S. Ockert Was können neue Bildgebungssysteme im Hybrid-OP zur Strahlenexpositionsreduktion beitragen? - LUVAS Gefässchirurgie Luzern
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Was können neue Bildgebungssysteme im Hybrid-OP zur Strahlenexpositionsreduktion beitragen? S. Ockert Gefässchirurgie Zeitschrift für vaskuläre und endovaskuläre Medizin ISSN 0948-7034 Volume 25 Number 1 Gefässchirurgie (2020) 25:12-18 DOI 10.1007/s00772-019-00608-0 1 23
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Gefässchirurgie Author's personal copy Leitthema Gefässchirurgie 2020 · 25:12–18 S. Ockert https://doi.org/10.1007/s00772-019-00608-0 LUVAS – Gefässchirurgie, Hirslanden Klinik St. Anna Luzern, Luzern, Schweiz Online publiziert: 21. Januar 2020 © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 Was können neue Bildgebungs- systeme im Hybrid-OP zur Strahlenexpositionsreduktion beitragen? Ist der reguläre C-Bogen obsolet? Einleitung Hybrid-OP-Anlagen, die teilweise oder Im Bereich der klassischen mobilen ausschließlich vaskulär genutzt werden. Durchleuchtungseinheiten (C-Bogen) In den letzten 10–15 Jahren kam es zu Nach aktuellen Schätzungen vonseiten waren über einen langen Zeitraum nur einer rasanten Entwicklung der Gefäß- der Hersteller kommen zusätzlich pro Systeme auf Basis der Bildverstärkertech- chirurgie mit einer zunehmenden Fa- Jahr etwa weitere 20–30 Hybridanlagen nik erhältlich. Nachteil dieser C-Bögen vorisierung der endovaskulären Verfah- hinzu. stellt neben dem kleinen Bildausschnitt ren insbesondere im Bereich der Aor- Grund dieser Entwicklung ist, dass die zunehmende Verschlechterung der ta. Neben den etablierten endovaskulä- insbesondere bei komplexen Eingriffen Bildqualität im Rahmen der Prozedur ren Eingriffen im abdominellen (EVAR) (FEVAR/BEVAR) der bis dato routine- dar [1]. Darüber hinaus besteht die Ge- und thorakalen Bereich (TEVAR) wird mäßig verwendete Standard-C-Bogen fahr eines kompletten Systemausfalls bei auch bei komplexeren Eingriffen im pe- mit Bildverstärkertechnik den neuen komplexeren endovaskulären Eingriffen, rirenalen und thorakoabdominellen Seg- Ansprüchen an Bildqualität und System- insbesondere bei übergewichtigen Pa- ment die endovaskuläre Therapie immer stabilität nicht mehr gerecht wird. Durch tienten, durch Überhitzung der Anode mehr zur Methode der Wahl. Mit der die Implementierung von Hybrid-OPs bei fehlender Möglichkeit zur aktiven zunehmenden Etablierung endovaskulä- kann einerseits die Bildqualität relevant Kühlung. rer Standardverfahren und zusätzlich der verbessert werden, andererseits ist ein In den vergangenen Jahren wurde Erweiterung der Indikationen hin zu im- Systemausfall aufgrund der technischen auch die technische Entwicklung mobi- mer komplexeren Prozeduren (FEVAR/ Voraussetzungen der Anlage (z. B. aktive ler C-Bogen-Systeme vorangetrieben. So BEVAR) wächst simultan der Anspruch Kühlung der Anode) unwahrscheinlich. sind mittlerweile Flachbilddetektoren im an die technischen Voraussetzungen zur Die Erhöhung der Leistungsfähigkeit fi- Bereich der mobilen vaskulären Bildge- sicheren Durchführung der Eingriffe [1]. xer Angiographieanlagen führt jedoch zu bungssysteme zur Regel geworden. Der einer potenziell erhöhten Strahleninten- klassische Bildverstärker hat im Gefäß- »etwaAktuell gibt es in Deutschland 250 realisierte Hybrid-OP- sität/Strahlenbelastung für den Patienten und insbesondere für das OP-Personal OP eigentlich ausgedient [1]. Anlagen [3, 4]. Durch bauliche Anpassungen im Hybrid-OP-Umfeld, wie beispiels- »hat Der klassische Bildverstärker im Gefäß-OP ausgedient weise deckenmontierte Plexiglasschilde Als Folge dieser