Sammelrezension: Geschlechterbilder - Judith Franke - media/rep
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Repositorium für die Medienwissenschaft Judith Franke Sammelrezension: Geschlechterbilder 2020 https://doi.org/10.25969/mediarep/13595 Veröffentlichungsversion / published version Rezension / review Empfohlene Zitierung / Suggested Citation: Franke, Judith: Sammelrezension: Geschlechterbilder. In: MEDIENwissenschaft: Rezensionen | Reviews, Jg. 37 (2020), Nr. 1, S. 51–54. DOI: https://doi.org/10.25969/mediarep/13595. Nutzungsbedingungen: Terms of use: Dieser Text wird unter einer Creative Commons - This document is made available under a creative commons - Namensnennung 3.0/ Lizenz zur Verfügung gestellt. Nähere Attribution 3.0/ License. For more information see: Auskünfte zu dieser Lizenz finden Sie hier: https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/ https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Medien / Kultur 51 Sammelrezension: Geschlechterbilder Zwischen diesen beiden Essay-Samm- Darstellung Hillary Clintons zwischen lungen lässt sich ein eindrucksvoller, 2008 und 2016 werden unterschiedliche leicht zugänglicher und zur weiteren Konnotationen der Macht von Politike- Recherche einladender Bogen span- rinnen untersucht. Die in der medialen nen: zwischen der medialen, vor allem Darstellung genutzten Begriffe ‚Bitch‘ popkulturellen, Betrachtung politischer und ‚Badass‘ beschreiben hiernach beide Frauen einerseits sowie der individu- die machtvolle Position einer Frau – ellen und systematischen Betrachtung allerdings mit zunächst negativer, dann von Maskulinitäten andererseits. Die positiver Konnotation (vgl. S.4). All sich zahlreich ergebenden Verknüp- dies geschieht unter Berücksichtigung fungen zwischen den Büchern sowie unterschiedlicher medialer Rahmenset- den einzelnen Beiträgen sind sowohl zungen (vgl. S.7) und Bezugnahme auf für einen Einstieg in die ematik von als männlich konnotierten Habitus (vgl. Geschlechterkonstruktionen und ihren S.8). Ein weiterer Schwerpunkt dieses medialen Vermittlungen als auch für Beitrags ist die Analyse der Möglich- eine weiterführende Lektüre ausgespro- keiten politischer Beteiligung, die sich chen fruchtbar. durch neue Medien und Social Media Die 13 Beiträge in Women, Femi- bieten (vgl. S.12). nism, and Pop Politics beschäftigen sich Die Beiträge sind im positiven Sinne aus den Perspektiven von Medien-, als populärwissenschaftlich zu verste- Kommunikations- und Genderwis- hen, nämlich dahingehend, dass sie senschaftler_innen mit Fragen von komplexe eorien und Sachverhalte feministischen Politiken sowie mit niederschwellig zugänglich machen Politikerinnen und ihrer gegender- und zu eigenen Auseinandersetzungen ten – medialen – Konstruktion und anregen. Die Autorinnen sind um Betrachtung. Vorangestellt ist die größtmögliche Diversität bemüht, was Einleitung der Herausgeberin Karrin an der Auswahl ihrer emen deutlich Vasby Anderson, die ausführlich Aus- wird, und verbinden somit sinnfällig gangspunkt und Vorhaben des Buches Form und Inhalt. Die einzelnen Bei- verdeutlicht. Inspiriert von der sich träge greifen einander auf und machen ändernden medialen Betrachtung und die Verschränkungen der einzelnen
52 MEDIENwissenschaft 01/2020 emen deutlich, wobei sie schwer- „Part II: Feminist Political Parody, punktmäßig in drei Bereiche unterteilt Satire, and Infotainment“ erläutert sind. Funktionsweisen und Historie von „Part I: Digital Politics and Embodied Parodie, Satire und Humor anhand Feminism(s)“ untersucht Möglichkeiten von Beispielen US-amerikanischer von feministischen Identitätsbildun- Late Night-Formate. Mary Douglas gen über verschiedene Kommunika- Vavrus analysiert am Beispiel von John tionsplattformen hinweg und bietet Oliver und Last Week Tonight (2014-) gleichzeitig