" Dafür nehmen wir uns einen Anwalt!" - Trends in der Zusammenarbeit von Unternehmen und Kanzleien Erwartungen von Unternehmen an externe Anwälte ...
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Trends in der Zusammenarbeit von Unternehmen und Kanzleien „Dafür nehmen wir uns einen Anwalt!“ Erwartungen von Unternehmen an externe Anwälte im Konfliktmanagement Eine Studie des Bucerius Center on the Legal Profession und der Kanzlei Taylor Wessing
Inhalt A. Ziele und Untersuchungsgegenstand der Studie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 04 B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 07 I. Ausgangsbeobachtung: Praxis des Konfliktmanagements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 07 II. Bedeutung des externen Anwalts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 08 1. Phasenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 08 2. Rolle der externen Anwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 08 3. Auswahl der externen Anwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 08 III. Verbesserung der Zusammenarbeit von Unternehmen und externen Anwälten . . . . . . . . . . . . . . . . 09 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 09 C. Methodik der Studie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 I. Wissenschaftliche Vorarbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 1. Erwartungen an Rechtsanwälte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 2. Konfliktmanagement. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 II. Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 III. Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .13 D. Ausgangsbeobachtung: Praxis des Konfliktmanagements von Unternehmen in Deutschland . . . . . . . . .14 I. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 1. Nutzungshäufigkeit von alternativen Streitbeilegungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14 2. Auswirkungen des Mediationsgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 3. Gründe für die geringe Nutzung alternativer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 II. Interpretation und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 E. Die Hypothesen „Phasen“, „Rolle“ und „Auswahl“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Phasenbetrachtung der Rechtsdienstleistung „Konfliktmanagement“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Interpretation und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .21 II. Rolle der niedergelassenen Rechtsanwälte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 1. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 2. Interpretation und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 III. Auswahl von Kanzlei/Anwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 1. Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2. Interpretation und Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a. Personenbezogene Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b. Kontextkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 c. Systematisierung der Auswahl und Feedbackprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 2
F. Verbesserungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .31 G. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 H. Handlungsempfehlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 A. Erläuterungen zum gewählten qualitativen Forschungsdesign . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Datengewinn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Zusammensetzung der Stichprobe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 III. Datenauswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 B. Checkliste Auswahl des Beraters in streitigen Auseinandersetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3
A. Ziele und Untersuchungsgegenstand der Studie „Der muss verstehen, dass es mir nicht auf den Unternehmen und ihre externen Anwälte geschaffen Rechtsstreit als solchen ankommt, sondern darauf, werden. Sie sollen gemeinsam ermutigt werden, bei dass ich dieses Problem gelöst haben möchte.“ Konflikten des Unternehmens den Automatismus (Vertreter Unternehmen 12). von gescheiterten Verhandlungen zur Beschreitung des Gerichtsweges zu unterbrechen und statt- „Den muss ich nicht überzeugen [von einer Streit- dessen das gesamte Verfahrensspektrum gekonnt beilegungsmethode], er ist ja mein Anwalt.“ auszunutzen. Ebenso soll dazu beigetragen werden, (Vertreter Unternehmen 9). bestehende Nutzungshürden alternativer Verfahren zu überwinden. Dieser „systematische Umgang mit Die vorliegende Studie zu den Erwartungen von Konflikten, durch den der Verlauf eines Konflikts ge- Unternehmen an Rechtsanwälte im Konfliktma- zielt beeinflusst wird“, wird als Konfliktmanagement nagement wurde vom Bucerius Center on the Legal bezeichnet.3 Profession (CLP) und der Kanzlei Taylor Wessing in 2012 gemeinsam auf Basis wissenschaftlicher Die Untersuchung ist aus zwei Gründen für Unter- Vorarbeiten durchgeführt. nehmen und externe Anwälte bedeutsam. Zum einen hat sich das Verhältnis von Unternehmen Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Stellung und Anwälten seit der Wirtschafts- und Finanzkrise und Bedeutung des externen Anwalts 1 im Kon- im Jahr 2008 grundlegend verändert. Die Zusam- fliktmanagement (KM) von Unternehmen bei menarbeit ist zunehmend von Effizienzüberlegun- externen Streitigkeiten, also solchen zwischen gen und Kostendruck gekennzeichnet. Es kommt Unternehmen (auch B2B-Streitigkeiten genannt), heute mehr als je zuvor darauf an, die Aspekte der näher zu untersuchen und Entwicklungsrichtungen Wertschöpfung der Rechtsdienstleistung beson- für die Zusammenarbeit aufzuzeigen. ders in den Blick zu nehmen.4 Anwälte müssen verstehen, wo sie für ihre Mandanten Mehrwert Wir meinen, dass in einer aktiven Rolle der Rechts- bringen. Unternehmen müssen ihre Erwartungen anwälte ein noch weitgehend ungenutztes Potential klar formulieren. für die Integration alternativer Streitbeilegungs- verfahren in die Unternehmenspraxis liegt. Neben Zum anderen befindet sich die Praxis des Kon- Verhandlungen und staatlichen Gerichtsverfahren fliktmanagements deutscher Unternehmen in stehen den Unternehmen zahlreiche Verfahren der einer Umbruchphase. Einige Unternehmen haben außergerichtlichen Streitbeilegung zur Verfügung. erkannt, welche Vorteile ihnen der systematische Dazu zählen vor allem Mediation, Schlichtung und Umgang mit Konflikten bringt und nehmen eine Schiedsgutachten, die auch als alternative Ver- Vorreiterrolle ein. Diese Unternehmen gehören dem fahren der Streitbeilegung bezeichnet werden. 