags enthaltene Wissen adhoc zu Beherr- An der Veranstaltung gefiel mir nicht: schen. Tatsächlich ist meist das Gegenteil der Fall: Am Ende einer Vorlesung bleiben bei vielen • Das Tempo war teilweise zu schnell. ” Studierenden Wissenlücken zurück ( Das heute Beispiele aus der Vorlesung hatten oft ” einen leichteren Schwierigkeitsgrad als die in der Vorlesung habe ich nicht verstanden“), jedoch gelingt es häufig mittels des Übungsteils Übungsaufgaben.“ diese Fragmente zu strukturiertem Wissen zu • Die Vorlesung war teilweise etwas zu ab- ordnen und zu festigen. ” strakt. Eventuell könnten noch mehr kon- krete Beispiele eingebracht werden.“ Lernfortschritt Gesamtveranstaltung (Ø=4) 0 1 2 3 4 5 • Dass wir fast immer da sein mussten. Für Lernfortschritt Vorlesung ” (Ø=3,82) 0 1 2 3 4 5 drei Wochen ist es wirklich viel Stoff.“ Lernfortschritt Lernumgebung • Das Tempo. Uhrzeit.“ und Besprechung (Ø=4,27) 0 1 2 3 4 5 ” Abbildung 5: Arithmetisches Mittel der Selbsteinschät- • Sie war zu früh am Morgen!“ zung des persönlichen Lernfortschritts der ” Kursteilnehmer nach Veranstaltungskom- • Gesamte Vorlesung an der Tafel.“ ponente, erhoben anhand verschiedener ” Skalenitems mit möglichen Werten von 0 Besonders das Übungskonzept wurde von den bis 5 und den Polen sehr schlecht“ (0) Teilnehmern positiv bewertet. Hingegen war das ” und sehr gut“ (5) zu schulischen Verhältnissen deutlich erhöhte ” Vermittlungstempo sowie das hohe Abstrakti- Anhand von offenen Items hatten die Teilneh- onsniveau ungewohnt und wurde daher teils ne- mer die Möglichkeit zu formulieren, was Ihnen im gativ empfunden. Auch der bis heute in der Laufe der – oder an der – Veranstaltung beson- Hochschulmathematik vorherrschende Tafelvor- ders gefallen bzw. missfallen hat. Wir möchten trag stoß zumindest in einem Fall auf Kritik. dies an dieser Stelle vollständig wiedergeben. In einem weiteren Freifeld hatten die Studie- renden die Möglichkeit, etwas anzumerken, was An der Veranstaltung gefiel mir besonders: sie noch erwähnen möchten, was jedoch noch nicht abgefragt wurde. Hierbei fielen die folgen- • Dass wir Übungsaufgaben gemacht ha- den Kommentare: ” ben, so konnten wir Aufgeschriebenes aus der Vorlesung anwenden.“ • Eigentlich fand ich die Veranstaltung gut, ” jedoch waren fünf Tage am Stück zu viel • Die Übungen, die das vermittelte Wissen des Guten, um eine vernünftige Gewähr- ” leistung des Nacharbeitens zu stellen. Der der Vorlesung noch zusätzlich gefestigt haben. Auch das online gestellte Skript Mittwoch frei hätte viel gebracht, um Stoff fand ich sehr gut.“ von zwei Tagen vernünftig zu wiederholen. Habe leider nur die Hälfte verstanden.“ • Dass wir auch die Möglichkeit hatten, • Insgesamt fand ich den Vorkurs sehr hilf- ” ” selber Übungen zu machen und die dann reich.“ später verglichen haben.“ • Im Großen und Ganzen hat der Kurs mir ” • Die Motivation des Dozenten uns persönlich vieles beigebracht. Der Dozent ” bestmöglich vorzubereiten. Die Schrift des war eine sehr nette und hilfsbereite Per- Dozenten war gut leserlich.“ son.“ 5