Einblicke in verschiedene das ambivalente Verhältnis von poli- feministische Strömungen. Katie L. tischem Aktivismus und Comedy und Gibson widmet sich den Möglichkei- Tasha N. Dubriwny beschäftigt sich ten von feministischem, transdiszi- mit historischen und zeitgenössischen plinärem Dissens. Als Beispiel nutzt Verhältnissen und Reglementierungen sie die medialen Kollaborationen von weiblicher Wut. Alyssa Samek zwischen User_innen, die beispiels- analysiert die Funktionsweisen von weise Memes entwickeln, rund um feministischem Humor bei den drei Ruth Bader Ginsburg und blickt auf prominenten weiblichen Korrespon- Intersektionalität sowie Strategien der dentinnen der Daily Show (1996-), Verniedlichung weiblicher Macht und Samantha Bee, Kristen Schaal und alternative Strategien durch die me- Jessica Williams. Erika Falk beschließt diale Darstellung erfolgreicher Frau- den zweiten Teil mit Betrachtungen zur enfiguren. Belinda Stillion Southard Verortung verschiedener Framings der betrachtet und problematisiert Dis- Darstellung von Hillary Clinton in kurse und Geschichte verschiedener gesellschaftlichen Klischees. Konzepte authentischer Weiblichkeit „Part III: Feminist Politicians in mit Schwerpunkt auf dem Girl Power- Prime Time“ vereint Beiträge von Konzept der 1990er Jahre sowie glo- Michaela D.E. Meyer, Allison M. balen Machtdynamiken. Danielle M. Prasch, Carrie M. Murawski und Tasha Stern widmet sich der intermedialen N. Dubriwny, Kristina Horn Sheeler und intersektionalen Arbeit der Trans- sowie Karrin Vasby Anderson, die sich aktivistin Laverne Cox und fragt, wie allesamt mit Darstellungen weiblicher Bilder und damit verbundene Defi ni- Politikerinnen in Serien zur Prime tionen von Feminist_innen und Femi- Time beschäftigen. Dabei liegen die nismus inner- und außerhalb digitaler Schwerpunkte auf den Betrachtungen Communities erweitert werden kön- der Erzählstrategien von feministi- nen. Valerie R. Renegar, Lacy Lowrey schen Geschichten: Von Michaela und Kirsti Cole beschäftigen sich mit D.E. Meyer anhand von e Good Wife Konstellationen angenommener und (2009-2016) als Reihung von Misserfol- anwesender Publika und fokussieren gen und Unmöglichkeiten und als Dar- dabei (fehlende) Intersektionalität und stellungen der Balance verschiedener Strategien des Unterlaufens postfemi- Identitäten einer arbeitenden Frau am nistischer Tendenzen. Beispiel von Madam Secretary (2014-)
Medien / Kultur 53 durch Allison M. Prasch. Gender und den so medienwissenschaftliche Per- race als Kriterien von Machtverhältnis- spektiven zur Seite gestellt, die sich sen werden bei Carrie M. Murawski an Judith Butlers Konzept der Perfor- und Tasha N. Dubriwny verhandelt, die mativität orientieren. Die Herausgeber tabuisierten aktiven, weiblichen Macht- beleuchten in der Einleitung Gemein- streben in Scandal (2012-2018) sowie samkeiten und Unterschiede zwischen das komplexe Verhältnis zwischen ver- verschiedenen Entwürfen von Männ- schiedenen feministischen Strömungen lichkeit und heben besonders die per- in Parks and Recreation (2009-2015) manente, diskursive Brüchigkeit dieser stehen bei Vasby Anderson im Vorder- gesellschaftlichen Konzepte hervor. grund. Sheeler legt in ihrer Betrachtung Die folgenden Kapitel machen in von Veep (2012-2019) einen Schwer- ihrer Vielstimmigkeit die Vernet- punkt auf burleske Strategien der Ver- zung von Männlichkeitsentwürfen fremdung und Intensivierung mit gesellschaftlichen und politischen Im Schlusswort schließt Shawn Systemen sowie Verkörperung deut- J. Parry-Giles den Kreis zu Hillary lich und fragen nach Formen ihrer – Clinton, zeigt Perspektiven jenseits von medialen – Repräsentation. Bereits die Paradoxien weiblicher Macht jenseits ersten beiden Kapitel von Paul Higate der Binarität von ‚Bitch‘ und ‚Badass‘ und Charity Fox machen die dialo- auf, und