neuen Herausforderun- und am OP-Tisch montierte flexible gen kam es im Laufe der letzten Jahre Lamellenschutzwände, wird die Streu- Dies hat positive Auswirkungen auf die zunehmend zu einer technischen Auf- strahlung/Strahlenexposition deutlich Bildqualität der neuen mobilen Anlagen, rüstung im Operationssaal mit der Eta- reduziert. Der Einsatz systemspezifi- die zusätzlich teilweise über eine aktive blierung sog. Hybridoperationssäle (Hy- scher Anwendungen wie beispielsweise Kühlung verfügen und somit eine besse- brid-OP). Bei einem Hybrid-OP handelt der Fusionsbildgebung kann zusätzlich re Systemstabilität garantieren. Darüber es sich um eine fixe Hochleistungsrönt- die Strahlenintensität dieser Hochleis- hinaus werden motorgesteuerte C-Bö- geneinheit, die in einem sterilen OP- tungsanlagen im täglichen Gebrauch auf gen angeboten, bei denen der Opera- Umfeld mit entsprechender Infrastruk- der Basis technischer Besonderheiten teur selbstständig Projektionsebenen im tur installiert wird [2]. Aktuell gibt es unter Anwendung spezieller Workflows Rahmen der Prozedur ändern kann. Die- z. B. in Deutschland etwa 250 realisierte deutlich minimieren [5, 6]. se Anlagen werden als mobile „Hybrid- 12 Gefässchirurgie 1 · 2020
Author's personal copy Tab. 1 Flächendosisprodukt (DAP) ausgewählter Zentren mit Fokus auf Dosisreduktion unter gistrierungstyp im Verlauf eine schema- Verwendung der Fusionsbildgebung (Hybrid-OP) und ohne (mobilem C-Bogen) Fusion-Imaging tische Rekonstruktion (Maske) der Ge- bei Standardendoprothesenimplantationen (EVAR) fäßanatomie mit Darstellung relevanter Author (Jahr) n System DAP Gy. cm2 anatomischer Landmarken, wie viszera- Hertault et al. (2018) [6] 85 Hybrid-OP 14,7 (10,0–14,7) ler Gefäßabgänge (z. B. Nierenarterien). Maurel et al. (2018) [12] 44 Hybrid-OP 12,4 (7,5–23,4) Hilfreich ist hierbei ein softwarebasierter Hertault et al. (2014) [5] 44 Hybrid-OP 12,2 (8,7–19,9) Workflow, der die Schritte zur Registrie- Maurel et al. (2012) [17] 188 Mobiler C-Bogen 40,5 (——) rung und Segmentierung vereinfacht und Kalef-Ezra et al. (2009) [18] 62 Mobiler C-Bogen 37,4 (9–139) auf wenige Arbeitsschritte reduziert (z. B. syngo EVAR Guidance, Siemens Healthi- neers) (. Abb. 3). C-Bögen“ bezeichnet und sind auch für gen. Durch die Verwendung von Niedrig- Die erstellte Maske wird dann im Rah- komplexere Prozeduren prinzipiell ver- dosisprotokollen für den jeweiligen Ein- men der Implantation mit einer einmalig wendbar. griff und eine institutionsspezifische An- intraoperativ angefertigten aortalen DSA passung der Protokolle im Laufe des Be- nach Einbringen der Stentprothese in Strahlenexposition triebs kann die Strahlenbelastung rele- Übereinstimmung gebracht, um even- im Hybrid-OP vant reduziert werden [7]. tuelle Ungenauigkeiten auszugleichen. (. Abb. 5). Die Anwendung einer Angiographie- Fusionsbildgebung und Durch die Anwendung der Fusions- anlage im OP führt im Vergleich zum Registrierungsarten bildgebung soll die Anzahl der im Rah- Standard-C-Bogen per Definition zu men der Implantation nötigen DSA-Se- einer Vervielfachung der potenziellen Bei der Fusionsbildgebung werden 3-D- rien auf ein Minimum reduziert wer- Leistungsfähigkeit (80–120 KV Hybrid- Bilddatensätze von präoperativ akqui- den. Insbesondere bei der Durchführung OP vs. 20–25 KV C-Bogen) [2–4]. Somit rierten CT-Angiographien mit Bildern komplexer Prozeduren mit der Notwen- kann im Rahmen von endovaskulären überlagert, die zum Anfang der jewei- digkeitzurKanülierung mehrererOrgan- Eingriffen ein Vielfaches an Strahlenin- ligen Prozedur erstellt werden. Diese gefäße (z. B. thorakoabdominelle Aneu- tensität abgerufen werden. Erste