2 im Jahr 2008 gegründeten Round Table Konfliktma- Des Weiteren können Schiedsverfahren eingesetzt nagement und Mediation der deutschen Wirtschaft werden. Die Studie möchte einen Beitrag leisten, (RTMKM) an.5 Sie treffen sich regelmäßig und den Wandel der Konfliktkultur von Unternehmen in bekennen sich in ihrer Vision dazu, das „Thema Deutschland durch die Etablierung einer ausdiffe- Konfliktmanagement institutionell und organisato- renzierten Herangehensweise an die Konfliktlösung risch in den Unternehmen fest zu verankern“ und zu begleiten. Es sollen durch die Studie Anreize für „insbesondere Mediation bei deutschen Unter- 1 Auch: „Niedergelassene Anwälte“ in Abgrenzung zum Unternehmensanwalt. 2 Des Weiteren gehören zu der Vielfalt alternativer Verfahren der Streitbeilegung Ombudspersonen, Adjudikation, Mini-Trial und Early Neutral Evaluation, siehe Begründung zum Regierungsentwurf des Mediationsgesetzes, BT-Drs. 17/5335, S. 11. 3 PricewaterhouseCoopers/Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) (2011), S. 17. 4 Vgl. Aschenbrenner/Gärtner (2012); Hartung/Weberstaedt (2011); Hartung (2012). 5 Siehe www.rtmkm.de. 4
nehmen als wichtigen Baustein eines modernen verstehen, um passgenaue Lösungen für das Konfliktmanagementsystems“ anzuerkennen und „in Unternehmen zu erbringen. Unternehmen sollten geeigneten Streitfällen regelmäßig und erfolgreich genau bestimmen, welchen externen Rat sie dafür zum Zwecke der nachhaltigen, interessengerechten an welcher Stelle benötigen. Beide Seiten sollten in Konfliktlösung“ einzusetzen. Diese Unternehmen der Lage sein, die für das Unternehmen zeit- und erwarten auch von ihren externen Anwälten eine kosteneffizienteste Lösung zu verfolgen.8 umfassende Beratung in der Streitbeilegung und haben ein differenziertes Profil veröffentlicht, nach In der Studie analysieren wir die aktuelle Praxis dem sie ihre Anwälte auswählen.6 des Konfliktmanagements der Unternehmen als Grundlage der Untersuchung. Mit Blick auf die Ziele Ebenso verfolgt das seit dem 26. Juli 2012 in und die Relevanz des Themas für Unternehmen und Deutschland geltende Mediationsgesetz das ihre externen Anwälte fragen wir sodann, ob und Ziel, „die außergerichtliche Konfliktbeilegung und inwieweit die Unternehmen die Rechtsdienstleis- insbesondere die Mediation im Bewusstsein der tung „Konfliktmanagement“ einer Phasenbetrach- Bevölkerung und der in der Rechtspflege tätigen tung unterziehen und in welcher Phase sie externe Berufsgruppen stärker zu verankern“. Das Gesetz Anwälte mandatieren. Des Weiteren untersuchen bezweckt, dadurch die Streitkultur in Deutschland wir, welche Rolle niedergelassene Anwälte im nachhaltig zu verbessern.7 Gerade im Konflikt- Konfliktmanagement von Unternehmen spielen. management verlangt die Zusammenarbeit von Sind sie aus Sicht der Unternehmen Verhinderer Unternehmen und externen Anwälten von beiden oder Förderer eines differenzierten Konfliktma- Seiten besondere Aufmerksamkeit. Der üblicherwei- nagements? Im nächsten Schritt erörtern wir, nach se hohe zeitliche, finanzielle und personalintensive welchen Kriterien die niedergelassenen Anwälte Aufwand bei der Bearbeitung von Konflikten eines von den Unternehmen im Bereich der Konfliktlösung Unternehmens bringt es mit sich, dass mit beson- derzeit ausgewählt werden und schließen mit einer derer Vorausschau gehandelt werden muss. Jeder Diskussion des Verbesserungspotentials in der einzelne Konflikt sollte analysiert, sowie die ver- Zusammenarbeit zwischen Unternehmensanwälten schiedenen aktuellen Konflikte des Unternehmens in und niedergelassenen Anwälten auf dem Gebiet des ein Verhältnis zueinander gesetzt werden. Unter- Konfliktmanagements. Insgesamt hoffen wir durch nehmen und externe Anwälte müssen den Rechts- die wissenschaftliche Diskussion praktische Anreize beratungsmarkt im Segment „Konfliktmanagement“ zu schaffen und Nutzungshürden alternativer Ver- fahren in der Praxis abzubauen. 6 Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) (2012). 7 Begründung zum Regierungsentwurf des Mediationsgesetzes, BT-Drs. 17/5335, S. 11. 8 Untersuchungen zu den Kosten von innerbetrieblichen Konflikten und Einsparpotentialen durch den Einsatz von Mediation wurden erstmals von KPMG unternommen: Konfliktkostenstudie. Die Kosten von Reibungsverlusten in Industrieunternehmen, KPMG (2009); Best Practice Konflikt(kosten)-Management 2012, KPMG et al. (2012); Siehe auch de Paoli, Nicola: „Bald neuer Schub für Media- tion?“, Personalführung, 7/2009, S. 6f. Zu den Wertschöpfungspotentialen von Konfliktmanagement: American Arbitration Associa- tion (AAA) (2003) 5
Ansprechpartner und Team: Haben Sie Fragen oder Anregungen, dann wenden Sie sich gerne an uns! > Dr. Jo Beatrix Aschenbrenner, LL.M. > Dr. Axel Boesch, M.C.J. (NYU) Rechtsanwältin und Mediatorin Rechtsanwalt, Attorney-at-Law (New York), Bucerius Center on the Legal Profession Wirtschaftsmediator (Wissenschaftliche Leitung und Taylor Wessing Autorin der Studie) Tel.: +49 (0)40 3 68 03 235 Tel.: +49 (0)40 3 07 06 - 198 Fax: +49 (0)40 3 68 03 280 Fax: +49 (0)40 3 07 06 - 269 E-Mail: a.boesch@taylorwessing.com E-Mail: jo.aschenbrenner@law-school.de www.taylorwessing.com www.bucerius-clp.de > Anneke Brandt > Fabian Bargon Rechtsanwältin Bucerius Center on the Legal Profession Wirtschaftsmediatorin Tel.: +49 (0)40 3 07 06 - 267 Taylor Wessing Fax: +49 (0)40 3 07 06 - 269 Tel.: +49 (0)40 3 68 03 235 Fax: +49 (0)40 3 68 03 280 > Fides-Ronja Voß E-Mail: a.brandt@taylorwessing.com Bucerius Center on the Legal Profession www.taylorwessing.com Tel.: +49 (0)40 3 07 06 - 267 Fax: +49 (0)40 3 07 06 - 269 6
B. Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Die Studie soll auf Basis wissenschaftlicher Vorar- Die Zusammenarbeit von Unternehmen und An- beiten ergründen, welche Bedeutung niedergelas- wälten ist seit Ausbruch der Finanz- und Wirt- sene Anwälte im Konfliktmanagement von Unter- schaftskrise in 2008 von großen Veränderungen nehmen haben und Verbesserungspotential in der gekennzeichnet. Der Effizienz- und Kostendruck Zusammenarbeit zwischen Unternehmensanwälten auf Seiten der Unternehmen bringt es mit sich, dass und niedergelassenen Anwälten im Konfliktmanage- externe Anwälte sehr genau verstehen müssen, wo ment identifizieren. sie für die Unternehmen Mehrwert leisten. Unter- nehmen müssen genau definieren, was sie von ihren externen Anwälten erwarten. I. Ausgangsbeobachtung: Praxis des Konfliktmanagements Die Bedeutung des externen Anwalts im Konflikt- alternativen Verfahren generell positiv gegenüber. management wird im Lichte der aktuellen Praxis Diop und Steinbrecher formulieren, es dränge sich der Unternehmen untersucht. In diesem Teil der „förmlich der Eindruck auf, als seien die meisten Studie wird deutlich, dass Unternehmen alterna- Unternehmen in Deutschland im Jahr 2011 weiterhin tiven Konfliktlösungsmethoden in den eigenen immun gegen die Wertschöpfungspotentiale, die Streitfällen noch skeptisch gegenüber stehen: ADR-Verfahren den Unternehmen bieten können“.10 Verhandlungen werden bevorzugt durchgeführt, Im Gegensatz dazu steht die Herangehensweise der scheitern diese aber, so halten Unternehmen nach im Round Table Mediation und Konfliktmanagement wie vor Gerichtsverfahren für ausreichend, um der deutschen Wirtschaft (RTMKM) zusammenge- ihre externen Konflikte zu lösen. Eine Veränderung schlossenen Unternehmen. Diese bekennen sich in dieser Praxis zeichnet sich auch nicht aufgrund des der Vision des RTMKM zur Nutzung des gesamten deutschen Mediationsgesetzes ab.9 Geht es nicht Verfahrensspektrums und zur Verankerung von um die eigenen Fälle, stehen Unternehmen den Konfliktmanagement im Unternehmen. 9 Dieses Gesetz dient der (verspäteten) Umsetzung der Richtlinie 2008/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 136 vom 24.5.2008, S. 3). Es wurde vom Bundestag am 28.6.12 beschlossen, am 25.7.12 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und trat am 26.7.12 in Kraft. 10 Diop/Steinbrecher (2011), S. 131. Siehe zu den Wertschöpfungspotentialen alternativer Verfahren: American Arbitration Association (AAA) (2003); KPMG AG (2009); KPMG AG (2012). 7
II. Bedeutung des externen Anwalts 1. Phasenbetrachtung 3. Auswahl der externen Anwälte: Die geringe Nutzung alternativer Streitbeilegungs- Die Tatsache, dass in den Unternehmen noch kein verfahren führt auch dazu, dass die Auswahl von systematisches Konfliktmanagement etabliert ist, niedergelassenen Anwälten in der Regel erst bei der erklärt auch, warum Anforderungen an die exter- Prozessführung vor deutschen Gerichten erfolgt nen Anwälte/Kanzleien nicht differenziert auf den und in den seltensten Fällen auf einer systemati- Bereich des Konfliktmanagements benannt wurden. schen Phasenbetrachtung der Rechtsdienstleistung Es macht deutlich, warum auch im Konfliktma- „Konfliktmanagement“ beruht. Wenn externe Be- nagement, wie bei anderen Rechtsdienstleistun- ratung eingekauft wird, wählen die Unternehmen in gen, die fachlich-juristische Expertise am meisten der Regel auch nur einen einzigen Ansprechpartner zählt. So werden von keinem der Interviewten aus, und ein Wechsel des Ansprechpartners je nach Methodenkompetenzen im Bereich der alternativen Beratungsphase kommt nicht vor. Streitbeilegungsverfahren genannt. Wichtige von den Unternehmensjuristen genannte überfachliche 2. Rolle der externen Anwälte Merkmale betreffen das Auftreten des Anwalts im Streitfall und dann vor allem vor Gericht. Allerdings Die Einstellung und das Beratungsverhalten der können auch erst mit einer gesteigerten Nutzung externen wirtschaftsberatenden Anwälte werden von alternativer Streitbeilegung die Erwartungen an von den Unternehmen derzeit als skeptisch gegen- die niedergelassenen Anwälte spezifischer wer- über alternativen Verfahren charakterisiert. Auch den. Dies wird durch die Praxis der im Round Table wenn diese Zurückhaltung der externen Anwälte Konfliktmanagement und Mediation zusammen- keine Abkehr von alternativen Verfahren seitens geschlossenen Unternehmen deutlich.11 Generell der Unternehmen bewirken würde, so vermögen scheint implizit die Meinung vorzuherrschen „Kon- sie derzeit auch keine Steigerung des Einsatzes fliktlösung sollte jeder Anwalt können“. dieser Verfahren zu erreichen. Somit bleibt Potential für die Weiterentwicklung des Konfliktmanage- ments von Unternehmen und die Verbesserung der Zusammenarbeit ungenutzt. Um dies zu ändern, müssten die bei den Anwälten bestehenden Hürden wie Unkenntnis der Verfahren und Unsicherheit über die eigene Rolle überwunden werden und die Anwälte sodann stärker die Aufgabe des aktiven Förderers alternativer Verfahren übernehmen. 11 RTMKM (2012). 8
III. Verbesserung der Zusammenarbeit von Unternehmen und externen Anwälten Unternehmen sind mit der Zusammenarbeit mit Speziell mit Blick auf Konfliktmanagement wird den externen Anwälten im Konfliktmanagement zur Verbesserung der Zusammenarbeit von einer zufrieden. Werden Verbesserungsmöglichkeiten in Bereitschaft und Offenheit auf beiden Seiten ge- der Zusammenarbeit genannt, sind es vor allem die genüber alternativen Streitbeilegungsmechanismen „Klassiker“: Kostenreduktion, klare Kommunikation gesprochen. Zudem sollten externe Anwälte mehr der Erwartungen und besseres Zuhören, Verständ- Aufklärungsarbeit leisten. nis für die Funktionsweise des Unternehmens und mehr Kreativität. IV. Fazit Die Bedeutung des externen Anwalts im Kon- nen gemeinsam an der Gestaltung des Umbruchs fliktmanagement von Unternehmen ist derzeit noch mitwirken. Dafür hilft die bestenfalls durch Praxis verhalten. Sie entspricht der in vielen Unternehmen erworbene Erkenntnis, dass der systematische noch vorherrschenden „traditionellen“ Konflikt- Einsatz von alternativen und klassischen Verfah- lösungspraxis im Spektrum von Verhandlung und ren den Unternehmen Wertschöpfungspotentiale Gerichtsverfahren. Gleichwohl befindet sich das liefert. Anwälte müssen noch stärker erkennen, Konfliktmanagement deutscher Unternehmen im dass eine tatkräftige Aufgeschlossenheit gegenüber Umbruch, insbesondere angestoßen durch den alternativen Konfliktbearbeitungsverfahren für eine RTMKM. Unternehmen und externe Anwälte kön- langfristige Kundenbindung hilfreich ist. 9
