Revolte von rechts. Der Aufstieg des Retropopulismus als Reaktion auf gegenwärtige Demokratieprobleme - Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft

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Selk_V_2020

                                    Revolte von rechts.
                            Der Aufstieg des Retropopulismus
                   als Reaktion auf gegenwärtige Demokratieprobleme

                                                      Veith Selk

              „Revolte von rechts. Der Aufstieg des Retropopulismus als Reaktion auf gegenwärtige
              Demokratieprobleme“, in: Fromm Forum (Deutsche Ausgabe – ISSN 1437-0956), 24 /
              2020, Tuebingen (Selbstverlag), S. 124-140.
              Copyright © 2020 by Dr. Veith Selk, Institut für Politikwissenschaft; TU Darmstadt,
              Dolivostraße 15, D-64293 Darmstadt; E-Mail: selk[at-symbol]pg.tu-darmstadt.de

Einleitung                                                        transitorisches Phänomen abgetan werden.
                                                                  Populismus wurde von nun an vor allem mit der
Der Rechtspopulismus wurde unterschätzt. Das
                                                                  Demagogie unverantwortlicher Politikaußensei-
zeigte sich bei der Reaktion auf Donald Trump,
                                                                  ter und irrationaler Wahlentscheidungen in-
der zu Beginn seiner Kandidatur als eine Art
                                                                  kompetenter und böswilliger Wähler in Verbin-
Witzfigur betrachtet wurde. Aber auch UKIP
                                                                  dung gebracht.
und insbesondere der BREXIT galten vielen Be-
obachtern anfänglich als chancenlose Irrsinns-                    Die „guten Demokraten“ aus den etablierten
unternehmen. Und in Deutschland waren eini-                       Parteien und unter den Publizisten der kom-
ge Kommentatoren der Meinung, der                                 mentierenden Klasse brachten sich nun medial
Rechtspopulismus sei ein Problem, das nur an-                     gegenüber den „bösen Populisten“ und ihren
dere, gleichsam politisch zurückgebliebene                        vermeintlich dummen und unwissenden Anhä-
Länder betreffe. Allerdings konnte die Erfah-                     ngern in Stellung. Wer Populisten wählt, so lau-
rung, die man in Hamburg mit Ronald B. Schill,                    tete die Botschaft, der hat keine Ahnung von
„Richter Gnadenlos“ (BILD), gemacht hatte, das                    Politik, führt Böses im Schilde oder ist ein
Potential des Rechtspopulismus bereits in den                     schlechter Mensch. In diesem antipopulisti-
frühen 2000er Jahren aufzeigen. Zudem war in                      schen Diskurs spiegelten sich die Vorwürfe, die
Vergessenheit geraten, dass mit der Wirtschaft-                   die Rechtspopulisten den Parteien, den Medien
lichen Aufbau-Vereinigung (WAV) bereits im                        und den Hochschulen machen. Im „linksgrün
ersten deutschen Bundestag eine rechtspopu-                       versifften Establishment“ (Jörg Meuthen), so
listische Partei vertreten war (Woller 1984).                     die Polemik, mischten sich moralische und in-
                                                                  tellektuelle Verkommenheit, politische Inkom-
Diese Lage änderte sich, nachdem das Unglaub-
                                                                  petenz und bornierter Eigensinn.
liche wahr wurde und der Präsident der Verei-
nigten Staaten Donald Trump hieß, die Mehr-                       Die Hochphase dieses moralistischen Exorzis-
heit der Briten für den BREXIT votierte und mit                   mus währte nicht lange; aber es finden sich
der Alternative für Deutschland eine rechtspo-                    weiterhin Spuren von ihm – bei den Antipopu-
pulistische Partei in nahezu alle Parlamente                      listen wie bei den Rechtspopulisten, die sich
Deutschlands einzog. Der Rechtspopulismus                         wechselseitig Vorhaltungen machen, wie kor-
wurde damit als ein allgemeines Problem west-                     rupt, verkommen und böswillig die andere Sei-
licher Demokratien erkennbar, er konnte nicht                     te sei. Rechtspopulistische Parteien bieten hier-
mehr als eine Randerscheinung oder als ein                        für gegenwärtig Anlass, denn einige ihrer Politi-

                                                                                                  page/Seite 1 of/von 12
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                                                Revolte von rechts
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ker halten die Flanke zum Rechtsradikalismus                      Phänomens hilfreich sind (1). Anschließend will
bewusst offen und ihre Parteistrukturen wer-                      ich die Ermöglichungsbedingungen und Gründe
den von entristischen Rechtsradikalen als eine                    für den Aufstieg des Rechtspopulismus umrei-
politische Plattform genutzt.                                     ßen (2) und eine zeitdiagnostische These for-
                                                                  mulieren (3). Sie besagt, dass sich gegenwärtig
Diese beiden Phasen der Auseinandersetzung
                                                                  eine politische Konfliktlinie abzeichnet, die ich
mit dem Populismus haben Ähnlichkeit mit
                                                                  als Gegensatz zwischen rechtem Retropopulis-
dem Verlauf einer Beziehungskrise. Nach der
                                                                  mus und postdemokratischem Liberalismus in-
Verleugnung („Wir haben doch gar kein Prob-
                                                                  terpretiere.
lem hier!“) kommt die Moralisierung („Du bist
schuld, denn Du bist böse!“). In der Bezie-                       1. Was ist Populismus?
hungskrise ist es allerdings so: Wenn das Mo-
                                                                  a) Populismus als Kampfbegriff und als Diag-
ralgewitter abgeklungen ist, kann man versu-
                                                                  nose
chen, den Konflikt hinter der Beziehungskrise
zu verstehen und gegebenenfalls eine Therapie                     Der Begriff des Populismus ist mehrdeutig. Po-
aufsuchen, um dann anschließend ins alte Un-                      pulismus ist einerseits ein diagnostischer Be-
glück auf stabilisierter Grundlage zurückzukeh-                   griff, der auf den Zusammenhang zwischen po-
ren oder eben Schluss zu machen und zu neuen                      pulistischen Revolten mit gegenwärtigen Prob-
Ufern aufzubrechen. Dieser Ausweg, das Bezie-                     lemen repräsentativer Demokratien hinweist.
hungsende, ist in der Auseinandersetzung mit                      Allerdings ist der Ausdruck „Populismus“ poli-
dem Populismus bislang versperrt. Die instituti-                  tisch aufgeladen, er ist auch ein polemisches In-
onalisierte Ausbürgerung ist in der liberalen                     strument des Meinungskampfs. Mit ihm wer-
Demokratie keine Option. In ihr müssen Popu-                      den politisch Handelnde aus dem demokrati-
listen und Antipopulisten ohne die Verban-                        schen Spektrum ausgegrenzt und er stellt einen
nungsoption miteinander auskommen, auch                           Fall von „labelling“ dar, das der Abwertung
wenn es auf beiden Seiten nicht an symboli-                       durch Fremdbeschreibung dient.
schen Ausbürgerungen mangelt, die manch ei-
                                                                  Die Wirkung dieses „labellings“ ist kontextrela-
ner von ihnen nur zu gerne in die Tat umsetzen
                                                                  tiv, denn die mitgeführte Wertung ist von nor-
würde. Die Praxis einiger rechtspopulistischer
                                                                  mativen Erwartungen eines Publikums abhän-
Politiker an der Macht lassen in dieser Hinsicht
                                                                  gig, über die die Sprecher selbst nicht verfügen.
jedenfalls Übles erwarten. Zudem kommt es
                                                                  Wo, wie in Deutschland, Populismus mit nega-
gegenwärtig zu gewalttätigen Übergriffen auf
                                                                  tiven Eigenschaften assoziiert wird, ist eine ne-
beiden Seiten. Sie erwecken den Eindruck, dass
                                                                  gative Verwendung des Populismusbegriffs
nun in die Tat umgesetzt wird, wovon zuvor ge-
                                                                  leichter möglich als in den USA. Dort wird Popu-
sprochen wurde.
                                                                  lismus eher mit einer demokratischen Politik in
Mittels Moralisierung und symbolischer Aus-                       Verbindung gebracht, die die Interessen und
bürgerung der Gegenseite kann man sich seiner                     Ansichten der „ordinary people“ vertritt. Aller-
vermeintlichen Überlegenheit versichern und                       dings wird auch in den Vereinigten Staaten die
vielleicht auch einige neue Anhänger gewinnen,                    polemisch-negative Konnotation des Begriffs
doch das Problem, um das es geht, ist damit                       wirkmächtiger (vgl. Jäger 2017; Kazin 1995).
weder verstanden noch gelöst. Vor diesem Hin-
                                                                  Trotz der in Deutschland dominanten abwer-
tergrund soll der Beitrag zum Verständnis des
                                                                  tenden Verwendungsweise, finden sich auch
zeitgenössischen Rechtspopulismus beitragen –
                                                                  hierzulande Fälle, in denen Politiker den Begriff
ohne dadurch zugleich auch eine praktikable
                                                                  des Populismus zur Selbstbeschreibung nutzen.
Lösung anbieten zu können. Zuerst werde ich
                                                                  Alexander Gauland etwa verkündete, Populis-
den Begriff des Populismus klären, um an-
                                                                  mus sei für ihn „nichts Verwerfliches“, da Popu-
schließend drei Ansätze aus der Populismusfor-
                                                                  lismus schlicht bedeute, man solle „dem Volk
schung zu erläutern, die für das Verständnis des
                                                                  aufs Maul schauen“. Populisten, so die Bot-