Unter- Überlagerung wird dann zur intraopera- rysmen) besteht auf Basis der Fusions- suchungen bei fix installierten Anlagen tiven3-D-Navigationim RahmenderEn- bildgebung die Möglichkeit zur Naviga- zeigen, dass die Dosis für Patient und doprothesenimplantation genutzt. Man tion ohne mehrfache Kontrastmittelin- Personal im Betrieb deutlich höher wa- unterscheidet prinzipiell eine 2-D/3-D jektionen [11, 12]. Neben der erstellten ren, im Vergleich zu mobilen C-Bogen von einer 3-D/3-D-Registrierung bei der Maske, die zusätzlich die Organarterien- mit Bildverstärkertechnik [3, 4]. Fusionsbildgebung. abgänge grafisch markiert (Ringe) gibt es Unter Anwendung systemspezifischer Bei der 2-D/3-D-Registrierung wer- auch grafische Orientierungen zur Ver- Besonderheiten der Hybridanlagen wie den vor Desinfektion und steriler Ab- meidung von Parallaxenfehlern. beispielsweise der Fusionsbildgebung deckung im OP Durchleuchtungsbilder (Fusion-Imaging) konnte jedoch gezeigt (Fluoroskopien) angefertigt und mit den 2-D/3-D- oder werden, dass eine relevante Reduktion präoperativ erstellten CTAs „fusioniert“. 3-D/3-D-Registrierung der Strahlenintensität bei der Verwen- Hierzu bedarf es insgesamt nur zweier dung von Hochdosisanlagen möglich ist Fluoroskopien und zwar einmal im an- Welche Art der Fusionsbildgebung ist ([2, 5], . Tab. 1). terior-posterioren (AP) und einmal im hinsichtlich Strahlenbelastung, Genauig- Eine prospektive multizentrische Stu- seitlichen Strahlengang. (. Abb. 1 und 2). keit und insbesondere der Praktikabilität die (REVAR) konnte aktuell die im Ver- Anhand von eindeutig reproduzier- zu favorisieren? Verschiedene Autoren gleich zur Literatur niedrigen Strahlen- baren anatomischen Markern (z. B. Wir- und Arbeitsgruppen konnten zeigen, werte unter routinemäßiger Verwendung belkörper/Beckenknochen) werden die dass bei der 3-D/3-D-Registrierung die der Fusionsbildgebung zusätzlich bestä- aktuell erstellten Durchleuchtungsbilder Strahlenbelastung aufgrund der Durch- tigen. Die Autoren wiesen jedoch auch mit den 3-D-Daten des präoperativ er- führung eines CBCT erhöht ist und darauf hin, dass zur relevanten Senkung stellten Planungs-CTs überlagert ([8, 9]; dass der KM-Verbrauch bei der Durch- der Dosis die Beachtung der ALARA- . Abb. 3 und 4). führung eines kontrastmittelverstärkten Prinzipien wesentlich ist [6]. Bei der 3-D/3-D-Registrierung wird CBCT prinzipiell höher liegt als bei der Unabhängig von der Systemkonfi- zu Beginn des Eingriffs eine dreidimen- 2-D/3-D-Registrierung. Durch die ver- guration der Hybridanlagen (decken- sionale Rotationsangiographie durchge- besserte Genauigkeit bei der 3-D/3-D- gehängt vs. bodenmontiert/Roboter) führt (Cone-BEAM-CT/CBCT). Dieses Registrierung kann jedoch die Gesamt- oder des Herstellers besteht neben der CBCT wird dann mit der präoperativ an- menge an Kontrastmittel (KM) pro Fusionsbildgebung die Möglichkeit zur gefertigten CT-Angiographie, simultan Prozedur insgesamt reduziert werden. Strahlenreduktion durch die Anwendung zur 2-D/3-D-Fusion überlagert. Eine im- Zusätzlich besteht die Möglichkeit zur spezifischer technischer Voraussetzun- plementierte Software erstellt je nach Re- Gefässchirurgie 1 · 2020 13