C. Methodik der Studie I. Wissenschaftliche Vorarbeiten 1. Erwartungen an Rechtsanwälte tung auswählen.14 Ihre Studie baut auf der Beob- achtung auf, dass (besonders große) Unterneh- Nach welchen Kriterien die – gemessen an Um- men immer höhere und kritischere Ansprüche an satz und Mitarbeiterzahl – größten deutschen externe Berater stellen. In persönlichen Interviews Unternehmen aus den Bereichen Industrie, Handel, mit internen Juristen führender Unternehmen aus Dienstleistungen sowie Banken und Versicherungen Großbritannien wurden verschiedene Kernkriterien externe Kanzleien für jegliche Form der Rechts- herausgearbeitet, nach denen externe Kanzleien beratung auswählen, wird in dem IV. Otto Henning ausgewählt werden. Unterschieden werden dabei General Counsel Benchmarking-Report erörtert.12 komplexe Fälle, für die spezielles Fachwissen Nach dem Report ist für die Entscheidung, welche gebraucht wird und von denen ein hohes Risiko Kanzlei/welcher Anwalt mandatiert wird, die fachli- ausgeht, und Routineaufgaben, für die vor allem che Expertise am wichtigsten (100 %). Kaum weni- dann externe Hilfe eingekauft wird, wenn das ger wichtig bewerteten die Befragten die bewährte Unternehmen einen hohen Workload zu bearbeiten Zusammenarbeit (98 %) und die Persönlichkeit des hat. Bei komplexen Fällen werden gezielt große, Anwalts (96 %). Preise und Reputation spielten spezialisierte Kanzleien mandatiert, hier werden dagegen eine etwas geringere Rolle (je 88 %). durchaus auch hohe Kosten in Kauf genommen. Zur Bearbeitung der Routinefälle werden eher klei- Eine von Silvia Hodges durchgeführte Studie, für nere nationale oder regionale Kanzleien mandatiert, welche die Chefjustiziare von 15 im DAX notierten wobei vor allem auf ein Preis-Leistungs-Verhältnis deutschen Unternehmen befragt wurden, befasst geachtet wird. Insgesamt geben die befragten sich ebenfalls mit dem Thema der Auswahl externer Unternehmen an, dass der Preis für die Rechts- Anwälte.13 Die Studie hat ergeben, dass bei wich- beratung zwar keine primäre Rolle spiele, aber tigen Angelegenheiten kurze Reaktionszeiten bzw. durchaus ein wichtiger Faktor sei. Um den Preis- die Verfügbarkeit der Anwälte bei der Auswahl einer wettbewerb zwischen den Kanzleien zu fördern, Kanzlei von besonderem Interesse sind. An zwei- haben viele Unternehmen ein Panel mit mehreren ter Stelle stand das strategische Denken: Anwälte Kanzleien zur Auswahl. Ein weiteres Kriterium ist müssten verstehen, was der Mandant erreichen will, ein gewisses Verständnis für die Funktionsweise Risiken korrekt einschätzen und klare Empfehlungen des Unternehmens. Hierfür werden mit einigen geben. Die „persönliche Chemie“ mit Partner und Kanzleien durchaus auch langjährige Arbeitsbezie- Team sowie das Verständnis für das Unternehmen hungen angestrebt, wodurch ein vertrauensvolles und die Branche bezeichneten die Befragten gegen- Arbeitsverhältnis aufgebaut werden kann. Die Re- über anderen Leistungsaspekten als weniger wichtig putation einer Kanzlei als Auswahlkriterium ist dif- (Platz 7 und 8 von 8). ferenziert zu betrachten. Während der „offizielle“ Ruf, gefördert durch einschlägige Fachliteratur, als Auch Samantha Fairclough beschäftigte sich mit nicht ausschlaggebend bezeichnet wird, wird dem den Kriterien, nach denen die Rechtsabteilung in „inoffiziellen“ Ruf, der vor allem durch Mundpropa- Unternehmen externe Kanzleien zur Rechtsbera- ganda zustande kommt, eher vertraut. 12 IV. Otto • Henning General Counsel Benchmarking-Report 2011/12, S. 158f. 13 Hodges (2010). 14 Fairclough (2011) 10
2. Konfliktmanagement fahren und Mediation mehr nutzen als die weniger „konfliktweisen“ Unternehmen. Die AAA hält fest, Die Einschätzung und Nutzung von alternativen dass große Unternehmen die genannten Verfahren Verfahren der Streitbeilegung durch Unternehmen häufiger anwenden als mittlere und kleine Unter- in den USA, Deutschland und Frankreich wurde von nehmen. Des Weiteren liegt nach AAA/Fidal die verschiedenen Studien untersucht. Zufriedenheitsrate mit durchgeführten Mediationen in amerikanischen und französischen Unternehmen Nach der Studie des Scheinman Institute on Con- bei über 80 %.19 Bei den befragten französischen flict Resolution der Cornell University, des Interna- Unternehmen spielte der begleitende Anwalt in 15 % tional Institute for Conflict Prevention & Resolution der Fälle eine zentrale Rolle für die Durchführung (CPR) Institute und des Strauss Institute for Dispu- eines Mediationsverfahrens. In 48 % der Fälle wurde te Resolution der Pepperdine University School of ein Mediationsverfahren aufgrund einer Einigung Law unter Fortune 1000-Unternehmen in den USA und in 33 % der Fälle aufgrund einer Vertragsklau- strebt jedes zweite Unternehmen für interne und sel durchgeführt (die restlichen 4 % gehen auf die externe Konflikte vorrangig alternative Konfliktlö- Empfehlung des Gerichts zurück).20 Die Mehrheit sungsmöglichkeiten an.15 Insgesamt diversifiziere der befragten Unternehmen gab an, in Zukunft sich das Konfliktlösungsverhalten der Unternehmen. keinen stärkeren Gebrauch von Mediation und Mit Blick auf Mediation sei die Nutzung seit 14 Schiedsverfahren machen zu wollen. Dies sei vor Jahren (seit der Vorgängerstudie aus 1998)16 stabil allem auf Unkenntnis im Unternehmen und Wider- geblieben und es bestünde eine hohe Zufriedenheit stände im Management zurück zu führen. mit dem Verfahren. Die Nutzung von Schiedsver- fahren sei zurückgegangen.17 Das Konfliktmanagement deutscher Unternehmen wird in der Studienreihe „Commercial Dispute Reso- Die American Arbitration Association (AAA) und die lution“ von PricewaterhouseCoopers in Zusammen- französische Kanzlei Fidal haben gemeinsam die arbeit mit der Europa-Universität Viadrina unter- Studie „Dispute Wise Business Management“ unter sucht. Bis heute sind drei Studien aus den Jahren 70 französischen Unternehmen durchgeführt und 2005, 2007 und 2011 erschienen.21 In der ersten damit die gleichnamige Vorgängerstudie der AAA Studie wurde festgestellt, dass es eine Diskrepanz ergänzt, welche sich auf amerikanische Unterneh- zwischen der Nutzungshäufigkeit der einzelnen men bezog.18 Neben der Identifizierung von „most Verfahren und der positiven Bewertung gibt. So and least dispute wise companies“ und resultieren- wurde z.B. die Mediation am zweitbesten bewer- der ökonomischer und nicht-ökonomischer Vorteile tet, jedoch am seltensten genutzt.22 Unternehmen für most dispute wise companies besagt die Studie versuchen zunächst, den Konflikt im Verhandlungs- u.a., dass most dispute wise companies Schiedsver- wege zu lösen. Scheitert dieser Versuch, führt dies 15 Scheinman Institute/CPR Institute/Strauss Institute (2012). 16 Lipsky/Seeber (1998). 17 Die School of International Arbitration (Queen Mary, University of London) führt derzeit die fünfte Studie zu Internationalen Schieds- verfahren durch. 18 AAA (2003); AAA/Fidal (2009). 19 AAA/Fidal (2009), S. 14. 20 AAA/Fidal (2009), S. 22. 21 PwC/Viadrina (2005); PwC/Viadrina (2007); PwC/Viadrina (2011). 22 PwC/Viadrina (2005): Betrachtet man die mittleren Vorteilswerte einzelner Konfliktbearbeitungsverfahren, wird die Verhandlung mit 90,8 % bewertet. Am zweitbesten schneidet die Mediation mit 73,9 % ab. Schlusslicht ist das Gerichtsverfahren mit 23,3 %, S. 17. Die Unternehmen geben aber gleichzeitig an, die Mediation so gut wie nie zu nutzen, während die Verhandlung häufig genutzt wird (Angaben stellen Mittelwerte einer 4-stufigen Likert Skala, von 1 = nie bis 4 = häufig, dar), S. 7. 11
