Schlaf und (Be-)Atmung bei Neuromuskulären Erkrankungen - PD Dr. med. Matthias Boentert Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale ...
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Schlaf und (Be-)Atmung bei Neuromuskulären Erkrankungen PD Dr. med. Matthias Boentert • Klinik für Neurologie mit Institut für Translationale Neurologie Universitätsklinikum Münster • Klinik für Innere Medizin, Bereich Neurologie, UKM-Marienhospital Steinfurt
Warum schlafen wir? – Körperliche Erholung – Geistige Erholung – Lernen und Gedächtnis – Wachstum – Schutz
Was hat Schlaf mit Medizin zu tun? – Jeder von uns schläft.... – Schlaf ist 1/3 unseres Lebens – >50% aller Menschen berichten über Schlafstörungen – Erholsamer Schlaf ist wichtig für Wohlbefinden und Sich- Gesund-Fühlen – Schlafstörungen verringern die Lebensqualität und führen zu Folgeerkrankungen – Psychische und Körperkrankheiten oft mit Schlafstörungen verbunden 4
Was ist gesunder Schlaf? „Gesundheit ist das selbstvergessene Weggegebensein an das Leben“. Übersetzt heißt das: Derjenige schläft gut, der nicht darüber nachdenkt, wie er schläft. 1900-2002 5
Schlafregulation nach A. Borbély Prozess S („Schlafdruck“) Prozess C (circadianer Rhythmus), Generierung im Nucleus suprachiasmaticus (SCN) Akuter Schlafentzug
Physiologischer (= normaler) Schlaf https://somnomedics.de/wp-content/uploads/2014/06/Schlafstadien.jpg
Internationale Einteilung von Schlafstörungen – 81 Diagnosen 1. Ein- und Durchschlafstörungen (Insomnien) 2. Schlafbezogene Atmungsstörungen 3. Erkrankungen des Zentralen Nervensystems mit dem Hauptsymptom Schläfrigkeit 4. Störungen des Schlaf-Wach-Rhythmus 5. Verhaltensstörungen im Schlaf („Schlafwandeln“) 6. Schlafbezogene Bewegungsstörungen (z. B. Restless Legs-Syndrom)
Kleine schlafmedizinische Symptomkunde nicht vermehrtes gestörter erholsamer Schlaf Schlafbedürfnis Schlaf „Ich schlafe schlecht.“ „Ich bin müde.“ 10
Epworth-Schläfrigkeits-Skala >10 Punkte = vermehrte (möglicherweise krankhafte) Tagesschläfrigkeit Johns 1991
Was ist wirklich exzessive Tagesschläfrigkeit?
Fatigue- Schweregrad- Skala (Erschöpfung) • Ergebnis wird durch 9 geteilt • >3 Punkte = vermehrte (möglicherweise krankhafte) Erschöpfung Krupp 1989 13
Fragen zum Schlaf – Wie sind Zeiten, Dauer und äußere Umstände des Nachtschlafs? – Gibt es Anhaltspunkte für körperlich oder seelisch bedingte Schlafstörungen? – Ist der Nachtschlaf erholsam oder nicht? – Ist das Schlafbedürfnis überhaupt stillbar? – Besten zusätzliche Beschwerden? – Liegen Begleiterkrankungen vor? 14
Polygraphie (Apnoe-Screening, „kleine Schlaflabor- Untersuchung“) Gleichzeitige Aufzeichnung verschiedener Messgrößen über eine mindestens 6-stündige Schlafphase: • Atmung/Atemfluss an der Nase • Schnarchgeräusche • Sauerstoffsättigung im Blut • Puls • Atembewegungen von Brustkorb und Bauch
Polysomnographie Polygraphie + EOG EEG • Elektrookulogramm è Augenbewegungen EMG • EEG èSchlafstadienbestimmung • EMG èMuskelspannung • Video und Ton èVerhalten Diagnostischer Goldstandard! EMG
Inselmann, Kai - DOB 14/11/1964 MR# 14111964inselmann 16/06/2014 Polysomnographie Schlafprofil Sauerstoffsättigung Atempausen Atemfrequenz Körperlage Beinaktivität Schnarchen