betrachtet, auch unter Ver- gische Verwobenheit verschiedener weis auf die Präsidentschaft Donald Aspekte deutlich: An die von Higate Trumps, Möglichkeiten, verschie- untersuchten Bilder und Performances dene Maskulinitäten zum Teil inter- von Männlichkeit im US-amerika- sektionaler feministischer Ansätze nischen und britischen Militär sowie zu machen (S.302). Damit entstehen in privaten Sicherheitsunternehmen, direkte Verbindungen zu Contemporary namentlich Blackwater, schließt Fox Masculinities in the UK and the US: Bet- mit einer Betrachtung von Erzählungen ween Bodies and Systems. von Heldentum und Raumeroberung In diesem von Stefan Horlacher anhand der Action-Erzählung Dogs und Kevin Floyd herausgegebenen of War (1980) an. Fox legt hier einen Band der Reihe Global Masculini- Schwerpunkt auf die Verschmelzung ties sind 11 Beiträge vereint, die sich von Fakten und Mythen und den daraus aus unterschiedlichen Blickwinkeln entstehenden, schwer hinterfrag- und mit Erscheinungsformen, Systema- widerlegbaren Bildern von Männlich- tiken und Verkörperungen von Mas- keit. kulinitäten beschäftigen. Der bisher Die folgenden drei Kapitel fokus- überwiegend soziologisch und kultur- sieren die Aspekte Krise, Spektakel, wissenschaftlich basierten und in der Sichtbarkeit und Präsentationen von Männlichkeitsforschung verorteten Maskulinität in den sozialen Medien. wissenschaftlichen Beschäftigung mit Elahe Haschemi Yekani betrachtet Maskulinitäten im Spannungsfeld von Narrative, die die Angegriffenheit von individuellem Körper und System wer- hegemonialen Systemen und Männ-
54 MEDIENwissenschaft 01/2020 lichkeiten parallelisieren. Weitere Nar- turelle Vereinfachungen und Identi- rative über hegemoniale Männlichkeit fi kation im Mittelpunkt – allerdings betrachtet Wieland Schwanebeck in mit einem Schwerpunkt auf white pop-kulturellen Referenzen und in supremacy und die vergeschlechtlichte Bezug auf das Werk Jacques Lacans, Rhetorik der Neo-Nazi-Szene. Mit das sich mit der Symbolik des Phal- den Kapiteln von Katja Kanzler und lischen für Körper und Staat beschäf- Ulfried Reichardt werden zum Ende tigt. Sarah L. Steele und Tyler Shores des Buches juristische und ökono- ergänzen die medialen Erzählungen mische Systeme in Hinblick auf ihre mit Betrachtungen zur Konstitution geschlechter(klischee-)basierte Kon- von Männlichkeitsbildern und -dis- zeption und Rezeption betrachtet. Jede kursen durch soziale Medien anhand für sich und gemeinsam ermöglichen der Kampagne ,Real Men Don’t Buy diese Essay-Sammlungen eine diffe- Girls‘, die sich gegen Menschenhandel renzierte Betrachtung von gegenderten und Prostitution richtete. Machtverhältnissen sowie ihren medi- Brigitte Georgi-Findlay unter- alen Konstruktionen, Repräsentationen sucht am Beispiel der Serie Deadwood und Rezeptionen. (2004-2006) fluide Männlichkeiten, Am Ende der Lektüre beider Bücher Machtrelationen und den Versuch der ist das Interesse an den überraschend Protagonisten, patriarchale Strukturen vielschichtigen humoristischen und zu überwinden. Es folgt eine kritische satirischen Aspekten von Pop-Kultur Betrachtung und kontemporäre Fort- geweckt oder vertieft und um zahlreiche führung der Männlichkeitskonzeption Beispiele und Denkanstöße bereichert. in Baldwins Giovanni’s Room (1956) Unter Umständen sind so auch mehr von Velina Manolova, bevor Alexandra Fragen offen als zu Beginn. Beide Schein die emen whiteness, race und Bücher sind sowohl als Einstiegs-, als ihre Systematisierung mit Blick auf auch weiterführende Lektüre in Fragen Politiken von Irisch-Amerikanischen der Medienwissenschaft, Gender- und Maskulinitäten in Film und Fern- Feminism Studies zu empfehlen. sehen weiterführt. Auch im Beitrag von Michael Kimmel stehen struk- Judith Franke (Bochum)
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