meist direkt zur Klageerhebung. Allerdings haben Jedoch würden Systemwiderstände und ein opti- 83 % der Unternehmen Erfahrung mit außerge- mierungsbedürftiges Prozessmanagement in den richtlichen Verfahren mit Drittbeteiligung gemacht. Unternehmen die oben geschilderte Diskrepanz Die Nutzungshäufigkeit stieg branchenunabhän- bestärken. Die neuste Studie dieser Reihe (2011) gig mit wachsender Unternehmensgröße. Diese befasst sich mit einer Fokussierung und Systemati- Diskrepanz zwischen der insgesamt positiven sierung des Erfahrungswissens und der praktizier- Bewertung von außergerichtlichen Konfliktbearbei- ten Erfolgsmodelle. tungsverfahren und der geringen Einsatzhäufigkeit konnte in der Folgestudie (2007) auf verschiedene In den zitierten Studien zur Praxis des Konflikt- Hintergründe zurückgeführt werden: Zum einen managements wird die Rolle der Rechtsanwälte liege eine Praxis- und Theorielücke bei Unterneh- entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt.23 mensvertretern und begleitenden Anwälten vor. Die Studien zu Mandantenerwartungen wiederum Die Hypothese, dass die geringe Einsatzhäufigkeit sind genereller Natur und haben keinen Fokus auf alternativer Konfliktbearbeitungsverfahren auch den Bereich Konfliktmanagement. Mit dieser Studie darauf zurückzuführen sei, dass die Unzufrieden- wollen wir diese Lücke schließen und Unternehmen heit mit staatlichen Gerichten nicht groß genug ist, sowie ihren externen Anwälten Handlungswissen konnte nicht im vollen Umfang bestätigt werden. mit in die Praxis geben. 23 Weitere Studien speziell zur Wirtschaftsmediation in Österreich wurden von der Alpen-Adria Universität Klagenfurt (2005) und vom Europäischen Institut für Wirtschaftsmediation (2006) verfasst. 12
II. Hypothesen Es wurden folgende Hypothesen zu den Erwartun- Darauf bezugnehmende Hypothesen: gen von Unternehmen an niedergelassene Anwälte im Bereich Konfliktmanagement entwickelt, die Hypothese „Phasen“: Niedergelassene Anwälte mittels einer strukturierten Inhaltsanalyse ausge- werden von den Unternehmen nicht systematisch wertet wurden: für einzelne Beratungsphasen im Konfliktmanage- ment mandatiert. Unsere Ausgangshypothese bezüglich der aktuellen Praxis des Konfliktmanagements in Deutschland Hypothese „Rolle“: Wirtschaftsberatende Rechts- lautet: anwälte sind aus Sicht von Unternehmensjuristen Verhinderer von alternativer Streitbeilegung. Hypothese „Praxis KM“: Die Nutzungshäufigkeit von Konfliktbearbeitungsverfahren im Spektrum Hypothese „Auswahl“: Die positive Bewertung von zwischen Verhandlung und Gerichtsverfahren in Mediation durch Unternehmen (siehe Studie Com- Unternehmen ist in den letzten Jahren gestiegen, mercial Dispute Resolution aus dem Jahr 2005) dies gilt insbesondere wegen der Verabschiedung führt dazu, dass im Konfliktmanagement bei der des Mediationsgesetzes in Deutschland und ins- Auswahl des Anwalts überfachliche Kompetenzen besondere in kleinen Unternehmen. im Vergleich zur fachlichen Expertise mehr zählen als bei anderen Rechtsdienstleistungen. III. Vorgehensweise Persönlich befragt wurden Personen aus der weiterentwickelt werden sollte, die sich noch nicht Rechtsabteilung von insgesamt 12 deutschen intensiver mit dem Thema Konfliktmanagement Unternehmen mit Hilfe eines hypothesengeleite- befasst haben. Durch die gezielte Auswahl der ten halbstrukturierten Interviews. Wir bezeichnen Interviewpartner wurde eine für die Problemstellung die befragten Unternehmen mit U1 – U12. Die zu repräsentative Stichprobe zusammengestellt. Die befragenden Unternehmen wurden so bestimmt, Interviews dauerten im Durchschnitt 43 Minuten dass verschiedene Wirtschaftszweige (6 Branchen) und wurden im Sommer 2012 von den Verantwortli- vertreten sind. Anschließend wurden die Unterneh- chen der Studie durchgeführt. Die aufgezeichneten men abhängig von der Größe (beurteilt anhand der Interviews wurden transkribiert und in Hinblick Anzahl der Mitarbeiter in Deutschland) vier ver- auf die gebildeten Hypothesen einer qualitativen schiedenen Gruppen zugeteilt. Keines der Unter- Inhaltsanalyse unterzogen. nehmen gehörte zum Zeitpunkt der Befragung dem Round Table Mediation und Konfliktmanagement Ausführlichere Angaben zu dem qualitativen For- der deutschen Wirtschaft an, da gerade die Praxis schungsdesign und der Vorgehensweise befinden der Vielzahl deutscher Unternehmen analysiert und sich im Anhang. 13
D. Ausgangsbeobachtung: Praxis des Konfliktmanagements von Unternehmen in Deutschland Dieser Teil der Studie befasst sich mit der Frage, rungen der rechtlichen Rahmenbedingungen reagie- inwiefern Unternehmen, die nicht dem RTMKM ren können. Dies wiederum wäre ein Indikator, dass angehören (s.o. zur Methodik der Studie), derzeit sich eine Systematisierung der Herangehensweise systematisch an die Konfliktlösung herangehen und auch außerhalb der RTMKM-Unternehmen und gar Alternativen zu Verhandlung und Gerichtsverfahren ein Wandel der Konfliktkultur abzeichnen. zur Lösung von externen Streitigkeiten in Betracht ziehen (Ist-Analyse). Wir vermuten, dass der Pro- Diese Ausgangsfeststellung ist für die Studie wich- zess der Verabschiedung des Mediationsgesetzes tig, weil die Sicht auf die Rolle des Anwalts und die (2010 – 2012) gerade in kleinen Unternehmen zu Erwartungen von Unternehmensjuristen an externe einer größeren Nutzungshäufigkeit von alternativen Anwälte im Bereich von Konfliktmanagement von Verfahren und Schiedsverfahren geführt hat, weil der Strategie, der Herangehensweise und der Kon- diese flexibler sind und daher schneller auf Verände- fliktkultur im Unternehmen abhängen. I. Ergebnisse Hypothese „Praxis KM“: Die Nutzungshäufigkeit der Fälle gelingt, ihre Konflikte im Verhandlungswege von Konfliktbearbeitungsverfahren im Spektrum zu lösen. Dabei umfassen die Eskalationsstufen zwischen Verhandlung und Gerichtsverfahren in häufig (1) die Verhandlung auf der Arbeitsebene Unternehmen ist in den letzten Jahren gestiegen, (Techniker/Kaufleute), (2) die weitere Verhandlung dies gilt insbesondere wegen der Verabschiedung unter Beteiligung der Rechtsabteilung und (sodann, des Mediationsgesetzes in Deutschland und insbe- 2a) des Vorstands sowie (3) gegebenenfalls die sondere in kleinen Unternehmen. Einschaltung externer Anwälte in die Verhandlung. Wenn eine Verhandlung dennoch scheitert, wird von „Insofern kann ich nur noch einmal wiederholen: den Unternehmen (ob groß oder klein) immer noch Mediation ja, aber das Verfahren steckt noch in den der Weg zu Gericht gesucht; alternative Verfahren Kinderschuhen und in der Praxis hat es noch nicht werden dann nicht mehr in Betracht gezogen. „Wo Fuß gefasst. Zumindest in unserer Branche nicht.