RISKWA-STATUSPAPIER METHODEN ZUR (ÖKO-)TOXIKOLOGISCHEN BEWERTUNG VON SPURENSTOFFEN IM WASSERKREISLAUF

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RISKWA-STATUSPAPIER METHODEN ZUR (ÖKO-)TOXIKOLOGISCHEN BEWERTUNG VON SPURENSTOFFEN IM WASSERKREISLAUF
BMBF-Fördermaßnahme

RiSKWa-Statuspapier
Methoden zur (öko-)toxikologischen
Bewertung von Spurenstoffen
im Wasserkreislauf
Ergebnisse des Querschnittsthemas
„(Öko-)Toxikologie“
Tamara Grummt, Rita Triebskorn, Jörg Oehlmann,
Thomas Braunbeck, Oliver Happel
RISKWA-STATUSPAPIER METHODEN ZUR (ÖKO-)TOXIKOLOGISCHEN BEWERTUNG VON SPURENSTOFFEN IM WASSERKREISLAUF
Fazit

    RiSKWa hat gezeigt, dass wirkungsbasierte (öko)toxikologische Tests essentielle Elemente im Risikomanage-
    ment von Spurenstoffen im Wasserkreislauf sind. Das vorliegende Statuspapier dokumentiert in diesem Zusam-
    menhang ausführlich die am besten etablierten toxikologischen und ökotoxikologischen Verfahren zur Risiko-
    bewertung im Bereich Trinkwasser, Oberflächenwasser und Abwasser im Kontext von gesetzlichen Bezügen.
    Die vorgestellten Verfahren erlauben die wirkungsbasierte Erfassung sowohl allgemeiner als auch spezifisch wir-
    kender stofflicher Belastung in den genannten Medien. Sie stellen damit auch eine wichtige Grundlage für eine
    wirkungsbasierte Bewertung der Effizienz von Abwasserreinigungsanlagen dar. Die Tests können unter anderem
    für die Bewertung der Wirksamkeit weitgehender Abwasserreinigungstechniken sowie von technischen Verfah-
    ren für Misch- und Regenwasserbehandlung eingesetzt werden. In RiSKWa konnte mit Hilfe wirkungsbasierter
    ökotoxikologischer Tests belegt werden, dass die vierte Reinigungsstufe auf Kläranlagen zusätzlich zu der ana-
    lytisch erwiesenen Reduktion von stofflichen Belastungen zu einer deutlichen Verbesserung des ökologischen
    Gewässerzustandes im Vorfluter führt.

    Neben einer ausführlichen Betrachtung von Grundlagen zur Vor- und Aufbereitung von Umweltproben für wir-
    kungsbasierte Tests werden Biotests und Biomarker im Sinne einer Tool-Box für verschiedene Anwendungsfel-
    der vorgestellt und ihre Vor- und Nachteile beschrieben. In einer abschließenden detaillierten Tabelle sind schließ-
    lich die in RiSKWa eingesetzten wirkungsbasierten Methoden zusammengefasst. Damit liefert das Statuspapier
    wichtige Grundlagen und eine Entscheidungshilfe für die Auswahl wirkungsbasierter Tests in der wasserwirt-
    schaftlichen Praxis.

    Titelbilder v.l.: © Universität Heidelberg, E. Leist; © Umweltbundesamt, Dessau, E. Dölling
Inhalt

1   Vorwort                                                                           2

2   Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren                                     3

    2.1 Probenvorbereitung                                                            3

    2.2 Anreicherungsverfahren                                                        6

    2.3 Zusammenfassung wichtiger Randbedingungen                                    10

3   Toxikologische Testverfahren für die Trinkwasserbewertung                        11

    3.1 Der gesundheitliche Orientierungswert (GOW) als Ausgangspunkt                11

    3.2 Endpunkte der Bewertung                                                      11

    3.3 Ausblick zur Bewertung von Trinkwasser                                       13

    3.4 Ausblick zur Bewertung technischer Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung       14

4   Ökotoxikologische Testverfahren                                                  16

    4.1 Laborbasierte In-vitro- und In-vivo-Testsysteme                              16

    4.2   Biomarker                                                                  21

5   Methodenübersicht in RiSKWa                                                      24

    5.1 Eingesetzte Methoden – Toxikologie                                           24

    5.2 Eingesetzte Methoden – Ökotoxikologie                                        27

6   Literatur                                                                        25

7   Tabellarische Methodenübersicht unter anwendungsbezogenen Aspekten               26

    Impressum                                                                        37

                                                                                      1
1 Vorwort

  Wirkungsbezogene Daten sind essentielle Vorausset-         Im Querschnittsthema (Öko-)Toxikologie wurde aus
  zungen für eine Bewertung des Risikos, das von Spu-        diesem Grund eine Gesamtübersicht des Methoden-
  renstoffen im Wasserkreislauf ausgehen kann. Mit Hilfe     spektrums erstellt, das im Rahmen der BMBF-För-
  (öko-)toxikologischer Wirktests erfolgt eine stoffbezo-    dermaßnahme Risikomanagement von neuen Schad-
  gene Bewertung relevanter Chemikalien hinsichtlich         stoffen und Krankheitserregern im Wasserkreislauf
  ihrer Toxizität für Mensch und Umwelt. Ökotoxikolo-        (RiSKWa) zum Einsatz kam. Der Arbeitsgruppe war es
  gische Wirkstudien dienen darüber hinaus auch dazu,        ein Anliegen, die Methoden und Verfahren, die zur wir-
  retrospektiv eine Bewertung von mehrfach durch Spu-        kungsbasierten Bewertung eingesetzt werden, nach
  renstoffe belasteten Umweltmatrices, wie Abwasser,         einem einheitlichen Schema zu dokumentieren. Dabei
  Oberflächenwasser oder Sediment, hinsichtlich ihrer        sind die Methoden mit ihren gesetzlichen Bezügen
  Qualität zu beurteilen. Sowohl toxikologische als auch     und matrixbezogenen Verknüpfungen dargestellt.
  ökotoxikologische Wirktests liefern dadurch die not-
  wendige wissenschaftliche Grundlage für ein erfolgrei-     Diese Auflistung erlaubt im Vergleich der Methoden
  ches Risikomanagement.                                     untereinander zu entscheiden, welche Verfahren prob-
                                                             lembezogen eingesetzt und inwieweit entsprechende
  Für die Risikocharakterisierung im Bereich der Trink-      Bewertungen abgeleitet werden können. Gleichzeitig
  wasserbewertung kommen vorwiegend In-vitro-Bio-            wird deutlich, welche Harmonisierungen beim Einsatz
  testsysteme zum Einsatz. Darüber hinaus werden             der Methoden in der Praxis und in der wissenschaft-
  ökotoxikologische Wirkungen mit Hilfe laborbasierter       lichen Weiterentwicklung der Teststrategie notwendig
  und meist standardisierter In-vivo-Biotests als auch       sind. Die vorliegende Zusammenstellung ist ein Schritt,
  durch Biomarker nachgewiesen, welche den Ge-               den toxikologischen Testverfahren einen klar begrün-
  sundheitszustand der Organismen beschreiben.               deten Platz im Risikomanagement zu geben.
  In-vitro-Tests werden in der ökotoxikologischen Wir-
  kungscharakterisierung zusätzlich für den Nachweis         Im Folgenden werden zunächst Grundlagen zur
  spezifischer Wirkungsmechanismen (mode of action –         Vor- und Aufbereitung von Umweltproben für labor-
  MoA) von Einzelsubstanzen, in Substanzmischungen           basierte toxikologische und ökotoxikologische Wirk-
  oder komplexen Umweltproben eingesetzt. In beiden          tests beschrieben. Danach werden Informationen zu
  Fällen steht ein sehr breites Methodenspektrum zur         toxikologischen Testverfahren für die Beurteilung von
  Verfügung, wobei zunehmend zellbiologische und             Trinkwasser sowie zu laborbasierten ökotoxikologi-
  molekularbiologische Ansätze zum Einsatz kommen.           schen Testverfahren und zum Einsatz von Biomarkern
  Die Vielfalt der Methoden und die Interpretation der Er-   zur Gesundheitsdiagnostik exponierter Organismen
  gebnisse in verschiedenen Kontexten führen mitunter        vorgestellt. In der abschließenden Tabelle sind die in
  auch zu unterschiedlichen Bewertungen, was für die         RiSKWa eingesetzten wirkungsbasierten Methoden
  risikoregulierenden Behörden und die Öffentlichkeit oft    zusammengefasst.
  nicht nachvollziehbar ist. Vor diesem Hintergrund und
  mit Blick auf Kosten-Nutzen-Aspekte sowie die künf-
  tige Akzeptanz wirkungsbasierter Analysen für Maß-
  nahmen zur Minimierung anthropogener Spurenstoffe
  haben die Transparenz der Ergebniserhebung und de-
  ren Bewertung eine zentrale Rolle im Gesamtprozess
  des Risikomanagements.

