Rückkehr aus unruhigen Gewässern des Indo-Pazifiks

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Rückkehr aus unruhigen Gewässern des Indo-Pazifiks
NR. 22 MÄRZ 2022                          Einleitung

Rückkehr aus unruhigen Gewässern
des Indo-Pazifiks
Bilanz und Folgerungen nach Fahrt der Fregatte »Bayern«
Alexandra Sakaki / Göran Swistek

Nach fast siebenmonatiger Fahrt im Indischen und Pazifischen Ozean ist die Fregatte
»Bayern« nach Wilhelmshaven zurückgekehrt. Mit der Entsendung des Schiffes wollte
Deutschland vor allem ein sichtbares politisches Zeichen für seine Bereitschaft set-
zen, sich aktiver für Stabilität und Sicherheit im indopazifischen Raum zu engagie-
ren. Im Rückblick hat die Mission dazu beigetragen, die Beziehungen mit Partnern
der Region durch militärpolitische und diplomatische Gespräche sowie gemeinsame
Übungen von Streitkräften zu beleben und zu vertiefen. Nun gilt es, den entstande-
nen Schwung in den Beziehungen aufrechtzuerhalten, etwa indem Konsultationen
fortgesetzt werden. Dem Anspruch, mit der Fregattenfahrt zum Erhalt der regel-
basierten Ordnung und des internationalen Rechts beizutragen, ist Deutschland je-
doch nicht oder allenfalls in geringem Maße gerecht geworden. Zu klären ist, welche
Folgerungen die Bundesrepublik für ihr künftiges Indo-Pazifik-Engagement zieht.