“ man sich nicht einigen kann, ich glaube, da bringt (Vertreter U2). auch ein Mediationsverfahren nicht wirklich viel.“ (Vertreter U 1). So herrscht die Meinung vor, dass „Wir haben natürlich in Deutschland eine ganz Gerichtsverfahren zwar möglichst vermieden wer- andere Rechtskultur als in Amerika zum Beispiel, den sollten (U9, U7), jedoch würde das deutsche wo es Mediationszentren gibt usw. Ich glaube die Gerichtssystem so gut funktionieren, dass Gerichts- Infrastruktur dafür ist, aus meiner Sicht jedenfalls, verfahren in nationalen Streitigkeiten insgesamt eher in den Kinderschuhen, wenn es die überhaupt akzeptabel seien (U1, U3, U4, U5). gibt.“ (Vertreter U5). Die Nutzung von alternativen Verfahren (Mediation, Schlichtung, Schiedsgutachten) und Schiedsver- 1. Nutzungshäufigkeit von alternativen fahren ist daher nach wie vor branchenübergreifend Streitbeilegungsverfahren und größenunabhängig gering. „Mediation“ wird von den Befragten häufig als Synonym für alle alternati- Die aktuelle Praxis des Konfliktmanagements deut- ven Verfahren verwendet. Folglich liegen auch noch scher Unternehmen kann damit beschrieben wer- keine Systematisierung der Herangehensweise oder den, dass es Unternehmen in der großen Mehrzahl gar ein signifikanter Wandel der Konfliktkultur vor. 14
2. Auswirkungen des Mediationsgesetzes Zu dieser Sicht des geringen Anwendungsbereiches scheint beizutragen, dass Mediation von vielen Es konnte nicht festgestellt werden, dass die immer noch als etwas Obskures angesehen wird. (langwierige) Verabschiedung des Mediationsgeset- zes einen Einfluss auf das Nutzungsverhalten von „Ich halte das [Mediation] für ein wirklich sehr, Unternehmen in Deutschland hat. Der Grund hierfür sehr gutes Mittel. Ich bin davon überzeugt, tat- kann sein, dass diese nicht aufgrund fehlender sächlich. Dieser Hokus Pokus-Anschein liegt ja an rechtlicher Rahmenbedingungen von Mediation und dem Unverständnis derjenigen, die sich damit nicht anderen alternativen Konfliktbearbeitungsverfahren ausreichend auseinandersetzen.“ (Vertreter U10). absehen, sondern andere Einwände gegen alterna- tive Konfliktbeilegungsverfahren mit Drittbeteiligung „Die [Rechtsanwälte] haben kein Interesse daran, erheben. Nur ein Unternehmensvertreter (U2) gab dass [Name des Unternehmens] dann hier vor- an, dass Mediation dann reizvoll wäre, wenn es im schlägt: „Wir machen das jetzt mal anders, wir Gesetz ein festgelegtes Verfahren gäbe (was der- gehen jetzt mal zusammen auf eine Bank in den zeit nicht der Fall ist). Wald und versuchen uns da friedlich zu einigen“. Da haben die gar kein Interesse dran.“ (Vertreter U2). 3. Gründe für die geringe Nutzung alternativer Auf die Fragen nach den üblichen Vorteilen von Verfahren Mediation (wie z.B. Kostengünstigkeit, Schnellig- keit, Erhalt der Geschäftsbeziehung) äußern sich Folgende Erklärungsmuster konnten für die geringe die Unternehmensvertreter insgesamt nicht sehr Nutzung alternativer Verfahren seitens der Unter- differenziert. Die Vorteile „kann sie [Mediation] nehmen gefunden werden: alle haben. Ob sie es hat, ist eben genau so wie die Preisfrage im Einzelfall.“ (Vertreter U11). Kosten- Die eigene Kompetenz der Unternehmensvertreter erwägungen sind für die Wahl der Methode nicht als Verhandlungsführer und informelle Mediatoren entscheidend (U2, U4, U7, U8, U9, U10, U 12). wird hoch eingeschätzt (U1, U4, U7, U8, U9, U12). Gleichzeitig werden wenige Nachteile von Mediati- Zudem wird der Anwendungsbereich von alter- on gesehen. „Der einzige Nachteil ist, in der Praxis nativer Streitbeilegung als gering eingestuft. Die hat sich das noch nicht durchgesetzt. Das ist der Rechtsmaterie und/oder die eigene Branche seien Nachteil.“ (Vertreter U2). „Also, ich sehe keinen dafür ungeeignet (U1, U5, U7), Mediation sei unge- Nachteil. Muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen. Ich eignet, wenn es um Rechts- oder Tatsachenfragen halte das für ein wirklich sehr, sehr gutes Mittel. Ich ginge (U1, U4, U7). Es gehe im Großunternehmen bin davon überzeugt, tatsächlich.“ (Vertreter U10). in erster Linie um die „vollrechtliche Durchdringung“ des Falles (U8) und Mediation komme höchstens in Der Hauptnachteil ist aus Unternehmenssicht, Betracht, wenn die Erfolgsaussichten nicht gut seien dass es sehr auf die Person und Persönlichkeit des bzw. es um „Kippelfälle“ ginge, wo die Gewinnchan- Mediators ankommt. Hier die richtige Person zu cen vor Gericht zwischen 40 – 60 % lägen (U7, U8). identifizieren, wird inhaltlich (U2, U6, U8, U11) und mangels Infrastruktur (U5) als schwierig angesehen. „Der enge Anwendungsbereich. Also das ist aber kein Nachteil, sondern wenn man quasi im Ent- „Mediationsverfahren wären sicher anerkannt, scheidungsbaum an den Punkt kommt, Media- wenn man sich vorher ein Bild über die Seriosität tion JA, dann sehe ich da jetzt eigentlich keine des Mediators verschaffen könnte.“ (Vertreter U2). wirklichen Nachteile. Es ist mehr so, dass man im Entscheidungsbaum wahrscheinlich nur in sehr Sonstige wahrgenommene Nachteile von Media- seltenen Fällen zu der Option Mediation kommt.“ tion/ADR sind eine Sorge vor einer geringeren Ver- (Vertreter U8). bindlichkeit (U2, U12) bzw. Klarheit (U6) des gefun- 15
denen Ergebnisses sowie die irrtümliche Vorstellung, ADR gehöre zur Unternehmensphilosophie. „dass man keinen vollstreckbaren Titel [hat], wenn Ein Vertreter eines kleineren Unternehmens und der es wirklich einmal nervt.“ (Vertreter U9). Vertreter eines Großkonzerns (U8, U9) äußerten sich dahingehend, dass alternative Konfliktlösungs- Alternative Konfliktlösungsmethoden sind weiterhin verfahren intern zwar akzeptiert seien, nicht aber in nur wenigen Unternehmen intern voll akzeptiert. gefördert würden. In den übrigen acht Unterneh- Lediglich die Vertreter der beiden Unternehmen aus men ist alternative Konfliktlösung bislang nicht der Bau- und Immobilienbranche (U3, U4) gaben an, anerkannt. II. Interpretation und Schlussfolgerung: Es wurde deutlich, dass kleine und große Unterneh- alternativen Verfahren allgemein, jedoch nicht für men nach wie vor geringen Gebrauch von alternati- ihre eigenen Streitigkeiten. Diop und Steinbrecher ven Verfahren und Schiedsgerichtsbarkeit machen beschreiben die praktische Erfahrung mit alter- und keine Veränderung dieser Unternehmenspraxis nativer Streitbeilegung unter den „meisten Unter- durch das Mediationsgesetz bewirkt wurde. Eine nehmensjuristen und Rechtsanwälten“ weiterhin