                                                                                                  page/Seite 2 of/von 12
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                                                Revolte von rechts
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                   Eigentum des Erich Fromm Dokumentationszentrums. Nutzung nur für persönliche Zwecke. Veröffentlichungen
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schaft, rebellieren wie einst Luther gegen die                     zur Bezeichnung dieser Herrschaftsform der pa-
geballte Macht der Deutungselite, indem sie                        radoxe Begriff der „demokratischen Elitenherr-
dem Volk eine Stimme verleihen. Dieser An-                         schaft“ eingebürgert. Man kann ihn so ausle-
spruch kann nur dort verfangen, wo der Stim-                       gen, dass „repräsentative Demokratien“ in
me des Volkes Gewicht zukommen soll und wo                         Wirklichkeit Mischsysteme sind, die demokrati-
es zugleich Sprachrohre benötigt, die bean-                        sche Legitimation und Partizipation (vor allem
spruchen in seinem Sinne zu sprechen und so                        durch die Wahl) mit einer oligarchischen Herr-
„Volkes Stimme“ gegenüber einer unterdrü-                          schaftsstruktur verbinden (vgl. Sternberger
ckenden Macht zur Geltung zu bringen. Das                          1985; Winters 2011), deren sichtbarstes Zei-
verweist auf die normativen Erwartungen ge-                        chen die Spaltung zwischen Repräsentanten
genüber Politikern und Politikerinnen in der re-                   und Repräsentierten ist. Diese beiden Ebenen,
präsentativen Demokratie.                                          die Spaltung zwischen Repräsentanten und Re-
                                                                   präsentierten und die oligarchische Struktur
b) Populismus als politischer Stil
                                                                   der Repräsentanten, müssen überbrückt wer-
In einem weiten, diagnostischen Sinne kann                         den, soll die „demokratische“ Legitimation Be-
Populismus zunächst als ein Stilelement des Po-                    stand haben. Dies wird in einer Demokratie
litikmachens in Demokratien begriffen werden                       nicht nur durch Wahlverfahren, öffentliche
(vgl. Moffitt & Tormey 2014). Der populistische                    Meinungsäußerungen und direkte Partizipation
Stil hat den Zweck, Volksverbundenheit, d.h.                       erreicht, sondern eben auch symbolisch durch
die Nähe zur (Wahl-)Bürgerschaft zu symboli-                       den populistischen Stil.
sieren. Mittel hierfür sind das Verspeisen von
                                                                   Der populistische Stil kann aber auch von Poli-
landestypischen Gerichten, hochgekrempelte
                                                                   tikaußenseitern gegen die etablierten politi-
Ärmel, Bierfassanstiche und Haltungen des
                                                                   schen Kräfte gewendet werden, wie es gegen-
„Zuhörens“ während der „Ochsentour“ im
                                                                   wärtig im Rechtspopulismus der Fall ist. Der ge-
Wahlkampf. Hierzu zählen außerdem rhetori-
                                                                   genwärtige Rechtspopulismus ist allerdings al-
sche Figuren wie die „klare Kante“, der kalku-
                                                                   les andere als ein reines Stilelement, auch
lierte Regelbruch und die dosierte Provokation,
                                                                   wenn sich rechtspopulistische Politiker des po-
aber auch der Verweis auf das „Kümmern“ und
                                                                   pulistischen Stils in hohem Maße bedienen –
das „nah bei den Menschen sein“, untermauert
                                                                   man denke nur an Nigel Farage, der sich gerne
durch den Anspruch, vermeintlich populäre An-
                                                                   mit Zigarette und Bierglas ablichten lässt oder
sichten und Forderungen zu vertreten, im hero-
                                                                   an Donald Trumps Fast Food Bankett im Wei-
ischen Widerstand gegen eine nicht näher spe-
                                                                   ßen Haus. Zum Verständnis des zeitgenössi-
zifizierte Macht, die dies verhindern wolle.
                                                                   schen Rechtspopulismus sind weitere theore-
Der populistische Stil ist in der Demokratie ein                   tisch-begriffliche Überlegungen notwendig.
unvermeidliches Element der Politik, weil De-
                                                                   c) Populismus als „dünne Ideologie“
mokratie normativ auf der anspruchsvollen
Idee eines „government of the people, by the                       Ein gängiger Ansatz der Populismusforschung
people, and for the people“ (Abraham Lincoln)                      begreift Populismus als eine „dünne Ideologie“.
basiert. Die politische Wirklichkeit sieht dem-                    Sie besteht aus zwei Elementen, erstens der
gegenüber zumeist ernüchternd und enttäu-                          symbolischen Teilung des politischen Raums in
schend aus, denn die repräsentativen Demo-                         eine korrupte Elite und in ein gutes Volk, und
kratien sind faktisch durch die Dominanz der                       zweitens aus der These, das Volk verfüge über
politischen Eliten in Staat und Wirtschaft sowie                   einen Willen und dieser Wille solle die Richt-
der professionals in den Parteien gekennzeich-                     schnur der Regierungspolitik sein (Mudde
net. Sie, die Eliten, treffen die politisch maß-                   2004). Diese „Ideologie“, im Sinne einer in der
geblichen Entscheidungen.                                          politischen Kommunikation von nach Ämtern
                                                                   und Wahlstimmen strebenden Politikern artiku-
In der realistischen Demokratietheorie hat sich
                                                                   lierten Beschreibung des politischen Raums, ist