Author's personal copy Zusammenfassung · Abstract Durchführung des CBCT auch ohne KM Gefässchirurgie 2020 · 25:12–18 https://doi.org/10.1007/s00772-019-00608-0 [9–14]. © Springer Medizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020 »reduziert Die 3-D/3-D-Registrierung die Menge an S. Ockert Was können neue Bildgebungssysteme im Hybrid-OP zur Strahlenexpositionsreduktion beitragen? Ist der reguläre C-Bogen Kontrastmittel pro Prozedur obsolet? Hinsichtlich der Genauigkeit der Regis- Zusammenfassung Die Etablierung endovaskulärer Techniken können im Hybrid-OP niedrigere Dosiswerte trierung zeigt eine aktuelle Arbeit, dass in der Gefäßchirurgie und die Erweiterung erreicht werden. Der klassische C-Bogen keine relevanten Unterschiede zu erwar- des Spektrums zu immer komplexeren auf Basis der Bildverstärkertechnik wird ten sind [15]. Bei beiden Registrierungs- Verfahren bedarf technischer Anpassungen den aktuellen Ansprüchen vaskulärer arten war eine zusätzliche DSA nach Ein- im Operationssaal. Durch die Installation Eingriffe hinsichtlich der Bildqualität und bringen der Endoprothese nötig, um not- von fixen Durchleuchtungsanlagen im Systemstabilität nicht mehr gerecht. Aktuelle sterilen OP-Umfeld entsteht der sogenannte technische Entwicklungen unter Verwendung wendige Korrekturen der Maske durch- Hybridoperationssaal (Hybrid-OP). Mit von Flachbilddetektoren, zusätzlicher Moto- zuführen. Was die Exaktheit der Regis- zunehmendem Einsatz von hochenerge- risierung des C-Arms und aktiver Kühlung trierung, also was die Differenz/Abstand tischen Hybrid-OP-Anlagen steigt aber erlauben jedoch eine sichere Durchführung der Marker zu den tatsächlichen Organ- auch die potenzielle Strahlenbelastung für endovaskulärer Standardeingriffe (EVAR) und arterienabgängen angeht, gab es keine Patienten und OP-Personal signifikant an. komplexerer Prozeduren auch mit mobilen Systemspezifische Bildgebungssysteme C-Bogensystemen. signifikanten Unterschiede [15]. im Hybrid-OP wie die Fusionsbildgebung Hinsichtlich des Stellenwertes der je- ermöglichen unter Anwendung spezieller Schlüsselwörter weiligen Registrierungsart im täglichen Workflows eine erhebliche Dosisreduzierung. Fusionsbildgebung · ALARA-Prinzipien · Gebrauch sind die Daten bisher nicht fi- Durch zusätzliche Anpassungen der Strahlenexposition · Mobiler C-Bogen · nal zu bewerten. Dazu bedarf es noch Durchleuchtungsprotokolle in Kombination Gefäßchirurgie weiterer Studien. Einerseits scheint es mit der Umsetzung der ALARA-Prinzipien Vorteile zugunsten der 2-D/3-D-Regis- trierung zu geben, insbesondere was die How can modern imaging modalities in hybrid suites contribute to Dauer der Registrierung und Strahlenbe- a reduction in radiation exposure? Is there still a place for mobile lastung angeht. Hinsichtlich der Genau- C-arm systems? igkeit der Registrierung und des KM- Verbrauchs in der Summe (prä-/intra-/ Abstract postoperativ) scheint es aber eine Ten- The introduction of endovascular procedures reasonably achievable (ALARA) principle, low- denz für die 3-D/3-D-Registrierung zu in vascular surgery and the extension of dose values can be achieved in a hybrid OR. geben [14]. indications to include increasingly more The traditional mobile C-arm based on image complex procedures require technical intensifier technology no longer meets the Insgesamt muss man davon ausge- requirements of modern vascular surgery adjustments in the operating theater. This has hen, dass die Vorbereitung und Umset- led to the so-called hybrid operating theater with respect to image quality and system zung der Rotationsangiographie im Rah- (hybrid OR) with the installation of a fixed stability. Current technical developments, men der 3-D/3-D-Registrierung komple- angiographic system in a sterile operating including flat panel detectors, motor-driven xer und logistisch aufwendiger ist im environment; however, with the increasing C-arms and the possibility of active cooling use of high-energy hybrid OR suites, there is of the system enable the safe execution Vergleich zur Erstellung zweier Durch- of standard