Mit der Fregatte »Bayern« und ihrer rund       Pazifik möchte Deutschland sein Engage-
240 Mann starken Besatzung hat von             ment in diesem Raum ausweiten, um des-
August 2021 bis Mitte Februar 2022 erst-       sen gewachsener politischer wie wirtschaft-
mals seit rund zwanzig Jahren ein deut-        licher Bedeutung gerecht zu werden. Die
sches Kriegsschiff im Indo-Pazifik gekreuzt.   Entsendung der Fregatte war somit eine
Zu den Stationen gehörten Hafenbesuche         praktische Operationalisierung der Leit-
in Pakistan, Australien, Guam, Japan und       linien und ein sichtbares Zeichen deutscher
Südkorea sowie nach Durchfahrt des Süd-        Präsenz in der Region.
chinesischen Meeres weitere Stopps in             Mit dem indo-pazifischen Raum verbin-
Singapur, Vietnam, Sri Lanka und Indien.       den die Bundesrepublik zum einen wirt-
Es handelte sich um eine Ausbildungs- und      schaftliche Interessen. Der Anteil von
Präsenzfahrt, die kein Bundestagsmandat        Deutschlands Warenhandelsaustausch mit
voraussetzt; der Auftrag der Fregatte war      den dortigen Ländern beläuft sich auf etwa
somit primär politischer Natur. Im Sinne       20 Prozent, gemessen am Gesamtaufkom-
der von der Bundesregierung im September       men. Dabei wird ein Großteil des Handels
2020 verabschiedeten Leitlinien zum Indo-      über maritime Verbindungswege abgewi-
ckelt. Deutsche Auslandsinvestitionen im        Türöffner: Impuls zur Vertiefung
                 indo-pazifischen Raum sind in den letzten       von Beziehungen
                 Jahren deutlich gestiegen.
                    Zum anderen beruht das deutsche Inter-       Eine Vielzahl bilateraler Konsultationen bei
                 esse auf der Grundannahme, dass Entwick-        Hafenbesuchen und verschiedene kleinere
                 lungen in dieser dynamischen Region maß-        Übungen mit regionalen Partnern entlang
                 geblich Einfluss haben auf die Zukunft der      der Schiffsroute sprechen für eine insge-
                 internationalen regelbasierten Ordnung,         samt positive Bilanz, was das Ziel angeht,
                 von der Sicherheit und Wohlstand der Bun-       die deutschen Beziehungen mit der Region
                 desrepublik abhängen. Sorge bereitet dabei      zu intensivieren und zu vertiefen. Bereits
                 nicht nur, dass die amerikanisch-chinesi-       im Vorfeld führte Deutschland jeweils mit
                 sche Rivalität primär in diesem Raum aus-       Australien und mit Japan – im letzteren
                 getragen wird. Im Fokus steht insbesondere      Fall erstmals – sogenannte »Zwei plus
                 auch Chinas regionales Auftreten, bei dem       zwei«-Gespräche der Außen- und Verteidi-
                 es internationale Regeln zu umgehen sucht       gungsminister, um insbesondere Planungen
                 und mit der Macht des Stärkeren Interessen      für die Mission der »Bayern« abzusprechen.
                 durchsetzt – beispielsweise im Kontext sei-        Im Zuge der Indo-Pazifik-Fahrt traf dann
                 ner Gebietsansprüche im Südchinesischen         der (mittlerweile zurückgetretene) Inspek-
                 Meer.                                           teur der Marine, Vizeadmiral Kay-Achim
                    Vor diesem Hintergrund hatte die Ent-        Schönbach, unter anderem in Australien,
                 sendung der Fregatte sowohl eine diploma-       Japan, Südkorea, Singapur und Indien mit
                 tische als auch eine sicherheitspolitische      seinen dortigen Amtskollegen zu militär-
                 Zielsetzung. So sollte die Präsenz des Schif-   politischen Konsultationen zusammen. In
                 fes dazu beitragen, Deutschlands Beziehun-      Japan fand zusätzlich ein Treffen zwischen
                 gen in die Region neu zu beleben und            dem Generalinspekteur der Bundeswehr,
                 einen Anstoß für sicherheits- bzw. militär-     General Eberhard Zorn, und dem japani-
                 politische sowie diplomatische Konsultatio-     schen Generalstabschef Yamazaki Koji statt.
                 nen mit verschiedenen Ländern zu geben.         Die hochrangige deutsche Präsenz wurde
                 Gleichzeitig wollte man sich durch die          in den Partnerländern als Zeichen der Wert-
                 Aktion aber auch gemeinsam mit Partnern         schätzung und Verbundenheit aufgenom-
                 für die »Einhaltung des Völkerrechts und        men.
                 die Stärkung der Sicherheit« in diesem             Neben militärpolitischen Konsultationen
                 Raum einsetzen, wie der damalige Außen-         gab es begleitend auch diplomatische Tref-
                 minister Heiko Maas beim Auslaufen der          fen, bei denen regionale Entwicklungen,
                 Fregatte erklärte.                              das deutsche Engagement sowie die Zu-
                    Angesichts zahlreicher internationaler       sammenarbeit mit dem jeweiligen Land
                 Verpflichtungen und begrenzter Ressour-         thematisiert werden konnten. Durch diese
                 cen war die Indo-Pazifik-Fahrt für die          Gespräche haben deutsche Vertreter tiefere
                 Deutsche Marine ein gewaltiger Kraftakt.        Einblicke in sicherheitspolitische Entwick-
                 Nun gilt es, Bilanz zu ziehen. Hat Deutsch-     lungen der Region und die Sichtweisen von
                 land seine Ziele mit Entsendung der             Partnerländern gewinnen können. Insofern
                 »Bayern« erreicht? Wie waren die Reak-          fungierte die Fahrt der »Bayern« als Tür-
                 tionen in der Region? Und welche Konse-         öffner für den bilateralen Austausch. Für
                 quenzen ergeben sich aus den Erfahrungen        Partner in der Region war die Präsenz der
                 für das deutsche Engagement im Indo-            Fregatte wiederum ein Signal, dass Deutsch-
                 Pazifik?                                        land bereit ist, sich aktiver mit den Belan-
                                                                 gen des Indo-Pazifiks auseinanderzusetzen.
                                                                    Diverse Auftritte und Medieninterviews
                                                                 deutscher Vertreter – insbesondere in Aus-
                                                                 tralien, Japan, Singapur und Indien – lenk-
                                                                 ten vor Ort auch die öffentliche Aufmerk-