2. Schlafbezogene Atmungsstörungen
Normale Atmung: Aufgabe der Lunge • Gasaustausch zwischen Blut und Luft über die Membran der Lungenbläschen (Alveolen) • Aufnahme von Sauerstoff aus der Luft ins Blut • Abgabe von Kohlendioxid aus dem Blut an die Luft
Normale Atmung: Aufgabe der Atemmuskulatur • Ventilation = Vorgang des Atmens = Bewegung immer aktiv in Ruhe passiv (Zwerchfell beim Husten aktiv (Zwischenrippen- und Zwischenrippenmuskeln) Bauchmuskeln) www.jameda.de
Normale Atmung: Oberer Atemweg Nasenhöhle harter Gaumen weicher Gaumen Zäpfchen Zunge Luftröhre
Schnarchen, Hypopnoe und Apnoe +/- Schnarchen
Definition: Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom • OSAS • Symptome + Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) > 5/h Schlaf ODER • AHI > 15/h ohne Symptome • Schweregrade: • Leicht AHI > 5 ≤ 15 • Mittelschwer AHI > 15 ≤ 30 • Schwer AHI > 30 LL DGSM und AASM 23
Risikofaktoren n Männliches Geschlecht n Alter n Übergewicht & kurzer dicker Hals n Fehlbildungen im Kopf-Hals-Bereich n Neuromuskuläre Erkrankungen n Erkrankungen des Rachenraumes n Alkohol n Medikamente
Symptome und mögliche Folgen der Schlafapnoe • Durchschlafstörungen • Nächtliche Luftnotattacken • unerholsamer Nachtschlaf • Fatigue und krankhafte Tagesschläfrigkeit • Lebenszeitverkürzung • Depressionen • Potenzstörungen • Unfallrisiko Risikoerhöhung für • Blutdrucksteigerung (arterielle Hypertonie) • Diabetes? • Schlaganfall • Herzinfarkt • Herzrhythmusstörungen (Vorhofflimmern)
Schnarchen Primäres Schnarchen = Schnarchen ohne Apnoen Obstruktives Schnarchen = Schnarchen mit Hyponoen und Apnoen
Schnarchen und OSAS - Häufigkeit Schnarchen OSAS n 24% aller erwachsenen n 2% aller erw. Frauen Männer n 4% aller erw. Männer n 14% aller erwachsenen n 20-40% der Männer über dem Frauen 40. Lebensjahr n 40-50% aller Menschen > 65 Jahre n kommt auch bei Kindern vor! n Myotone Dystrophie I: 52-60% n Myotone Dystrophie II: 43%-52% n MD Duchenne: 16-31% n CMT/HMSN: 38% n ALS: bis 46%
Obstruktive Schlafapnoe Obstruktives Schlafpnoe-Syndrom: Apnoe-Hypopnoe-Index ≥ 15/h Schlaf
Obstruktive Schlafapnoe
Atemmuskelschwäche bei NME immer aktiv in Ruhe passiv (Zwerchfell beim Husten aktiv (Zwischenrippen- und Zwischenrippenmuskeln) Bauchmuskeln) www.jameda.de
Schwäche der Atemmuskulatur Myopathien schwere Neuropathien Schwäche der Atemmuskulatur Durchschlafstörung Schläfrigkeit flache Atmung Erschöpfung (alveoläre Kopfschmerzen Hypoventilation) Anstieg von CO2 im Blut rasche Atmung = mehr Atemarbeit
Erschöpfung der Atemmuskulatur im Schlaf
Erschöpfung der Atemmuskulatur l vermehrte Atemarbeit der geschwächten Atemmuskulatur bei verringerter Muskelmasse l keine Erholung im Schlaf l permanenter Energieverbrauch (Fettsäuren, Glykogen) l Erhöhung des Leistungsumsatzes à Gewichtsabnahme
NME mit möglicher Zwerchfellschwäche 1. Motoneuronerkrankungen – Amyotrophe Lateralsklerose – Spinale Muskelatrophie 2. Neuropathien – CMT/HMSN (schwere Verlaufsformen) – Guillain Barré-Syndrom (akut) 3. Muskeldystrophien – Duchenne und Becker – Gliedergürteldystrophien (v. a. LGMD2I, LGMD2D-F) – Myotone Dystrophie Typ 1 4. Myopathien – Morbus Pompe – Mitochondriale Myopathien – Kongenitale Myopathien