                                                                                                   page/Seite 3 of/von 12
                                                   Selk, V., 2020
                                                 Revolte von rechts
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„dünn“, weil sie selbst nicht programmatisch                       -     Law-and-order-Politik, die Betonung von
„gefüllt“ ist. Aus ihr folgen keine politischen                          „Durchgreifen und Strafen“, Hervorhebung
Forderungen (abgesehen von der Forderung,                                der Bedeutung einer starken Staatsgewalt
die Elite solle weniger korrupt sein und der Wil-                        und der nationalen Souveränität.
le des Volkes solle zur Geltung kommen. Aber
                                                                   -     die ostentative Ablehnung derjenigen Pro-
was will das Volk und wie soll die Korruption
                                                                         gramme und Werte „progressiver“ Partei-
vermindert werden?). In der politischen Wirk-
                                                                         en, Politiker, Publizisten und Milieus, die
lichkeit verbindet sich die „dünne Ideologie“
                                                                         sich symbolisch zur Markierung einer Diffe-
Populismus deshalb mit politischen Program-
                                                                         renz eignen (hierzu zählen etwa Vegeta-
matiken und parteipolitischer Organisation. Aus
                                                                         rismus, Klimaschutz und Ökologie, Femi-
der Perspektive dieses Verständnisses von Po-
                                                                         nismus, Urbanismus).
pulismus kann es Populismus deshalb nie in
Reinform geben, sondern nur in Gestalt von                         Der parteiförmige Rechtspopulismus hat eine
Bindestrich-Populismen, etwa als populistischer                    soziale Verankerung. Seine Kernanhängerschaft
Neoliberalismus oder Form von Parteien, deren                      sind die Facharbeiterschaft und das Kleinbür-
Programmatik, Mobilisierung, Führungsperso-                        gertum. Seine Anziehungskraft strahlt aller-
nal und Anhängerschaft die populistische Ideo-                     dings auch in andere Schichten, Klassen und
logie artikulieren und sie mit „rechten“ oder                      Milieus aus (Priester 2012). Von Bedeutung ist
auch „linken“ Programmen verknüpfen.                               zudem die regionale Prägung der Wählerschaft,
                                                                   insbesondere „abgehängte“ Regionen und
Was sind die programmatischen Elemente der
                                                                   Wahlkreise weisen höhere Stimmengewinne
heutigen rechtspopulistischen Parteien? Etwas
                                                                   für rechtspopulistische Parteien auf. Gegenwär-
holzschnittartig gefasst, zählen dazu die folgen-
                                                                   tig entwickeln sich die rechtspopulistischen
den:
                                                                   Parteien tendenziell zu den Parteien der „klei-
-   Kritik am Parteienstaat und der politischen                    nen Leute“. Infolge des Wegfalls der „Volkstri-
    Klasse; Kritik an Europäisierung und Globa-                    bunats-Funktion“ kommunistischer und sozial-
    lisierung;                                                     demokratischer Parteien erhalten sie in zu-
                                                                   nehmendem Maße Stimmen von „einfachen“
-   ein Pathos authentischer Demokratie und
                                                                   Arbeitern und Arbeitslosen.
    die Forderung nach mehr direkter Demo-
    kratie;                                                        Fern stehen dem Rechtspopulismus gebildete,
                                                                   überproportional ökologisch und linksliberal
-   die Forderung nach wohlfahrtsstaatlichen
                                                                   eingestellte, gut verdienende Akademiker aus
    Leistungen für die „angestammten“ arbei-
                                                                   den urbanen Zentren. Beachtenswert ist aller-
    tenden Bürgerinnen und Bürger (partikula-
                                                                   dings, dass die seit längerem vor sich gehende
    ristische Sozialstaatlichkeit);
                                                                   Ausweitung der Hochschulbildung bei gleichzei-
-   Kulturkonservatismus, Nationalstolz, Anti-                     tiger Schließung der Aufstiegswege ein Reser-
    Islamismus, Anti-Feminismus, Kritik der                        voir „überflüssiger Akademiker“ hervorge-
    „political correctness“;                                       bracht hat, das in Praktika, Weiterbildung und
                                                                   Kurzfristbeschäftigung, vielleicht auch im Hoch-
-   die Ablehnung von Migration (insbesonde-
                                                                   schulsystem insgesamt, „geparkt“ wird (vgl.
    re von Muslimen), von Multikulturalismus
                                                                   Collins 2013, S. 51-56; Collins 2011). Ist die Ab-
    und permissiver Kultur;
                                                                   wanderung für sie versperrt oder unattraktiv,
-   das Versprechen der politischen, kulturel-                     bildet sich bei ihnen Statusinkonsistenz, die aus
    len und ökonomischen „Wiedererstarkung“                        der Verbindung von hoher formaler Bildung mit
    und die Verheißung der Wiederherstellung                       prekärer beruflicher Stellung resultiert, und das
    eines goldenen Zeitalters und der Rückkehr                     hat bei ihnen ein beträchtliches Politisierungs-
    zu „alter Größe“;                                              und Mobilisierungspotential zur Folge. Dies ha-
                                                                   ben die nicht zuletzt von jungen akademischen