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samkeit auf das deutsche Engagement.           Mehr Schein als Sein: Stärkung
Problematisch war dabei jedoch, dass Vize-     der regelbasierten Ordnung
admiral Schönbachs Verlautbarungen nicht
immer den Positionen der Bundesregierung       Fraglich scheint indes, inwieweit die Ent-
entsprachen. Dies galt vor allem für seine     sendung der »Bayern« dem Anspruch ge-
umstrittenen Äußerungen in Indien zum          recht wurde, einen Beitrag zum Erhalt der
Russland-Ukraine-Konflikt, die wenig später    regelbasierten Ordnung, zur Achtung des
zu seinem Rücktritt führten. Schönbach         Völkerrechts und zur Sicherheit in der
wiederholte bei regionalen Auftritten aber     Region zu leisten.
auch mehrfach die Auffassung, eine Prä-           Dass die Fregatte rund vier Wochen lang
senz der Deutschen Marine im Indo-Pazifik      die Überwachung von Sanktionsmaßnah-
sei künftig alle zwei Jahre denkbar und        men der Vereinten Nationen gegenüber
sinnvoll. Zwar gab er damit noch kein kon-     Nordkorea unterstützte, wurde von der
kretes Versprechen, dennoch weckte er in       Bundesregierung wiederholt als Beitrag zur
der Region unweigerlich Erwartungen, die       Aufrechterhaltung der regelbasierten Ord-
– werden sie nicht erfüllt – dazu führen       nung hervorgehoben. Dabei handelte es
könnten, dass Partner sich enttäuscht sehen    sich allerdings nicht um eine direkte deut-
und die deutsche Entschlossenheit zum          sche Beteiligung an der VN-Mission, wozu
Engagement in Zweifel gerät.                   es auch eines Mandats des Bundestages
   Neben den genannten Konsultationen          bedurft hätte, sondern um eine Unterstüt-
trug die Mission der »Bayern« auch dazu        zungsleistung durch Weitergabe bestimm-
bei, die sicherheitspolitische Zusammen-       ter Lagebildinformationen. Zu diesem
arbeit zu vertiefen, indem die Fregatte sich   Zweck wurden zwei deutsche Marineoffi-
an vorwiegend bi- und trilateralen Übungen     ziere zur Enforcement Coordination Cell
mit den Streitkräften der Gastländer betei-    im japanischen Yokosuka abgestellt, wo die
ligte. Bedenkt man, dass die Bundeswehr        Daten teilnehmender Schiffe gesammelt
bislang nur wenig Kontakt mit dem Militär      werden.
asiatischer Länder hatte, gaben diese Manö-       Angezweifelt werden muss jedoch, ob die
ver beidseitig die Möglichkeit, sich besser    »Bayern« einen wahrnehmbaren Nutzen für
miteinander vertraut zu machen. So wur-        die Gesamtmission unter VN-Mandat er-
den mit verschiedenen Partnern sogenannte      bracht hat. Parallel zu der Unterstützungs-
Passing Exercises (kurz PASSEX) durch-         leistung beteiligte sie sich an dem von Japan
geführt, die aus Teilübungen in Navigation     ausgerichteten Großmanöver »Annual Exer-
und Kommunikation bestehen und dabei           cise 2021«, das auch amerikanische, austra-
helfen, die Interoperabilität zwischen bei-    lische wie kanadische Schiffe und Verbände
den Seiten zu erhöhen. Insgesamt bot die       einschloss. Das Bundesministerium der
Fregattenfahrt den so beteiligten Seestreit-   Verteidigung beschrieb dies als einen opera-
kräften eine Gelegenheit, ihre jeweiligen      tiven Höhepunkt der Fregattenfahrt. Wäh-
Verfahrensweisen in unterschiedlichen          rend des neuntägigen Manövers hielt sich
Bereichen kennenzulernen und abzustim-         das deutsche Kriegsschiff in der Philippi-
men.                                           nensee auf, schwerpunktmäßig südöstlich
   Die Schiffsmission unterstreicht, dass      der japanischen Insel Okinawa. Damit be-
maritime Diplomatie als Instrument der         fand es sich jenseits der Hauptschifffahrts-
Politik eine Aufgabe mit wachsender Bedeu-     routen und in einer Entfernung von bis zu
tung für die deutschen und europäischen        1 000 Kilometern von der koreanischen
Seestreitkräfte jenseits ihrer heimischen      Halbinsel. Da die Reichweite des Radars zur
Gewässer ist. Dieser Auftrag bestand auch      Schiffsortung schätzungsweise 40 bis 50
schon bisher, doch ist er während der          Kilometer betragen haben dürfte, konnte
letzten Jahrzehnte im Zeichen von Stabili-     die Fregatte hier wohl nur wenig zur Lage-
sierungsoperationen und Krisenmanage-          bildaufklärung im Sinne der VN-Mission
ment in den Hintergrund getreten.              beitragen. Hinzu kommt, dass angesichts

