Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier

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Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
Ariadne-Kurzdossier

Reformoptionen für ein
nachhaltiges Steuer- und
Abgabensystem
Wie Lenkungssteuern effektiv und gerecht für den
Klima- und Umweltschutz ausgestaltet werden
können
Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
Das vorliegende Ariadne-Kurzdossier wurde von den oben genannten Autorinnen und
Autoren des Ariadne-Konsortiums ausgearbeitet. Sie spiegelt nicht zwangsläufig die
Meinung des gesamten Ariadne-Konsortiums oder des Fördermittelgebers wider.
Die Inhalte der Ariadne-Publikationen werden im Projekt unabhängig vom Bundesmi-
nisterium für Bildung und Forschung erstellt.

Die Autorinnen und Autoren danken Jana Nysten (Stiftung Umweltenergierecht) und
Hartmut Kahl (Stiftung Umweltenergierecht) für wertvolle Hinweise zu juristischen
Aspekten zu Energie- und Umweltsteuern sowie Sarah Messina für redaktionelle Hin-
weise.

Herausgeben von                                                                      Bildnachweis
Kopernikus-Projekt Ariadne                                                           Titel: Micheile Henderson / Unsplash; S.
Potsdam-Institut für Klimafolgen-                                                    1: Scott Graham / Unsplash; S. 19:
forschung (PIK)                                                                      Ashraf Ali / Unsplash
Telegrafenberg A 31
14473 Potsdam

Juni 2021

2
Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
Autorinnen und Autoren

                  » Prof. Dr. Matthias Kalkuhl        » Dr. Christina Roolfs                » Prof. Dr. Ottmar Edenhofer
                     Mercator Research Institute on      Mercator Research Institute on        Potsdam-Institut für Klima-
                     Global Commons and Climate          Global Commons and Climate            folgenforschung & Mercator Research
                     Change                              Change                                Institute on Global Commons and
                                                                                               Climate Change

                  » Dr. Luke Haywood                  » Prof. Dr. Maik Heinemann            » Dr. Anke Bekk
                     Mercator Research Institute on      Universität Potsdam                   Fraunhofer-Institut für System-
                     Global Commons and Climate                                                und Innovationsforschung
                     Change

                  » Prof. Dr. Christian                » Jan George                         » Anne Held
                    Flachsland                            Fraunhofer-Institut für System-      Fraunhofer-Institut für System-
                     Hertie School                        und Innovationsforschung             und Innovationsforschung

                  » Dr. Nils aus dem Moore            » Prof. Dr. Gunnar Luderer            » Dr. Nicolas Koch
                     RWI - Leibniz-Institut für          Potsdam-Institut für Klima-           Mercator Research Institute on
                     Wirtschaftsforschung                folgenforschung                       Global Commons and Climate
                                                                                               Change

                 » Dr. Dragana Nikodinoska            » Dr. Michael Pahle                   » Dr. Wolf-Peter Schill
                    Brandenburgische Technische          Potsdam-Institut für Klima-           Deutsches Institut für
                    Universität Cottbus-Senftenberg      folgenforschung                       Wirtschaftsforschung

                 » Maximilian Amberg                  » Tobias Bergmann                     » Henrika Meyer
                   Mercator Research Institute on       Mercator Research Institute on        Mercator Research Institute on
                   Global Commons and Climate           Global Commons and Climate            Global Commons and Climate
                   Change                               Change                                Change
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INHALT

   1. Einleitung                                                       1

   2. Umweltsteuern und Wohlstand                                      3

         2.1 Die grundlegenden Aufgaben von Steuern                    3

         2.2 Wie Umweltsteuern unseren Wohlstand erhöhen können        4

         2.3 Ausgestaltung von Umweltsteuern                          5

   3. Externe Kosten und mögliche Lenkungssteuern im Bereich Umwelt

      und Gesundheit                                                   7

   4. Prioritäre Handlungsfelder für die Energiewende                 12

         4.1 CO2-Preise an externen Kosten ausrichten                 12

         4.2 Bepreisung von Treibhausgasen und externen Effekten

            in der Landwirtschaft und im Landnutzungssektor           13

         4.3 Sektorkopplung und Strompreise                           14

         4.4 Energiesteuern und Mautsysteme                           14

   5. Institutionelle Reformen und Governance                         16

         5.1 Finanzverfassung                                         16

         5.2 Rückerstattungskanäle                                    17

         5.3 Systematische Erfassung externer Kosten                  17

         5.4 Folgenabschätzung, Normenkontrolle und

            Kosten-Nutzen-Analysen                                    18

   6. Ausblick                                                        19

   Literaturangaben                                                   21
Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
1. EINLEITUNG

    Mit der Einführung eines nationalen          Dieses Kurzdossier gibt Einblick in das
    Emissionshandelssystems (nEHS) für           Potenzial von Steuern und Abgaben für
    CO2-Emissionen wurde in Deutschland          den Umwelt- und Klimaschutz und zeigt
    2021 ein nationaler CO2-Preis eingeführt     insbesondere auf, wie Lenkungssteuern
    – ein Novum in der deutschen Umwelt-         den wirtschaftlichen Wohlstand erhöhen
    politik, denn damit kommt Preisanreizen      und gleichzeitig soziale Ungleichheit ver-
    erstmals eine zentrale Rolle in der Errei-   ringern können (Abschnitt 2). Ein zentra-
    chung von Umweltzielen zu. Zusammen          ler Begriff sind hierbei die „externen Kos-
    mit dem CO2-Preis aus dem Europäi-           ten“ – also anfallende Umwelt- und
    schen Emissionshandelssystem (EU-ETS)        Gesundheitsschäden, die nicht vom Ver-
    werden so nahezu alle Emissionen aus         ursacher selbst, sondern von der Allge-
    der fossilen Energienutzung abdeckt.         meinheit getragen werden. Bei externen
    Damit entsteht ein beispiellos breiter       Kosten führt das Marktgeschehen zu ei-
    und systemischer Preisanreiz, fossile        ner gesellschaftlich unerwünschten
    Energie einzusparen und Investitionen        Höhe von Umweltverschmutzung. Hier
    sowie Innovationen in klimafreundliche       können Lenkungssteuern, die diese ex-
    Technologien zu erhöhen. Vom Preisni-        ternen Kosten widerspiegeln und damit
    veau und -anstieg ist zwar bislang nur       entsprechende Anpassungen im Verhal-
    eine moderate Lenkungswirkung zu er-         ten von Konsumierenden und Produzie-
    warten (Edenhofer et al., 2020; UBA,         renden bewirken, den Umwelt- und Kli-
    2020a), doch kann diese durch steigende      maschutz verbessern. Orientiert sich die
    Preise in der Zukunft erheblich erhöht       Höhe von Lenkungssteuern an den exter-
    werden.                                      nen Kosten, wird darüber hinaus der
                                                 wirtschaftliche Wohlstand erhöht, weil
    Auch zuvor gab es bereits eine Reihe von     die vermiedenen Umweltschäden höher
    Steuern und Abgaben mit Umweltbezug:         als die Kosten des Umweltschutzes sind.
    Zum Beispiel Energie- und Stromsteuern,      Damit können derartige Lenkungssteu-
    die einen Preis für umweltschädliches        ern sowohl eine Verbesserung des Le-
    Verhalten schaffen. Doch diese bestehen-     bensstandards als auch eine Erhöhung
    den Maßnahmen sind oft nicht zielgenau       des Umweltschutzes bewirken (“Win-
    und konsistent auf Umweltschäden be-         Win”).
    ziehungsweise Umweltziele ausgerichtet,
    ihre Lenkungswirkung ist dementspre-         Wir identifizieren die wichtigsten Berei-
    chend gering. Darüber hinaus kommen          che, in denen Umwelt- und Gesundheits-
    Umweltsteuern und -abgaben bei zahl-         schäden derzeit als externe Kosten auf
    reichen anderen Umweltproblemen bis-         die Allgemeinheit überwälzt werden (Ab-
    her überhaupt nicht zum Einsatz.             schnitt 3). Die Höhe dieser externen Kos-
                                                 ten liegt bei 13-19% des deutschen BIP