  2
Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren 2

2.1 Probenvorbereitung                                     2) Auswahl geeigneter Testmethoden:
                                                              Durch die Auswahl des geeigneten Testsystems
Die toxikologische Untersuchung von wasserlöslichen           (z.B. chronische Toxizität statt akuter Toxizität)
Einzelchemikalien, die als Reinstoffe verfügbar sind,         kann sich die Ansprechempfindlichkeit erhöhen,
stellt in der Regel keine speziellen Anforderungen an         aber auch der Endpunkt bzw. die resultierende
die Probenvorbereitung. Durch die Herstellung von             Aussage verändern.
Standards und Verdünnungen können die gewünsch-
ten Testkonzentrationen reproduzierbar und genau er-       3) Verbesserte Empfindlichkeit der
halten werden. In der Literatur sind zu den etablierten       toxikologischen Verfahren:
toxikologischen Testverfahren ausführliche Arbeitsan-         Bei einigen toxikologischen Testsystemen kann
weisungen oder Normen vorhanden, die eine verein-             über eine Veränderung des Versuchsprotokolls
heitlichte Arbeitsweise ermöglichen. Für schwerwas-           eine verbesserte Empfindlichkeit erzielt werden
serlösliche Substanzen geben DIN EN ISO 5667-16               (z.B. Vorinkubation, verlängerte Inkubationszeit).
(1999) sowie OECD (2000) Hinweise zum Einsatz von             Ein Beispiel ist die Untersuchung von Azofarbstof-
Lösungsvermittlern und zur Probenvorbereitung.                fen im Ames-Test nach Prival et al. (1984), die eine
                                                              reduktive Aktivierung der Azofarbstoffe ermöglicht.
Für Umweltproben können mitunter spezielle Vorberei-          Welche Möglichkeiten der Empfindlichkeitsstei-
tungsschritte erforderlich werden, um eine Kompatibi-         gerung genutzt werden können, hängt von den
lität mit toxikologischen Verfahren herzustellen. Sofern      jeweiligen Testsystemen ab. Ist die strikte Ein-
bei den Untersuchungen eine Konzentrationslücke               haltung gesetzlicher/normativer Vorgaben in der
zwischen der vorhandenen Konzentration bekannter              Versuchsdurchführung erforderlich, kann dies ein
Schadstoffe und den Wirkschwellen im Testsystem               Ausschlusskriterium für empfindlichere Varianten
besteht, können prinzipiell vier Lösungswege verfolgt         sein. Prinzipiell ist die Änderung eines etablierten
werden:                                                       Versuchsprotokolls aber kritisch zu sehen, da hie-
                                                              rüber die Vergleichbarkeit verloren gehen kann.
1) Eingesetzte Stoffgehalte in den Toxizitätstests
   erhöhen:                                                4) Verwendung von Anreicherungsverfahren:
   Diese Möglichkeit bietet sich bei Versuchen an,            Über Anreicherungsverfahren werden die in der
   bei denen nicht mit den tatsächlichen Gehal-               Probe enthaltenen Schadstoffe soweit aufkon-
   ten im Spurenbereich, sondern durch Dotierung              zentriert, dass deren Wirkschwelle im Testsystem
   mit deutlich erhöhten Gehalten (Milligramm-pro-            erreicht wird. Anreicherungsverfahren der che-
   Liter-Bereich) in Laborversuchen gearbeitet wer-           mischen Analytik gehören zur täglichen Praxis in
   den kann. Es ist aber zu prüfen, inwieweit noch            der Spurenstoffbestimmung und können auch
   die Praxisnähe der veränderten Verfahren gege-             für die Methodenentwicklung bei toxikologischen
   ben ist. Die maximale Dotierung hängt stark von            Fragestellungen als Vorlagen dienen. Im Gegen-
   den Randbedingungen des technischen Verfah-                satz zur chemischen Analytik ist bei der toxiko-
   rens ab und muss fallspezifisch ermittelt werden.          logischen Testung jedoch auf die Kompatibilität
   Im Fall der toxikologischen Bewertung nativer              der eingesetzten Materialien mit den biologischen
   Wasserproben scheidet diese Möglichkeit aus.               Testsystemen zu achten. So ist z.B. ein Konzen-
                                                              trat in reinem Dichlormethan oder Acetonitril für
                                                              toxikologische Tests ungeeignet, und es muss ein

                                                                                                                3
2       Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren

         Lösungsmittelwechsel zu einem geeigneten Löse-         transformiert, so liegen in den meisten Fällen kei-
         mittel wie Methanol, Ethanol, Aceton oder DMSO         ne umfassenden analytischen und toxikologischen
         erfolgen.                                              Daten zu den Transformationsprodukten vor. Aus
                                                                diesem Grund ist die toxikologische Testung der
         Bevor näher auf die Möglichkeiten und Grenzen          Gesamtprobe wünschenswert, da hierüber falsch-
         unterschiedlicher Anreicherungsverfahren einge-        negative Aussagen aufgrund nicht beachteter
         gangen wird, sollen einige Informationen zu den        Transformationsprodukte minimiert werden. Bei
         möglichen Probeformen gegeben werden. Es               der Durchführung der Experimente ist es oft mög-
         können grob drei Schwierigkeitsgrade unterschie-       lich, erhöhte Ausgangsgehalte der Testsubstanzen
         den werden, die ein unterschiedliches Vorgehen         einzusetzen, so dass die Wirkschwellen in den toxi-
         erfordern. Dabei sind unabhängig von den toxi-         kologischen Testsystemen erreicht werden. Sofern
         kologischen Testsystemen die allgemeinen Krite-        die erforderlichen Mindestgehalte zur Überschrei-
         rien Stoffkonzentration, Matrixzusammensetzung,        tung der Wirkschwelle nicht in der Probe vorlie-
         repräsentative Blindprobe, Positivprobe über das       gen, muss ein passendes Anreicherungsverfahren
         Gesamtverfahren zu beachten.                           eingesetzt werden. Generell sollten die Versuche
                                                                auch in reiner Wassermatrix (d.h. ohne Stoffdo-
         Stufe I: Testsubstanz ist als Einzelstoff erhältlich   tierung) durchgeführt werden, so dass über diese
         Die einfachste Variante ist die Testung eines als      Blindprobe durch das Verfahren bedingte falsch-
         Reinsubstanz vorliegenden Einzelstoffs. In die-        positive Effekte ausgeschlossen werden können.
         sem Fall können die Stoffkonzentration und die         Diese Arbeitsweise wird auch normalerweise in
         verwendete Matrix dem jeweiligen toxikologi-           den Prüfrichtlinien bzw. in OECD (2000) gefordert.
         schen Verfahren optimal angepasst werden. Bei          Die Bewertung der Testergebnisse ist im Vergleich
         Einzelstofftestungen werden in den Richtlinien         zur Einzelstofftestung anspruchsvoller, da über
         mitunter sehr hohe Gehalte (z.B. bis zu 5 mg/          den angewandten Prozess oft eine Mischung
         Platte im Ames-Test) vorgeschrieben. Blind-            aus mehreren unbekannten Transformationspro-
         Kontrollen sind leicht durch die Untersuchung          dukten generiert wird, und es können bei tech-
         der Matrix ohne Stoffdosierung durchzuführen.          nischen Prozessen vielfältige Versuchsvarianten
         Die Bewertung bei Einzelstofftestungen kann bei        vorliegen. Für das Gesamtverfahren sollte durch
         den etablierten Testsystemen nach den vorhan-          Mitführen geeigneter Referenzsubstanzen und
         denen Richtlinien/Normen durchgeführt werden.          Negativkontrollen eine Qualitätskontrolle erfolgen.