                                                                                               SWP-Aktuell 22
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der Kombination beider Aktivitäten im             Die »Bayern« fuhr zwar durch das Süd-
                 gleichen Zeitraum notwendigerweise eine        chinesische Meer, blieb dabei aber auf den
                 Priorisierung zugunsten des Manövers er-       üblichen internationalen Handelsrouten
                 folgt sein wird. Auch während des anschlie-    und verzichtete (soweit öffentlich bekannt)
                 ßenden Hafenbesuchs in Südkorea hat            auf militärische Übungen wie etwa Start
                 die »Bayern« wohl kaum Daten für die VN-       und Landung eines Hubschraubers. Damit
                 Mission gesammelt. Daher scheint der Bei-      vermied Deutschland eine klare Positionie-
                 trag zur Sanktionsüberwachung eher eine        rung für das Völkerrecht, auch was die
                 öffentlichkeitswirksame Geste mit gerin-       Entscheidung des Internationalen Schieds-
                 gem operativen Mehrwert gewesen zu sein.       gerichtshofs von 2016 betrifft – die für
                 Immerhin signalisierte Deutschland damit       Berlin laut eigenen Indo-Pazifik-Leitlinien
                 aber politische Unterstützung für die Part-    »eine maßgebliche Bedeutung« hat. Man
                 ner, die an der Überwachungsmission            könnte das Vorgehen der Fregatte im
                 teilnehmen.                                    Gegenteil als Anerkennung chinesischer
                    Die Kluft zwischen dem erklärten Ziel,      Ansprüche auf das Südchinesische Meer
                 für eine regelbasierte maritime Ordnung        verstehen. Denn nach dem Seerechtsüber-
                 einzutreten, und der Realität der Fregatten-   einkommen (Artikel 17 bis 25) haben
                 fahrt klaffte in Bezug auf China noch deut-    Handels- und Kriegsschiffe in Territorial-
                 licher auseinander. Gerade in den umstrit-     gewässern anderer Staaten nur ein Recht
                 tenen Gewässern des Südchinesischen Mee-       auf »friedliche Durchfahrt«. Dabei müssen
                 res hat Beijing in den letzten Jahren seine    sie sich entlang der kürzesten Routen und
                 Ansprüche einseitig und gewaltsam durch-       damit der üblichen Handelsstrecken be-
                 gesetzt. Es wurden künstliche Inseln auf-      wegen, und Kriegsschiffe dürfen keine
                 geschüttet, darauf Militäranlagen wie Start-   militärischen Übungen durchführen. Han-
                 und Landebahnen installiert und so Fakten      delt es sich dagegen um eine Fahrt auf
                 geschaffen. Mit Militär, Küstenwache sowie     Hoher See, genießen Schiffe – einschließ-
                 als Zivilisten auftretenden Milizen schüch-    lich Kriegsschiffe – nahezu uneinge-
                 tert China die Sicherheitskräfte und Fischer   schränkte Bewegungsfreiheit und können
                 von Nachbarstaaten in diesem Seegebiet         auch Manöver abhalten. Anstatt mit völker-
                 ein. Das Urteil des Internationalen Schieds-   rechtlichen Scheuklappen zu agieren, hätte
                 gerichtshofs in Den Haag von Juli 2016, das    Deutschland also ein Zeichen gegen Chinas
                 Chinas »historische« Ansprüche auf beinahe     rechtswidrige Gebietsansprüche setzen
                 das gesamte Südchinesische Meer zurück-        können, indem es den engen Verhaltens-
                 gewiesen hatte, erklärte Beijing für »null     kodex einer »friedlichen Durchfahrt« über-
                 und nichtig«. Im September 2021 trat zu-       treten hätte.
                 dem ein chinesisches Gesetz in Kraft, nach        Anfänglich war zudem ein Fregatten-
                 dem bestimmte Handelsschiffe beim Durch-       besuch in der chinesischen Hafenmetropole
                 queren des Südchinesischen Meeres detail-      Shanghai vorgesehen. Wäre es dazu gekom-
                 lierte Informationen an die Behörden der       men, hätte Deutschlands Positionierung
                 Volksrepublik übermitteln müssen. Kein         noch unklarer gewirkt. So hätte ein Stopp
                 anderer Akteur der Region fordert die regel-   in China vor der Fahrt durch das Südchine-
                 basierte maritime Ordnung, die auf dem         sische Meer wie ein Genehmigungsgesuch
                 Seerechtsübereinkommen der Vereinten           gewirkt und damit den Anschein verstärkt,
                 Nationen (UNCLOS) basiert, stärker heraus      Deutschland respektiere die Ansprüche der
                 als China. Dass Beijing maritime Grenzen       Volksrepublik. Entsprechend irritiert äußer-
                 und Gebietsansprüche ausdehnt und dabei        ten sich beispielsweise Beobachter in Japan
                 geltendes Seerecht missachtet, stellt einen    oder Australien über den Besuchsplan. Zur
                 gefährlichen Eingriff in den internationalen   Vermeidung der Taiwan-Straße hätte die
                 Seeverkehr sowie die generelle Freiheit der    Fregatte nach dem möglichen Besuch in
                 Seewege dar.                                   Shanghai auf ihrem Kurs gen Süden wohl
                                                                auch einen großen Bogen östlich um Tai-