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Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
und liefert damit auch einen ersten Nä-
herungswert des Einnahmenpotenzials,        Die wichtigsten Kernbotschaften vorweg
das mit einer konsequenten und umfas-
senden Einführung von Lenkungsabga-         ▶   Steuern und Abgaben auf Produkte oder Verbräuche mit gesellschaftlichen
ben und -steuern erzielt werden kann.           Folgekosten (externe Kosten) – sogenannte Pigou- oder Lenkungssteuern –
                                                sind ein politisches Win-Win-Instrument. Sie verbessern die Wohlfahrt und
Vor dem Hintergrund der aktuellen Dis-          schützen gleichzeitig die Umwelt und das Klima. Dies wird erreicht, indem
kussion um Klimapolitik und ambitio-            umweltschädigende Aktivitäten einen Preis bekommen, der möglichst exakt
niertere Klimaziele auf europäischer und        der Höhe ihres Schadens entspricht.
nationaler Ebene, zeigen wir exempla-
risch einige konkrete Handlungsfelder       ▶   Klimawandel, Luftverschmutzung, Nährstoffeintrag und Gewässerverschmut-
für die Energiewende auf, in denen ge-          zung, Infrastrukturnutzung, ungesunde Ernährung, Pestizide- oder Antibioti-
zielte Reformen von umweltbezogenen             kaeinsatz in der Landwirtschaft gehören zu den Bereichen, in denen externe
Steuern und Abgaben besonders sinnvoll          Kosten anfallen. Diese externen Kosten genau zu beziffern ist mit Unsicherhei-
erscheinen (Abschnitt 4). Schließlich ge-       ten verbunden und bedarf weiterer Untersuchungen. Erste Schätzungen ge-
hen wir auf institutionelle Aspekte ein,        hen jedoch von mehr als 13% der Wirtschaftsleistung in Deutschland aus.
welche die Einführung und Ausweitung
konsequenter und wirksamer Umwelt-          ▶   Im Gegensatz zum Ordnungsrecht schaffen Lenkungssteuern durch zusätzli-
steuern und -abgaben bisher erschweren          che Steuereinnahmen einen größeren Gestaltungsspielraum, andere Steuern
und zeigen entsprechende Reformoptio-           und Abgaben zu senken oder Haushalte und Unternehmen durch Rückerstat-
nen auf (Abschnitt 5).                          tungen oder Förderungen direkt zu entlasten. Dadurch lassen sich insbeson-
                                                dere finanzielle Belastungen für bestimmte Gruppen gut kompensieren und
                                                Verteilungskonflikte auflösen.

                                            ▶   Eine konsequente Bepreisung anhand der externen Kosten in Deutschland
                                                könnte erhebliche zusätzliche Einnahmen generieren, die sogar die Einnah-
                                                men aus der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer übersteigen
                                                würden: Basierend auf bisherigen Studien zu externen Kosten wären zusätzli-
                                                che Einnahmen in Höhe von 348-564 Mrd. Euro pro Jahr (44-71% der gesam-
                                                ten Steuereinnahmen) möglich. Mittel- bis langfristig würden die Einnahmen
                                                aufgrund der Lenkungswirkung sinken. Die hier genannten Zahlen sind als
                                                ungefähre Größenordnung zu betrachten und verstehen sich damit nicht als
                                                konkrete Empfehlungen für die Höhe von Pigou-Steuern.

                                            ▶   Die Energiewende wird hier als exemplarischer Anwendungsfall tiefergehend
                                                betrachtet. Relevante Handlungsfelder für Reformen sind:
                                                  1. Anhebung von CO2-Preisen
                                                  2. konsequente Bepreisung von Treibhausgasen und Umweltkosten im
                                                       Land- und Landwirtschaftssektor,
                                                  3. weitgehende Reduktion der Abgaben und Steuern auf Strom,
                                                  4. Einführung bzw. Ausweitung von Mautsystemen, verbunden mit mögli-
                                                       chen Senkungen der Energiesteuern.

                                            ▶   Damit Lenkungssteuern und -abgaben ihre volle Lenkungs- und Wohlstands-
                                                wirkung entfalten können, sind weitere institutionelle Reformen notwendig:
                                                   1. Reform der Finanzverfassung mit Einführung von Lenkungs- bzw. Pi-
                                                      gou-Steuern als neuem explizitem Steuertyp;
                                                   2. Etablierung von leicht administrierbaren Formen der Rückverteilung
                                                      der Einnahmen zur Entlastung von Steuerzahlenden und zur Entschär-
                                                      fung von Verteilungskonflikten;
                                                   3. systematische und evidenzbasierte Bestimmung und Aktualisierung
                                                      externer Kosten als Grundlage zur Anpassung von Steuersätzen und
                                                      regelmäßige Prüfung der Effektivität der eingeführten Instrumente
                                                      durch eine öffentliche Institution; darauf aufbauend: Anpassung des
                                                      Instrumentenmixes;
                                                   4. Berücksichtigung der Umwelt- und Gesundheitsnutzen bei Gesetzes-
                                                      vorhaben oder Verordnungen (Kosten-Nutzen-Analyse).

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Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
2. UMWELTSTEUERN UND
       WOHLSTAND
    2.1                                                                       ▶       Verminderung von Einkommens-
    Die grundlegenden Aufgaben                                                        oder Vermögensungleichheiten;
    von Steuern                                                               ▶       Lenkungszwecke bzgl. Investitionen,
                                                                                      Konsum oder Verbrauch bestimm-
    Nach der deutschen Abgabenordnung                                                 ter Güter und Dienstleistungen.
    zeichnen sich Steuern durch eine Geld-
    leistung ohne konkret definierte Gegen-                                   Lenkungssteuern können darauf zielen,
    leistung aus, durch die der Staat Einnah-                                 Individuen zu einer „besseren“ Entschei-
    men erzielen möchte:                                                      dungsfindung zu verhelfen, wenn sie z.B.
                                                                              aufgrund von Informations- und Verhal-
     „Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine                             tensproblemen sonst Konsumentschei-
     Gegenleistung für eine besondere Leistung                                dungen treffen, die nicht zu ihrem eige-
     darstellen und von einem öffentlich-rechtli-                             nen langfristigen Nutzen sind. Man
    chen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnah-                                spricht bei dieser Art von Lenkungssteu-
      men allen auferlegt werden, bei denen der                               er auch von meritorischen Eingriffen, die
      Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die                              insbesondere im Bereich von Alkohol-,
    Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Ein-                           Tabak- und Zuckerkonsum relevant sind
          nahmen kann Nebenzweck sein.“                                       (Allcott et al., 2019; Gruber & Köszegi,
                       Abgabenordnung §3 AO(1)                                2008; Meier et al., 2015; O’Donoghue &
                                                                              Rabin, 2006). Ihre Rechtfertigung wird
    Der Geldleistung muss zwar keine direk-                                   kontrovers diskutiert, weil durch derarti-
    te Gegenleistung für den Steuerzahlen-                                    ge Eingriffe Verhaltensmuster und Präfe-
    den gegenüberstehen, dennoch werden                                       renzen der Konsumierenden verändert
    mit den Einnahmen öffentliche Güter                                       werden sollen und dies als paternalis-
    und Dienstleistungen bereitgestellt, die                                  tisch empfunden werden kann. Im Fol-
    letztlich der gesamten Bevölkerung zu-                                    genden betrachten wir jedoch aus-
    gutekommen (z.B. durch Bereitstellung                                     schließlich Lenkungssteuern auf
    von Verwaltung, Infrastruktur, Bildung,                                   Konsum- und Produktionsentscheidun-
    öffentliche Sicherheit). Während Steuern                                  gen, bei denen Einkommen oder Lebens-
    grundsätzlich der Einnahmenerzielung                                      qualität unbeteiligter Dritter bzw. die Ge-
    dienen, kann dies jedoch ein Neben-                                       samtheit der Gesellschaft betroffen sind
    zweck sein.                                                               (externe Effekte)¹. Umweltsteuern bzw.
                                                                              Steuern auf Energie und Stromver-
    Weitere Motive sind unter anderem:                                        brauch sind Beispiele für derartige Len-
    ▶ Konjunkturpolitische Zwecke, indem                                      kungssteuern, weil sie umweltschädli-
        Steueränderungen den gesamtwirt-                                      ches Verhalten zum Wohle der All-
        schaftlichen Konsum oder die Inves-                                   gemeinheit reduzieren sollen. So wurden
        titionen beeinflussen;                                                bei den ökologischen Steuerreformen in