         Stufe II: Testsubstanz bzw. Substanzgemisch            Stufe III: Toxikologische Untersuchung nativer
         wird über einen Prozess generiert                      Wasser- oder Abwasserproben
         Soll untersucht werden, wie sich toxikologische Ef-    Soll beispielsweise Abwasser oder ein Oberflä-
         fekte einzelner Wasserinhaltsstoffe während eines      chengewässer toxikologisch bewertet werden,
         Prozesses (physikalisch, chemisch und biologisch)      kann dies bei einigen Toxizitätstests eine umfas-
         verändern, so kann dies mittels Versuchen in La-       sende Probenvorbereitung erfordern. So liegen die
         bor- oder Pilotanlagen durchgeführt werden. Die        Stoffgehalte (gen-)toxischer Verbindungen in den
         Ausgangsverbindung kann in der Regel analytisch        nativen Proben oft im Spurenbereich (< 1 µg/L),
         erfasst und toxikologisch per Einzelstofftestung       die erforderliche Wirkschwelle eines Tests (z.B.
         bewertet werden. Wird dieser Einzelstoff jedoch        Gentoxizität) kann jedoch auch für bekannte Re-

    4
Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren           2

   ferenzsubstanzen im Milligramm-pro-Liter-Bereich         schen Analytik eingesetzten Methoden wird deut-
   liegen. Obwohl die Testsysteme unterschiedliche          lich, dass es auch in der toxikologischen Testung
   Wirkschwellen besitzen, ist davon auszugehen,            nicht die perfekte Einzelmethode geben kann, die
   dass Tests zur Gentoxizität einen um drei bis fünf       alle Anforderungen erfüllt. Zusammenfassend lässt
   Größenordnungen höheren Stoffgehalt zur Über-            sich sagen, dass der Erfolg der Anreicherungs-
   schreitung ihrer Wirkschwelle in Bezug auf die na-       methode über die analytische Bestimmung der
   tive Probe benötigen. Soll die Gentoxizität solcher      Wiederfindungen von Modellsubstanzen und der
   Proben untersucht werden, müssen Anreiche-               toxikologischen Testung von angereicherten Posi-
   rungsverfahren mit großen Anreicherungsfaktoren          tivsubstanzen überprüft werden sollte.
   angewandt werden. Ähnliches gilt für die Erfas-
   sung zytotoxischer Effekte. Im Gegensatz dazu         2) Matrixeinfluss
   können aber auch Beispiele genannt werden, die           Sollen z.B. Untersuchungen zur Gentoxizität
   bereits bei Spurengehalten einen toxikologischen         durchgeführt werden, so werden aufgrund der
   Effekt anzeigen können (z.B. endokrine Wirkungen).       Wirkschwellen im Milligramm-pro-Liter Bereich
                                                            große Anreicherungsfaktoren (100-fach bis 1000-
Bei der Anwendung von Anreicherungsverfahren für            fach) notwendig. In diesem Zusammenhang muss
Proben der Stufe II und III müssen primär folgende          beachtet werden, dass beispielsweise der Gehalt
Punkte berücksichtigt werden:                               des toxischen Spurenstoffs von 1 µg/L auf 1 mg/L
                                                            gebracht wird, gleichzeitig aber auch der Gehalt an
1) Wiederfindung                                            anderen Matrixkomponenten (z.B. Huminstoffen)
   Die genaue Zusammensetzung und die Stoff-                stark erhöht wird (z.B. von 1 mg/L auf 1000 mg/L).
   eigenschaften potenzieller Schadstoffe sind in           Liegt zudem eine umfassende Anreicherung vor,
   veränderten oder nativen Proben nicht bekannt,           werden auch die anorganischen Wasserinhalts-
   weshalb die Anreicherungsmethode umfassend               stoffe angereichert. In diesem Fall können leicht
   sein muss. Dies bedeutet, dass für möglichst alle        Salzgehalte im Gramm-pro-Liter-Bereich im Kon-
   Verbindungsklassen eine sehr gute Wiederfindung          zentrat auftreten. In den Konzentraten kann es zu
   erzielt werden muss. Als Verbindungsklassen sind         Ausfällungen kommen, die anorganische Salze
   beispielsweise unpolare, polare, anionische und          (z.B. Calciumcarbonat) und organische Verbindun-
   kationische, aromatische, flüchtige, nichtflüchti-       gen betreffen können. Es besteht dann die Gefahr
   ge und makromolekulare Verbindungen zu nen-              eines Substanzverlustes durch Ausfällung oder
   nen. Weiterhin ist zu beachten, dass sich unter          Mitfällung. Aufgrund einer starken Aufkonzentra-
   diesen Randbedingungen die Wiederfindungen               tion der Wassermatrix kann es in den toxikologi-
   und Anreicherungsfaktoren nur über Modellsub-            schen Testsystemen zu unerwünschten Effekten
   stanzen abschätzen lassen. In der chemischen             kommen (z.B. Empfindlichkeitsveränderungen
   Spurenanalytik von Wasserkontaminanten sind              durch Matrixbestandteile, Überschreitung der zu-
   Anreicherungsverfahren etablierte Werkzeuge zur          lässigen Osmolalität durch den hohen Salzgehalt).
   Empfindlichkeitssteigerung und zur Entfernung
   unerwünschter Matrixbestandteile. Die Anzahl der
   unterschiedlichen Methoden und Materialien resul-     Bei der Untersuchung nativer Wasserproben in Kom-
   tiert aus den vielfältigen Substanzeigenschaften      bination mit Anreicherungsversuchen kann die Gene-
   der Analyte. Aus der Vielzahl der in der chemi-       rierung von Blindproben problematisch sein:

                                                                                                             5
2       Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren

    ■■   Es ist zu klären, welches Wasser als Referenz           2.2 Anreicherungsverfahren
         (Blindprobe) verwendet werden kann (z.B. Trink-
         wasser, Reinstwasser, spezielles Modellwasser).         Im folgenden Abschnitt werden die Grundzüge von
                                                                 Anreicherungsverfahren näher beschrieben. Es wer-
    ■■   Für die Charakterisierung des Gesamtverfahrens          den auch Randbedingungen aufgeführt, die in der
         ist zur Generierung einer Blindprobe eine Was-          Kombination mit toxikologischen Testsystemen be-
         sermatrix notwendig, die keine positiven Effekte        achtet werden müssen.
         in den toxikologischen Testsystemen verursacht
         (kein falsch-positives Ergebnis).                       Anreicherung per Festphasen-Extraktion (SPE)

    ■■   Nach einer Dotierung dieser Matrix mit bekannten        Praktisches Vorgehen:
         Referenzsubstanzen und dem Durchlaufen des              Die Probe (z.B. 1000 mL) mit definiertem pH-Wert wird
         Gesamtverfahrens muss die Wirkung im Testsys-           langsam durch eine vorkonditionierte Kartusche gege-
         tem dem Anreicherungsfaktor gemäß entspre-              ben, in der sich ein Adsorptionsmaterial (z.B. 500 mg)
         chen, d.h. ein richtig positives Ergebnis mit korrek-   befindet, an dem die Analyte adsorbieren. Es handelt
         ter Wirkhöhe ergeben.                                   sich hierbei oft um ein oberflächenfunktionalisiertes
                                                                 Polymermaterial. Die Auswahl des richtigen Adsor-
    3) Kompatibilität der Materialien                            bermaterials hat einen großen Einfluss auf den Erfolg
       Neben der erfolgreichen Anreicherung muss auch            der Anreicherung und muss auf die zu erwartenden
       die Kompatibilität der Anreicherungsmethodik mit          Analyte (unpolar, polar, sauer, basisch) und den vor-
       den toxikologischen Testsystemen gegeben sein.            liegenden pH-Wert abgestimmt sein. Sind die Stoffei-
       Es dürfen keine Materialien und Chemikalien ein-          genschaften unklar oder stark unterschiedlich, so ist
       gesetzt werden, die zu einem falsch-positiven oder        die Verwendung von mehreren Materialien zu prüfen.
       falsch-negativen Resultat führen. Insbesondere            In diesem Fall kann die Toxizität der einzelnen Frakti-
       muss der Einfluss von organischen Lösungsmit-             onen auch separat bestimmt werden (vgl. auch das
       teln kritisch geprüft werden (z.B. im Extrakt nach        Konzept der TIE = Toxicity Identification Evaluation,
       Festphasenanreicherung). Die maximal zulässigen           z.B. Markle, 2005). Anschließend werden nach einem
       Lösungsmittelanteile variieren je nach Testsystem         Trocknungsschritt die adsorbierten Verbindungen mit-
       und müssen ggf. in Vorversuchen ermittelt werden.         tels weniger Milliliter eines organischen Lösungsmit-
       Akzeptable Lösungsmittel für toxikologische Test-         tels (z.B. 5 mL) oder eines Puffers mit bestimmtem
       systeme sind beispielsweise Methanol, Ethanol,            pH-Wert wieder vom Austauschermaterial eluiert. Mit
       Aceton und DMSO, wobei deren zulässige Maxi-              dem hier gewählten Elutionsvolumen wird eine 200-fa-
       malgehalte oftmals im unteren einstelligen Prozent-       che Anreicherung erzielt. An dieser Stelle kann ein
       bereich liegen. In offenen Systemen ist bei längeren      Lösungsmittelwechsel erfolgen. Das organische Kon-
       Expositionsdauern auf die Flüchtigkeit der Löse-          zentrat muss nun so weit verdünnt werden, bis dass
       mittel zu achten. In Ökotoxizitätstests empfiehlt die     kein Störeinfluss auf das nachfolgende Testsystem
       OECD (2000) eine maximale Lösemittelkonzentra-            mehr besteht. Beispielsweise toleriert der Ames-Test
       tion von einem Zehntel der NOEC (no observed              einen Ethanolgehalt von bis zu 4 %, was bedeutet,
       effect concentration) oder alternativ, wenn ent-          dass das Konzentrat 25-fach verdünnt werden muss.
       sprechende Toxizitätsdaten fehlen, von 0,1 mL/L.          Nach diesem notwendigen Schritt bleibt ein 8-facher
                                                                 Gesamtanreicherungsfaktor übrig.