endovascular aortic/aneurysm a potential risk of greater radiation exposure leuchtungsbilder, wie bei der 2-D/3-D- for the patient and the OR personnel during repair (EVAR) procedures as well as more Bildakquisition [15]. the procedure. The use of system-specific complex interventions, even with mobile Eine genaue Vorbereitung und Ab- fusion imaging and special workflows C-arm systems. stimmung mit den beteiligten Diszipli- seems to have the potential to reduce the intraoperative radiation dosage. Through the Keywords nen (Lagerungspflege/Anästhesie) ist für Fusion imaging · ALARA principles · Radiation additional adaptation of radiation protocols die Durchführung einer Rotationsangio- and the implementation of the as low as exposure · Mobile C-arm · Vascular surgery graphie prinzipiell erforderlich. Es muss sichergestellt werden, dass die notwen- digen Manöver der Hybridanlage ohne Beeinträchtigung der Beatmung und des Durchführung der Fusionsbildgebung Fusionstechnik nur für Monitorings des Patienten möglich sind. Stellproben und ggf. Markierungen für komplexe Prozeduren? Zusätzliche Geräte sollten so positioniert die verschiedenen Eingriffstypen und werden, dass es nicht zur Beeinträchti- Registrierungsarten am Boden hilfreich. Die Implantation von Spezialendopro- gung der Bewegungsfreiheit der Anla- thesen (FEVAR/BEVAR) profitiert von ge im Rahmen der Rotation oder gar der Anwendung der Fusionsbildgebung, zur Kollision kommt. Prinzipiell sind zur 14 Gefässchirurgie 1 · 2020
Author's personal copy wie in den letzten Jahren gezeigt werden konnte [13]. Bei der Behandlung von Standarden- doprothesen (EVAR) hat die Fusionsbild- gebung ebenfalls Vorteile und kann im günstigsten Fall die Anzahl der notwen- digen DSAs auf insgesamt nur zwei Serien im Rahmen von Routine-EVAR/TEVAR reduzieren (1. Kontrolle der Registrie- rung; 2. Abschlussangiographie). Auch bei Kliniken, die in der Mehrzahl Stan- dardeingriffe durchführen, kann deshalb die Anschaffung eines Hybrid-OPs unter dem Aspekt des Strahlenschutzes sinn- voll sein [5, 6]. Die Fusionsbildgebung und die von Abb. 1 8 Anterior-posterior-Durchleuchtung zur 2-D/3-D-Registrierung. (Mit freundlicher Genehmi- der Industrie zur Verfügung gestellten gung der Siemens Healthineers AG) Workflows stellen jedoch einen nicht unrelevanten Kostenfaktor dar. Neben der Hybridanlage als Hardware bedarf es der zusätzlichen Investition in Soft- warekomponenten und insbesondere in qualifiziertes zusätzliches Personal (Hy- brid-OP-Techniker oder medizinisch- technisches Röntgenpersonal/MTRA) zur Bedienung des Systems. Prinzipiell ist es aber nach der Grund- satzentscheidung zur Anschaffung ei- ner solchen Hochleistungsanlage kaum sinnvoll, Tools zur sicheren Prothe- senimplantation und insbesondere zur Strahlenreduzierung nicht anzuschaffen. Software unterstützte Workflows zur Abb. 2 8 Seitliche Fluoroskopie zur 2-D/3-D-Registrierung. (Mit freundlicher Genehmigung der Sie- mens Healthineers AG) Fusionsbildgebung Zur Vereinfachung und Reduzierung der Arbeitsschritte im Rahmen der Fu- sionsbildgebung haben die Hersteller der Systeme softwarebasierte Lösungen entwickelt (z. B. syngo EVAR-Guidance, Siemens Healthineers oder Vesselnavi- gator, Philips). Durch Anwendung dieser Workflows werden die Schritte zur Re- gistrierung und Segmentierung auf ein Minimum reduziert. Die Organabgänge werden automatisch grafisch markiert und können bei Bedarf bei etwaigen Un- genauigkeiten der Überlagerung manu- ell angepasst werden. Zusätzlich können Aufnahmewinkel für die anatomische achsenkorrigierte Stentpositionierung verwendet werden. Abb. 3 8 Workstation mit Bildverarbeitungs-Workflow (Syngo EVAR Guidance, mit freundlicher Ge- nehmigung der Siemens Healthineers AG) Trotz dieser Simplifizierungen im Workflow im Vergleich zu den Vor- Gefässchirurgie 1 · 2020 15