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wan gemacht – Deutschlands Zögern, sich          Vor diesem Hintergrund ist die Bundes-
für den seerechtlichen Status der Taiwan-     regierung nach Abschluss der Fregatten-
Straße als internationales Gewässer einzu-    fahrt gefordert, die gesammelten Erfahrun-
setzen, wäre so unterstrichen worden. Im      gen zu reflektieren und Konsequenzen
Endeffekt lehnte die chinesische Führung      daraus zu ziehen. Insbesondere gilt es, das
den Hafenbesuch der »Bayern« ab und           Unternehmen politisch auszuwerten. Wel-
verwies dabei auf mangelndes Vertrauen        che Sichtweisen und Erwartungen wurden
zwischen beiden Ländern.                      im Indo-Pazifik gegenüber dem deutschen
   Laut der damaligen Verteidigungsminis-     und europäischen Engagement dort vor-
terin Annegret Kramp-Karrenbauer hatte        gebracht? Haben die Gespräche und Konsul-
das Angebot der Hafenvisite zum Ziel, mit     tationen darüber Aufschluss gegeben, in
China »im Dialog zu bleiben«. Die deut-       welchen Bereichen Deutschland bzw.
schen Leitlinien betonen ebenfalls einen      Europa einen Mehrwert für die regionale
»inklusiven« Ansatz in der Region, der alle   Stabilität und Sicherheit leisten könnte?
Akteure – auch China – einschließt. Da-          Überlegungen zu den Schlussfolgerun-
hinter steht einerseits die Hoffnung, mit     gen für die künftige Indo-Pazifik-Politik
Beijing in Zukunft bei gemeinsamen Inter-     lassen sich nach drei Gesichtspunkten glie-
essen weiter kooperieren zu können, etwa      dern. Zu fragen ist erstens nach der Aus-
zur Bewältigung der Klimakrise, in Handels-   gestaltung der Beziehungen mit Partnern
fragen oder bei Abrüstungsbemühungen.         in der Region, zweitens nach dem militä-
Andererseits gründet dieser Ansatz auch       rischen Engagement und drittens nach dar-
auf der deutschen Sorge, die sino-amerika-    über hinausgehenden Beiträgen Deutsch-
nische Konfrontation im asiatischen Raum      lands auf sicherheitspolitischem Feld.
könnte sich verfestigen, was eine regionale
Blockbildung und Polarisierung befördern
würde. In der Tat fürchten vor allem die      Den Schwung für die
Länder Südostasiens, dass wachsende Span-     Beziehungspflege nutzen
nungen zwischen den Großmächten sie
zunehmend vor die Wahl stellen könnten        Die Mission der »Bayern« hat in Deutsch-
– zwischen China als größtem Wirtschafts-     lands Beziehungen mit wichtigen Partnern
partner und den USA als sicherheitspoliti-    des Indo-Pazifiks eine große Dynamik ent-
schem Garanten. Es ist daher gut und          faltet, die es nun durch weitere Gespräche
wichtig, wenn Deutschland den Dialog mit      und darauf aufbauende Initiativen fort-
China sucht und in der Region zur Deeska-     zusetzen gilt. Ansonsten droht die Wirkung
lation beitragen möchte. Der Versuch, mit     der Fregattenfahrt schnell zu verpuffen.
der Fregattenfahrt beides zu vereinen –       Durch Vertiefung des Austauschs kann sich
Einsatz für das Völkerrecht und Austausch     die Bundesrepublik aktiver mit den sicher-
mit Beijing –, muss aber als gescheitert      heitspolitischen und sonstigen Belangen
gelten.                                       der Region auseinandersetzen, was dazu
                                              beiträgt, destabilisierenden Faktoren und
                                              Trends zu begegnen. Regelmäßige Konsul-
Der Blick nach vorn                           tationen mit wichtigen Partnern wie Japan,
                                              Australien, Indien oder einzelnen südost-
Russlands Krieg gegen die Ukraine lenkt       asiatischen Staaten würden die Möglichkeit
die politische Aufmerksamkeit hierzulande     bieten, gemeinsame Interessen auszuloten
wieder mehr auf europäische Sicherheits-      oder Herangehensweisen an Probleme der
fragen. Dennoch wird der indo-pazifische      Region abzustimmen. Um sicherheitspoliti-
Raum weiter eine wichtige Rolle für           sche Fragen zu erörtern, könnte etwa das
Deutschland und Europa spielen. Daher         »Zwei plus zwei«-Dialogformat mit Japan
sollte die Bundesrepublik ihr Engagement      und Australien fortgesetzt werden. Dies
in der Region fortsetzen.                     wäre auch ein Signal an die Region, dass