                                                                                                   page/Seite 4 of/von 12
                                                   Selk, V., 2020
                                                 Revolte von rechts
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Aktivisten getragenen Erfolge von Bernie San-                      Jandls hellsichtiges Gedicht „Lichtung“ erin-
ders und Jeremy Corbyn gezeigt.                                    nern:
Wenn es ihnen gelingt, diese Gruppe im Kon-                               manche meinen
text identitätspolitisch motivierter Veränderung                          lechts und rinks
der Hochschulen und der Arbeitswelt zum Zwe-                              kann man nicht velwechsern
cke der Inklusion (Frauenförderung, diversity) in                         werch ein illtum!
eine Frontstellung gegen das linksliberale Para-
                                                                   Die Verbindung von Parteienstaatskritik, parti-
digma zu manövrieren, ergibt sich hieraus für
                                                                   kularistischer Wohlfahrtspolitik und Protektio-
die politische Organisationsarbeit rechtspopu-
                                                                   nismus mit kulturkonservativen Ideen und ei-
listischer Parteien und Bewegungen, aber auch
                                                                   nem law-and-order Etatismus stellt mit Blick
für die mit ihnen verbundene digitale Gegenöf-
                                                                   auf die Präferenzen einer spezifischen Wähler-
fentlichkeit, ein Reservoir an hochgebildeten
                                                                   gruppe allerdings eine erfolgversprechende
und zugleich frustrierten, sich herabgesetzt füh-
                                                                   Strategie dar. Denn nicht wenige Wählerinnen
lenden jungen Erwachsenen. Sie kommen ge-
                                                                   und Wähler können der Gruppe der frustrierten
wiss auch als Wähler in Betracht, sie sind aber
                                                                   Links-Konservativen zugerechnet werden. Für
vor allem als potentielle Aktivisten von Bedeu-
                                                                   diese Gruppe ist charakteristisch, dass sie wirt-
tung. In jedem Fall stellen sie ein dynamisches
                                                                   schaftspolitisch eher moderat-linke Positionen
politisches Element dar, das in Zukunft von Be-
                                                                   vertreten, kulturpolitisch aber konservativ ein-
deutung sein wird.
                                                                   gestellt sind. Sie sind unzufrieden mit der politi-
Die Führungsschicht rechtspopulistischer Par-                      schen Klasse, und sie sehnen sich nach einem
teien rekrutiert sich bisher aus den zweiten                       starken Staat und einer handlungsfähigen, gut
Reihen etablierter Parteien, d.h. sie wird stär-                   regierenden politischen Führung. In Ermange-
ker von Politikern und Politikerinnen geprägt,                     lung von Parteien, die ein hierzu passendes
die über politische Erfahrung verfügen, aber                       „Angebot“ machen, in Verbindung mit einer öf-
nicht als Mitglieder der politischen Klasse in                     fentlichen Problemwahrnehmung von Migrati-
herausgehobener Stellung öffentlich in Erschei-                    on als „Mutter aller Probleme“ (Horst Seehofer)
nung getreten sind oder als solche gedeutet                        und vor dem Hintergrund der Tendenz rechts-
werden. Hinzu kommen politische Neulinge, die                      populistischer Parteien, sozial- und wirtschafts-
aber eher den gemeinhin nicht als politisch ver-                   politisch vom neoliberalen Paradigma Abstand
standenen Funktions- und Machteliten ent-                          zu nehmen, tendieren sie vermehrt dazu,
stammen (Hochschulen, Kultur, Medien, öffent-                      rechtspopulistische Parteien zu wählen (vgl.
liche Verwaltung, Wirtschaft).                                     Lefkofridi & Wagner & Willmann 2014; Nölke
                                                                   2018). In diesem Kontext ist die Parole Björn
Auffällig ist, dass rechtspopulistische Parteien
                                                                   Höckes bemerkenswert, die er bei seiner Rede
zum Teil zwar immer noch neoliberale Pro-
                                                                   auf dem Kyffhäuser-Treffen 2018 ausgab: „Die
grammatiken vertreten, aber einige von ihnen
                                                                   soziale Frage war das Kronjuwel der Linken, es
tendieren seit einiger Zeit stärker in Richtung
                                                                   war ihre Existenzgarantie. Und wenn wir als AfD
einer wirtschaftspolitisch interventionistischen,
                                                                   glaubwürdig bleiben und entschlossen bleiben,
partikularistisch-wohlfahrtsstaatlichen Position,
                                                                   dann können wir der Linken dieses Kronjuwel
die sie mit einem Kulturkonservatismus verbin-
                                                                   jetzt abjagen! Und das sollten wir tun!“ (Zit.
den. Vor diesem Hintergrund ist die einfache
                                                                   nach Deutschlandfunk 2018)
Zuordnung dieser Parteien zum rechten Spekt-
rum mit Vorsicht zu betrachten (genauso wie es                     d) Populismus als demokratische Reaktion
mittlerweile anachronistisch ist, sozialdemokra-
                                                                   Rechtspopulismus wird in der öffentlichen De-
tische Parteien sozialdemokratisch zu nennen).
                                                                   batte oftmals als unvereinbar mit der liberalen
In Anbetracht der zuweilen verwirrenden politi-
                                                                   Demokratie aufgefasst. Und tatsächlich sind die
schen Konstellation der Parteien- und Politik-
                                                                   Übergänge zwischen rechtspopulistischen Par-
landschaft mag man sich deshalb an Ernst

                                                                                                   page/Seite 5 of/von 12
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                                                 Revolte von rechts
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teien, Bewegungen und Diskursen auf der einen                      Neugestaltung.
Seite und rechtsradikalen Politikern, Bewegun-
                                                                   Für Canovan besteht zwischen beiden Seiten
gen und Diskursen auf der anderen Seite flie-
                                                                   eine Spannung, die der Populismus ausnutzen
ßend. Das ergibt sich zum einen aus themati-
                                                                   kann. Erscheinen institutionelle Reformmög-
schen und programmatischen Überschneidun-
                                                                   lichkeiten verbaut, etwa im Zeichen von einer
gen zwischen ihnen, andererseits resultiert es
                                                                   behaupteten „Alternativlosigkeit“, schlägt die
aus ihrer gemeinsamen Neigung, sich als die
                                                                   Stunde der populistischen Revolte. Dies ist ins-
einzig legitime, nicht korrumpierte politische
                                                                   besondere dann möglich, wenn die „erlösende“
Kraft darzustellen. Aus einem Rechtspopulis-
                                                                   Seite der Demokratie von den herrschenden
mus in der Demokratie kann deshalb ein
                                                                   politischen Kräften nicht mehr glaubhaft reprä-
Rechtspopulismus gegen die Demokratie wer-
                                                                   sentiert wird. Aber auch andersherum gilt:
den. Allerdings ist für den Rechtspopulismus
                                                                   Wenn ein rascher institutioneller Wandel er-
ein starkes Pathos der Demokratie kennzeich-
                                                                   folgt, den einige in der Bürgerschaft als fremd-
nend, das sich im Rechtsradikalismus nicht fin-
                                                                   bestimmt erleben oder entsteht bei ihnen der
det.
                                                                   Eindruck, das politische Alltagsgeschäft sei ge-
Das Verhältnis zwischen Demokratie und                             stört, dysfunktional oder korrupt, provoziert
Rechtspopulismus lässt sich jedoch nicht abs-                      auch dies populistische Gegenreaktionen.
trakt bestimmen, denn es hängt von zahlrei-
                                                                   Der Rechtspopulismus hat sich in der jüngeren
chen Kontextbedingungen ab, die in den exis-
                                                                   Zeit diese beiden potentiellen Schwachstellen
tierenden demokratischen Regimen variieren
                                                                   der Demokratie zu Nutze gemacht, indem er im
(hierzu zählen etwa die politische Kultur, die
                                                                   Angesicht sichtbarer öffentlicher Probleme das
Wahlverfahren, das Parteienrecht, die Mecha-
                                                                   „Politikversagen“ der etablierten politischen
nismen des gate keeping und die Praktiken des
                                                                   Kräfte anprangerte und die vor allem von der
Demokratieschutzes, die historischen Pfade der
                                                                   Linken sträflich vernachlässigte „erlösende“
institutionellen Entwicklung, das Parteiensys-
                                                                   Seite der Demokratie für sich in Anspruch
tem, u.v.m.). Allerdings lassen sich auf der kon-
                                                                   nahm.
zeptuellen Ebene zwei Eigenheiten demokrati-
scher Regime ausmachen, die Anknüpfungs-                           2. Was sind die Gründe für den Aufstieg des
punkte für den gegenwärtigen Rechtspopulis-                        Rechtspopulismus?
mus sind.
                                                                   „Rechtspopulismus“ stellt keinen Wesensbe-
Margaret Canovan hat diese Eigenheiten als                         griff dar, sondern ist ein Idealtyp. Er ist zu-
zwei Seiten der Demokratien beschrieben (Ca-                       nächst nur ein begriffliches Konstrukt, das der
novan 1999). Die eine Seite der Demokratie ist                     Ordnung der historisch-gesellschaftlichen Wirk-
das institutionengebundene Handeln im politi-                      lichkeit dient. Deren kulturelle Kontexte, unter-
schen Alltagsgeschäft; das ist die pragmatische                    schiedliche Pfadabhängigkeiten und institutio-
(pragmatic) Seite der Demokratie. Die andere                       nelle Strukturen, aber auch Mentalitäten müs-
Seite ist das institutionenverändernde Handeln                     sen bei der Deutung rechtspopulistischer Politi-
in den Momenten der tiefgreifenden Reform                          ker, Parteien, Bewegungen und Diskurse be-
und des Aufbegehrens. Dies ist die „erlösende“                     rücksichtigt werden (Jörke & Selk 2017). Hinzu
(redemptive) Seite der Demokratie. Demokratie                      kommt, dass populistische Bewegungen auf
ist für Canovan damit ein janusköpfiges Gebil-                     konkrete Ereignisse reagieren, die sie als Gele-
de, dessen zwei Gesichter aufeinander ange-                        genheit zur Mobilisierung nutzen. Hierzu zähl-
wiesen sind. Ohne Institutionen kann keine                         ten in der Vergangenheit Korruptionsskandale,
Demokratie existieren und ihre Zerstörung un-                      islamistischer Terrorismus, die sogenannte
tergräbt die Demokratie. Sind die Institutionen                    „Flüchtlingskrise“ sowie die Finanz- und Euro-
aber zu starr, konterkariert dies das demokrati-                   krise.
sche Versprechen der Selbstgesetzgebung und
                                                                   Gleichwohl gibt es Gründe für den Aufstieg des