    6
Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren            2

Um den Anreicherungsfaktor zu verbessern, kann             gen möglich. Auch die vielfältigen SPE-Methoden der
nach der Elution das Lösungsmittel unter Stickstoff-       chemischen Analytik zeigen, dass es nicht das eine
strom eingeengt werden. Auf diese Weise werden             perfekte Festphasenmaterial für alle Stoffgruppen gibt.
höhere Anreicherungsfaktoren erhalten. Wird das Lö-
sungsmittelextrakt im obigen Beispiel von 5 mL auf         Um das anreicherbare Substanzspektrum zu erhöhen,
1 mL gebracht, so liegt nun ein 40-facher Gesamt-          können auch mehrere Austauschermaterialien zur An-
anreicherungsfaktor vor. Für eine transparente Metho-      reicherung (sequenziell oder als Mischung) eingesetzt
denbeschreibung ist der Gesamtanreicherungsfaktor          werden. Über die Kombination von unterschiedlichen
grundsätzlich zu nennen, um die Relevanz der Be-           Adsorbern kann ein breites Spektrum an Substanzen
funde nachvollziehen zu können, die bei sehr hohen         erfasst werden. Für eine erfolgreiche Anreicherung
Anreicherungsfaktoren stark eingeschränkt ist. Sofern      müssen die adsorbierten Substanzen jedoch auch
die Analyte flüchtig sind, können beim Abblasen des        wieder vom Festbettaustauscher eluiert werden, was
Lösungsmittels Verluste auftreten, was zu falsch-ne-       mitunter der kritische Schritt bei dieser Vorgehenswei-
gativen Testergebnissen führen kann. Das Einengen          se sein kann. Zur Elution unpolarer Verbindungen wer-
bis zur Trockene und die Wiederaufnahme in einem           den Lösungsmittel, für Anionen und Kationen werden
anderen Lösungsmittel bzw. Wasser ist eine weite-          Salzlösungen mit definierten pH-Werten (sauer oder
re Option (= kompletter Lösungsmittelwechsel). Es          basisch) benötigt. Hierbei müssen Wechselwirkungen
ist darauf hinzuweisen, dass die Verwendung reinen         der Elutionsmittel untereinander, sowie deren Einfluss
Wassers oft nicht zur quantitativen Rücklösung führt       auf die nachfolgenden toxikologischen Testsysteme
(z.B. bei unpolaren Molekülen). In diesen Fällen ist ein   berücksichtigt werden.
gewisser Anteil an Lösungsmittel im Wasser bzw. zu-
nächst die Vorlösung mit einer gewissen Menge an or-       Als großer Vorteil der SPE-Technik ist neben der An-
ganischem Lösungsmittel notwendig. Alternativ kann         reicherung der Analyte die gleichzeitige Abreicherung
auch in das SPE-Extrakt ein schwerflüchtiger Keeper        oder Entfernung der anorganischen Salzfracht zu nen-
zugegeben werden (z.B. DMSO oder Wasser), der ein          nen (Standardionen aus der Wassermatrix). Dieses Ar-
definiertes Endvolumen einstellt und weitgehend ei-        gument ist jedoch nur dann zulässig, wenn auf diese
nen Substanzverlust durch Wandsorption verhindert.         Stoffgruppen bei der toxikologischen Untersuchung
                                                           verzichtet werden kann, d.h. wenn nicht mit stark po-
Weitere Randbedingungen der Festphasen­                    laren oder ionischen Schadstoffen gerechnet werden
anreicherung:                                              muss (z.B. Bromat, Chromat, Azid, Cyanid, Arsenspe-
Unpolare Verbindungen können sehr gut mit Hilfe der        zies, Schwermetalle).
SPE-Technik angereichert werden. Deutlich schlech-
tere Wiederfindungsraten werden bei stark polaren          Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass für
oder ionischen Verbindungen erhalten. In diesen Fäl-       die nachfolgenden toxikologischen Testverfahren
len kann die Nutzung einer Festphase mit polaren           der notwendige Einsatz von Lösungsmitteln zur Elu-
oder ionischen Gruppen von Vorteil sein. Dieses wie-       tion der Analyte vom Festphasenmaterial kritisch zu
derum wird jedoch wieder schlechtere Eigenschaften         sehen ist. Die üblicherweise im analytischen Bereich
für nicht-ionische Verbindungen aufweisen. Da die zu       bewährten Lösungsmittel sind für die Kopplung mit
erwartenden Analyte zu unterschiedlichen Stoffklas-        toxikologischen Testsystemen ungeeignet oder nur
sen gehören können, ist mit einem einzigen Festpha-        in Grenzen einsetzbar. Hier sind in gewissem Umfang
senmaterial nur ein Kompromiss in den Wiederfindun-        z.B. Methanol, Ethanol, Aceton oder DMSO tolerier-

