Reisen mit dem Elektroauto - Bulletin.ch
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D O S S I E R | M O B I L I TÄT Die Reise ins Südtirol beginnt in Gommiswald, St. Gallen. Reisen mit dem Elektroauto Ladeinfrastruktur | Ist es möglich, mit einem elektrischen Personenwagen sorglos zu reisen? Claudio Pfister probierte es. Er legte im Laufe einer Woche 1000 km in Graubünden, Südtirol und Tessin zurück. Strom fand er immer. Manchmal waren die Ladepausen sogar zu kurz. GUIDO SANTNER er sich überlegt, ein Elektro- bewusst offen, nur die beiden ersten mit den Bikes reichte es trotzdem nicht W auto anzuschaffen, denkt meist ans Pendeln zum Arbeitsplatz. Dabei legt das Auto täglich Hotels buchte er von zu Hause aus. Zeit zum Plaudern – das System von Tesla erlaubte ihm nur einen Halt von 50 Minuten, bis die Bat- terie einen Ladezustand von 80 % 50 km, vielleicht 100 km zurück – inner- «Es waren unsere ersten Ferien ohne erreichte. Danach musste er den Platz an halb der Reichweite jedes Elektroautos. Kinder. Wir packten zwei E-Bikes aufs der Ladestation freigeben. Das ist eine Aber eine Fahrt ins Ausland in die Autodach und fuhren los Richtung der Erfahrungen, die Pfister gemacht Ferien? Dafür hat man den SUV. Oder Engadin.» Dort, wusste Pfister, hat es hat: Unterwegs dauert das Schnellladen hatte. Es geht auch mit dem Elektroauto, einen Supercharger, wie die Schnellla- in der Regel 20 bis 30 Minuten, was für wie Claudio Pfister es ausprobiert hat. destationen von Tesla heissen, der sein einen Kaffee und eine WC-Pause reicht. Pfister ist Leiter der Fachgesellschaft Auto mit bis zu 120 kW auflädt. «Wir Dann kommt die Nachricht vom Auto E-mobile von Electrosuisse und fährt genossen die ruhige Fahrt, hatten Zeit, aufs Telefon, dass es geladen sei und der seit bald drei Jahren einen Tesla. «Ich miteinander zu plaudern und hörten Platz freigegeben werden muss. Bilder: Claudio Pfister wollte wissen, ob ich mit dem Elektro- Musik.» In St. Moritz dann die Überra- auto sorglos in die Ferien fahren kann», schung: Der Supercharger steht in der Fahrräder auf dem Dach erklärt er sein Ferienprojekt im Sep- Tiefgarage. Pfister musste zuerst die bei- erhöhen Verbrauch tember 2019. Er fuhr mit seiner Frau für den E-Bikes herunternehmen, um in die Nach dem Zwischenhalt in St. Moritz eine Woche ins Südtirol. Die Route war Garage zu kommen. Für einen Ausflug fuhren Pfister und seine Frau weiter über 28 bulletin.ch 3 / 2020
M O B I L I TÄT | D O S S I E R den Berninapass nach Livigno. Pfister, der früher einen Audi A8 mit Benzinmo- tor gefahren ist, schätzt das ruhige Fahr- gefühl mit dem Elektroauto: «Heute brauche ich nur noch das Gaspedal. Auch auf einer Passfahrt bremse ich mit dem Motor, der je nach Stellung des Gaspe- dals rekuperiert und die Energie in die Batterie zurückspeist.» Gänge zum Schalten gibt es beim Elektromobil keine. Nur die Fahrräder auf dem Dach merkt er: Die Dachträger quietschen immer wieder und der Verbrauch steigt deutlich an. «Normalerweise verbrauche ich 200 Wh/km, mit den beiden E-Bikes auf dem Dach sind es 300 Wh/km.» Das liegt nicht am Gewicht, sondern am Luft- widerstand, der stark ansteigt und sich vor allem auf der Autobahn bemerkbar macht. In Livigno hat Pfister ein einfacheres Hotel ohne Ladestation ausgesucht, da die Batterie vom Zwischenhalt im Die Reise führte über das Engadin und Livigno nach Meran. Von dort ging es weiter über höher gelegenen Engadin genug Ener- Bozen und Trient bis ins Tessin. Von hier wieder zurück nach Gommiswald. gie für die nächste Etappe bis zum Süd- tiroler Partschins bei Meran geladen hatte. In Partschins wurden Pfister und seine Frau einmal mehr überrascht, als sie in der Tiefgarage des Hotels die Ladestation suchten: Die Garage war voll Oldtimer – auch der Platz an