                                                                                            SWP-Aktuell 22
                                                                                               März 2022

                                                                                                        5
Deutschland sein dortiges Engagement               Mit Blick auf die Zukunft muss sich die
                 beibehält.                                      Bundesregierung damit auseinandersetzen,
                    Zudem erscheint es sinnvoll für Deutsch-     inwiefern sie weitere Bundeswehreinheiten
                 land, mit asiatischen Partnern über das         in die Region entsenden will. Im Raum
                 Verhältnis zwischen China und Russland          steht die Forderung Schönbachs nach regel-
                 und den Umgang damit zu beraten. Vor            mäßiger Schiffspräsenz in diesen Gewäs-
                 dem russischen Einmarsch in die Ukraine         sern. Derzeit laufen zudem von der voran-
                 suchten diese beiden Länder zunehmend           gegangenen Bundesregierung eingeleitete
                 den Schulterschluss, wie ihr bilaterales        Planungen, kommenden Sommer Eurofigh-
                 Gipfeltreffen Anfang Februar 2022 verdeut-      ter sowie Tank- und Transportflugzeuge der
                 lichte. Moskau und Beijing verfolgen zwar       deutschen Luftstreitkräfte im Rahmen von
                 nicht immer die gleichen Ziele, wie sich        Langstreckenverlegungen nach Australien
                 auch im Ukraine-Krieg zeigt, und ihre Be-       und Japan zu entsenden. Dort sollen sie an
                 ziehungen sind geprägt durch eine Macht-        Manövern teilnehmen und damit das
                 asymmetrie. Doch beide fordern die regel-       anhaltende deutsche Engagement im Indo-
                 basierte Ordnung massiv heraus. Seine           Pazifik unterstreichen. Mit solchen Entsen-
                 völkerrechtswidrige Invasion in der Ukraine     dungen kann Deutschland angesichts be-
                 bereitete Russland über Jahre hinweg vor,       grenzter Fähigkeiten und Ressourcen der
                 indem es Grauzonen-Taktiken zwischen            Bundeswehr nur politische bzw. symboli-
                 Frieden und Krieg anwandte, Desinfor-           sche Ziele verfolgen – wie etwa die Zusam-
                 mationskampagnen betrieb und Cyber-             menarbeit mit Partnerländern zu intensi-
                 Angriffe durchführte. Auch China bedient        vieren oder die Einhaltung internationalen
                 sich solcher Mittel, besonders gegenüber        Rechts anzumahnen. Dabei gilt es aber ab-
                 Nachbarstaaten. Ein Austausch über Stra-        zuwägen, inwiefern entsprechende Verle-
                 tegien im Umgang mit solchem Verhalten          gungen die militärischen Spannungen in
                 läge also im Interesse Deutschlands bzw.        der Region befeuern könnten.
                 Europas und der asiatischen Partner.               Sollten derartige Einsätze als wünschens-
                                                                 wert beurteilt werden, muss Berlin entschei-
                                                                 den, wo die Prioritäten der Bundeswehr
                 Militärisches Engagement:                       liegen. Deren personelle und materielle
                 Mehr Bundeswehr-Präsenz?                        Lücken sind so groß, dass Deutschland in
                                                                 den letzten Jahren wiederholt gezwungen
                 Die Fregatte hat aus funktional-maritimer       war, die Entsendung eigener Einheiten zu
                 Sicht zahlreiche Kenntnisse gesammelt.          Nato-Einsatzverbänden (beispielsweise vor
                 Dies betrifft etwa Nautik und Navigation,       der Küste Libyens) oder zu VN- und EU-Mis-
                 Verfahren in der Zusammenarbeit mit             sionen (wie etwa der Anti-Piraterie-Mission
                 Hafenbehörden, die Etablierung logistischer     vor Somalia) zumindest zeitweise auszuset-
                 Versorgungswege von Deutschland aus             zen. Auch die von Kanzler Olaf Scholz an-
                 sowie klimatische, aber auch kulturelle         gekündigte Aufstockung der Bundeswehr-
                 Besonderheiten der Region. Nach zwanzig-        Mittel wird daran allenfalls mittelfristig
                 jähriger Abwesenheit vom Indo-Pazifik           etwas ändern können. Bei der Marine als
                 waren solche Wissensbestände nicht mehr         kleinster Teilstreitkraft sind die Kapazitäts-
                 vorhanden. Nun bietet sich also die Chance,     engpässe besonders deutlich. Gut geeignet
                 den Erfahrungsschatz durch systematische        für einen Einsatz im Indo-Pazifik sind von
                 Auswertung dauerhaft zu bewahren. Soll-         den 45 Schiffen der Deutschen Marine
                 ten die Deutsche Marine oder andere Teil-       gemäß ihrer Ausrüstung nur 15 Einheiten
                 streitkräfte künftig in der Region eingesetzt   (zwölf Fregatten, drei Einsatzgruppenver-
                 werden, ließen sich damit lange Vorberei-       sorger). Weitere fünf Korvetten wären dazu,
                 tungszeiten umgehen, Planungsfehler             gemessen an Reichweite, Versorgungs-
                 minimieren und etwaige Missverständnisse        güterkapazitäten an Bord und Seetauglich-
                 vermeiden.                                      keit, nur bedingt geeignet. Von diesen