    1 Diese Unterscheidung hat eine bedeutende wohlfahrtsökonomische Implikation: Meritorisch begründete Lenkungssteuern können allenfalls In-
    dividuen besserstellen, die für sich selbst keine guten Entscheidungen treffen können. Auf externen Effekten begründete Lenkungssteuern kön-
3   nen dagegen potenziell alle Individuen besserstellen, selbst wenn diese für sich selbst immer optimal entscheiden können.
Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
den Jahren 1999 und 2002 die Einfüh-         wirken in der Gesamtheit ein zu hohes                                        erhöhe nach den volkswirtschaftlichen
rung von Stromsteuern und die Erhö-          Maß an Umweltverschmutzung.                                                  Schäden richtet, die nicht vom Individu-
hung der Mineralölsteuern jeweils mit                                                                                     um getragen werden („externe Kosten“).
ihren umwelt-, energie- und ressourcen-      Die Grundstruktur dieses Anreizpro-                                          Dadurch wird erreicht, dass die Preise
schonenden Wirkungen begründet.²             blems hat der britischen Ökonom Arthur                                       von Produkten und Dienstleistungen alle
                                             (Pigou, 1920) erstmals beschrieben: Das                                      anfallenden Kosten widerspiegeln und
2.2                                          Verhalten von Konsumierenden und Pro-                                        ein Marktversagen aufgrund von verzerr-
Wie Umweltsteuern unseren                    duzierenden wird maßgeblich durch Prei-                                      ten Preisen verhindert wird: besonders
Wohlstand erhöhen können                     se bestimmt. Sobald Preise jedoch nicht                                      umweltschädliches Verhalten würden
                                             alle volkswirtschaftlichen Kosten wider-                                     teurer, umweltschonendes Verhalten da-
Umweltbedingungen spielen für viele          spiegeln, kommt es zu ineffizienten Pro-                                     gegen attraktiver (siehe auch Abbildung
ökonomische Produktionsprozesse eine         duktions- und Konsumentscheidungen                                           1).³
wichtige Rolle, z.B. bei der Nahrungsmit-    bzw. zu „Marktversagen“. Dieses Markt-
telproduktion. Die Umwelt kann daher         versagen kann durch eine Korrektur der                                       Konsumenten müssen durch die Pigou-
als Naturkapital aufgefasst werden: Wird     Preise – etwa durch eine Steuer – beho-                                      Steuer höhere Preise zahlen, weil diese
es beschädigt, so sinkt auch die ökono-      ben werden. Die Grundidee hinter der Pi-                                     nun auch die externen Kosten bzw. die
mische Wertschöpfung. Darüber hinaus         gou-Steuer ist daher, dass sich ihre Steu-                                   Umweltschäden enthalten. Allerdings
bieten Umwelt- und Ökosysteme Dienst-
leistungen wie Trinkwasser oder saubere
Luft an, die Menschen direkt konsumie-       Abbildung 1: Die Wirkungsweise von Pigou-Steuern
ren und an denen sie sich erfreuen kön-
nen, wie etwa die Erholung in der Natur.
Umweltverschmutzung führt damit ne-
ben Produktions- und Konsumverlusten
auch zu einer unmittelbaren Verringe-
rung der Lebensqualität. Diese Verluste
lassen sich monetär beziffern und wer-
den als Umweltschäden bezeichnet.

Während die Gesellschaft als Ganzes von
einer hohen Umweltqualität und einem
stabilen Klimasystem profitiert, besteht
für einzelne Individuen und Firmen nur
ein geringer Anreiz zur Erhaltung des
Naturkapitals beizutragen. Konsumie-
rende berücksichtigen bei Kaufentschei-
dungen vor allem den Preis und die Qua-
lität eines Produktes. Selbst wenn sie aus
einer intrinsischen Motivation umwelt-
freundliche Produkte bevorzugen wür-
den, so sind die vielfältigen Umweltwir-
kungen des Produktionsprozesses für die
meisten Konsumierenden nicht ersicht-
lich. Ein ähnliches Problem besteht für
Unternehmen, die Güter und Dienstleis-
tungen anbieten. Während auch sie von
einer intakten Umwelt profitieren, müs-
                                             Die Vermeidung von Emissionen aus fossiler Energienutzung ist durch steigende Kosten gekennzeichnet (blaue Kurve, obere
sen sie aufgrund des Wettbewerbs kos-        Abbildung); gleichzeitig ist die Nutzung fossiler Energie (und den damit verbundenen Emissionen) durch Haushalte und Un-
tengünstig produzieren und können Um-        ternehmen mit privaten Kosten verbunden (braune Linie, obere Abbildung), welche durch den Bezug von Energie entstehen
                                             und im wesentlichen Extraktions- und Transportkosten widerspiegeln. Aus der Minimierung von Vermeidungskosten und pri-
welt- und Klimaschutzmaßnahmen dabei         vaten Kosten resultiert das betriebliche Kostenoptimum (braune Kurve, untere Abbildung), dies sich auf einem Markt ohne
unter den gegebenen Rahmenbedingun-          Klima- und Umweltpolitik einstellen würde. Allerdings vernachlässigt das Marktresultat die Umweltschäden, die als gesell-
                                             schaftliche Folgekosten (externe Kosten) aus der Nutzung fossiler Energie entstehen (orangene Linie, obere Abbildung). Eine
gen nur unzureichend berücksichtigen.        Pigou-Steuer auf fossile Energie macht die gesellschaftlichen Folgekosten für Verbraucher und Unternehmen sichtbar. Mit
Sowohl bei Konsumierenden wie auch           der Pigou-Steuer wird daher durch die Marktprozesse das gesellschaftliche Kostenoptimum erreicht. Die Emissionen sinken
                                             durch die Pigou-Steuer und gleichzeitig wächst der Wohlstand, weil die Gesamtkosten der fossilen Energienutzung (orangene
Produzierenden kommt es also zu Fehl-        Kurve, untere Abbildung) minimiert werden.
anreizen: ihre nach individuellen Erwä-
                                             Quelle: Eigene Darstellung
gungen getroffenen Entscheidungen be-

                                              2 Siehe dazu die Gesetzesentwürfe des Deutschen Bundestages, Drucksache 14/40 https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/
                                             14/000/1400040.pdf und Drucksache 15/21 http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/15/000/1500021.pdf.
                                             3 Die Problematik der externen Kosten gilt analog auch für den Fall von positiven externen Effekten, wenn also eine Aktivität einen Nutzen für die
4                                            Allgemeinheit schafft und daher entsprechend des externen Nutzens subventioniert werden sollte. Dies ist beispielsweise bei Innovationen, For-
                                             schung und Bildung der Fall.
Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
wird dieser Aufpreis durch die verringer-    Abb. 2: Die Wirkung von umweltbezogenen Lenkungssteuern auf (aggregierten)
ten Umweltschäden und die Rückvertei-        Wohlstand und Gleichheit (Verteilung von Einkommen und Wohlstand)
lung der Einnahmen überkompensiert –
insgesamt erhöht sich damit der ge-
samtgesellschaftliche Wohlstand (siehe
Abbildung 1). Die Pigou-Steuer schafft
damit nicht nur ein Mehr an Umwelt-
schutz, sie erhöht auch noch Lebensqua-
lität und Produktivität. Darüber hinaus
hat sie noch einen weiteren Vorteil ge-
genüber ordnungspolitischen Maßnah-
men: Sie generiert Einnahmen, mit de-
nen andere Steuern abgesenkt oder
zusätzliche Ausgaben finanziert werden
können. Insbesondere können damit Ver-
teilungskonflikte, die durch die Steuerbe-
lastung entstehen, abgemildert werden.

Der Zusammenhang zwischen Wohl-              Der Wohlstand erhöht sich in allen Fällen, weil die Reduktion von Umweltschäden jeweils höher als die Kosten der Umwelt-
                                             steuern ist. Die Verteilungswirkungen hängen von der Verwendung der Einnahmen ab. Verschiedene Rückerstattungsoptio-
stands- und Verteilungseffekten ist ex-
                                             nen (RO) können durch Steuersenkungen, Investitionsprogramme, Transfers etc. implementiert werden.
emplarisch in Abb. 2 dargestellt. Wäh-
rend sich der gesamte Wohlstand durch        Quelle: Eigene Darstellung