                                                                                                                7
2       Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren

    bar. Weiterhin muss beachtet werden, dass über den         auch in großtechnischen Prozessen erfolgreich einge-
    Lösungsmittelwechsel (Abblasen des Elutions-/Lö-           setzt. Es handelt sich um einen schonenden Prozess,
    sungsmittels und Wiederaufnahme in DMSO/Wasser)            der für empfindliche Verbindungen geeignet ist. Als
    flüchtige oder stark adsorptive Komponenten verloren       Nachteil der Gefriertrocknung ist die geringe Sublima-
    gehen können.                                              tionsgeschwindigkeit des Wassers zu nennen. Damit
                                                               eine größere Wassermenge in einer überschaubaren
    Anreicherung per Vakuumkonzentration                       Zeit entfernt werden kann, wird die Probe über eine
                                                               möglichst große Oberfläche verteilt. Zur Anreicherung
    Eine weitere Möglichkeit der Anreicherung von Ver-         von Proben im Literbereich sind große Schalen erfor-
    bindungen ist die Entfernung des Wassers über seine        derlich. Wird in einer solchen Schale bis zu einer ge-
    Flüchtigkeit. Als prinzipielle Verfahren können hier das   ringen Restmenge oder bis zur Trockene die Gefrier-
    Verdunsten, Kochen, Verdampfen im Unterdruck und           trocknung durchgeführt, muss das Konzentrat bzw.
    die Gefriertrocknung (Sublimation) genannt werden.         der Rückstand wieder zurückgewonnen werden. Mit
    Eine Wasserentfernung über eine Verdunstung dauert         zunehmender Oberflächengröße steigt jedoch die Ge-
    in der Praxis zu lange und das schnellere Verfahren        fahr des Substanzverlustes durch Adsorptionseffekte.
    über das Kochen des Wassers unter Normaldruck
    stellt eine hohe thermische Beanspruchung für die          Weitere Randbedingungen der
    Probe dar. Aus diesem Grund sind Vakuum-Verfahren          Vakuumkonzentration
    zielführender, da bereits bei niedrigen Temperaturen       Die Vakuumkonzentration hat den Vorteil, dass alle
    der Dampfdruck des Wassers erreicht wird. Typische         Komponenten der Probe im Konzentrat enthalten blei-
    Ausführungsformen dieser Technik sind Rotations-           ben, sofern sie nicht leicht flüchtig sind. Insbesondere
    verdampfer und Vakuumzentrifugen, bei denen im             können stark polare und ionische Verbindungen quan-
    Unterdruck und bei moderaten Temperaturen eine             titativ angereichert werden, was über SPE-Techniken
    zügige Entfernung des Wassers erreicht wird. Beim          nur mit Spezialmaterialien bzw. großem Aufwand
    Rotationsverdampfer wird über eine Drehbewegung            möglich ist. Als weiterer Vorteil kann angeführt werden,
    des Probenkolbens eine erhöhte Oberfläche für die          dass bei Nutzung eines Rotationsverdampfers oder
    Verdampfung erzeugt, was zudem Siedeverzüge ver-           einer Vakuumzentrifuge keine kritischen Chemikalien
    hindert. Der Wärmeeintrag erfolgt über ein beheiztes       und Materialien mit der Probe in Kontakt kommen. In-
    Wasserbad. Im Falle der Vakuumzentrifuge werden            folgedessen liegt auch ein rein wässriges Konzentrat
    Siedeverzüge über die Zentrifugalkraft unterbunden.        vor, weshalb keine negativen Effekte durch organische
    Der Wärmeeintrag erfolgt bei dieser Technik beispiels-     Lösungsmittel auftreten. Wird beispielsweise eine Pro-
    weise über Infrarotstrahler. Durch Nutzung einer Kälte-    be von 1000 mL auf ein Endvolumen von 20 mL ge-
    falle und einer leistungsstarken Vakuumpumpe lässt         bracht, kann ein 50-facher Anreicherungsfaktor erzielt
    sich eine zügige Wasserentfernung selbst bei Proben-       werden. Im Gegensatz zur Festphasenextration ent-
    temperaturen unter 10 °C erreichen, weshalb dieses         fällt der weitere notwendige Verdünnungsschritt, und
    Verfahren als sehr schonend eingestuft werden kann.        die Probe kann direkt in das toxikologische Testsys-
                                                               tem gegeben werden.
    Eine verwandte Technik ist die Gefriertrocknung, bei
    der die Wasserentfernung über den Prozess der Su-          Neben den bislang genannten positiven Eigenschaften
    blimation erfolgt. Die Gefriertrocknung wird sowohl in     der Vakuumkonzentration muss aber auch erwähnt
    der Probenvorbereitung zur chemischen Analytik, als        werden, dass es über die Anreicherung der Salze in

    8
Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren            2

der Probe zu Ausfällungen kommen kann. Besonders            des Wassers anzupassen, um nicht mit einer Über-
bei stark kalkhaltigen Wässern tritt mit zunehmender        kapazität ungewollt einen Substanzverlust zu verursa-
Aufkonzentration eine Trübung und Ausfällung von z.B.       chen.
Calciumcarbonat auf. Sofern die Salze aus der Probe
ausfallen, verringert dies die Salzfracht in der Lösung.    Anreicherung per Membranfiltration
Als unerwünschter Nebeneffekt können jedoch auch
Mitfällungen auftreten, die zu einem Substanzverlust        Neben der SPE- und Vakuumtechnik soll auf die Mög-
führen. Wenn Löslichkeitsprodukte überschritten wer-        lichkeit der Anreicherung per Membranverfahren hin-
den, kann es auch zu einer direkten Ausfällung von          gewiesen werden. Bei Nutzung von Umkehrosmose-
Verbindungen kommen (z.B. kann Oxalsäure als typi-          membranen (RO) wird im Idealfall nur Wasser durch
sches Ozonungsprodukt mit Calcium zu schwerlösli-           die Membran gelassen. Größere Moleküle und Ionen
chem Calciumoxalat reagieren und ausfallen).                werden hingegen zurückgehalten. Der Prozess wird
                                                            großtechnisch zur Entsalzung von Wasser eingesetzt,
Leicht lösliche Salze (z.B. Chloride und Nitrate) ver-      wobei in diesem Fall das Permeat das Produkt ist.
bleiben im Konzentrat und führen zu einer deutlichen        Wird die Technik für die Anreicherung genutzt, wird
Erhöhung der Ionenstärke. Wird der Anreicherungs-           hingegen das Konzentrat verwendet und das Permeat
faktor zu hoch gewählt, kann dies zu einer so großen        verworfen. Um eine erhöhte Anreicherung zu erzielen,
Osmolalität im Konzentrat führen, dass dieses bei bio-      wird die Anlage im Kreislaufprozess geführt, wobei
logischen Testsystemen nicht mehr angewandt wer-            das Konzentrat wieder zurück in den Probenbehälter
den kann. Der tolerierbare Wert ist vom Testsystem          geleitet wird. Theoretisch sind hierbei Anreicherungen
abhängig und muss bei der Methodenentwicklung               bis zum Totvolumen der Anlage möglich. In einer für ein
experimentell bestimmt werden. Zur Verringerung der         Forschungsvorhaben entwickelten Laboranlage konn-
Salzfracht des Konzentrats können Mischbett-Ionen-          ten beispielsweise 10 Liter Wasserprobe bis zum An-
austauscher eingesetzt werden, die über ihre H+- und        lagentotvolumen von 300 mL eingeengt werden, was
OH--Form im Austausch Wasser abgeben. Die Nut-              einer 33-fachen Anreicherung entspricht (Happel et al.
zung dieses Verfahrens ist jedoch nur dann zulässig,        2013). Mit zunehmender Wasserentfernung steigt der
wenn sichergestellt werden kann, dass keine Testver-        Salzgehalt im Konzentrat deutlich an. Dies kann zu
bindungen über den Ionenaustauschprozess entfernt           Ausfällungen von z.B. Calciumcarbonat und Calcium-
werden. Aus der Nutzung von Ionentauschern für die          sulfat führen, was eine Verblockung der Membran zur
chemische Analytik ist bekannt, dass die auf Polyme-        Folge hat. Zur Verhinderung dieses Effektes kann vor
ren basierenden Austauscherharze über sekundäre             der Membrananreicherung ein Kationentausch durch-
Wechselwirkungen auch mit aromatischen Verbindun-           geführt werden. Speth et al. (2008) nutzten eine sol-
gen interagieren; zusätzlich können Hilfsstoffe (Plas-      che Technik, um mit der entsalzten, aufkonzentrierten
ticiser) und verbliebene Oligo- bzw. Monomere aus           Probe toxikologische Tests durchzuführen.
dem Produktionsprozess der Polymere abgegeben
werden, die toxikologisch relevant sein können und          Die drei vorgestellten Konzepte der Festphasenanrei-
daher das Testergebnis beeinflussen können. Aus             cherung, Vakuum-Konzentration und Umkehrosmose
diesem Grund ist der Einsatz dieses Verfahrens zur          wurden in dem Forschungsvorhaben „Entstehung,
Entsalzung von Wasserproben mit unbekannten Test-           Vorhersage und Bewertung von Transformationspro-
substanzen als kritisch einzustufen. In jedem Fall ist es   dukten anthropogener Spurenstoffe bei der oxidativen
ratsam, die Austauscherkapazität an den Salzgehalt          Trinkwasseraufbereitung am Fallbeispiel PSM-Me-

                                                                                                                 9
2    Probenvorbereitung und Anreicherungsverfahren

    taboliten“ für kleine Laborversuche etabliert und auf   und sollte standardmäßig durchgeführt werden. Für
    ihre Eignung hin untersucht. Im Verlaufe der Versu-     Proben der Stufe III (z.B. native Wasserprobe) sind
    che hat sich gezeigt, dass die Anreicherung mittels     direkte Blindproben (d.h. mit der identischen Wasser-
    Umkehrosmose bei einigen Substanzen zu geringen         matrix ohne die toxische Substanz) nicht verfügbar. In
    Wiederfindungen führt, wobei Adsorptionsprozesse        diesen Fällen müssen andere repräsentative Blindpro-
    an der RO-Membran als Ursache vermutet wurden.          ben gefunden werden (d.h. mit vergleichbarer Matrix,
    Auch die Entsalzung an stark sauren Kationenaus-        aber ohne effektauslösende Substanzen). Werden ge-
    tauschern wurde getestet. Hier hat sich gezeigt, dass   eignete Blindproben über das Gesamtverfahren mit-
    einige Substanzen durch den Ionentauscher entfernt      geführt, können falsch positive Resultate aufgedeckt
    wurden, obwohl es sich um keine Kationen handel-        werden. Ergänzend hierzu sind für Tests der Stufen II
    te. Es müssen daher noch andere Wechselwirkungen        und III geeignete Positivkontrollen über das Gesamt-
    vorgelegen haben. Im Fortgang dieses Projekts wurde     verfahren mitzuführen, über die Matrixeffekte in der
    daher beschlossen, als Anreicherungsmethoden die        Konzentrations-Wirkungs-Kurve oder falsch-negative
    Festphasenextraktion und die Vakuum-Konzentration       Resultate festgestellt werden können.
    parallel bei allen Proben einzusetzen.