• Der Vorkurs hat meine Mathematik- In einem weiteren Freifeld konnten Befragte ” Schul-Vorkenntnisse aufgefrischt.“ nicht aufgeführte Begründungen formulieren: Hierbei stach besonders die sachlich korrekte2 • Gut so, mach so weiter!“ Argumentation hervor, dass der Vorkurs vor dem ” eigentlichen Studiensemester stattfand. Dies hat • Insgesamt eine hervorragende Veranstal- zur Folge, dass potentielle Teilnehmer zum Ver- ” tung, besonders gut, dass an den nöti- anstaltungsbeginn formal noch keinen Studie- gen Stellen ausführlichst hergeleitet und rendenstatus besitzen und sie somit über kein erklärt wurde, um stets alle mit ins Boot Monatsticket für die Benutzung des öffentlichen zu holen.“ Personennahverkehrs verfügen. Dies war für zu- mindest zwei potentielle Teilnehmer ein Grund, Wir möchten an dieser Stelle einen positiven Te- den Kurs nicht zu besuchen. nor festhalten, jedoch wurden mehrfach Tempo Über Studierende, welche den Kurs mindestens bzw. lange Phasen andauernder Belastung, wel- einmal besuchten, jedoch nicht regelmäßig, lies che mit zu wenig Pausen einhergingen, kritisiert. sich mit Hilfe besagter Erhebung keine fundierte Begründung ableiten. 2.4 Unterauslastung Bedauernswert war die geringe Teilnahmequote 3 Fazit von 31,7 Prozent (s.o.) aus der eine deutliche Unterauslastung des Kurses resultierte. Zur Ur- Generell wurde die Veranstaltung sehr positiv sachenforschung wurde eine Nacherhebung im aufgenommen. Kritische Meinungsäußerungen Rahmen der Vorlesung Mathematik für Infor- lassen sich meist auf das allgemeine (und gera- ” de im MINT-Bereich gängige) universitäre Lehr- matiker II“, welche für die Vorkurs-Teilnehmer eine obligatorische Mathematikveranstaltung im Lern-Konzept Vorlesung und Übung“ übertra- ” ersten Fachsemester ist, durchgeführt. gen und sind nicht der abgehaltenen Veranstal- Abbildung 6 zeigt mögliche Begründungen für tung im Speziellen vorbehalten. Aus Dozenten- ein Fernbleiben des Vorkurses anhand vorgege- sicht war es nicht nur Aufgabe des Kurses, not- bener Skalenitems unter den Teilnehmern der wendiges Wissen für den Start ins Studium zu genannten Umfrage. Der Begriff Nichtteilneh- vermitteln, sondern auch auf den universitären ” Alltag aus lehrmethodischer Sicht vorzuberei- mer“ meint dabei eine Person, an welche sich der Vorkurs formal richtete, die aber dennoch ten. Da das Lehr-Lern-Konzept Vorlesung und ” keinen einzigen Tag teilnahm. Übung“ jedoch gegenwärtig insbesondere in den ersten Semestern den status quo darstellt, soll in Ich habe nicht am Mathematik-Vorkurs teilgenommen, . . . diesem Resümee nicht weiter auf seine generelle da ich nichts davon wusste. Sinnhaftigkeit eingegangen werden. Wir verwei- 0 1 2 3 4 5 sen stattdessen auf einschlägige Literatur zum da ich es für unnötig hielt. Thema, etwa Schmidt & Tippelt [4]. 0 1 2 3 4 5 da es mir zeitlich nicht möglich war. 0 1 2 3 4 5 3.1 Organisation da ich die Mathematik bereits ausreichend beherrsche. 0 1 2 3 4 5 Hauptkritikpunkt aus organisatorischer Sicht ist da ich keine Lust hatte. sicherlich die suboptimale bis unzureichende Ei- 0 1 2 3 4 5 da ich im Urlaub war. genwerbung: Unwissenheit über das Stattfin- 0 1 2 3 4 5 den eines Vorkurses in Mathematik ist der da ich arbeiten musste. 0 1 2 3 4 5 zweithäufigste Grund für eine Nichtteilnahme. Abbildung 6: Arithmetisches Mittel möglicher Be- An dieser Stelle muss die Kommunikation zwi- gründungen des Fernbleibens der schen Studienanfängern und Hochschule verbes- Nichtteilnehmer, erhoben anhand ver- schiedener Skalenitems mit möglichen sert werden und ein Weg gefunden werden, um- Werten von 0 bis 5 und den Polen trifft fangreicher zu informieren. Leider stößt dies er- ” überhaupt nicht zu“ (0) und trifft voll ” fahrungsgemäß oft aus rechtlichen Gründen (et- und ganz zu“ (5) wa Datenschutzprobleme) auf Probleme. 2 Semester- und somit Geltungsbeginn des Studierendentickets ist der 1. April. 6