positive Veränderung war erwartet worden, weil als „verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender das Gesetz darauf zielt, die außergerichtliche Verhaltensstarre“.25 In deutschen Unternehmen Streitbeilegung und insbesondere die Mediation besteht somit offenbar eine Kongruenz zwischen stärker im Bewusstsein der Akteure zu verankern (negativer) Bewertung und tatsächlicher (geringer) und die Streitkultur in Deutschland nachhaltig zu Nutzung alternativer Streitbeilegungsverfahren verbessern. Zudem hätte von dem Gesetz der in eigener Sache. Anders wurde dies in den Kon- „legislatorische Ritterschlag“ für Mediation und fliktmanagementstudien aus der PwC/Viadrina alternative Verfahren ausgehen können und diesen Reihe (2007 und 2009) eingeschätzt. Dort wurde so zu mehr Akzeptanz verholfen werden können.24 festgehalten, dass eine „Inkongruenz“ von positiver Eine Veränderung war gerade bei kleineren Unter- Bewertung und tatsächlicher geringer Nutzung der nehmen in Deutschland erwartet worden, da diese alternativen Konfliktbearbeitungsverfahren besteht möglicherweise offener für Veränderungen sind und und analysiert, womit das erklärt werden kann.26 auch flexibler auf eine Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen reagieren können als Groß- Wir sehen eine Inkongruenz an anderer Stelle. unternehmen. Die Nutzung alternativer Verfahren ist bis heute größtenteils nicht in den Strategien und Unterneh- Die geringe Nutzung alternativer Verfahren durch mensphilosophien der Unternehmen (siehe oben) die Unternehmen deckt sich mit einer Skepsis be- – gleich welcher Größe und Branche – verankert. züglich der Eignung dieser Verfahren für die eigenen Es gibt in den Unternehmen keine Vorgabe, im Konflikte: Unternehmen sehen zwar Vorteile der Alltag eine systematische Herangehensweise an die 24 Wagner (2010), S. 794, 797. Risse meint, dass „immerhin allein die Existenz des Mediationsgesetzes aber den Streitparteien zeigt, dass es sich um ein gesetzlich anerkanntes und damit nicht obskures oder minderwertiges Streitbeilegungsverfahren handelt“, Risse (2012), S. 254. 25 Diop/Steinbrecher (2011), S. 131. 26 PwC/Viadrina (2007), S. 9: „Die Einschätzung der Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren führt – mit der prominenten Aus- nahme der Verhandlung – nicht zu einem entsprechenden Verfahrenseinsatz in der Praxis“. 16
Konfliktlösung und einen Wandel der Konfliktkultur Konfliktlösung von Unternehmen: Alternative anzustreben.27 Die Akteure verhalten sich daher Streitbeilegung eigne sich aus Unternehmens- zielkonform, wenn sie nach gescheiterten Ver- sicht nicht für Großunternehmen, nicht für die handlungen zu Gericht schreiten. Differenzierter ist typischen wirtschaftsrechtlichen Gebiete, nicht hingegen die Herangehensweise der im Round Table für die Branche und nicht bei guten Erfolgsaus- Mediation und Konfliktmanagement der deutschen sichten vor Gericht (von über 60 %). Wirtschaft zusammengeschlossenen Unternehmen, wie in der Vision und Mission des Round Table und (2) Die Wahrnehmung, dass Verhandlungen (mit Veröffentlichungen von Vertretern der Round Table oder ohne Unterstützung externer Anwälte) Unternehmen deutlich wird.28 Diop und Steinbrecher als informelle Mediationen bzw. Ersatz für alle sprechen davon, dass nur „einige wenige Unterneh- alternativen Verfahren gelten. men den Änderungsbedarf längst erkannt haben und ihren Gestaltungsspielraum bei der Streitbei- (3) Die Analyse der Vor- und Nachteile kann nicht legung nutzen“. Auf die „überwiegende Mehrzahl mit praktischer Erfahrung abgeglichen werden. der Unternehmen in Deutschland“ träfe dies jedoch nicht zu.29 Die Inkongruenz besteht folglich zwi- Dem ersten Einwand kann entgegnet werden, dass schen den Zielvorstellungen des Mediationsgesetzes es grundsätzlich keine Rechtsgebiete gibt, die sich und der RTMKM-Unternehmen auf der einen, und von vornherein nicht für eine alternative Streitbei- den Zielkatalogen der Nicht-RTMKM-Unternehmen legung anbieten. Gleichzeitig ist diese selbstver- auf der anderen Seite. Insgesamt bleibt abzuwarten, ständlich kein Allheilmittel, sondern die Vor- und ob sich die Unternehmen als Nachfrager in zwei Nachteile müssen im Einzelfall sorgfältig abgewogen Gruppen ausdifferenzieren oder auf dem Niveau von werden. Des Weiteren ist hier zu erwähnen, dass theoretisch versierten und praxiserfahrenen Nutzern Parteien im Konfliktfall ihre Erfolgsaussichten häufig aller Streitbeilegungsverfahren angleichen. zu gut einschätzen (z.B. über 60%), obwohl sie deutlich darunter liegen. Dies wird in der Psycholo- Warum wird die Nutzung alternativer Verfahren gie mit kognitiver Verzerrung oder Überoptimismus (über Verhandlungen hinaus) auch nach dem Erlass beschrieben.31 des Mediationsgesetzes nicht in die Strategien vie- ler Unternehmen (-srechtsabteilungen) aufgenom- Zum zweiten Punkt ist zunächst festzuhalten, dass men? Diop und Steinbrecher formulieren, es dränge in den Unternehmen eine hohe wirtschaftliche sich „förmlich der Eindruck auf, als seien die meisten Vernunft herrscht, wenn ein Großteil der streitigen Unternehmen in Deutschland im Jahr 2011 weiterhin Fälle erfolgreich im Wege der Verhandlung – ohne immun gegen die Wertschöpfungspotentiale, die Anwälte – gelöst wird. So bleiben die Fälle geschei- ADR-Verfahren den Unternehmen bieten können“.30 terter Verhandlungen. Die Offenheit gegenüber Für diese „Immunität“ gibt es nach dieser Untersu- dem früheren Einbezug neutraler Dritter schon in chung drei zentrale Erklärungen (s.o.): der Verhandlungsphase kann durch die Erkenntnis gesteigert werden, dass eine geleitete Verhand- (1) Die Wahrnehmung eines geringen Anwendungs- lung weder für Unternehmensjuristen, noch für bereiches von alternativen Verfahren für die begleitende externe Anwälte einen Gesichtsverlust 27 Die erste Studie der PwC/Viadrina Reihe (2005) hatte ergeben, dass der Einsatz außergerichtlicher Verfahren am stärksten durch eine entsprechende Unternehmensphilosophie begünstigt wird, PwC/Viadrina (2005), S. 12. 28 Zum Beispiel hat Bombardier Transportation, Mitglied des RTMKM, zwischen 2005 und Ende 2010 über 40 Mediationen – neben einer Vielzahl anderer Verfahren – in externen Konflikten durchgeführt, Heiss (2011), S. 45ff.; Vision RTMKM: http://www.rtmkm.de/ vision-und-mission 29 Diop/Steinbrecher (2012), S. 3023. 30 Diop/Steinbrecher (2011), S. 131. 31 Vgl. Bühring-Uhle/Eidenmüller/Nelle (2009), S. 44f. 17