    2.3 Zusammenfassung wichtiger
        Randbedingungen

    Zur erfolgreichen Durchführung toxikologischer Tests
    müssen oft mehrere Randbedingungen berücksich-
    tigt werden. Bereits die Form der Proben kann aus-
    schlaggebend für das Methodendesign des Tests,
    aber auch für die Belastbarkeit der Ergebnisse sein.
    Zur Verbesserung der Übersichtlichkeit wurden drei
    Stufen eingeführt, wobei Reinsubstanzen der Stu-
    fe I, Transformationsprodukte aus Anlagen der Stufe
    II und native Wasserproben der Stufe III zugeordnet
    wurden. Werden Wirkschwellen der Testsysteme in
    Proben nicht erreicht, müssen zusätzliche Proben-
    vorbereitungsschritte (z.B. Anreicherung) oder me-
    thodische Veränderungen (z.B. verlängerte Inkubati-
    onszeiten) am Testsystem vorgenommen werden. In
    diesen Fällen muss von standardisierten Vorschriften
    abgewichen werden, was ggf. die Aussagekraft der
    Ergebnisse mindert. Bei Anreicherungsverfahren ist
    zu beachten, dass es zu Substanzverlusten kommen
    kann und über Lösungsmittel oder Adsorbermateria-
    lien unerwünschte Effekte auftreten können. Das Mit-
    führen von Blindproben über das Gesamtverfahren ist
    für die Stufen I und II vom Versuchsdesign möglich

    10
3

                                                     Toxikologische Testverfahren 3
                                                    für die Trinkwasserbewertung

3.1 Der gesundheitliche Orientierungs-                      Da sich aus der Höhe des GOW (abhängig von der
    wert (GOW) als Ausgangspunkt                            Datenlage und dem Wirkmechanismus in einer
                                                            Spannbreite von 0,01 µg/L bis 3 µg/L) auch die je-
Die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) fordert ein Was-        weiligen Maßnahmen im Risikomanagement ergeben,
ser für den menschlichen Gebrauch, das durch seinen         wurde im Verbundprojekt TOX-BOX ein methodisches
Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der mensch-            Instrumentarium zur Erhebung toxikologischer Daten
lichen Gesundheit nicht besorgen lässt. Darin kommt         mittels hierarchischer Teststrategien für die jeweiligen
ein Qualitätsanspruch zum Ausdruck, der nicht allein        Endpunkte entwickelt.
auf die Abwehr bekannter und wissenschaftlich quan-
tifizierbarer Gefährdungspotenziale abstellt, sondern       Für die bewertungsrelevanten Endpunkte im GOW-
zugleich die Vorsorge gegen solche Gefährdungspo-           Konzept wurden In-vitro-Teststrategien entwickelt.
tenziale einfordert.                                        Teststrategien müssen zum Nachweis von Gefähr-
                                                            dungspotenzialen hierarchisch strukturiert sein, weil
Eine toxikologische Bewertung von anthropogenen             man davon ausgeht, dass ein Testsystem allein nicht
Spurenstoffen im klassischen Sinne kann aufgrund            ausreicht, das mögliche toxikologische Potenzial einer
der mangelnden Datenlage nicht vorgenommen wer-             Substanz ausreichend sicher voraussagen zu kön-
den. Mit der Empfehlung des Umweltbundesamtes               nen. Mit zwei bis drei In-vitro-Testverfahren innerhalb
(UBA) „Bewertung der Anwesenheit teil- oder nicht           eines Endpunktes sollen primäre Wirkmechanismen
bewertbarer Stoffe im Trinkwasser aus gesundheitli-         hinreichend sicher identifiziert werden. In Bezug zum
cher Sicht” (2003) existiert ein theoretischer Ansatz zur   theoretischen GOW-Konzept werden experimentelle
Ableitung des gesundheitlichen Orientierungswertes          Daten zum entsprechenden Endpunkt erhoben. Die
(GOW), der auf den verfügbaren Daten für spezifische        Festlegung des GOW erhält dadurch eine höhere wis-
Wirkmechanismen (u. a. Gentoxizität, Neurotoxizität,        senschaftliche Basis.
Immuntoxizität) basiert. Der GOW ist ein Vorsorgewert
zum Schutz der menschlichen Gesundheit und wird             3.2 Endpunkte der Bewertung
immer so niedrig festgelegt, dass eine zunehmende
Vervollständigung der toxikologischen Daten in der          Endpunkt Gentoxizität
Regel zu demselben oder zu einem höheren, aber nie
zu einem niedrigeren Wert führt. Abbildung 1 zeigt die      Für den Endpunkt Gentoxizität werden der Einsatz der
hierarchische Festlegung des GOW. Auch bei Fehlen           bakteriellen Testsysteme umu-Test, Ames-Test und
toxikologischer Daten genügt der GOW = 0,1 µg/L             Mikrokerntest empfohlen. Die Testverfahren folgen
der Mindestanforderung in § 6 (1) TrinkwV 2001, dem-        in ihrer Durchführung ISO-Vorschriften bzw. OECD-
gemäß selbst von lebenslangem Genuss eines mög-             Prüfrichtlinien. Besonderes Augenmerk wird auf die
licherweise belasteten Trinkwassers kein Anlass für         Berücksichtigung eines adäquaten Metabolismus ge-
eine gesundheitliche Besorgung ausgehen darf.               legt, um eine Aussage hinsichtlich der Humanrelevanz
                                                            erhobener Befunde treffen zu können. Das heißt in der
Es gilt heute als anerkannt, dass die Kombination von       Anwendung der Einsatz von spezifischen Teststäm-
Ames-Test und Mikrokerntest nahezu 90 % der in vivo         men in den bakteriellen Testverfahren und humanifi-
gentoxischen Nagetierkanzerogene sicher erfasst.            zierter Säugerzellkulturen im Mikrokerntest. Für den
                                                            Mikrokerntest gilt, dass die Durchführung im mikros-

                                                                                                                 11
3    Toxikologische Testverfahren für die Trinkwasserbewertung

    kopischen Verfahren und im Durchflusszytometer als                 dung über die Reihenfolge der Versuche in Bezug auf
    gleichwertig zu betrachten ist.                                    die metabolische Aktivierung der Probe (z. B. mit S9)
                                                                       vereinfachen. Die Rezeptor-vermittelten Tests werden
    Endpunkt endokrine Wirkungen                                       vorgeschlagen, da sie einen hohen Probendurchsatz
                                                                       und eine schnelle Durchführung gewährleisten, aber
    Für den Endpunkt endokrine Wirkungen wird eine                     dennoch einen möglichen Effekt der Substanz sensitiv
    Teststrategie empfohlen, die aus Rezeptor-vermit-                  nachweisen können. Sofern die Einzelsubstanzen in
    telten Tests (z. B. CALUX oder Yeast Screen) und                   dem Testsystem nicht metabolisiert werden, wird zu-
    dem H295R-Steroidogenesis-Assay bestehen. Vor                      sätzlich die metabolische Aktivierung der Probe durch
    Durchführung der ersten Schritte sollte die Testsubs-              einen S9-Mix empfohlen. So können auch zusätzliche
    tanz, sofern die chemische Struktur bekannt ist, mit-              Informationen zu einer möglichen humantoxikologi-
    tels ihrer Strukturmerkmale über QSAR-Programme                    schen Relevanz erhalten werden. Parallel dazu wird ein
    bewertet werden. Diese können Voraussagen über                     nicht Rezeptor-vermittelter Test empfohlen. Substan-
    (potenziell) aktive Metabolite treffen und die Entschei-           zen, die ihre endokrine Aktivität nicht über Rezeptoren

     Gentoxisch & relevanter
                                               JA          NEIN            NEIN          NEIN          NEIN          NEIN
     Metabolismus?