die Einführung einer Pigou-Steuer er-
höht, hängt die Verteilungswirkung           2.3                                                                                          2.       Umweltsteuern sollten möglichst
maßgeblich von der Verwendung der            Ausgestaltung von Umwelt-                                                                             alle Verschmutzungsaktivitäten um-
Steuereinnahmen ab. So kann die Ein-         steuern                                                                                               fassen und nach einem einheitli-
führung der Umweltsteuer ohne eine Rü-                                                                                                             chen Prinzip konsequent bepreisen.
ckverteilung der Einnahmen die Un-           Ihr wohlfahrtsförderndes Potenzial ent-                                                               Werden bestimmte Emissionen
gleichheit zunächst erhöhen, ins-            falten Umweltsteuern in der Praxis,                                                                   nicht – oder zu geringeren Sätzen –
besondere wenn ärmere Haushalte ei-          wenn sie nach den folgenden Prinzipien                                                                besteuert, wirkt die Umweltsteuer
nen hohen Anteil ihrer Ausgaben für um-      ausgestaltet werden:                                                                                  nicht umfassend. Dadurch werden
weltschädliche Konsumgüter aufwen-                                                                                                                 nicht alle kostengünstigen Vermei-
den.4 Denn Umweltsteuern setzen nicht        1.       Umweltsteuern sollten zielgenau                                                              dungsoptionen ausgenutzt – und
an der Leistungsfähigkeit des Konsumie-               auf umweltschädliches Verhalten –                                                            die Wohlfahrtsgewinne aus der Um-
renden an, sondern an den Umweltschä-                 also auf die Verursachung externer                                                           weltsteuer fallen kleiner aus (Met-
den, die mit dem Konsum bestimmter                    Kosten – ausgerichtet sein. Je ge-                                                           calf & Weisbach, 2009).
Produkte verbunden sind. Werden die                   nauer die Umweltsteuer an der Ent-
Steuereinnahmen dem allgemeinen                       stehung externer Kosten anknüpft,                                                   3.       Die Höhe von Umweltsteuern sollte
Staatshaushalt zugeführt wie andere                   desto stärker ist ihre Lenkungswir-                                                          regelmäßig angepasst werden. Weil
Steuern, kann sich damit eine problema-               kung. Hängen Umweltschäden wie                                                               externe Kosten von der Menge (und
tische Kostenverteilung ergeben.5 Wird                zum Beispiel bei der lokalen Luftver-                                                        nicht vom Wert) von Umweltver-
die Umweltsteuer dagegen gleich so an-                schmutzung von der Zeit oder dem                                                             schmutzung oder Ressourcenver-
gelegt, dass ein Teil der Einnahmen ge-               Ort ab, so sollten Umweltsteuern                                                             brauch abhängen, sollten Umwelt-
zielt für Senkungen anderer Steuern,                  auch entsprechend zeitlich und                                                               steuern als Mengensteuern und
Ausgaben- und Förderprogramme oder                    räumlich differenziert werden, um                                                            nicht als Wertsteuern implementiert
für direkte Rückerstattungen verwendet                Umweltschäden an den Orten bzw.                                                              werden. Ein im Zeitablauf konstan-
wird, lassen sich verschiedene Vertei-                zu den Zeiten zu reduzieren, an de-                                                          ter nomineller Steuersatz führt bei
lungswirkungen erreichen, die Unterneh-               nen sie besonders hoch sind (Bau-                                                            Mengensteuern jedoch inflations-
men und insbesondere ärmere Haushal-                  mol & Oates, 1988; Knittel & Sand-                                                           bedingt zu sinkenden realen Steuer-
te entlasten.6                                        ler, 2018; Tietenberg & Lewis,                                                               sätzen. Die Lenkungswirkung nimmt
                                                      2018).                                                                                       damit über die Zeit ab. Die Indexie-

                                             4 Kurzfristige Verteilungseffekte können sich dabei stark von langfristigen Verteilungseffekten unterscheiden: So kann eine CO2-Bepreisung langfristig sogar progressiv sein,
                                             weil durch den Klimaschutz das Kapitaleinkommen stärker als das Arbeitseinkommen belastet wird und dadurch ArbeitnehmerInnen mit geringem und mittlerem Einkom-
                                             men stärker profitieren (Beck et al., 2015). Auch belasten Lenkungssteuern auf Lebensmittel, Alkohol und Tabak wegen höherer Konsumanteile ärmere Haushalte zunächst
                                             überproportional (Bach et al., 2017). Längerfristig können diese Haushalte jedoch profitieren, weil die gesundheitlichen Vorteile eines geänderten Konsumverhaltens bei ihnen
                                             besonders hoch sind bzw. der Einstieg in Abhängigkeiten vermieden wird. So können Tabaksteuern langfristig zu höheren Wohlfahrtsgewinnen bei ärmeren als bei reicheren
                                             Haushalten führen (Allcott et al., 2019; Gruber & Köszegi, 2004).
                                             5 Letztlich führt die Zuführung der Steuern zum allgemeinen Haushalt v.a. zu einer Reduktion der Schuldenaufnahme; damit hat die Verwendung der Steuereinnahmen keine
                                             unmittelbare Verteilungswirkung.
                                             6 Wirken sich Umwelt- und Klimaschäden nicht nur auf Produktionsprozesse, sondern auch direkt auf das Wohlergehen von Individuen aus, so hängen die aggregierten exter-
                                             nen Kosten von der Einkommensverteilung ab. In diesem Fall hängt die optimale Höhe der Lenkungssteuer auch von der gewählten Rückerstattungsoption ab (Chichilnisky &
5                                            Heal, 1994).
Reformoptionen für ein nachhaltiges Steuer- und Abgabensystem - Ariadne-Kurzdossier
rung der Steuerhöhe an die Inflation    maß der Schäden als auch ihre Quantifi-                                                 Fahrzeugen, unzureichendes Infrastruk-
     beseitigt dieses Problem. Darüber       zierung mit erheblichen Unsicherheiten                                                  turangebot (z.B. Ladesäulen, Stromnetze
     hinaus können sich auch die exter-      verbunden.                                                                              oder öffentlicher Personenverkehr), feh-
     nen Kosten bzw. die Bewertung der                                                                                               lende Anreize zur energetischen Sanie-
     Umweltschäden im Laufe der Zeit         Aufgrund der erheblichen und schwer                                                     rung aufgrund von Mietverhältnissen
     ändern, so dass die Steuersätze ent-    quantifizierbaren Risiken einer unge-                                                   oder Kreditbegrenzungen. In solchen Si-
     sprechend angepasst werden müs-         bremsten Erwärmung hat sich die inter-                                                  tuationen bedarf es daher gezielter wei-
     sen (Edenhofer, Franks, et al., 2021;   nationale Gemeinschaft im Pariser Kli-                                                  terer Maßnahmen wie Förderprogram-
     Metcalf & Weisbach, 2009).              maabkommen auf eine Begrenzung der                                                      me, Steuern oder Regulierung, damit
                                             Erderwärmung auf unter 2°C verpflich-                                                   Umweltsteuern ihre volle Lenkungswir-
4.   Ein Teil der Steuereinnahmen sollte     tet. Dieses Vorsorgeprinzip kann als eine                                               kung entfalten können (Bennear & Sta-
     zur Entlastung von Haushalten ver-      Verallgemeinerung von Pigous Idee der                                                   vins, 2007; Fischer & Newell, 2008;
     wendet werden. Dadurch können           Umweltsteuer aufgefasst werden, bei der                                                 Goulder & Parry, 2008).
     soziale Härten bzw. Schieflagen ver-    die Aversion der Gesellschaft vor existen-
     mieden und die Akzeptanz erhöht         ziellen Risiken berücksichtigt wird (Eden-                                              Im Folgenden möchten wir nun einige
     werden (Klenert et al., 2018).7         hofer, Franks, et al., 2021; Pigou, 1920).                                              Bereiche untersuchen, in denen externe
                                             Doch auch im Fall von vorgegebenen                                                      Effekte und damit Pigou-Steuern beson-
Ob die Umweltsteuer als echte Steuer         Umwelt- oder Klimazielen stellen Um-                                                    ders relevant sein können. Dabei wollen
oder als Umweltabgabe umgesetzt wird,        weltsteuern eine attraktive Politikmaß-                                                 wir erstens skizzieren, welche Umwelt-
ist aus ökonomischer Sicht dabei uner-       nahme dar, weil die Ziele zu geringsten                                                 und Gesundheitsprobleme hohe volks-
heblich. Ebenso kann eine indirekte Be-      wirtschaftlichen Kosten erreicht werden                                                 wirtschaftliche Schäden anrichten – wo
preisung von externen Kosten – bei-          können. Im sogenannten Kosteneffektivi-                                                 also Lenkungssteuern einen beträchtli-
spielsweise durch ein Emissionshandels-      täts-Ansatz orientiert sich die Steuer je-                                              chen Wohlfahrtsgewinn versprechen (Ab-
system – sehr ähnlich zu einer Umwelt-       doch nicht an den externen Kosten;                                                      schnitt 3). Zweitens wollen wir mögliche
steuer wirken (Edenhofer et al., 2019).      stattdessen wird sie so hoch gesetzt,                                                   Handlungsfelder und Einstiegspunkte
Obwohl die genannten Bepreisungsfor-         dass sie ein Umwelt- bzw. Klimaziel er-                                                 für Reformen aufzeigen (Abschnitt 4),
men unterschiedliche rechtliche Begriffe     reicht. Kosteneffektive Umweltsteuern                                                   weil bestehende Steuern und Abgaben
darstellen und damit auch unterschiedli-     sollten sich zudem ebenfalls an den vier                                                mit Umweltbezug meist nicht anhand
che rechtliche Anforderungen erfüllen        oben genannten Kriterien orientieren,                                                   der vier oben genannten Kriterien ausge-
müssen, können sie eine gleichwertige        damit Umweltziele zu den geringsten                                                     richtet sind. Schließlich besprechen wir
Lenkungswirkung erzielen.                    volkswirtschaftlichen Kosten erreicht                                                   institutionelle Fragen der Umsetzung
                                             werden. Ähnlich wie bei der Pigou-Steuer                                                und Ausgestaltung.
Richtet sich die Umweltsteuer nach den       bieten sich auch hier regelbasierte Me-
externen Kosten (Pigou-Steuer), so führt     chanismen an, die bei (voraussichtlicher)
die Steuer zu einer optimalen Verringe-      Verfehlung des Umweltziels den Steuer-
rung umweltschädlicher Aktivitäten.8 Wie     satz automatisch anpassen (Aldy, 2017).
bereits dargestellt, erhöht sich somit der   Die Einnahmen aus der Steuer können
gesellschaftliche Wohlstand, weil die ver-   zudem analog zur Pigou-Steuer ebenfalls
miedenen Umweltschäden die Kosten            für Kompensationsmaßnahmen genutzt
des Umweltschutzes überwiegen. Aller-        werden, um eine gerechte Verteilung der
dings bedarf es für diesen sogenannten       Kosten zu erzielen.
Kosten-Nutzen-Ansatz einer ausreichend
verlässlichen und umfassenden Quantifi-      Die hier dargestellten vorteilhaften Kos-
zierung der Umweltschäden. In vielen         ten- und Wohlfahrtseffekte von Umwelt-
Bereichen – insbesondere beim Klima-         steuern können jedoch in der Praxis
wandel – können wir bisher nur einen         durch weitere Marktversagen reduziert
Teil der Umwelt- und Klimaschäden vali-      werden. Insbesondere können Marktver-
de quantifizieren, wie z.B. die Verringe-    sagen die Lenkungswirkung von Umwelt-
rung der Produktivität, erhöhte Sterb-       steuern stark einschränken. Beispiele da-
lichkeit oder erhöhte Energieausgaben.       für sind geringe Anreize für Innovationen
Bei anderen Klimafolgen, wie z.B. Arten-     in ressourcensparende und saubere
sterben, Häufung von Extremereignis-         Technologien (Innovationsmarktversa-
sen, Überschreitung von Kippelementen        gen), fehlende Informationen bzw. un-
im Erdsystem oder erhöhten Risiken ge-       vollständige Berücksichtigung des Ener-
waltsamer Konflikte, ist sowohl das Aus-     gieverbrauchs von Geräten und