der Ladesäule. Am selben Tag fand ein Rennen über den Berninapass statt. Halb so schlimm. Pfister und seine Frau blieben zwei Tage in der Region von Merano und machten mit den E-Bikes Ausflüge in die Berge. Das Auto luden sie in der zweiten Nacht, als die Oldtimer schon wieder weiter waren. In etwas besseren Hotels findet man eine Ladestation für Hotelgäste. Typ 2 oder CSS-Stecker? «Hotels der etwas gehobeneren Klasse haben in der Regel eine Ladestation», 300 km in 30 Minuten laden Ladeleistung in 30 Minuten eine Reich- sagt Pfister. Es gibt verschiedene Ver- In grösseren Ortschaften oder auf weite von 290 km laden können. In der zeichnisse wie www.lemnet.org oder Autobahnraststätten gibt es Schnell- Praxis wird man mit dem Elektroauto www.chargemap.com, worüber man ladestationen mit Gleichstrom, mit 200 bis 300 km fahren und dann in die Ladestationen findet. Zu jeder Ladeleistungen von 50 kW bis 150 kW. einer 20- bis 30-minütigen Pause aufla- Ladestation sind Angaben zur Leis- Neben dem CSS-Stecker gibt es hier den, bevor es weitergeht. tung und dem Stecker. In Europa sind auch den Chademo-Stecker für die die Stecker vom Typ 2 üblich für Wech- asiatischen Elektroautos. Die Schnell- Abrechnungssysteme selstrom mit Leistungen bis 22 kW und lader übertragen den Gleichstrom Nach Merano wollte Pfister ins Veltlin der CSS-Stecker für Schnellladestatio- direkt in die Batterie im Auto, während über den Tonalepass Richtung Tessin, nen mit Gleichstrom bis 150 kW. Es Wechselstrom zuerst vom fahrzeug- wollte aber vorher noch die Batterie gibt auch die normalen, einphasigen internen Ladegerät in Gleichstrom laden. In Bozen gäbe es mehrere Haushaltssteckdosen oder dreiphasige umgewandelt werden muss. Schnellladestationen, allerdings keine Drehstromsteckdosen, wie man sie auf Es gibt erste Ladestationen mit Leis- von Tesla, weshalb er einen Umweg Baustellen sieht. Pfister meint dazu: tungen von 350 kW, mit denen rein rech- über Trient fuhr: «Leider sind die «Das ist zu Hause praktisch, wo man nerisch eine Reichweite von 300 km in Ladesysteme oft etwas kompliziert. genug Zeit hat, oder auch mal im Hotel 10 Minuten geladen werden kann. Dies Man kann die Säule zwar meist über über Nacht. Aber unterwegs taugen hängt natürlich vom Auto ab. Der ange- Kreditkarte oder einen QR-Code frei- diese Langsamlader nicht.» kündigte VW ID 3 soll mit 100 kW schalten, aber es gibt gefühlt 1000 ver- bulletin.ch 3 / 2020 29
D O S S I E R | M O B I L I TÄT mit eigener Ladeinfrastruktur. Die anderen Elektroautos entsprächen der Android-Welt – mit einer mittlerweile sehr grossen Ladeinfrastruktur, aber nicht alles funktioniere auf Anhieb. Ins- gesamt gibt es alleine in Deutschland 16 000 öffentliche Ladestationen (Stand Juli 2019) mit 87 000 Ladepunkten. Täg- lich kommen neue hinzu. In der Schweiz zählt Lemnet zurzeit rund 2500 Stand- orte mit AC-Lademöglichkeit und über 300 Standorte mit DC-Schnellladern. Im Notfall langsamer fahren Die Pfisters machten vor dem Tessin einen Halt in Sondrio und luden das Auto an einem Supercharger auf. Pause am Supercharger in Sondrio. In 20 Minuten bis 80 % geladen. 20 Minuten reichten auch hier, um den «Tank» nachzufüllen. Nach einem Wochenende im Tessin fuhren sie vom fast südlichsten Punkt in der Schweiz, von Novazzano bei Chiasso, nach Gommiswald, St. Gallen. Dass ihm der Strom ausgehen könnte, macht Pfister keine Angst: «Auch mit dem Elektroauto hat man eine Reserve – man kann langsam fahren.» Das Auto zeige immer die Reichweite an und berechne die Zeit bis zum Ziel. Und ob es reiche. Wenn es knapp werde, schlage das Auto vor, langsamer zu fah- ren. Beispielsweise nur 110 km/h auf der Autobahn. Durch den geringeren Luftwiderstand steige die Reichweite sofort an. «Im Notfall kann man mit 60 km/h übers Land fahren