Author's personal copy Leitthema Abb. 4 8 Anpassung/Alignement der präoperativen Bilder mit den Fluoro- Abb. 5 8 Darstellung der „Maske“ mit Markierung der Gefäßabgänge und skopien in 2 Ebenen (Syngo EVAR Guidance, mit freundlicher Genehmigung dem eingebrachten Endograft (Fusionsbildgebung) im Durchleuchtungs- der Siemens Healthineers AG) modus gängersystemen, bleibt die Fusions- geschulten Mitarbeiters (sog. Hybrid- sisbereich erzeugt zwar prinzipiell eine bildgebung hinsichtlich Vorbereitung OP-Techniker). bessere Bildqualität, führt jedoch auch und technischer Durchführung kom- zu einer wesentlich höheren Strahlenbe- plex (3-D/3-D-Fusion > 2-D/3-D-Fusi- Individuell angepasster lastung. Selbstverständlich soll die Re- on) und bedarf einer gewissen Routine Strahlungsmodus duktion der Strahlenintensität nicht auf und Erfahrung. Hilfreich ist es da- Kosten der Sicherheit bei der Implanta- bei, wenn sich mehrere Mitarbeiter aus Die modernen Hybridanlagen sind tion der Prozeduren gehen. Die Auswahl verschiedenen Bereichen (ärztliches/ in der Regel mit einer Standardein- der verwendeten Strahlenprotokolle soll- pflegerisches Personal und Lagerung) in stellung hinsichtlich der Strahlenin- te sich am Prinzip „so wenig wie mög- die Anlage so einarbeiten, dass ein siche- tensität mit verschiedenen Grund- lich, aber so viel wie nötig“ orientieren. rer Betrieb zur effektiven Anwendung einstellungen/Modi ausgestattet (z. B. Dies entspricht auch den prinzipiellen der Fusionsbildgebung gewährleistet ist. „low“/„medium“/„high“) [3, 7]. Darüber Empfehlungen zum Strahlenschutz un- hinaus werden bei der Installation der ter Anwendung des ALARA- „As-low- »Fusionsbildgebung Die Durchführung der ist komplex Anlage nach Koordinierung mit dem Hersteller Programme definiert, die as-reasonably-achievable“-Prinzips [16]. Die geringstmögliche Strahlung als den unterschiedlichen Bedürfnissen der Standard abzurufen, ist jedoch nicht in und bedarf Erfahrung nutzenden Fachdisziplinen entsprechen jeder Situation sinnvoll. Manchmal ist (z. B. Orthopädie vs. Gefäßchirurgie). eine Erhöhung der Leistung auf eine Selbstverständlich kann die Registrie- Es empfiehlt sich, als Grundeinstel- höhere Bildfrequenz pro Zeiteinheit, rung der Bilder und die Fusion auch lung primär mit der niedrigsten Einstel- beispielsweise zum Kanülieren von Or- vom Operateur selbstständig und sogar lung zu beginnen. Im Fall der suboptima- gangefäßen, praktikabler/schneller und steril vom OP-Tisch aus durchgeführt len Darstellung von Strukturen während bedarf in der Summe weniger Dosis. werden. In der Praxis zeigt sich jedoch der Prozedur, insbesondere bei Angula- Nicht zu vergessen ist darüber hi- mehrheitlich, dass die Einbeziehung tionen oder übergewichtigen Patienten, naus, dass die Röntgenanlagen bei be- weiterer Mitarbeiter hinsichtlich der kann jeweils manuell nachjustiert werden sonderen Konstellationen (Angulation/ Praktikabilität sinnvoll ist. So besteht die (z. B. Erhöhung der Pulsrate/Zeiteinheit) übergewichtige Patienten) selbstständig Möglichkeit zur Bedienung der Anlage oder es wird aktiv in den nächsthöheren die nötige Energie (KV) im Rahmen der durch einen auf das System spezifisch Modus umgeschaltet. OP zur Verbesserung der Bildgebung an- im Rahmen eines mehrwöchigen Kurses Ein routinemäßiger Beginn der Pro- passen [4, 7]. Hier lohnt sich ein regelmä- zeduren im mittleren oder gar hohen Do- ßiger Blick auf die am Monitor zur Ver- 16 Gefässchirurgie 1 · 2020