SWP-Aktuell 22
März 2022

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15 bzw. maximal 20 zur Verfügung stehen-        unternommen, die in die richtige Richtung
den Einheiten wiederum ist zu jedem Zeit-       weisen und auf die aufgebaut werden
punkt nur etwa ein Viertel bis ein Drittel      sollte.
einsatzbereit, da bei allen Schiffen durch          Auf einfachem diplomatischen Wege
Ausbildungs- und Instandhaltungszyklen          kann Deutschland Initiative zeigen, indem
längere Ausfallzeiten entstehen. Entspre-       es sich öffentlich zu völkerrechtlichen
chend schwierig ist für die Marine eine Ent-    Fragen und maritimen Konflikten positio-
sendung in den Indo-Pazifik, zumal ein          niert. So wies die Bundesrepublik gemein-
solcher Einsatz das jeweilige Schiff und des-   sam mit Frankreich und Großbritannien im
sen Besatzung über mehrere Monate bindet.       September 2020 mit einer Verbalnote an
Angesichts des Ukraine-Krieges kommen           die VN Beijings Ansprüche auf das Süd-
auf die Bundeswehr im Nato-Rahmen wohl          chinesische Meer zurück, wobei man sich
zwangsweise weitere Aufgaben im euro-           auf das Seerechtsübereinkommen und das
atlantischen Bereich zu. Die Marine bei-        Urteil des Internationalen Schiedsgerichts-
spielsweise wird verstärkt zur Lagebildauf-     hofs von 2016 bezog. Im Juni 2021 äußerte
klärung in der Ostsee und im Nordatlantik       sich Deutschland mit den anderen G7-
beitragen müssen. Deutschland hat also          Staaten in einer gemeinsamen Erklärung
abzuwägen, wie es die begrenzten Bundes-        besorgt über die Entwicklungen im Süd-
wehrkapazitäten am sinnvollsten einsetzt.       chinesischen Meer ebenso wie im Ostchine-
   In diesem Zusammenhang sollte auch           sischen Meer, wo China die von Japan
überlegt werden, inwiefern die Teilnahme        kontrollierten Senkaku-(Diaoyutai-)Inseln
an einer gemeinsamen europäischen Prä-          beansprucht. Solche Erklärungen verdeut-
senz im Indo-Pazifik möglich wäre. Im           lichen, dass Deutschland den maritimen
Februar 2022 beschloss der Europäische          Spannungen im Indo-Pazifik nicht gleich-
Rat, im nordwestlichen Indischen Ozean          gültig gegenübersteht und völkerrechts-
ein Meeresgebiet auszuweisen, in dem EU-        widriges Handeln verurteilt.
Mitgliedstaaten zu einer koordinierten              Ebenso kann die Bundesrepublik einen
maritimen Präsenz beitragen und so für ge-      Beitrag zur maritimen Sicherheit leisten,
meinsame Werte und Interessen einstehen.        indem sie etwa das bestehende, vom Aus-
Damit konkretisiert sich die Idee einer         wärtigen Amt finanzierte Schulungsprojekt
maritimen Präsenz, wie sie die EU-Strategie     in Südostasien zum Seerecht fortführt und
zur Kooperation im Indo-Pazifik von Sep-        ausbaut. Mit diesem Programm werden
tember 2021 enthält. Vorstellbar wäre eine      Vertreterinnen und Vertreter der Vereini-
gelegentliche deutsche Beteiligung mit          gung südostasiatischer Länder (ASEAN) bzw.
einem Schiff im Rahmen eines europäi-           Ministerialbeamte ihrer Mitgliedstaaten
schen Verbandes oder im Rahmen personel-        darin geschult, wie das VN-Seerechtsüber-
ler Abstellung zur Planung und Führung          einkommen auszulegen und anzuwenden
eines solchen Verbandes.                        ist. In diesem Zusammenhang sollte
                                                Deutschland auch an Länder wie die Philip-
                                                pinen oder Vietnam appellieren, ihre mari-
Weitere sicherheitspolitisch-                   timen Ansprüche klar auf Basis des Über-
maritime Beiträge                               einkommens zu definieren.
                                                    Neben Staaten, die rechtswidrig handeln,
Unabhängig von solchen Erwägungen kann          gefährden auch nichtstaatliche Akteure die
Deutschland aber auch andere Mittel nut-        maritime Ordnung im Indo-Pazifik, so etwa
zen, um zur maritimen Sicherheit und            in Südostasien. Fälle von Piraterie, bewaff-
regelbasierten Ordnung im Indo-Pazifik bei-     neten Raubüberfällen auf See, illegaler
zutragen. Neben der Intensivierung sicher-      Fischerei oder maritimem Schmuggel sind
heitspolitischer Dialoge mit der Region hat     dort an der Tagesordnung. Um diese trans-
die Bundesregierung in den letzten zwei         nationalen Probleme anzugehen, bedarf es
Jahren bereits eine Reihe von Schritten         vielfach ebenfalls einer zwischenstaatlichen