                                                            JA /
     Gentoxisch?                                                           NEIN          NEIN          NEIN          NEIN
                                                         keine Daten

     Immun- und/oder                                                        JA /
                                                                                         NEIN          NEIN          NEIN
     Neurotoxisch?                                                       keine Daten

                                                                                          JA /
     Subchronische Toxizität?                                                                          NEIN          NEIN
                                                                                       keine Daten

                                                                                                        JA /
     Chronische Toxizität?                                                                                           NEIN
                                                                                                     keine Daten

                                                                                                     3,0 µg/L      > 3,0 µg/L
                                                                                                     (GOW5)
                 Orientierungswert: µg/L

                                                    Besorgnisbereich                   1,0 µg/L
                    Gesundheitlicher

                                                                                        (GOW4)

                                                                          0,3 µg/L
                                                                          (GOW3)

                                                         0,1 µg/L
                                                                                         Vorsorgebereich
                                                         (GOW1)

                                           ≤ 0,01 µg/L
                                            (GOW0)

    Abb. 1: Bewertung teil- oder nicht-bewertbarer Stoffe im Trinkwasser nach dem GOW-Prinzip. (Gemäß Empfehlung des
    Umweltbundesamtes 2003)

    12
Toxikologische Testverfahren für die Trinkwasserbewertung          3

vermitteln, können über diesen Test trotzdem noch,         Gleichgewichts durch ROS-Nachweis und Verände-
z. B. durch die Beeinflussung der Steroidogenese,          rungen des Anteils an reduziertem Glutathion sowie
nachgewiesen werden. Diese Tests bieten zudem die          weiterer Apoptoseparameter wie MMP-Verlust und
Möglichkeit, tiefergehende Mechanismus-spezifische         Caspasenaktivierung erfasst. Veränderungen dieser
Wirkweisen aufzuklären.                                    sogenannten Vorläuferereignisse („precursor events“)
                                                           ermöglichen eine erste Abschätzung des toxischen
Mit den jeweiligen Testsystemen sollten Konzentra-         Potenzials und auffälliger toxischer Mechanismen.
tions-Wirkungs-Beziehungen sowie minimal wirksa-
me Konzentrationen (LOEC) ermittelt werden können,         In der zweiten Teststufe werden vergleichende Un-
die dann in das GOW-Konzept einfließen. Sofern die         tersuchungen zur Zellmorphologie und Nekrose mit
angehängten Arbeitsanweisungen keine genaueren             SH-SY5Y-Neuroblastomzellen und mit Hep G2-Le-
Angaben machen, sollten die zytotoxischen Effekte          berkarzinomzellen durchgeführt. Untersuchungen zur
der Proben in den getesteten Konzentrationen jeweils       Apoptose, der Induktion von oxidativem Stress und
nicht über 20 % liegen.                                    von Veränderungen des GSH-Gehaltes in Zellen lie-
                                                           fern weitere Daten zur Beurteilung stärkerer oder auf-
Endpunkt Neurotoxizität                                    fälliger Wirkungen der chemischen Substanzen auf
                                                           Neuroblastomzellen und damit Hinweise auf mögliche
Für den Endpunkt Neurotoxizität wurde eine dreistu-        neurotoxische Wirkungen.
fige Teststrategie entwickelt. Dabei besteht die erste
Stufe aus relativ einfachen und unspezifischen Verfah-     In der dritten Teststufe werden weiterführende Unter-
ren zur Toxizitätsprüfung und zum Nachweis von Vor-        suchungen an SH-SY5Y-Zellen sowie an primären
läuferereignissen („precursor events“). Die dritte Stufe   humanen Astrozyten durchgeführt. In die In-vitro-Test-
bestätigt oder verwirft die in der zweiten Stufe ange-     strategie werden deshalb Untersuchungen an primären
zeigten neurotoxischen Verdachtsmomente durch              humanen Astrozyten zu zytotoxischen und morphologi-
spezifische Nachweisverfahren. Nachfolgend werden          schen Veränderungen einbezogen. An den Neuroblas-
die wesentlichen In-vitro-Testsysteme benannt. Die         tomzellen der SH-SY5Y-Zelllinie werden Untersuchun-
detaillierte Beschreibung der umfangreichen Testpro-       gen zur Beeinflussung der Neuritendifferenzierung und
tokolle kann im TOX-BOX-Leitfaden „Gefährdungs-            der intrazellulären Signaltransduktion untersucht.
basiertes Risikomanagement für anthropogene Spu-
renstoffe zur Sicherung der Trinkwasserversorgung“         Ableitung eines GOW
eingesehen werden.
                                                           Zur Ableitung eines GOW werden die endpunktbe-
Die in der ersten Teststufe durchgeführten Testverfah-     zogenen Testergebnisse im Sinne einer Ja-/Nein-
ren an den Blutzelllinien Jurkat und U-937 zum Nach-       Entscheidung herangezogen und in seiner Höhe als
weis der Zytotoxizität der chemischen Substanzen,          numerischer Wert festgelegt (s. Abb. 1).
differenziert in Nekrose und Apoptose, liefern durch
Ermittlung von EC10- bzw. EC50-Werten und der nied-        3.3 Ausblick zur Bewertung von
rigsten apoptotisch wirksamen Konzentrationen Infor-           Trinkwasser
mationen zur Stärke der Zytotoxizität. Zur Charakteri-
sierung der ablaufenden zytotoxischen Mechanismen          Eine direkte (gen-)toxikologische Bewertung von
werden in dieser Teststufe Veränderungen des Redox-        Trinkwasser bzw. von behandeltem Wasser ist mit

                                                                                                              13
3    Toxikologische Testverfahren für die Trinkwasserbewertung

    den im PRiMaT-Projekt entwickelten Methoden aus            Für die Art der Blindproben können zwei Fälle unter-
    Sicht der Autoren nicht möglich. Es handelt sich hier      schieden werden:
    um Proben der Stufe III. Es wird davon ausgegangen,
    dass typischerweise die Gehalte organischer Was-           a) Bei technischen Prozessen, in denen Transforma-
    serkontaminanten unter 1 µg/L liegen. Durchläuft ein          tionsprodukte erwartet werden, jedoch keine Sub-
    solches Wasser eine Aufbereitung und bilden sich              stanzgehalte dotiert werden (z.B. reale großtech-
    hierdurch mehrere Transformationsprodukte, liegen             nische Anlagen), kann als Blindprobe das Wasser
    die Einzelgehalte nochmals niedriger. Auch mit den im         vor der Wasserbehandlung verwendet werden.
    Projekt erarbeiteten beiden Anreicherungsverfahren
    werden maximal nur ca. 50 µg/L erreicht. Im Vergleich      b) Steht nur eine Wasserprobe zur Verfügung (z.B.
    zu den einzusetzenden Gehalten an Positivsubstan-             Leitungswasser) und zeigt diese Probe eine Wir-
    zen in (gen-)toxikologischen Testsystemen im unteren          kung in den Tests, steht keine perfekte Blindpro-
    Milligramm-pro-Liter-Bereich ist zu bezweifeln, dass          be zur Verfügung. Es muss dann auf eine andere
    Gehalte von < 50 µg/L die Wirkschwellen überschrei-           Wassermatrix ausgewichen werden, die ähnlich in
    ten. Insofern ist mit falsch-negativen Aussagen zu            ihrer Zusammensetzung ist, jedoch keine Wirkung
    rechnen. Ein Auswege zur Schließung dieser Konzen-            zeigt.
    trationslücke ist die Anwendung von Probenvorbe-
    reitungsverfahren mit großen Anreicherungsfaktoren         Treten bei Blindproben in stark angereicherten Proben
    (1000-fach und höher). Die Herausforderung an das          in allen Fällen Wirkungen auf, kann die Ursache des
    Anreicherungsverfahren besteht darin, eine umfassen-       Effekts ggf. auch aus der aufkonzentrierten Wasser-
    de 1000-fache Anreicherung aller möglichen Wasse-          matrix, dem Anreicherungsmaterial oder den verwen-
    rinhaltsstoffe zu erreichen (unpolare, polare, neutrale,   deten Lösungsmitteln stammen. Hier ist zu bedenken,
    kationische und anionische Verbindungen). Zudem            dass bei einer umfassenden 1000-fachen Anreiche-
    muss das erhaltene Konzentrat dann auch kompatibel         rung ein DOC-Gehalt von ca. 1000 mg/L und ein Salz-
    zu den nachfolgenden toxikologischen Testsystemen          gehalt von rund 200 g/L erzielt werden.
    sein (Lösungsmittelanteil, Salzgehalt).
                                                               3.4 Ausblick zur Bewertung technischer
    Abschließend soll noch auf die Problematik der Blind-          Anlagen zur Trinkwasseraufbereitung
    und Positivkontrollen über das Gesamtverfahren bei
    Untersuchungen nach Stufe III eingegangen werden.          Sollen die Transformationsprodukte einer bekannten
    Positivkontrollen lassen sich, so wie bei der Durch-       Wasserkontaminante, die in einer Wasserbehand-
    führung in Stufe II, durch Dotieren in die zu prüfende     lungsanlage auf einem biologischen, chemischen
    Wassermatrix generieren. Es ist dann ein positiver Be-     oder physikalischen Weg gebildet wurden, untersucht
    fund zu erwarten, der eine dem Anreicherungsfaktor         werden, können die Konzepte der Stufen I und II an-
    entsprechende Wirkung aufweist. In diesem Fall darf        gewandt werden:
    das Wasser ohne Dotierung keine oder nur eine ge-
    ringe Wirkung im toxikologischen Test zeigen. Liegen       ■■   Bei bekannten und als Reinsubstanzen zugängli-
    hier erhöhte Wirkungen vor, muss eine andere Was-               chen Transformationsprodukten kann eine Einzel-
    sermatrix verwendet werden.                                     stofftestung bzw. Stoffbewertung aus Literatur-
                                                                    daten durchgeführt werden (Stufe I). Als Beispiel
                                                                    sei die Bewertung von N,N-Dimethylnitrosamin