                                             7 Darüber hinaus kann ein Teil der Steuereinnahmen zur Entlastung von im Wettbewerb stehenden Unternehmen verwendet werden, um Abwanderung zu verhindern (Eden-
                                             hofer et al., 2019; SVR, 2019; UNEP, 2020). Dies gilt jedoch nur bei grenzüberschreitenden Umweltproblemen, da eine Abwanderung bei lokalen Umweltproblemen in Gegen-

6                                            den mit geringeren externen Kosten sogar wirtschaftlich sinnvoll sein kann.
                                             8 Insbesondere führen Umweltsteuern im Allgemeinen nicht zu einer vollständigen Eliminierung der jeweils adressierten Umweltverschmutzung.
3. EXTERNE KOSTEN UND
       MÖGLICHE LENKUNGS-
       STEUERN IM BEREICH
       UMWELT UND GESUNDHEIT

    Grundlage für Lenkungssteuern sind die                                                   Nationen, dem Pariser Klimaabkommen
    externen Kosten umwelt- und gesund-                                                      oder den jüngsten EU-Beschlüssen zum
    heitsschädlicher Aktivitäten. Wir geben                                                  European Green Deal formuliert sind.
    im Folgenden einige Beispiele für exter-
    ne Kosten in den Bereichen Umwelt und                                                    Zur Berechnung der gesellschaftlichen
    Gesundheit, da diese eng miteinander                                                     Gesamtkosten verwenden wir aufgrund
    verknüpft sind: Umweltprobleme wie                                                       der Studienlage meist die Durchschnitts-
    Luftverschmutzung verursachen oft ge-                                                    kosten der jeweiligen Externalität (z.B. ei-
    sundheitliche Schäden und der Konsum                                                     ner Tonne CO2 oder einer Tonne Stick-
    von Fleisch ist mit Umweltfolgen und ge-                                                 stoff). Damit wird ein linearer Zusam-
    sundheitlich negativen Folgen verbun-                                                    menhang zwischen Emission bzw. Aktivi-
    den. Die hier angestellten Überlegungen                                                  tät und Schadensumfang als erste Nähe-
    lassen sich allerdings auch auf andere                                                   rung angenommen. Durch diese Verein-
    Bereiche, in denen es externe Effekte                                                    fachung entsprechen die Steuerein-
    gibt, übertragen (z.B. in der Finanzindus-                                               nahmen einer (idealisierten) Pigou-Steu-
    trie, in Bildung und Forschung oder im                                                   er den gesamten externen Kosten.10 Die
    Bereich der Digitalisierung).9                                                           betrachteten Durchschnittskosten ver-
                                                                                             nachlässigen zudem die räumliche Varia-
    Tabelle 1 erläutert beispielhaft eine Aus-                                               bilität von externen Kosten: So ist bei-
    wahl an Umwelt- und Gesundheitsberei-                                                    spielsweise eine zusätzliche Tonne
    chen, in denen externe Kosten anfallen.                                                  Stickstoffeintrag in bereits stark belaste-
    Dabei werden die wesentlichen Ursa-                                                      ten Regionen mit höheren Kosten ver-
    chen, Wirkungen und Bepreisungsmög-                                                      bunden als in weniger stark belasteten
    lichkeiten dargestellt. Bei der Auswahl                                                  (SRU, 2015). Ähnliches gilt für die Luft-
    der verschiedenen externen Kosten be-                                                    verschmutzung oder die Übernutzung
    rücksichtigen wir dabei begutachtete Ar-                                                 von Infrastruktur, wo neben der räumli-
    tikel und qualitativ hochwertigen Fach-                                                  chen auch noch eine zeitliche Kompo-
    zeitschriften sowie Kostenberechnungen                                                   nente hinzukommt (Knittel & Sandler,
    in offiziellen Regierungsberichten. Die                                                  2018). Eine optimal ausgestaltete Pigou-
    aufgezeigten Problemfelder sind eng mit                                                  Steuer sollte in diesen Fällen ebenfalls
    politischen und gesellschaftlichen Zielen                                                räumlich und gegebenenfalls auch zeit-
    verbunden, wie sie in der deutschen                                                      lich differenziert werden, um die exter-
    Nachhaltigkeitsstrategie, den Sustaina-                                                  nen Kosten an jedem Ort und zu jeder
    ble Development Goals der Vereinten                                                      Zeit widerzuspiegeln und damit optimale

    9 Lockwood, Nathanson, und Weyl (2017) etwa untersuchen die externen Kosten bzw. Nutzen bestimmter Berufsgruppen (wie Finanzinvestoren, Rechtsanwälte, Lehrkräfte
    oder ForscherInnen) für die USA und leiten daraus Einkommenssteuern und -subventionen ab, die deren externen Effekte berücksichtigen.
7
    10 Bei steigenden externen Grenzkosten sind die Steuereinnahmen im Allgemeinen höher als die Summe der externen Kosten.
Verhaltensanpassungen zu ermöglichen.
Weil eine derartige Ausdifferenzierung in
der Praxis aufgrund der Informationsan-
forderungen schwierig sein kann, könnte
auch mit einfach konzipierten Pigou-
Steuern in Hotspots (wie z.B. eine City-
Maut zur Senkung der Luftverschmut-
zung) näherungsweise in die Bepreisung
eingestiegen werden.

Tabelle 1: Überblick über eine Auswahl externer Effekte, deren Auswirkungen und möglicher Lenkungssteuern und –abgaben
Forsetzung auf folgender Seite

    Problembereich                        Ursache                           Auswirkungen und Schäden                              Mögliche Steuern bzw.
                                                                                 (externe Effekte)                                  Preisinstrumente
Antibiotikaeinsatz        Antibiotika werden zur                     Die Verwendung von Antibiotika trägt zur            •    Steuer auf Antibiotikaverwendung,
                          Infektionsbehandlung eingesetzt. In der    Entwicklung von Antibiotika-Resistenzen bei, die         insbesondere in der Tiermast
                          Tiermast haben sie leistungssteigernde     nicht nur andere Tierbestände sondern
                          Wirkung.                                   insbesondere Mensch betreffen. Infektionen mit
                                                                     resistenten Bakterien sind dann nicht mehr durch
                                                                     bereits vorhandene Antibiotika behandelbar.