Ferner scheint es notwendig, geeignete Regelun- Berichtet wurde von einem guten bis sehr guten gen für eine Benutzung des öffentlichen Per- Lernerfolg, jedoch kam auch Kritik bezüglich der sonennahverkehrs zu studentisch-vertretbaren stofflichen Belastung auf, wenngleich keine Be- Preisen für die Zeitdauer des Kurses zu finden. denken der Teilnehmer aufkamen, dass es sich nicht um studienrelevantes Wissen handele. Zur Reduktion der Belastung wurde von einem 3.2 Kursstruktur und Lernerfolg Teilnehmer vorgeschlagen, einen freien Tag (et- Das positive Meinungsbild stützt die These wa der Mittwoch) einzurichten, welcher gleich- einer sinnvollen strukturellen Einteilungen in sam zur Nacharbeitung genutzt werden könne. die unterschiedlichen Veranstaltungsteile Vorle- Zweifelsohne handelt es sich hierbei um einen er- ” sung“, Lernumgebung“ und gemeinsame Be- folgsversprechenden Vorschlag, der jedoch moti- ” ” sprechung“. Auch die strikte Aufteilung der drei vierte wie disziplinierte Teilnehmereinstellungen Hauptthemengebiete Grundlagen“, Algebra“, voraussetzt. Ferner ist auch der Verlust von ins- ” ” Analysis“in jeweils eine Veranstaltungswoche gesamt 270 Vorlesungsminuten gegen die Vor- ” stieß auf positives Resonanz. teile eines freien Mittwochs abzuwägen. Kontakt Marcel Klinger Universität Duisburg-Essen Didaktik der Mathematik Thea-Leymann-Str. 9 D-45127 Essen marcel.klinger@uni-due.de www.klinger.ruhr Literatur [1] Altieri, Mike: Entwicklungsforschungsprojekt zur Implementierung diagnostischer Bausteine mit IRT-basierten Elementen zur Binnendifferenzierung in die mathematische Grundausbildung der INT-Studiengänge. 2014. – Promotionsvorhaben (noch nicht erschienen) [2] Bichler, Ewald: Explorative Studie zum langfristigen Taschencomputereinsatz im Mathematikunterricht: Der Modellversuch Medienintegration im Mathematikunterricht (M 3 ) am Gymnasium. Verlag Dr. Kovač, 2010. – ISBN 9783830053064 [3] Scheller, Percy ; Isleib, Sören ; Sommer, Dieter: Studienanfängerinnen und Studienanfänger im Wintersemester 2011/12. (2013). http://www.his.de/pdf/pub_fh/fh-201306.pdf. ISBN 9783864260292. – Tabellenband [4] Schmidt, Bernhard ; Tippelt, Rudolf: Besser Lehren – Neues von der Hochschuldidak- tik? In: Teichler, Ulrich (Hrsg.) ; Tippelt, Rudolf (Hrsg.): Hochschullandschaft im Wandel (Zeitschrift für Pädagogik, 50. Beiheft). Beltz, 2005, S. 103–114 [5] Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesre- publik Deutschland: Bildungsstandards im Fach Mathematik für die Allgemeine Hochschulreife (Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 18.10.2012). 2012 http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2012/2012_ 10_18-Bildungsstandards-Mathe-Abi.pdf [6] Thiel, Thomas: Warnstreik: Verdi legt am Dienstag öffentliches Leben in Dortmund lahm. In: RuhrNachrichten (14. März 2014) 7
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