                                                                                                   page/Seite 6 of/von 12
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                                                 Revolte von rechts
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Rechtspopulismus, die unabhängig von den je                        die einen Unterschied macht.
spezifischen Umständen sind. Hierzu zählt ers-
                                                                   Drittens hat sich der politische Stil der politi-
tens die Empfänglichkeit der klassischen Mas-
                                                                   schen Klasse und der politischen Eliten gewan-
senmedien für den provokativen Stil rechtspo-
                                                                   delt. Er ist nur noch selten populistisch. Statt-
pulistischer Politiker. Aufgrund ihrer Präferenz
                                                                   dessen ist er nüchtern, technokratisch, „lö-
für Konflikte und Skandale in ihrer Berichter-
                                                                   sungsorientiert“ und „politisch korrekt“. Das
stattung liefern sie diesen dauerhaft eine Büh-
                                                                   spricht jedoch nur einen Teil des Wäh-
ne. Hinzu kommt, dass sich infolge der Digitali-
                                                                   ler*innenschaft an; nicht wenige Wählerinnen
sierung der politischen Kommunikation eine di-
                                                                   und Wähler wollen auch Politiker und Politike-
gitale Gegenöffentlichkeit herausgebildet hat,
                                                                   rinnen, die Leidenschaften zum Ausdruck brin-
die die normative Filterfunktion der klassischen
                                                                   gen. Den Mangel an „demokratischer Leiden-
Massenmedien umgeht. Wenn die klassischen
                                                                   schaft“ wenden die Rechtspopulisten nun ge-
Medien über Rechtspopulismus berichten, do-
                                                                   gen die politische Klasse selbst (Mouffe 2005).
miniert dabei oftmals eine negative Bewertung
                                                                   Hinzu kommt, dass der Rechtspopulismus eine
bzw. eine unterschwellige Delegitimierung. Die
                                                                   Revitalisierung der „erlösenden“ Seite der De-
digitale Gegenöffentlichkeit durchlöchert diese
                                                                   mokratie verspricht, wodurch er Handlungs-
normative Filterung, da es ihnen mittels der
                                                                   macht symbolisiert, und eine Abkehr vom Pfad
Neuen Medien möglich ist, ein eigenes „politi-
                                                                   der „alternativlosen“ Politik verkörpert.
sches Framing“ zu betreiben und eigene The-
men zu setzen. Zudem können sie die normati-                       Die Aggression gegenüber der politischen Klas-
ve Filterfunktion der klassischen Medien als po-                   se, die Rechtspopulisten wie Donald Trump mit
litische Propaganda skandalisieren und Miss-                       Parolen wie „Lock her up!“ („Sperr sie ein!“ –
trauen säen.                                                       eine auf Hillary Clinton gemünzte Parole) schü-
                                                                   ren, kann man mit Recht als unzivilisiert ver-
Zweitens besteht seit einiger Zeit ein erhebli-
                                                                   dammen. Allerdings steckt hinter dieser politi-
cher Mangel an Parteidifferenzen in wichtigen
                                                                   sierten Straflust insoweit ein rationaler Kern,
Themenfeldern. Die „Parteien der Mitte“ haben
                                                                   wie die Mitglieder der oberen Ränge der politi-
sich stark angeglichen, und auf dem Feld der
                                                                   schen Klasse keinen sozialen Abstieg fürchten
Kulturpolitik haben sich auch die Ränder der
                                                                   müssen – im Gegensatz zu nicht wenigen Nor-
politischen Kräfte angenähert. Verstärkt wird
                                                                   malbürgerinnen und -bürgern. Für politische
dies durch die t.i.n.a.-Rhetorik (there is no al-
                                                                   Verfehlungen tragen sie oftmals keine schwer-
ternative) der politischen Eliten und vor allem
                                                                   wiegenden Konsequenzen, stattdessen werden
durch die Schwächung der Kerninstitutionen
                                                                   sie zuweilen in eine gut dotierte Position „weg-
der Demokratie, insbesondere der Parteien und
                                                                   befördert“. Der Rechtspopulismus lebt mithin
der Parlamente. Diese Entwicklung wird in der
                                                                   von etwas, das man als „demokratisches
Politikwissenschaft unter dem Stichwort der
                                                                   Ressentiment“ bezeichnen kann. Es entsteht
„Postdemokratie“ (Crouch 2008) diskutiert. Der
                                                                   aus dem offenkundigen Widerspruch zwischen
Begriff besagt, dass die zentralen Institutionen
                                                                   der öffentlichen Huldigung demokratischer
der Demokratie wie Parlamente, Parteien und
                                                                   Werte und der diesen Werten oftmals Hohn
Wahlen noch existieren, sie aber gewisserma-
                                                                   sprechenden politischen Wirklichkeit.
ßen „leerlaufen“, weil sie kaum noch über Re-
levantes entscheiden. Damit wird das legitimie-                    Der anstößige Stil und das dilettantische und
rende Band zwischen der Wahlentscheidung                           unprofessionelle Auftreten einiger Rechtspopu-
und der Regierungspolitik durchschnitten.                          listen sind vor diesem Hintergrund eher Vorzü-
Demgegenüber symbolisieren Rechtspopulisten                        ge als Nachteile. Sie symbolisieren Nichtzuge-
mit ihren Schlagworten „there is an alternative“                   hörigkeit zur politischen Klasse. Das wird
und „take back control“ die Rückkehr der de-                       dadurch befördert, dass die politische Klasse
mokratischen Politik. Sie stehen symbolisch für                    homogener geworden ist. Sie ist in einem zu-
eine politische Alternative, die wählbar ist und                   nehmenden Maße akademisch geprägt, und sie

                                                                                                   page/Seite 7 of/von 12
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                                                 Revolte von rechts
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                   – auch von Teilen – bedürfen der schriftlichen Erlaubnis des Rechteinhabers.