und kommt fast beliebig weit», sagt Pfister. Das Auto informiert laufend über die restliche Reichweite und das gefahrene Leistungs- profil. Batterie nicht ganz laden Im Maienfeld beim Heidi-Hotel mach- ten Pfister und seine Frau nochmals schiedene Systeme und oft sind sie hier mit kleinen Leistungen lade, eine Pause und nutzten den Superchar- nicht besonders benutzerfreundlich.» bezahle bis zu 50 CHF für 100 km ger für 20 Minuten. Ganz füllte er die Es gibt diverse Betreiber von Ladesäu- Reichweite, rechnet Pfister vor. Batterie bewusst nicht: «Die Lebens- len: Easy4you, Plugnroll, Evpass oder dauer der Batterie ist am höchsten, Move sind die vier Grossen in der Halb so teuer wie Benzin wenn sie 50 bis 70 % geladen ist.» Schweiz, es gibt aber auch Hunderte Im Betrieb sei das Elektroauto deutlich Werde eine Lithium-Ionen-Batterie Kleine mit lediglich 2 – 3 Ladestationen. günstiger als ein Auto mit Verbrennungs- ganz entladen oder ganz gefüllt, degra- Pfister geht davon aus, dass sich dieser motor, sagt Pfister: «An der heimischen diere sie schneller. Das Auto von Pfister Markt konsolidieren wird und die klei- Ladestation sind es 3 bis 5 CHF/100 km hat nach 225 000 km noch 85 % der nen verschwinden werden. für den Strom, also deutlich günstiger als ursprünglichen Batteriekapazität. Dies Auch bei den Preisen gibt es grosse das Benzin für ein Auto.» Wobei er entspricht einer angezeigten Reich- Unterschiede: «Man trifft alles an, von immer von seinem Tesla S oder einem weite von 350 km. Natürlich hänge schenken bis schröpfen», sagt Pfister. entsprechenden Benziner der gehobe- diese in der Praxis von der Jahreszeit Gratis sei das Laden als Kunde bei nen Klasse ausgeht. Bei kleineren Autos und der Strecke ab. Im Winter redu- Hotels oder Läden wie Lidl. Zu Hause sei der Verbrauch natürlich geringer. ziere die Heizung die Reichweite. Die bezahle man den Haushaltstarif von 15 Um die Ladeinfrastruktur zu beschrei- 250 km aus dem Tessin bis nach Hause bis 25 Rp/kWh. An öffentlichen Lade- ben, nimmt Pfister den Vergleich von seien aber realistisch ohne Ladestopp. stationen seien es oft 50 bis 80 Rp/kWh. iPhone und Android-Smartphones her- Um die Lebensdauer zu erhöhen, ver- Ladestationen würden pro kWh, Minute vor: Der Tesla entspreche dem iPhone – meidet Pfister das Entladen der Batte- bzw. pro Ladevorgang abrechnen. Wer etwas teurer, dafür benutzerfreundlich rie unter 20 – 30 %. 30 bulletin.ch 3 / 2020
M O B I L I TÄT | D O S S I E R Acht Jahre Garantie den Tesla S auf umgerechnet 20 g/km 300 km Reichweite genügt Die in Autos eingebauten Lithium-Batte- kommt (normale Fahrt, ohne Fahrräder Als Fazit aus der Reise mit dem Elek- rien haben im Vergleich zu den Batterien auf dem Dach). Hinzu kommt das CO2, tromobil durchs Südtirol zeigt sich, in Smart Phones oder E-Bikes eine deut- das bei der Autoherstellung anfällt. Pfis- dass die benötigte Ladeinfrastruktur lich höhere Lebensdauer. Der Grund ist, ter rechnet hier mit 50 g/km, wobei die bereits so verbreitet ist, dass sie ein ent- dass sie im Auto von der Elektronik Zahlen je nach Studie weit auseinander- spanntes Reisen ermöglicht. Wer ein gemanagt und nie ganz entladen wer- klaffen. Insbesondere die Distanz, wel- Elektroauto kaufen will, muss sich den. Bei vielen Elektroautos wird die che das Auto über die ganze Lebensdauer nicht für eine möglichst grosse Reich- Batterie zudem temperiert – im Winter fährt, fliesst direkt in den CO2-Ausstoss weite entscheiden. In der Praxis rei- geheizt und im Sommer gekühlt. So pro km ein. Umgekehrt ausgedrückt: Je chen 200 bis 300 km, auch wenn man erreichen sie 1000 bis 2000 vollständige mehr man mit einem Elektroauto fährt, gelegentlich übers Wochenende weg- Zyklen (jeweils ganz geladen und entla- desto umweltfreundlicher ist es. Wer