darstellt. Ebenso wie ein Gerichtsverfahren kein Die dritte Erklärung für die geringe Nutzung alter- Gesichtsverlust ist. Vielmehr werden von den Be- nativer Verfahren bestätigt die Aussagen der PwC/ teiligten und dem neutralen Dritten absichtlich ver- Viadrina Studien. Auch fünf Jahre nach der zweiten schiedene Rollen eingenommen. Der neutrale Dritte Studie besteht eine Theorie- und Praxislücke in den kann durch seine andere Funktion, als ihn einseitige Unternehmen. Parteivertreter haben (müssen), in der Verhandlung anders agieren. Fazit „Praxis KM“: Deutsche Unternehmen stehen alternativer Konfliktlösung in der Praxis noch zu- Gleichzeitig ist es richtig, dass die Vorteile von Me- rückhaltend gegenüber. Scheitern Verhandlungen, diation abnehmen, wenn eine Auseinandersetzung halten Unternehmen nach wie vor Gerichtsverfah- schon eskaliert ist (z.B. Scheitern der Verhand- ren für ausreichend, um ihre externen Streitfälle zu lungen). Je höher die Eskalation ist, desto weniger lösen. Eine gestiegene Nutzungshäufigkeit alter- sind Parteien bereit, einander zuzuhören und desto nativer Verfahren ist in Deutschland derzeit weder gewünschter ist es, von einem Dritten Recht zu be- bei kleineren noch bei größeren Unternehmen, die kommen (siehe die Eskalationsstufen nach Glasl32). nicht dem RTMKM angehören, festzustellen. Eine Daher sind die Wertschöpfungspotentiale alter- Veränderung zeichnet sich auch nicht aufgrund des nativer Verfahren in der Tat geringer, je später sie deutschen Mediationsgesetzes in Umsetzung der eingesetzt werden, was wiederum deutlich macht, EU-Richtlinie ab. dass alternative Verfahren im Konfliktfall so früh wie möglich in Betracht gezogen werden sollten. 32 Glasl (2011). 18
E. Die Hypothesen „Phasen“, „Rolle“ und „Auswahl“ Mit der Untersuchung möchten wir, wie oben be- Die Bedeutung des externen Anwalts im Konfliktma- schrieben, die Bedeutung des externen Anwalts im nagement und damit verbundene Erwartungen Konfliktmanagement von Unternehmen bei exter- von Unternehmen zeigen sich zum einen in der nen/B2B-Streitigkeiten analysieren und Entwick- Mandatierungspraxis von Unternehmen. Die Studie lungsrichtungen für die Zusammenarbeit aufzeigen. fragt daher, ob die Mandatierung auf Basis einer Wir meinen, dass in einer aktiven Rolle der Rechts- Phasenbetrachtung der Rechtsdienstleistung „Kon- anwälte ein noch weitgehend ungenutztes Potential fliktmanagement“ erfolgt, und, wenn ja, in welcher im externen Konfliktmanagement von Unternehmen Phase Unternehmen externe Anwälte einschalten. liegt. Durch die Nutzung des Potentials kann das Zum anderen zeigt sich die Bedeutung des externen Ziel des Ausbaus einer systematischen Herange- Anwalts in der Rolle der externen Anwälte: werden hensweise von Unternehmen an Konfliktlösung sie von den Unternehmen als Förderer oder Verhin- gefördert werden und somit Wertschöpfungspoten- derer von alternativer Streitbeilegung angesehen? tial gehoben werden (s.o.). Schließlich interessieren die von den Unternehmen für die Auswahl des externen Anwalts angewende- ten Kriterien. I. Phasenbetrachtung der Rechtsdienstleistung „Konfliktmanagement“ 1. Hintergrund Die Zerlegung der Rechtsdienstleistung in einzel- ne Phasen anhand eines Prozessdiagramms (sog. decomposing) wird seit dem Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise in 2008 verstärkt diskutiert. Diese Betrachtung dient einer differenzierten Auswahlentscheidung seitens des Unternehmens, welche Anteile es intern bzw. extern erledigt (Make- or-Buy Entscheidung) und welche externen (nicht-) anwaltlichen Dienstleister es dafür mandatiert, z.B. niedergelassenen Anwälte, Legal Process Outsour- cing (LPO)-Anbieter oder psychologische Berater.33 33 Zur Phasenbetrachtung: Weiss (2011), S. 102ff; RTMKM (2012). 19
Grafik 1: zentrale Phasen der Beratungsleistung „Konfliktmanagement“ Wahl des Durchführung Prävention Analyse Verfahrenswahl Vollstreckung Dritten Verfahren Zentrale Phasen der Beratungsleistung „Konfliktmanagement“ sind: > Prävention von Konflikten – Antizipation von Konfliktherden – Klärung der strittigen Punkte durch Koordination und Kommunikation – Analyse (Sachverhalt, Recht, Steuern, Risiken, Konfliktdynamik, Interessen) > Konfliktbehandlung – Analyse (Fortsetzung) – Verfahrenswahl (Überblick, Spezifika einzelner Verfahren, institutionell/ad hoc) – Wahl des neutralen Dritten (Profil, Auswahlprozedere, institutionell/ad hoc) – Durchführung des jeweils gewählten Verfahrens – Vollstreckung des (Schieds-) Urteils/der Einigung 2. Ergebnisse rat fallweise in Betracht gezogen (U4, U8). „Aber wir würden ja sowieso immer nochmal das Pro Hypothese „Phasen“: Niedergelassene Anwälte und Kontra verschiedener Streitbeilegungsmecha- werden von den Unternehmen nicht systematisch nismen, dann auch möglicherweise im Gespräch für einzelne Beratungsphasen im Konfliktmanage- [mit einem niedergelassenen Anwalt], evaluieren.“ ment mandatiert. (Vertreter U8; Klammern und Hervorhebungen ein- gefügt). Die Auswahl des neutralen Dritten in einem „… nein, mit so einem Seziermesser gehen wir nicht Verfahren der alternativen Streitbeilegung wird an die Fälle ran.“ (Vertreter U2). nicht als eigenständige Beratungsleistung wahrge- nommen, für die externer Rat benötigt wird. Die Auswahl externer Dienstleister, insbesondere von Anwälten, seitens der Unternehmen im Kon- Zum anderen ist festzuhalten, dass kein Unterneh- fliktmanagement gestaltet sich folgendermaßen: men mit unterschiedlichen Personen in den ver- Zum einen wird bei den befragten Unternehmen der schiedenen Phasen eines Falles gearbeitet hat. Nur größte Teil der Beratungsleistung „Konfliktmanage- ein Unternehmen (U3) hat mit bis zu drei Kanzleien ment“ bis zu dem Zeitpunkt, wo externe Anwälte in demselben Streitbeilegungsverfahren (also in aus gesetzlichen Gründen eingeschaltet werden einer Phase) gearbeitet. müssen (Anwaltspflicht in Gerichtsverfahren nach § 78 ZPO), inhouse erledigt. Nur zwei Unternehmen Externe psychologisch geschulte Prozessberater holen sich explizit eine zweite Meinung von nieder- werden nicht eingeschaltet, jedoch externe fach- gelassenen Anwälten zur Einschätzung der rechtli- liche Berater, wie z.B. Steuerberater, Wirtschafts- chen Situation und der Risikoeinschätzung ein (U4, prüfer, Volkswirte, technische Berater (U1, U3, U4, U9). Ein Unternehmen schaltet selten und „gezielt“ U7, U11). Kein Unternehmen hat einen Legal Process externe Anwälte ein (U6). Die Verfahrenswahl wird Outsourcing (LPO) Anbieter, z.B. für Fragen der in der Regel ebenfalls allein intern gefällt. In zwei Dokumentendurchsicht und Faktenaufbereitung, Fällen wird hier die Einholung von externem Rechts- hinzugezogen. 20
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