spiegelt die auch in der Gesellschaft stärker                      Produktivitätszuwächsen resultiert, und das
gewordene soziale Schließung.                                      über sozial hochselektive Bildungsinstitutionen
                                                                   erzeugte Bildungsgefälle. All diese Differenzen
Zwar versammeln auch rechtspopulistische Par-
                                                                   und die mit ihnen einhergehenden Konflikte
teien viele Akademiker in ihren Reihen, insbe-
                                                                   wurden bisher nicht hinreichend repräsentiert
sondere in den Parlamenten, durch ihren popu-
                                                                   und dadurch nicht politisch integriert.
listischen Stil können sie dies aber besser über-
decken.                                                            Die erodierende soziale Homogenität erfahren
                                                                   die Bürgerinnen und Bürger auch in ihrer Le-
Viertens erodiert in den repräsentativen De-
                                                                   benswelt, und nicht wenige von ihnen deuten
mokratien die „soziale Homogenität“ (Heller
                                                                   sie als eine Bedrohung. Dieses Bedrohungsge-
1928). Mit diesem Begriff hatte der sozialde-
                                                                   fühl kann ein ich-bezogenes sein, in Form der
mokratische Theoretiker Hermann Heller auf
                                                                   Angst vor dem individuellen Abstieg, es kann
einen „sozial-psychologischen Zustand“ hinge-
                                                                   aber auch auf ein Kollektiv bezogen sein, in
wiesen, der der Sache nach bereits von Aristo-
                                                                   Form der Angst vor einem Niedergang einer
teles zu den Voraussetzungen politischer Ein-
                                                                   Gemeinschaft. Der Rechtspopulismus schließt
heitsbildung gezählt wurde. Bestandteile der
                                                                   hier in doppelter Weise an. Er verspricht sozial-
„sozialen Homogenität“ sind vor allem ein ge-
                                                                   politische Kompensationen und die Rückkehr zu
wisses Maß an „sozialer Angeglichenheit“ und
                                                                   einer vergangenen, vermeintlich großartigen
ein „Wirbewußtsein und -gefühl“ (ebd.,
                                                                   ethnischen oder kulturellen Gemeinschaft. Er
S. 428 f.). Heller wies zwar darauf hin, dass so-
                                                                   reagiert auf die Erfahrung erodierender sozialer
ziale Homogenität „niemals Aufhebung der
                                                                   Homogenität und abnehmender Integration in-
notwendig antagonistischen Gesellschaftsstruk-
                                                                   folge fehlender Differenz- und Konfliktreprä-
tur bedeuten“ kann (ebd.), aber Demokratien
                                                                   sentation mit dem Versprechen einer ethni-
können ihre bemerkenswerte Fähigkeit zur Re-
                                                                   schen und kulturellen Re-Homogenisierung.
präsentation von Differenz gleichwohl nur dann
zur Geltung bringen, wenn sie zugleich über ein                    Fünftens nimmt in den Demokratien die politi-
hinreichendes Maß an sozialer Kohäsion infolge                     sche Komplexität zu, und dies wird auch in zu-
eines bestimmten Maßes an „sozialer Homoge-                        nehmendem Maße bewusst. Zunahme politi-
nität“ verfügen.                                                   scher Komplexität heißt nicht nur, dass die Zahl
                                                                   der an der politischen Kommunikation Beteilig-
Insbesondere drei Aspekte der erodierenden
                                                                   ten ansteigt, sondern auch, dass es zu einer Dif-
sozialen Homogenität sind für das Verständnis
                                                                   fusion von Verantwortung kommt. Wer über
des Rechtspopulismus von Bedeutung: Infolge
                                                                   was mit welchen Folgen entschieden hat, das
von Zuwanderung und einer vernachlässigten
                                                                   ist infolge der komplexen Formen des Regie-
politischen Integration der Zugewanderten tre-
                                                                   rens jenseits des Staates, innerhalb des Exeku-
ten Bürgerschaft und Bevölkerung in den De-
                                                                   tivföderalismus der EU sowie außerhalb der
mokratien auseinander, es entsteht dadurch
                                                                   parlamentarischen Arenen in den zahlreichen
ein relativ großes Segment an Menschen, die
                                                                   „Konsensrunden“,        Expertenkommissionen,
dauerhaft auf einem Staatsgebiet leben, aber
                                                                   „Bürgerdialogen“ und „Gipfeltreffen“ immer
dort über nur eingeschränkte Bürgerrechte ver-
                                                                   schwerer zu sagen.
fügen, sie sind „Subjekte zweiter Klasse“ und
damit eine leichte Zielscheibe für rechtspopulis-                  Das ist problematisch, weil damit ein Kriterium
tische Agitation. Zudem hat sich in den Demo-                      demokratischer Legitimität verletzt wird, das
kratien ein empirischer Multikulturalismus her-                    Michael Th. Greven entdeckt und nach dem ita-
ausgebildet, weshalb die Zahl der Kulturen zu-                     lienischen Politikwissenschaftler Giovanni Sar-
nimmt, woraus sich eine verstärkte Differenzer-                    tori benannt hat (Greven 2009). Das „Sartori-
fahrung ergibt. Hinzu kommen die zunehmende                        Kriterium“ besagt, dass Demokratie von allen
sozio-ökonomische Ungleichheit, die primär aus                     politischen Regimeformen die komplizierteste
der negativen Abkopplung der Löhne von den                         ist, sie aber nur dann bestehen kann, wenn ihre