Author's personal copy fügung gestellten Strahlungsdaten und Status quo C-Bogen eine aktive Kühlung auf, was eine aus- aktiven Protokolle. (Flachbilddetektoren) reichende Systemstabilität auch bei kom- Nach Einarbeitung in das neue System plexen Prozeduren ermöglicht. und nach Analyse der verschiedenen Ein- Mit Beginn der endovaskulären aorta- griffstypen des jeweiligen Fachgebiets, kann in Abstimmung mit dem Hersteller len Therapien Anfang/Mitte der 1990er- Jahre kamen im OP-Saal routinemäßig »BögenModerne mobile Hybrid-C- werden aktiv gekühlt eine zusätzliche individuelle Anpassung/ mobile C-Bögen zum Einsatz. Basierend Modifikation der verschiedenen Grund- auf der Bildverstärkertechnik waren die- einstellungen erfolgen. Hierbei können se Anlagen hinsichtlich Bildqualität und Im Vergleich zu fixen Angiographie- sogar die spezifischen Bedürfnisse der Systemstabilität extrem unzuverlässig. anlagen (100 KV) ist die abrufbare einzelnen Anwender Berücksichtigung Auch die Größe des Arbeitsfeldes (Bild- Leistung mobiler Systeme selbstver- finden, um die Strahlendosis auf ein ausschnitt) im Rahmen der Implantation ständlich deutlich geringer (25 KV), Minimum zu reduzieren (z. B. Modus war aufgrund der Bildwandlertechnik doch in der Regel ausreichend für die Aorta: Arzt A vs. Arzt B). Bemerkenswert deutlich eingeschränkt. Zusätzlich be- sichere Durchführung auch komplexe- bleibt, dass auch routinierte Anwender steht das Problem, das komplexe Pro- rer Prozeduren. Aufgrund des deutlich von Hochleitungsanlagen sich teilweise zeduren (FEVAR/BEVAR) mit erhöhter niedrigeren Anschaffungspreises der ge- der verschiedenen möglichen Grundein- Durchleuchtungsdauer (>45 min) nicht ringeren Unterhaltungskosten und der stellungen nicht bewusst sind. Es sollte sicher zu Ende gebracht werden können. Unabhängigkeit baulicher Vorrausetzun- deshalb zu Beginn jedes Eingriffes zum Ursache ist die Überhitzung der Anode gen/Anpassungen, stellen diese mobilen Prinzip werden, den aktiven Modus zu bei fehlender Möglichkeit zur aktiven Anlagen, insbesondere bei der mehrheit- überprüfen und ggf. anzupassen. Dies Kühlung des mobilen C-Bogen-Systems. lichen Therapie von Standardeingriffen trifft insbesondere auf Kliniken zu, wo Nicht selten wurden daher im Rahmen (EVAR) des Durchschnittsversorgers ei- verschiedene Fachdisziplinen eine große komplexer aortaler Prozeduren 2 bis 3 C- ne echte Alternative zum Hybrid-OP Zahl unterschiedlicher Strahlenproto- Bögen „verbraucht“. dar. kolle nutzen. Aktuell sind die Mehrzahl an C-Bögen für den vaskulären Bereich mit Flachde- Fazit für die Praxis Bauliche Anpassungen tektortechnik ausgestattet. Dies ermög- licht ein Arbeiten mit größerem Bildaus- 4 Der Hybrid-OP stellt eine technische Beim Bau eines Hybrid-OPs werden schnitt, besserer Auflösung und stabilerer Revolution und in vielerlei Hinsicht prinzipiell systemspezifischeGroßbild Bildgebung [1]. eine Notwendigkeit für die Durch- Anpassungen im Vorfeld geplant, um führung komplexer endovaskulärer der Funktionalität und insbesondere Hybrid-C-Bogen Prozeduren in der modernen Ge- dem Strahlenschutz bei der Nutzung von fäßchirurgie dar. Durch bauliche Hochdosisanlagen gerecht zu werden. Eine Weiterentwicklung der mobilen Sys- Besonderheiten und die Anwendung Simultan zu Durchleuchtungseinheiten teme mit Flachbilddetektoren stellen die verschiedener Prinzipien, wie der in der Radiologie und Kardiologie (An- sog. mobilen Hybridanlagen (Ziehm Vi- Fusionsbildgebung in Kombination giosuite), werden beispielsweise decken- sion RFD Hybrid, Cios Alpha Siemens mit vereinfachten Workflows und montierte Plexiglasschilde und flexibel Healthineers