hin- fahren oder mit dem Auto in die Ferien den), bis die Kapazität auf 80 % gesun- gegen nur ab und zu ins Dorf einkaufen verreisen möchte. ken ist. In der Praxis erreichen die Batte- fährt, kauft sich lieber ein Occasionsauto rien auch bei täglichem Gebrauch – heute noch ein Auto mit Benzin- oder Referenzen Lebensdauern von zehn Jahren und Dieselmotor – und spart den CO2-Aus- [1] www.spritmonitor.de [2] Leonid Leiva, «Wie stark belastet die Batterie- mehr. Die meisten Hersteller geben eine stoss der Herstellung. herstellung die Ökobilanz von Elektroautos?», Garantie für acht Jahre. www.energie-experten.ch/de/mobilitaet/detail/ 70 g CO2/km wie-stark-belastet-die-batterieherstellung-die-oekobi- lanz-von-elektroautos.html 1000 km in acht Tagen Insgesamt rechnet Pfister für seinen Autor In der 8-tägigen Reise ist Claudio Pfister Tesla S mit 70 g CO2/km. Im Vergleich Guido Santner ist freier Wissenschaftsjournalist. 1000 km gefahren. Die reine Fahrzeit dazu verbrauchte sein früheres Auto, J guido@santner.ch betrug 18 h. Die Ladezeit unterwegs der A8, 13 l Benzin auf 100 km. Das ent- betrug insgesamt 2 h, wenn man das spricht 300 g CO2/km – ohne das CO2 Laden über Nacht im Hotel nicht dazu- aus der Herstellung. Nun war der A8 zählt. Insgesamt verbrauchte er 300 kWh natürlich schon älter. Aber auch ein Events Strom – ohne Fahrräder auf dem Dach BMW der 6er-Serie braucht im realen wären es 200 kWh gewesen. Da sein Strassenverkehr rund 12 l Benzin oder Driving Experience Tesla noch aus der Zeit kommt, als der 8 l Diesel auf 100 km.[1] Lokale Unternehmen und Institutio- Strom gratis abgegeben wurde, war die Die Diskussion, dass bei Elektroautos nen organisieren meist zusammen Fahrt «gratis». Aber auch wenn er den viel CO2-Emissionen bei der Herstel- mit ihrer Energiestadt sowie mit Strom hätte bezahlen müssen, hätte die lung der Batterie anfallen, sensibilisiert E-Mobile die Ausstellung «Elektro- Reise nur 50 bis 100 CHF gekostet. Was die Hersteller. Sie beginnen, die Batte- mobilität und Solarstrom». Hier kann neben den Kosten für die Übernachtun- rien mit Strom aus erneuerbaren Ener- sich das Publikum neutral beraten gen nicht wirklich ins Gewicht fällt. gien herzustellen. Noch werden zwar lassen, Elektrofahrzeuge unverbind- viele Batterien in Asien produziert, wo lich Probe fahren und – als seltene CO2-Emissionen der meiste Strom aus Kohlekraftwerken Gelegenheit für Kaufinteressierte Bezüglich Umweltbelastung ist natürlich kommt. Tesla baut seine Batterien aber – diverse Modelle vor Ort direkt auch ein Elektroauto nicht CO2-frei. Je bereits mit erneuerbarer Energie. Wei- miteinander vergleichen. nachdem, wie der Strom generiert wurde, tere Infos zur Umweltbilanz von Elekt- ist er mit mehr oder weniger CO2 belas- roautos und Lithium- Ionen-Batterien Aktuelle Probefahrten und Infos: tet. Für den Schweizer Strommix rechnet sind zusammengefasst in [2] sowie in e-mobile.ch/de/driving-experience Pfister mit 100 g CO2/kWh, womit er für den Artikeln auf Seite 10 und Seite 19. für Sicherheit im ÜBERZEUGENDE WEB-AUFTRITTE MIT modernen Tunnel Sichere Kabelführung mit Funktionserhalt im Brandfall E90. KNOW-HOW UND LEIDENSCHAFT. Geprüfte Bahnen, Kabelbefestigungen (Schnellverleger) und LANZ Brandschutzboxen für die sichere Strom- versorgung im Brandfall. Sicheres Trägermaterial www.somedia-production.ch 3-fach auf Erdbebensicherheit (EMPA), Schocksicherheit 1 bar (ACS) und Funktionserhalt im Brandfall E90 geprüfte MULTIFIX Montageschienen, -Systemteile und Dübel. LANZ ist BIM Ready! BIM-fähige Revit-Familien für LANZ Kabelführungen stehen ihnen auf www.lanz-oens. com zum Download zur Verfügung. Preis günstig. Qualität top. Lieferung klappt. LANZ nehmen. 7a bulletin.ch 3 / 2020 31
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