Flächenverbrauch          Verkehrsinfrastruktur, Siedlungs-,         Verringerung und Fragmentierung der                 •    Bodensteuern
                          Gewerbe- und Erholungsflächen,             Lebensräume von Tieren und Pflanzen;
                          Agrarflächen                               Anstauung/Umlenkung von Wasserabflüssen und Pragmatischer Einstieg:
                                                                     Bodenerosion durch Versiegelung; Verringerung       •    Bodenumwandlungssteuer
                                                                     von Erholungsflächen                                •    Flächenzertifikatehandel (UBA, 2019)

Gesundheitsschädlicher    Übermäßiger Konsum bestimmter              Die anfallenden Behandlungskosten und               •    Erhöhung und Anpassung von Alkohol-
Konsum                    Genuss- und Lebensmittel (wie z.B.         Produktivitätsausfälle werden über die                   und Tabaksteuern an Gesundheitskosten
                          Alkohol, Tabak, Zucker, Fleisch, Fette)    Sozialversicherungen und das Steuersystem           •    Einführung von Steuern auf Zucker,
                          wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus sozialisiert.                                             (verarbeitetes) Fleisch und Fette anhand
                                                                                                                              der Gesundheitskosten

                                                                                                                         Pragmatischer Einstieg:
                                                                                                                         •    Zuckersteuer auf gesüßte Produkte
                                                                                                                              (gesüßte Getränke, Fast Food,
                                                                                                                              verarbeitete Lebensmittel und
                                                                                                                              Fertiggerichte)

Gewässereutrophierung durch Verwendung von Kunstdünger (bei          Eintrag ins Grundwasser muss wegen                  •    Stickstoffüberschussabgabe
Stickstoff- und           Stickstoff auch bei der Ausbringung von    gesundheitlicher Gefährdung durch Beimischung       •    Phosphorüberschussabgabe
Phosphoreintrag           Gülle bzw. Wirtschaftsdünger) in der       von unbelastetem Trinkwasser ausgeglichen
                          Landwirtschaft; Abwasser aus               werden. In Oberflächengewässern führen Stickstoff
                          Kläranlagen                                und Phosphor zu Eutrophierung, Zerstörung von
                                                                     Ökosystemen und Rückgang der Artenvielfalt; in
                                                                     großen Gewässern (z.B. der Ostsee) kommt es zu
                                                                     Algenblüten und Fischsterben durch
                                                                     Sauerstoffmangel.

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Fortsetzung Tabelle 1: Überblick über eine Auswahl externer Effekte, deren Auswirkungen und möglicher Lenkungssteuern und -
abgaben

    Problembereich                         Ursache                            Auswirkungen und Schäden                               Mögliche Steuern bzw.
                                                                                   (externe Effekte)                                   Preisinstrumente

Klimawandel                Treibhausgas-                               Globale Erwärmung (um bis zu 5°C bis 2100            •    Einführung bzw. Anhebung der
                           emissionen (THG) sind Nebenprodukt aus relativ zur Temperatur vor der Industrialisierung),            Mindestpreise im EU-ETS und im nEHS
                           der Verbrennung fossiler Energieträger      Meeresspiegelanstieg (um bis zu 100 cm bis           •    Einführung umfassender CO2-Bepreisung
                           oder der Landnutzung sowie                  2100), Versauerung der Ozeane, Reduktion der              bzw. THG-Bepreisung in der
                           landwirtschaftlichen und industriellen      landwirtschaftlichen Erträge, Verknappung von             Landwirtschaft
                           Prozesse, die u.a. CO2, Methan und          Wasser und Land, vermehrtes Artensterben,
                           Lachgas freisetzen.                         Ausbreitung von (Infektions-)Krankheiten, extreme
                                                                       Wetterereignisse, wirtschaftliche Schäden und
                                                                       Produktionseinbußen (IPCC, 2014).

Lokale Luftverschmutzung   Energiewirtschaft, industrielle und         Feinstaub und bodennahes Ozon verursachen            •    Regional und zeitlich differenzierte
                           landwirtschaftliche Produktion wie auch     Erkrankungen der Atemwege, des Herz-Kreislauf-            Mautgebühren, abhängig von
                           Verkehr emittieren Feinstaub oder dessen und des Nervensystems; führt zu vorzeitigen                  Schadstoffklasse des Fahrzeugs
                           Vorläufersubstanzen; Stickoxide und         Todesfällen und Produktivitätsverlusten und zu       •    Abgaben für Feinstaub, Schwefeldioxid,
                           flüchtige organische Verbindungen           Kosten für das Gesundheitssystem.                         organische chemische Verbindungen etc.,
                           verursachen bodennahes Ozon.                                                                          die in der Energiewirtschaft und Industrie
                                                                                                                                 entstehen, differenziert nach
                                                                                                                                 Schadstofftyp, Siedlungsdichte,
                                                                                                                                 Hintergrundbelastung

                                                                                                                            Pragmatischer Einstieg:
                                                                                                                            •    City-Maut für belastete Städte

Nutzung der                Kosten der Bereitstellung und Wartung       Staus verursachen Zeitkosten und                     •    Differenzierte Mautsysteme
Verkehrsinfrastruktur      von Verkehrsinfrastruktur; Nutzung geht Produktivitätsverluste; Verkehrslärm verursacht
                           mit Staus, Unfällen und Lärmbelastung       Kosten für das Gesundheitssystem und                 Pragmatischer Einstieg:
                           einher                                      Produktivitätsverluste; Unfälle verursachen          •    Ausweitung der LKW-Maut für
                                                                       menschliches Leid, medizinische Kosten,                   Fernstraßen auf alle Kraftfahrzeuge
                                                                       Behandlungskosten, Arbeitsausfälle, Staus und        •    City-Maut für verstopfte Städte
                                                                       Verwaltungskosten, die nur teilweise von
                                                                       Versicherungen abgedeckt werden.

Pestizideinsatz            Pestizide töten unerwünschte Pflanzen,      Die Verwendung von Pestiziden ist auch für Nicht- •       Einführung von Steuern auf
                           Pilze und Tiere ab.                         Zielorganismen schädlich. Dadurch reduzieren sie          Pestizideinsatz
                                                                       die Biodiversität. Pestizide können zudem auch für
                                                                       Menschen gesundheitsschädlich sein.

Plastikmüll                Plastik ist in vielen Gütern verarbeitet (z.B. Aufgrund der langen Abbauzeit reichert sich       •    Pfandsysteme
                           in Verpackungen, Bekleidung, aber auch      Plastik in den Meeren, aber auch in Böden und        •    Plastiksteuern (abhängig von
                           in produzierenden Maschinen oder als        über die Nahrungsketten auch in Tieren und im             Abbaugeschwindigkeit des
                           Form von Mikroplastik in Kosmetika)         menschlichen Körper an. Folgen sind: Rückgang             Plastikproduktes)
                                                                       der Biodiversität, Schäden in Fischerei und
                                                                       Tourismusbranche, Gesundheitskosten.

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Abbildung 3 fasst die externen Kosten                              landsprodukts. Die größten Kostenblö-                        in Deutschland betragen demgegenüber
aus den in Tabelle 1 dargestellten Berei-                          cke fallen in den Bereichen Klima, Ver-                      107 Mrd. Euro und decken damit weniger
chen zusammen und stellt sie bisherigen                            kehr und Gesundheit an. Allerdings gibt                      als ein Viertel der externen Kosten. Len-
Einnahmen aus Lenkungs- und Ver-                                   es auch in einigen Bereichen bisher kei-                     kungssteuern und -abgaben machen
brauchssteuern und Abgaben gegen-                                  ne umfassenden Abschätzungen zu den                          derzeit etwa 13% der gesamten Einnah-
über. Die externen Kosten sind als Richt-                          externen Kosten (z.B. Pestizideinsatz,                       men von Bund, Ländern und Gemeinden
werte zu verstehen, weil Unsicherheiten                            Plastikeintrag in die Umwelt), sodass                        aus; eine konsequente Bepreisung exter-
und verschiedene Quantifizierungen vor-                            hier tendenziell von höheren Kosten aus-                     ner Kosten würde über die bestehenden
liegen (Roolfs et al. 2021a). Insgesamt                            zugehen ist.                                                 Einnahmen durch Lenkungssteuern
belaufen sich die externen Kosten in al-                           Die gegenwärtigen Gesamteinnahmen                            kurzfristig über 348-564 Mrd. Euro an
len Bereichen auf 455-671 Mrd. Euro im                             durch CO2-Preise, LKW-Maut, Energie-                         Mehreinnahmen mobilisieren. Dies be-
Jahr und damit auf 13-19% des Bruttoin-                            steuern und sonstige Verbrauchssteuern                       trägt 44-71% der gesamten Steuerein-

Abb. 3: Höhe der externen Kosten (in Mrd. Euro pro Jahr) sowie der Einnahmen durch bestehende Steuern und Abgaben
(negativ, blau dargestellt)

Anmerkung: Die Grafik unterscheidet folgende Kostenblöcke: „Min. externe Kosten” (brauner Balken) bedeutet, dass die zugrundeliegenden Studien eine Kostenschätzung haben oder bei
mehreren Kosten in dieser Grafik das niedrige Kostenszenario einer Studie zugrunde liegt. „Weitere Abschätzung” (gelber Balken) bedeutet, dass die zugrundeliegenden Studien auch zu höhe-
ren Kostenabschätzungen kommen. Ein Problembereich markiert mit *, wie beispielsweise Antiobiotikaeinsatz*, bedeutet, dass Unsicherheit aufgrund methodischer Schwierigkeiten oder ge-
ringer Anzahl von Studien hoch ist. Die weißen Balken geben an, dass in einigen Bereichen davon ausgegangen wird, dass die Kosten durch Quantifizierung weiterer Schadenswirkungen noch
deutlich höher ausfallen könnten. Externe Kosten im Bereich Verkehr umfassen Infrastrukturnutzung, Staus, Lärm sowie Unfälle; externe Kosten durch gesundheitsschädlichen Konsum um-
fassen von der Allgemeinheit getragene Gesundheitskosten durch Zucker-, Alkohol-, Tabak- und Fleischkonsum. Gewässereutrophierung umfasst Stickstoff- und Phosphoreinträge durch Dün-
gung und Abwasser. Externe Kosten beziehen sich auf die Gesamtmenge an Schäden, die durch Emissionen und wirtschaftliche Aktivitäten in Deutschland verursacht werden. Das schließt
auch Schäden ein, die - wie beim Klimawandel oder der Gewässereutrophierung - auch in anderen Ländern entstehen. Die externen Kosten des Einsatzes von Antibiotika umfassen hier sowohl
den Bereich der Tiermast als auch den Einsatz am Menschen, da die Datenlage keine klare Ausdifferenzierung zulässt.