                                                                                                   page/Seite 8 of/von 12
                                                   Selk, V., 2020
                                                 Revolte von rechts
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Prinzipien, Institutionen und Prozesse von den                     Obwohl viele regierende Parteien durchaus
Durchschnittsbürgern verstanden werden. An-                        „Schließungspolitik“ betrieben haben und be-
gewandt auf die gegenwärtige Lage bedeutet                         treiben, wird dieser Konflikt aufgrund der Vor-
das: Die überbordende Komplexität der Politik                      herrschaft des liberalen Diskurses in der Öffent-
gefährdet die Demokratie, weil die Bürgerinnen                     lichkeit („Weltoffenheit statt Abschottung“)
und Bürger politisch den Überblick verlieren                       und im Parteienwettbewerb symbolisch nicht
und dies auch selbst bemerken.                                     hinreichend repräsentiert. Die dadurch entste-
                                                                   hende Repräsentationslücke wird gegenwärtig
Auch an dieser Stelle schließen rechtspopulisti-
                                                                   von rechtspopulistischen Parteien genutzt, die
sche Politiker an gegenwärtige Probleme der
                                                                   sich durch ihre Programmatik, aber vor allem
Demokratie an. Sie setzen nicht, wie die meis-
                                                                   auch mittels ihrer Verwendung von „Schlie-
ten anderen Parteien und Politiker, auf lang-
                                                                   ßungsparolen“ („Build a wall!“) als Parteien der
wierige Verhandlungen, simulative „Bürgerdia-
                                                                   Schließung positionieren. Damit können sie ein
loge“ und den Einsatz von Expertenkommissio-
                                                                   Alleinstellungsmerkmal als Repräsentanten der
nen. Stattdessen nehmen sie klare Verantwor-
                                                                   Befürworter von „Schließung“ beanspruchen.
tungszuschreibungen vor. Sie stehen zudem für
eine Mehrheitsherrschaft und propagieren ein-                      Man kann diese Konstellation als das Ergebnis
fache Politikrezepte, die sie in eingängigen                       einer umfassenden, seit den 1970er Jahren ein-
Kampagnen vorbringen. An diesen Kampagnen                          setzenden „Modernisierung“ begreifen, die
und Programmen wird oftmals kritisiert, bei                        durch politische, ökonomische und kulturelle
ihnen handele es sich um „einfache Antworten                       Liberalisierungsprozesse gekennzeichnet ist. Sie
auf komplexe Probleme“. Wenn mit „einfach“                         bringt, wie alle Prozesse sozialen Wandels,
gemeint ist: einfach zu verstehen, dann muss                       „Gewinner“ und „Verlierer“ hervor, da Indivi-
man diesem Einwand im Lichte des Sartori-                          duen, Gruppen, Klassen und Milieus unter-
Kriteriums entgegenhalten, dass Demokratien                        schiedlich von diesen Liberalisierungsprozessen
genau dies benötigen: einfache Antworten. Po-                      in Politik, Wirtschaft und Kultur betroffen sind
litische Antworten auf öffentliche Probleme                        und die Bedeutung dieser Prozesse unter-
sind nicht richtig, weil sie einfach sind, aber in                 schiedlich interpretieren. Während die Liberali-
einer Demokratie müssen die politischen Ant-                       sierung in den Augen mancher einen Gewinn
worten einfach zu verstehen sein. Andernfalls                      darstellt (und ihnen mehr Freiheit, Geld, Anse-
sind sie auf demokratischem Wege nicht zu                          hen, Selbstverwirklichungschancen und den
vermitteln.                                                        Bedeutungszuwachs von ihnen geschätzter
                                                                   Werte und Ideen einbringt), befürchten andere
Sechstens hat sich in jüngerer Zeit eine neue
                                                                   einen entsprechenden Verlust. Die Rechtspopu-
Konfliktlinie zwischen „Öffnung“ und „Schlie-
                                                                   listen beanspruchen die Repräsentation dieser
ßung“ herausgebildet, die hergebrachte Kon-
                                                                   „Verlierer“ bzw. derjenigen, die sich dafür hal-
fliktlinien („Kapital“ gegen „Arbeit“, „Stadt“ ge-
                                                                   ten. Dies korrespondiert mit der Wählerschaft
gen „Land“, usw.) ergänzt und überlagert. In-
                                                                   rechtspopulistischer Parteien, die tendenziell
folge der politisch gewollten, wachsenden In-
                                                                   eher älter, männlich und nicht akademisch ge-
terdependenz der politischen Ordnungen, der
                                                                   prägt ist.
Zunahme grenzüberschreitender Kommunika-
tion, der Liberalisierung der Kultur und Ökono-                    3. Zwei wie Pech und Schwefel. Postdemokra-
mie und aufgrund der erhöhten Mobilität ha-                        tischer Liberalismus vs. rechter Retropopulis-
ben sich Veränderungsprozesse vollzogen, die                       mus
Gegenreaktionen und damit einen Konflikt zwi-
                                                                   Damit deuten sich die Konturen der Auseinan-
schen Befürwortern von weiterer „Öffnung“ auf
                                                                   dersetzung an, in der der Konflikt zwischen Be-
der einen und Befürwortern von „Schließung“
                                                                   fürwortung von „Öffnung“ und Befürwortung
auf der anderen Seite auslösen (vgl. Reckwitz
                                                                   von „Schließung“ ausgetragen wird. Ich will
2016).
                                                                   mich hier auf die „ideenpolitische“ Dimension

                                                                                                   page/Seite 9 of/von 12
                                                   Selk, V., 2020
                                                 Revolte von rechts
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dieser Auseinandersetzung konzentrieren und                       weise auch um liberale Werte, aber er rechtfer-
dafür zwischen zwei politischen Ideen unter-                      tigt seine Programmatik vor allem kollektivis-
scheiden, die sich in der gegenwärtigen Lage                      tisch. Im Kern geht es ihm um das Mildern,
herauskristallisieren.                                            Stoppen oder Rückgängigmachen der liberalen
                                                                  Modernisierung. Die Kur der Übel liegt ihm zu-
Auf der einen Seite steht der postdemokrati-
                                                                  folge deshalb nicht im „mehr von der gleichen
sche Liberalismus (vgl. Jörke & Selk 2019). Er
                                                                  Medizin!“, wie es der postdemokratische Libe-
registriert und affirmiert die Verminderung
                                                                  ralismus empfiehlt, sondern in der rückwärts-
demokratischer Steuerungsfähigkeit und die
                                                                  gewandten Parole „weniger liberale Moderne
Schwächung der „erlösenden“ Seite der Demo-
                                                                  wagen!“ Im Zentrum steht hierbei das rechts-
kratie. Ohne Hoffnung auf die Revitalisierung
                                                                  populistische Versprechen der Wiederherstel-
majoritärer Demokratie nimmt er Abschied von
                                                                  lung eines großartigen, vergangenen Zustandes
der Idee von Demokratie als der Verwirklichung
                                                                  („Make America great again“), dessen Nieder-
eines demokratisch gebildeten Mehrheitswil-
                                                                  gang elitenkritisch-polemisch dem „linksgrün
lens. Er setzt demgegenüber auf die Stärkung
                                                                  versifften Establishment“ in Politik, Kultur und
der „pragmatischen“ Seite der Demokratie und
                                                                  Öffentlichkeit zugerechnet wird. Die dem zu-
propagiert ein gutes Regieren, das vor allem
                                                                  grunde liegende Idee einer „olde tyme de-
durch Expertenwissen, aber auch durch gut in-
                                                                  mocracy“ zielt darauf ab, Institutionen zu stär-
formierte Bürgerinnen und Bürger unterstützt
                                                                  ken bzw. wiederherzustellen, die durch be-
wird, und das vor allem der Verwirklichung libe-
                                                                  schleunigten sozialen Wandel erodiert sind.
raler Werte dient.
                                                                  Hierzu zählen vor allem die bürgerliche Klein-
Seine Grundintuition ist, dass die negativen                      familie und das „heteronormative“ Geschlech-
Folgen der liberalen Modernisierung durch                         terverhältnis; die ethno-nationale Gemein-
mehr liberale Modernisierung bekämpft wer-                        schaft, Identität und Kultur; die staatliche Sou-
den müssten. In diesem Sinne ist der postde-                      veränität; die Mehrheitsdemokratie und der
mokratische Liberalismus eine „progressive“                       vermeintlich „Wohlstand für alle“ schaffende
politische Idee. In seiner linken Variante von                    Industriekapitalismus alter Prägung. Auf die
der SPD bis zu den GRÜNEN sitzt der Akzent                        Bundesrepublik angewandt lautet die Parole
mehr auf Chancengerechtigkeit, in seiner rech-                    mithin: Zurück zur alten Bonner Republik!
ten Variante von der CDU bis zur FDP stärker
                                                                  Fazit
auf Leistung; gemeinsam ist beiden Varianten
die Stoßrichtung der wettbewerblichen Anpas-                      Sollte sich diese Konstellation verfestigen, ste-
sung an den globalen Kapitalismus und die                         hen die Chancen für eine auf Mündigkeit, Ge-
„Sachzwänge“ der Marktgesellschaft, die im                        rechtigkeit und Freiheit abzielende demokrati-
Ganzen als nicht steuer- und beherrschbar auf-                    sche Politik schlecht. Der postdemokratische
gefasst werden und denen sich andere Ziele un-                    Liberalismus führt zwar aufgrund seiner liberal-
terordnen oder zumindest als Mittel beigesel-                     individualistischen Ausrichtung zur Verminde-
len müssten. Öffnungsprozesse in Politik (Euro-                   rung von institutioneller Demütigung, er ver-
päisierung, Globalisierung), Ökonomie (Frei-                      nachlässigt jedoch die sozialen Voraussetzun-
handel, Innovation) und Kultur (Toleranz und                      gen von Demokratie. Die bestehenden Un-
Vielfalt) werden so als miteinander zusammen-                     gleichheiten der Bildung, des Eigentums, des
hängende und funktionale Mittel der Anpas-                        Sozialprestiges und der Lebenschancen könn-
sung im „globalen Wettbewerb um Märkte,                           ten nur durch demokratische Machtpolitik ver-
Köpfe und Kapital“ begriffen.                                     ändert werden. Seine Verabschiedung von de-
                                                                  mokratischer Machtpolitik, die die Interessen
Auf der anderen Seite steht der rechte Retro-
                                                                  der Mehrheit zur Geltung bringen könnte, führt
populismus. Er konfrontiert den postdemokrati-
                                                                  deshalb zur weiteren Verfestigung bestehender
schen Liberalismus mit einer reaktiven bis reak-
                                                                  Privilegien. Das liberale Programm der Anpas-
tionären Programmatik. Zwar geht es ihm teil-