    14
Toxikologische Testverfahren für die Trinkwasserbewertung    3

     (NDMA), einem Transformationsprodukt des PSM-
     Metaboliten N,N-Dimethylsufamid (DMS) im Pro-
     zess der Ozonung angeführt. Aus den vorhanden
     toxikologischen Daten zu diesem Stoff konnte ein
     GOW-Wert von 0,01 µg/L abgeleitet werden. Die
     Bewertung der Aufbereitungsstufe in Bezug auf
     das NDMA-Bildungspotenzial erfolgt hier über
     chemische Analytik.

■■   In vielen Fällen sind die gebildeten Transformations-
     produkte von Wasserkontaminanten nicht in ihrer
     Zusammensetzung und in ihren Gehalten bekannt.
     Eine umfassende Aufklärung und Quantifizierung
     aller Transformationsprodukte ist in den meisten
     Fällen nicht möglich. Insofern kann die Bewertung
     der technischen Anlage nicht über Konzepte der
     Stufe I durchgeführt werden. Bei unbekannten
     Substanzgemischen wird daher die toxikologi-
     sche Testung der gesamten Wasserprobe emp-
     fohlen. Um Wirkschwellen zu erreichen, müssen
     über Dotierungen erhöhte Konzentrationen erzielt
     werden. Es ist dabei fallabhängig zu prüfen oder
     abzuschätzen, ob der Aufbereitungsprozess bei
     erhöhten Stoffgehalten noch die gleichen Trans-
     formationsprodukte in gleichen relativen Anteilen
     bildet. Mit den im PRiMaT-Projekt erarbeiteten
     Kombinationen aus Wasserbehandlung, optionaler
     Anreicherung und anschließender toxikologischer
     Testung liegt nun eine Methodik vor, die Bewer-
     tungen technischer Anlagen für Proben der Stufe II
     durchführen zu können.

                                                                                                           15
4

4 Ökotoxikologische Testverfahren

    4.1 Laborbasierte In-vitro- und In-vivo-		 tung grundsätzlich nicht für die Ableitung von siche-
        Testsysteme                            ren Konzentrationen von Einzelstoffen für die Umwelt
                                                               herangezogen. Sie spielen jedoch eine wichtige Rolle,
    Ähnlich wie in der Humantoxikologie werden auch in der     wenn es darum geht, unerwünschte Stoffeigenschaf-
    Ökotoxikologie laborbasierte und oft standardisierte       ten, wie beispielsweise bei den CMR-Stoffen (carcino-
    Biotestverfahren eingesetzt, um prospektiv das mit         genic, mutagenic and toxic to reproduction), zu de-
    der Präsenz von Chemikalien in der Umwelt verbun-          nen auch endokrine Disruptoren zählen, zu erfassen.
    dene Risiko zu bewerten. Hierzu existieren standar-        Daneben ermöglichen sie eine zielgerichtete Auswahl
    disierte Protokolle im Bereich von z. B. REACH, dem        von In-vivo-Tests, wenn zuvor mit In-vitro-Assays spe-
    Arzneimittelgesetz oder dem Pflanzenschutzgesetz,          zifische Wirkmechanismen ermittelt wurden. Dieses
    nach denen die Ökotoxizität eingestuft wird. Die Test-     Vorgehen wird auch als intelligent testing strategy (ITS)
    substanz wird dabei als Einzelstoff geprüft (entspricht    bezeichnet.
    Stufe I gemäß der im Kapitel 2 eingeführten Systema-
    tik). Grundlage der ökotoxikologischen Umweltrisi-         Die retrospektive Umweltbewertung hebt sich von
    kobewertung sind die Konzentrationen, bei denen in         der humantoxikologischen Vorgehensweise ab. Hier
    laborbasierten In-vivo-Tests Veränderungen bei den         werden komplexe Umweltmatrices, wie Abwasser,
    erfassten Parametern (sogenannte Endpunkte) im             Oberflächenwasser oder Sedimente, die bereits stoff-
    Vergleich zu einer unbelasteten Kontrolle auftreten. Als   lich belastet sind, auf der Basis der u.a. in Tabelle 1 ge-
    Effektkonzentrationen werden bei Akuttests mit einer       listeten Biotests hinsichtlich des Gefährdungspotenzi-
    maximalen Dauer von 96 h die LC50 (letale Konzentra-       als bewertet, dem exponierte Organismen ausgesetzt
    tion für 50% der geprüften Individuen) oder die EC50       sind. Die Ergebnisse der Biotests werden vergleichend
    (Konzentration, bei der 50% der geprüften Individuen       relativ zu Positiv- bzw. Negativstandards, Positiv- bzw.
    einen Effekt zeigen), bei chronischen Tests die NOEC       Negativkontrollproben oder Referenzproben beurteilt.
    (no observed effect concentration als höchste im Test      Neben der Bewertung von Einzelstoffen (Stufe I) kön-
    eingesetzte Konzentration ohne signifikanter Abwei-        nen mit Hilfe der Biotests Substanzen bzw. Substanz-
    chung von der unbelasteten Kontrolle) oder alternativ      gemische analysiert werden, die über einen Prozess
    die EC10 (Konzentration, bei der 10% der geprüften         generiert werden (Stufe II), z.B. Transformationspro-
    Individuen einen Effekt zeigen) ermittelt. Zur Ableitung   dukte, die bei der Ozonung von Abwasser gebildet
    von sicheren Konzentrationen für die Umwelt (z.B.          werden, und es ist eine Wirksamkeits- und Effizienz-
    PNEC – predicted no effect concentration oder UQN          bewertung von Technologien möglich, wie beispiels-
    – Umweltqualitätsnorm für Gewässer) werden die             weise die vergleichende ökotoxikologische Bewertung
    Effektkonzentrationen mit Sicherheitsfaktoren (as-         von weitergehenden Abwasserbehandlungsverfahren
    sessment factors) verrechnet, die, abhängig von der        über die Untersuchung nativer Abwasserproben (Stufe
    Testdauer und dem Testdesign, zwischen 1000 und            III), wie sie im Rahmen der RiSKWa-Projekte Schussen-
    10 variieren. Bei sogenannten Higher-tier-Tests, z.B.      Aktivplus und TransRisk erfolgte (vgl. hierzu Kapitel 5).
    Mesokosmen als Modellökosysteme mit komplexen
    Lebensgemeinschaften, sind niedrigere Sicherheits-         Für die ökotoxikologische Bewertung weitergehender
    faktoren üblich.                                           Abwasserbehandlungsverfahren können sowohl die
                                                               Ergebnisse von In-vitro- als auch von In-vivo-Tests
    Die Ergebnisse aus In-vitro-Tests (Assays) werden          herangezogen werden. Als Referenz zur Beurteilung
    bisher in der ökotoxikologischen Umweltrisikobewer-        der Effizienz des weitergehenden Verfahrens dient

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