Quelle: Eigene Darstellung. Details zur Berechnung: siehe Roolfs et al., 2021a.

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nahmen und übersteigt die gesamten           Abb. 4: Zusammensetzung derzeitiger Gesamtsteuereinnahmen und Lenkungs-
Einnahmen aus Lohnsteuern und veran-         abgaben
lagten Einkommensteuern (siehe Abb. 4).
Allerdings ist mittelfristig von sinkenden
Einnahmen auszugehen, weil sich die
Steuerbasis (das Ausmaß der Umwelt-
verschmutzung und anderer Externalitä-
ten) infolge der Lenkungswirkung verrin-
gert.

Während in einigen Bereichen überhaupt
keine Lenkungssteuern vorhanden sind
(Luftverschmutzung, Überdüngung/
Stickstoff), sind in anderen Bereichen die
bestehenden Steuern nicht sehr zielge-
nau (wie z.B. die Stromsteuer). Eine stär-
kere Ausrichtung von Umweltsteuern an
den tatsächlichen umweltrelevanten
Emissionen oder Aktivitäten würde die
Lenkungswirkung verstärken.

                                             Lenkungsausgaben: LKW-Maut, CO2-Preis durch EU-ETS und nEHS; mögliches Potenzial zusätzlicher Einnahmen durch voll-
                                             ständige Bepreisung externer Kosten basierend auf Abb. 2.

                                             Quelle: Roolfs et al. 2021a. Einnahmen des nationalen Emissionshandels sind prognostizierte Werte für 2021.

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4. PRIORITÄRE HANDLUNGS-
                                                                  FELDER FÜR DIE ENERGIE-
                                                                  WENDE
                                                               Im Kontext der Energiewende ergeben sich vier konkrete Handlungsfelder, in denen die Einfüh-
                                                               rung oder Anpassung von Steuern und Abgaben nach dem Prinzip der externen Kosten beson-
                                                               ders relevant ist. Diese werden im Folgenden dargestellt.

                                                                                                                                          CO2 für das Jahr 2020 mit 80-150 Euro/
                                                               4.1                                                                        tCO2. Obwohl diese Zahl nur einen Teil
                                                               CO2-Preise an externen Kosten                                              der Klimaschäden abbildet11, ist sie be-
                                                               ausrichten                                                                 reits um ein Vielfaches höher als die ak-
                                                                                                                                          tuellen und erwarteten Preise im europä-
                                                               Basierend auf den wirtschaftlichen Schä-                                   ischen (EU-ETS) und im nationalen
                                                               den bisheriger Temperaturschwankun-                                        Emissionshandelssystem (EHS) (siehe
                                                               gen quantifizieren Kalkuhl und Wenz                                        Abb. 5). Um diese Diskrepanz zu verrin-
                                                               (2020) die externen Kosten einer Tonne                                     gern, könnten die Menge der Zertifikate
                                                                                                                                          im EU-ETS reduziert sowie zur Absiche-
                                                                                                                                          rung entsprechende Mindestpreise ein-
Abb. 5: Aktuelle bzw. erwartete CO2-Preise und exemplarisch externe Kosten einer                                                          geführt werden, so dass der Zertifikate-
Tonne CO2                                                                                                                                 preis stärker die externen Kosten des
                                                                                                                                          Klimawandels widerspiegelt. Darüber
                                                                                                                                          hinaus könnten der anfänglich im nEHS
                                                                                                                                          festgelegte nationale CO2-Preispfad und
                                                                                                                                          später der Mindestpreispfad entspre-
                                                                                                                                          chend erhöht oder die bestehenden fos-
                                                                                                                                          silen Energiesteuern entsprechend ange-
                                                                                                                                          hoben werden. Dabei sollte sich auch die
                                                                                                                                          Verschärfung der europäischen Minde-
                                                                                                                                          rungsziele im Rahmen des EU Green
                                                                                                                                          Deals in einer weiteren Verknappung von
                                                                                                                                          Zertifikaten und damit steigenden CO2-
                                                                                                                                          Preisen widerspiegeln. Würde das natio-
                                                                                                                                          nale Emissionshandelssystem durch ein
                                                                                                                                          neu zu schaffendes, zweites europäi-
                                                                                                                                          schen Emissionshandelssystem für den
                                                                                                                                          Wärme- und Verkehrssektor abgelöst
                                                                                                                                          (Edenhofer, Kosch, et al., 2021), könnten
Quelle: Eigene Darstellung basierend auf Kalkuhl und Wenz (2020). Die Preise im EU-ETS für 2025 sind den entsprechenden                   sich auch hier Zertifikatemenge und Min-
Future Contracts entnommen (Stand: Anfang März 2021).
                                                                                                                                          destpreise an den externen Kosten orien-
                                                                                                                                          tieren.

                                                                11 Vernachlässigte Schäden sind bspw. Schäden durch Meeresspiegelanstieg, Extremereignisse, Verlust von Biodiversität oder Gesundheits- und
                                                                Mortalitätsfolgen, die aufgrund methodischer Aspekte in der Schadensberechnung nicht erfasst werden konnten.

12
4.2                                                              preisung von Treibhausgasemissionen                                 zwischen verschiedenen Umweltwirkun-
Bepreisung von Treibhausgasen                                    würde zum Beispiel Milch und Fleisch-                               gen einbezieht.
und externen Effekten in der                                     produkte verteuern und damit zu einem
Landwirtschaft und im Landnut-                                   Produktionsrückgang besonders klima-                                Eine konsequente Bepreisung von Treib-
zungssektor                                                      schädlicher Produkte führen (Isermeyer                              hausgasen und anderen externen Effek-
                                                                 et al., 2019). Gleichzeitig würde eine                              ten darf sich jedoch nicht nur auf Steu-
Die Brutto-Emissionsflüsse (die Summe                            THG-Bepreisung in der Landwirtschaft                                ern und Abgaben beschränken,
aus positiven wie negativen Emissionen)                          auch den Stickstoffeintrag durch Futter-                            zusätzlich sollte sie umweltförderliche
in der Landwirtschaft und der Landnut-                           mittelanbau und Tierhaltung beeinflus-                              Prozesse (positive externe Effekte) nach
zung addieren sich auf ein Fünftel der                           sen, der durch die Nachfragereduktion                               dem gleichen Maßstab fördern. Dies be-
gesamten deutschen Treibhausgasemis-                             sinken würde – aber durch Substituti-                               trifft zum Beispiel die CO2-Entnahme aus
sionen (siehe auch Abb. 6). Dieser Anteil                        onseffekte wie vermehrten Schweine-                                 der Atmosphäre durch Waldnutzung und
wird weiter steigen, denn bislang werden                         fleischkonsum aufgrund der „besseren”                               Aufforstung. In Zukunft könnten auf-
diese Emissionen weder von Beprei-                               CO2-Bilanz gegenüber Rindfleisch auch                               grund des hohen Bedarfs an Kohlenstof-
sungssystemen abgedeckt noch durch                               erhöht werden kann. Ähnliche Interaktio-                            fentnahme aus der Atmosphäre zur Er-
andere Maßnahmen effektiv reguliert                              nen bestehen für andere Umweltproble-                               reichung von Klimaneutralität auch
(UBA, 2020a).                                                    me in der Landwirtschaft wie Pestizid-                              Verfahren zum Bodenkohlenstoffaufbau
                                                                 und Antibiotikaeinsatz, Flächenver-                                 (Agroforstsysteme, Fruchtfolgen) und zur
Viele landwirtschaftliche Umweltproble-                          brauch und Habitatverluste. Eine konse-                             Abscheidung von CO2 aus Bioenergie
me sind mit dem Klimaproblem ver-                                quent an externen Effekten ausgerichte-                             (BECCS) großflächig zum Einsatz kom-
knüpft (siehe Tabelle 1) und könnten                             te Bepreisung würde dagegen                                         men. Die hohe Nachfrage nach Bioener-
durch eine angemessene Bepreisung                                „systemische“ Anreize setzen, weil sie                              gie führt dabei jedoch zu einem erhebli-
adressiert werden. Eine konsequente Be-                          positive wie negative Wechselwirkungen                              chen Flächenverbrauch (von bis zu 25%

Abb. 6: Treibhausgasemissionen und Potenziale zur CO2-Entnahme (grüne Balken) in Mt CO2 pro Jahr

Quelle: Eigene Darstellung basierend auf UBA12 (Emissionen 2018) sowie Edenhofer, Eggers et al., 2021 (CO2-Speicherpotenzial).