                                                                                                page/Seite 10 of/von 12
                                                  Selk, V., 2020
                                                Revolte von rechts
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sung an die „Sachzwänge“ der Marktgesell-                          Heller, Hermann, 1971 [1928]: Politische De-
schaft stärkt die bereits Starken.                                     mokratie und soziale Homogenität, in: Ge-
                                                                       sammelte Schriften, Band II, Leiden (A W.
Der rechte Retropopulismus hingegen propa-
                                                                       Sijthoff), S. 421-433.
giert ein Ideal, das unter den gegebenen Bedin-
                                                                   Jäger, Anton, 2017: “The Semantic Drift: Images
gungen liberaler Gesellschaften kaum zu reali-
                                                                       of Populism in post-war American Historiog-
sieren ist, da er Liberalisierungsschritte rück-
                                                                       raphy and their Relevance for (European)
gängig machen müsste, an die sich viele Bürge-
                                                                       Political Science”, in: Constellations, Band
rinnen und Bürger bereits gewöhnt haben. Er
                                                                       24, S. 310-323.
reagiert auf die Folgen liberaler Modernisie-
                                                                   Jörke, Dirk & Selk, Veith, 2019: „Was ist post-
rung in erster Linie regressiv-protestförmig.
                                                                       demokratischer Liberalismus?“, in: Journal
Protest ist aber kein Regierungsprogramm.
                                                                       für politische Bildung, Nr. 1, S. 24-27.
Deshalb steht seine eigentliche Bewährungs-
                                                                   Jörke, Dirk & Selk, Veith, 2017: Theorien des
probe in den westlichen Demokratien noch aus.
                                                                       Populismus zur Einführung, Hamburg (Juni-
Insbesondere der Ausgang des gegenwärtigen
                                                                       us).
italienischen Experiments einer Koalitionsregie-
                                                                   Kazin, Michael, 1995: The Populist Persuasion.
rung bestehend aus der linkspopulistischen
                                                                       An American History, Ithaca und London
Fünf-Sterne-Bewegung und der rechtspopulisti-
                                                                       (Cornell University Press).
schen Lega dürfte vor diesem Hintergrund von
                                                                   Lefkofridi, Zoe & Wagner, Markus & Willmann,
Bedeutung sein.
                                                                       Johanne E., 2014: “Left-Authoritarians and
Literatur                                                              Policy Representation in Western Europe:
                                                                       Electoral Choices across Ideological Dimen-
Canovan, Margaret, 1999: “Trust the people!
                                                                       sions”, in: West European Politics, Band 37,
    Populism and the Two Faces of Democracy”,
                                                                       Nr. 1, S. 65-90.
    in: Political Studies Band 47, S. 2-16.
                                                                   Moffitt, Benjamin & Tormey, Simon, 2014: “Re-
Collins, Randall, 2013: “The End of Middle-Class
                                                                       thinking Populism. Politics, Mediatisation
    Work: No More Escapes”, in: Wallerstein,
                                                                       and Political Style”, in: Political Studies,
    Immanuel u.a. (Hg.): Does Capitalism Have a
                                                                       Band 62, Nr. 2, S. 381-397.
    Future?, Oxford und New York (Oxford Uni-
                                                                   Mouffe, Chantal 2005: “The ›End of Politics‹
    versity Press), S. 37-69.
                                                                       and the Challenge of Right-wing Populism”,
Collins, Randall, 2011: “Credential Inflation and
                                                                       in: Populism and the Mirror of Democracy.
    the Future of Universities”, in: Italian Jour-
                                                                       Hg. Francisco Panizza, London (Verso), S. 50-
    nal of Sociology of Education, Band 2,
                                                                       71.
    S. 228-251.
                                                                   Mudde, Cas, 2004: “The Populist Zeitgeist”, in:
Crouch, Colin, 2008: Postdemokratie, Frankfurt
                                                                       Government and Opposition, Band 39, Nr. 4,
    am Main (Suhrkamp).
                                                                       S. 541-563.
Deutschlandfunk, 2018: AfD-Parteitag in Augs-
                                                                   Nölke, Andreas, 2018: Linkspopulär. Vorwärts
    burg. Selbstzufrieden trotz programmati-
                                                                       handeln, statt rückwärts denken, Frankfurt
    scher Lücken,
                                                                       am Main (Westend Verlag).
    https://www.deutschlandfunk.de/afd-
                                                                   Priester, Karin, 2012: Rechter und linker Popu-
    parteitag-in-augsburg-selbstzufrieden-
                                                                       lismus. Annäherungen an ein Chamäleon,
    trotz.724.de.html?dram:article_id=421680
                                                                       Frankfurt am Main und New York (Campus).
    (23.07.2019).
                                                                   Reckwitz, Andreas, 2016: „Zwischen Hyperkul-
Greven, Michael Th., 2009: „Zukunft oder Ero-
                                                                       tur und Kulturessentialismus. Die Spätmo-
    sion der Demokratie?“, in: Politik – Wissen-
                                                                       derne im Widerstreit zweier Kulturalisie-
    schaft – Medien. Festschrift für Jürgen Falter
                                                                       rungsregimes“,        in:    soziopolis.de   –
    zum 65. Geburtstag, Hg. Hanna Kaspar et
                                                                       http://soziopolis.de/beobachten/kultur/arti
    al., Wiesbaden (VS-Verlag für Sozialwissen-
                                                                       kel/zwischen-hyperkultur-und-
    schaften), S. 411-428.

                                                                                                 page/Seite 11 of/von 12
                                                   Selk, V., 2020
                                                 Revolte von rechts
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   kulturessenzialismus/ (30.11.2016).
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   schläge zur Revision der Lehre vom Verfas-
   sungsstaat“, in: Ders.: Verfassungspatrio-
   tismus, Schriften Band 10, Frankfurt am
   Main (Suhrkamp), S. 156-231.
Winters, Jeffrey A., 2011: “Democracy and Oli-
   garchy”, in: The American Interest, Band 7,
   Nr. 2, S. 18-27.
Woller, Hans, 1984: „Die Wirtschaftliche Auf-
   bau-Vereinigung“, in: Stöss, Richard (Hg.):
   Parteien-Handbuch. Die Parteien der Bun-
   desrepublik Deutschland 1945-1980, Band II:
   FDP bis WAV, Opladen (Westdeutscher Ver-
   lag), S. 2458-2481.

                                                                                                page/Seite 12 of/von 12
                                                  Selk, V., 2020
                                                Revolte von rechts
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