                                                                                               SWP-Aktuell 22
                                                                                                  März 2022

                                                                                                           7
Kooperation, die auf internationalem Recht
                               basiert. Deutschland könnte hier seine
                               Unterstützung für kooperative Ansätze an-
                               bieten, denen regionale Staaten aufgrund
                               ungelöster maritimer und territorialer
                               Streitigkeiten oft mit Vorsicht begegnen.
                               Da Fragen zur Auslegung internationalen
                               Rechts in diesem Zusammenhang eine
                               wichtige Rolle spielen, könnte die Bundes-
                               regierung dabei auf dem erwähnten Schu-
© Stiftung Wissenschaft        lungsprojekt zum Seerecht aufbauen bzw.
und Politik, 2022              entsprechende Ausbildungsprogramme
Alle Rechte vorbehalten        anbieten.
                                  Im August 2021 trat Deutschland dem
Das Aktuell gibt die Auf-
                               Regional Cooperation Agreement on Com-
fassung der Autoren wieder.
                               bating Piracy and Armed Robbery against
In der Online-Version dieser   Ships in Asia (ReCAAP) bei. Mit diesem
Publikation sind Verweise      Abkommen soll die zwischenstaatliche
auf SWP-Schriften und          Kooperation verbessert werden, um in
wichtige Quellen anklickbar.
                               Asien Piraterie und Raubüberfälle auf See
SWP-Aktuells werden intern
                               zu bekämpfen. Für den Austausch von
einem Begutachtungsverfah-     Informationen zum Lagebild und zu sicher-
ren, einem Faktencheck und     heitsrelevanten Übergriffen wurde in Singa-
einem Lektorat unterzogen.     pur das sogenannte Information Fusion
Weitere Informationen          Centre eingerichtet. Dafür stellt Deutsch-
zur Qualitätssicherung der
                               land nun permanent einen Verbindungs-
SWP finden Sie auf der SWP-
Website unter https://www.     offizier der Marine ab. Da es regionalen
swp-berlin.org/ueber-uns/      Staaten an Fähigkeiten für die Lagebild-
qualitaetssicherung/           erfassung eher mangelt, ist dies ein sinn-
                               voller Beitrag zur maritimen Sicherheit.
SWP
                                  Angesichts der großen Herausforderun-
Stiftung Wissenschaft und
Politik
                               gen für die maritime Ordnung im Indo-
Deutsches Institut für         Pazifik und Deutschlands Interessen in der
Internationale Politik und     Region ist ein aktiveres Engagement der
Sicherheit                     Bundesregierung vonnöten. Auch jenseits
                               der begrenzten Ressourcen der Bundeswehr
Ludwigkirchplatz 3–4
                               bieten sich Deutschland eine Reihe von
10719 Berlin
Telefon +49 30 880 07-0        Möglichkeiten, sein Engagement zu ver-
Fax +49 30 880 07-100          tiefen.
www.swp-berlin.org
swp@swp-berlin.org

ISSN (Print) 1611-6364
ISSN (Online) 2747-5018
doi: 10.18449/2022A22

                               Dr. Alexandra Sakaki ist Stellvertretende Leiterin der Forschungsgruppe Asien.
                               Göran Swistek ist Gastwissenschaftler in der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik.

      SWP-Aktuell 22
      März 2022

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