                                                                 12 https://www.umweltbundesamt.de/daten/land-forstwirtschaft/beitrag-der-landwirtschaft-zu-den-treibhausgas sowie
                                                                 https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland/emissionen-der-landnutzung-aenderung

13
der Agrarfläche Deutschlands, s. Edenho-      sollte Innovationen und Marktreife der                                    ge et. al (2020) für verschiedene Reform-
fer, Eggers, u. a. (2021)) und könnte         erneuerbaren Energien befördern,                                          optionen).14
auch Einfluss auf Biodiversität sowie         Stromsteuer wie auch EEG-Umlage ge-
Nährstoff- und Pestizideinträge haben.        ben wiederum durch höhere Preise An-                                      Hohe Strompreise und das EEG belasten
Alle diese Effekte können und müssen          reize für eine Reduktion des Stromver-                                    gerade einkommensschwache Haushalte
mit zusätzlichen Instrumenten oder ei-        brauchs. Allerdings stellt der Strom-                                     überproportional (Bach et al., 2017,
ner an den externen Kosten ausgerichte-       verbrauch an sich noch kein Umweltpro-                                    2018, 2019; Edenhofer et al., 2019;
ten Bepreisung berücksichtigt werden.         blem dar. Mit der Stromproduktion ver-                                    Frondel et al., 2017; Nikodinoska &
So wird kein Ziel auf Kosten eines ande-      bundene Umweltwirkungen wie CO2-                                          Schröder, 2016), deshalb sind bei einer
ren Ziels verfolgt und gleichzeitig eine      Emissionen, Luftverschmutzung oder                                        Reform der Strompreiskomponenten
optimale Aufteilung der Kosten erreicht.      Flächenverbrauch würden jedoch durch                                      auch verteilungspolitische Effekte höchst
                                              zielgenaue Preisinstrumente wesentlich                                    relevant. Eine Refinanzierung aus den
Eine große Herausforderung in der Land-       besser und vor allem kostengünstiger                                      Einnahmen bereits bestehender CO2-
wirtschaft ist derzeit noch die Messung       vermieden werden.                                                         Preise oder dem allgemeinen Steuer-
und Verifizierung von abgegebenen oder                                                                                  haushalt würde daher neben den ange-
entnommenen Emissionen. Bei der CO2-          In einem zunehmend dekarbonisierten                                       sprochenen Effizienzgewinnen besonders
Entnahme muss auch die Permanenz der          Stromsektor stellen die hohen Steuern                                     den Haushalten mit geringerem Einkom-
Entnahme richtig erfasst und berück-          und Abgaben jedoch ein Hindernis für                                      men zugutekommen.
sichtigt werden. Hier gibt es bereits eini-   die Energiewende dar. Denn die Dekar-
ge Ansätze (Stoffstrombilanzen, Kohlen-       bonisierung der Stromversorgung ist                                       4.4
stoffbilanzen, Bodenkohlenstoffkataster       deutlich rascher und günstiger umsetz-                                    Energiesteuern und Mautsyste-
– siehe Isermeyer et al. (2019)), über die    bar als der Einsatz CO2-freier Brennstof-                                 me
eine Bepreisung eingeführt werden kann.       fe. Die Elektrifizierung bisher nicht-elek-
Allerdings entstehen bei den bestehende       trischer, fossiler Energiebedarfe – also                                  Der Verkehrssektor verursacht über die
Messmethoden oft auch signifikante Kos-       zum Beispiel durch den Einsatz batterie-                                  CO2-Emissionen hinaus erhebliche exter-
ten, die gegebenenfalls erst über neuar-      elektrischer Fahrzeuge im Verkehr oder                                    ne Kosten in anderen Bereichen, die mit
tige Mess- und Berechnungsverfahren           elektrisch betriebener Wärmepumpen im                                     den bisherigen Energiesteuersätzen
wie zum Beispiel Fernerkundung oder Di-       Wärmebereich – ermöglicht daher kos-                                      nicht zielgenau bepreist werden (siehe
gitalisierung der Landwirtschaft deutlich     tengünstige CO2-Einsparungen. Eine Ab-                                    Abb. 3): Die externen Kosten durch Infra-
gesenkt werden können. Ein pragmati-          senkung von EEG-Umlage und Strom-                                         strukturnutzung, Stau, Lärm, Feinstaub
scher erster Schritt in den Einstieg in       steuer könnte so beispielsweise strom-                                    oder Unfälle werden teilweise auch von
eine umfassende THG-Bepreisung könn-          betriebene PKW auch ohne Subventionen                                     Fahrzeugen mit geringem Kraftstoffver-
te deshalb eine Besteuerung von End-          deutlich wettbewerbsfähiger machen;                                       brauch sowie von Elektrofahrzeugen ver-
produkten anhand pauschalierter Um-           ähnliches gilt für Wärmepumpen im Wär-                                    ursacht und können zudem abhängig
weltwirkungen darstellen (Isermeyer et        mebereich (Maurer et al., 2020).                                          von Ort (Stadt vs. Land) und Zeit (Stoß-
al., 2019), auch wenn sich hierbei die                                                                                  zeiten vs. Wochenende) sein (Dender,
Lenkungswirkung zunächst vor allem auf        Eine Absenkung von Stromsteuer und                                        2019). Selbst bei einer deutlichen Anhe-
den Konsum bestimmter Produkte be-            EEG-Umlage würde also die Dekarboni-                                      bung der CO2-Preise würden externen
schränken würde und noch nicht auf die        sierung anderer Sektoren erheblich be-                                    Kosten im Verkehrsbereich deshalb noch
Produktionsprozesse selbst.                   schleunigen – die ausfallenden Einnah-                                    unzureichend bepreist.
                                              men müssen jedoch refinanziert werden.
4.3                                           Dies kann durch Zuschüsse aus dem                                         Durch Ausweitung und Einführung von
Sektorkopplung und Strom-                     Haushalt, dem Energie- und Klimafonds                                     Mautsystemen könnten Gebühren verur-
preise                                        (der durch auf Deutschland entfallende                                    sachergerecht anhand der Infrastruktur-
                                              Auktionserlöse im EU-ETS finanziert                                       nutzung und der externen Kosten (durch
Haushaltskunden in Deutschland zahlen         wird), oder durch Einführung einer Steu-                                  Staus und Verstopfung, Luftverschmut-
für Abgaben und Steuern auf Strom             er oder Abgabe auf andere Energieträger                                   zung oder Lärm) erhoben werden. Weil
etwa doppelt so viel wie der europäische      erfolgen. Aus klimapolitischer Sicht wür-                                 stark ausdifferenzierte Mautsysteme je-
Durchschnitt.13 Dies liegt insbesondere       de eine Anpassung des nationalen CO2-                                     doch gerade für Land- und Kommunal-
an Stromsteuer, Netzentgelten sowie der       Preises, des Preises im EU-ETS oder eine                                  straßen mit hohen Verwaltungskosten
EEG-Umlage. Stromsteuer und EEG-Um-           am CO2-Gehalt orientierte Energiesteuer                                   verbunden sind, sind folgende pragmati-
lage sind hauptsächlich umwelt- und kli-      größtmögliche Lenkungswirkung entfal-                                     sche Einstiegsoptionen denkbar:
mapolitisch motiviert: die EEG-Umlage         ten (siehe Maurer et al. (2020) und Geor-

                                               13 EUROSTAT, online date code nrg_pc_204
                                               14 Über die Abschaffung der Stromsteuer und der EEG-Umlage hinaus würde auch die Umlage der Netzentgelte auf (monatliche) Grundpreise
                                              das Prinzip der Verursachergerechtigkeit stärken und weitere Anreize zur Sektorkopplung und zum Einsatz von Speichertechnologien setzen. Der
                                              wesentliche Kostenfaktor der Stromnetze ist vor allem die gesamte Netzkapazität bzw. der Gleichzeitigkeitsfaktor der gesamten angeschlossenen
                                              Leistung [W] und nicht die entnommene Energiemenge [Wh], wie sie derzeit verbrauchsbezogen insbesondere für kleine Verbraucher abgerech-
                                              net wird. Daher würde eine verursachergerechte (kostenreflexive) Bepreisung der Netzkosten einer verbrauchsunabhängigen, aber leistungsab-
14                                            hängigen Grundgebühr entsprechen.
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