etc.) dar. Besondere Eigen- durch angepasste Einstellungen der zu montierende Untertischschutzsys- schaft dieser „Hybrid-C-Bögen“ ist die Anlagen im niedrigen Dosisbereich teme zur Verfügung gestellt. Flexible Möglichkeit zur selbstständigen Einstel- können trotz potenziell hoher Strah- deckenmontierte Großbildmonitore bie- lung der Durchleuchtungseigenschaften lenleistung der Hybrid-OP-Anlagen ten eine gute und großformatige Bild- (Pulsrate/Blende/Zoom) durch den Ope- niedrige Dosiswerte erreicht werden. qualität, die zusätzliche strahlenintensive rateur im Rahmen des Eingriffs durch ei- 4 Die aktuellen Daten zur reduzierten Vergrößerungen (Zoom) im Rahmen der ne am Tisch steril fixierte Steuerungsein- Strahlung beziehen sich allerdings Prozedur auf ein Minimum reduzieren. heit. Zusätzlich besteht die Möglichkeit mehrheitlich auf Kliniken mit einem Darüber hinaus erlauben funkgesteuerte zur unabhängigen Steuerung des Systems Fokus auf Strahlenreduktion. Somit Fußpedale, welche bei Hybridanlagen durch den Operateur in verschiedenen muss prinzipiell davon ausgegangen routinemassig zum Einsatz kommen, Raumebenen auf Basis eines motorisier- werden, dass nur durch Sensibili- insbesondere bei Durchführung von ten C-Arms. Kombiniert man dies dann sierung und Bewusstmachung der Serienaufnahmen (digitale Subtrakti- noch mit einer motorisierten Tischein- Strahlenproblematik akzeptable Do- onsangiographien/DSA), sich als Ope- heit und flexiblen Deckeninstallationen siswerte für Patient und insbesondere rateur/OP-Personal in größerer Distanz (z. B. Großmonitor) entsteht ein funktio- Personal unter echten Bedingungen zur Strahlenquelle zu positionieren als nelles „Hybrid-OP-Umfeld“ auf Boden im Routinebetrieb erreicht werden beim herkömmlichen C-Bogen mit ka- einer mobilen C-Bogeneinheit mit ho- können. belbasiertem Fußschalter. her Flexibilität. Die modernen mobilen 4 Die Frage, ob flächendeckend die Hybrid-C-Bögen weisen darüber hinaus Einrichtung von Hybrid-OPs für Gefässchirurgie 1 · 2020 17
Author's personal copy Leitthema gefäßchirurgisch tätige Klinken 5. Hertault A, Maurel B, Sobocinski J, Martin Gonzalez T, Le Roux M, Azzaoui R, Midulla M, sinnvoll ist, bleibt hierbei offen. Haulon S (2014) Impact of hybrid rooms with 4 Wesentlich für die Effektivität und image fusion on radiation exposure during Effizienz der Anlage, insbesondere endovascular aortic repair. Eur J Vasc Endovasc Surg 48:382–390 unter Berücksichtigung des Strahlen- 6. Hertault A, Rhee R, Antoniou GA, Adam D, Tonda H, schutzes, ist sicher die Durchführung Rousseau H, Bianchini A, Haulon S (2018) Radiation einer Mindestanzahl an endovasku- dose reduction during EVAR: results from a prospective multicentre study (the REVAR study). lären Eingriffen zum Erreichen einer Eur J Vasc Endovasc Surg 56:426–433 gewissen Prozessstabilität. 7. De Ruiter QM, Gijsberts CM, Hazenberg CE, Moll FL, 4 Die neuen mobilen motorgesteuer- van Herwaarden CE (2017) Radiation awareness for endovascular abdominal aortic aneurysm ten C-Bögen mit Flachdetektortech- reapir in the hybrid operation room. An instant nik (Hybrid-C-Bogen) und aktiver patient risk chart for daily practice. J Endovasc Ther Kühlung stellen aktuell gute Alter- 24(3):425–434 8. Kauffmann C, Douane F, Therasse E, Lessard S, nativen zur sicheren Durchführung Elkouri S, Gilbert P et al (2015) Source of errors and von aortalen Standardeingriffen accuracy of a two dimensional/three dimensional (EVAR/TEVAR) dar. Insbesondere Kli- fusion road map for endovascular aneurysm repair. J Vasc Interv Radiol 26:544–551 niken mit limitiertem Budget oder 9. 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