Welches Schlaflabor für welche Patienten? 1. Stationäres Schlaflabor mit Beatmungseinheit – Zielgruppe: Patienten mit NME oder schweren Lungenerkrankungen – Ausstattung: Poly(somno)graphie, CO2-Messung – spezialisierte pneumologische und neurologische Krankenhausabteilungen 2. Stationäres neurologisches Schlaflabor – Zielgruppe: Patienten mit atmungsunabhängigen Schlafstörungen – Ausstattung: Polysomnographie – spezialisierte neurologische Krankenhausabteilungen 3. Ambulantes Schlaflabor – Zielgruppe: ausschließlich Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe – Ausstattung: Polygraphie und Polysomnographie – pneumologische, HNO-ärztliche und einige neurologische Facharztpraxen
Wie behandelt man schlafbezogene Atmungsstörungen? • Obstruktive Schlafapnoe: CPAP-Therapie, selten BIPAP-Therapie • Zwerchfellschwäche/schlafbezogene Hypoventilation: BIPAP-Therapie = nicht-invasive Beatmung CPAP und BIPAP = maskenbasierte Therapie
Der Unterschied zwischen CPAP und BIPAP CPAP BIPAP kontinuierlicher biphasischer positiver positiver Atemwegsdruck Atemwegsdruck • Gerät erzeugt einen • Gerät erzeugt zwei konstanten Drücke Überdruck in den • Einatmung: hoher Atemwegen, der Druck mit einstellbarer während Ein- und Häufigkeit Ausatmung gleich ist • Ausatmung: niedriger • Patient atmet allein Druck (=CPAP) • keine Be-Atmung! • Be-Atmung!
Wirkung von CPAP vor CPAP • AHI 59,5/h • ODI 61,2/h • Arousal-Index 50,4/h • Tiefschlaf 1,5 % unter CPAP • AHI 2,2/h • ODI 2,7/h • Arousal-Index 11,3/h • Tiefschlaf 31,2 %
Wirkung von BIPAP Sauerstoff Sauerstoff Atemfrequenz Atemfrequenz CO2 CO2 ohne Beatmung 1. Nacht mit Beatmung
Beatmungsmasken (für BIPAP oder CPAP) Nasenmasken Mund-Nasenmaske Mundmaske mit Nasenstöpseln Beispielabbildungen
Therapiegeräte Beispielabbildungen
Luftbefeuchtung NIV: Warmluftbefeuchtung Øweniger trockene Schleimhäute (obere Atemwege) Øbesseres Abhusten möglich Beispielabbildungen
Was bewirkt die maskenbasierte Therapie? • Weniger Durchschlafstörungen • Erholsamerer Schlaf • Verringerte Tagesschläfrigkeit • Bessere körperliche und geistige Leistungsfähigkeit • Besseres Wohlbefinden CPAP bei OSAS: • Senkung des Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen BIPAP bei Hypoventilation: • Weniger Lungenentzündungen • Längere Überlebenszeit (ALS, Duchenne)
Hustenschwäche Myopathien schwere Neuropathien Schwäche der Atemmuskulatur schwacher Lungenentzündungen Hustenstoß schweres Verschlucken verminderte Beseitigung von schlechter Schutz Sekreten beim Verschlucken
Hustenassistenz – Indikationen: Sekretverhalt, Infekthäufung, Hustenspitzenstoß
Manuell assistiertes Husten
Technische Hustenhilfen: Insufflation/Exsufflation erst tiefe, passiv unterstützte Einatmung über eine Maske, dann rasches Umschalten auf Sog z. B. Cough Assist ® Beispielabbildung
Technische Hustenhilfen: Insufflation/Exsufflation • regelmäßig • mehrmals täglich • bei Sekretproblemen • wenn die Sauerstoffsättigung abfällt
Technische Hustenhilfen: Vibration/Oszillation • „extrathorakale Hochfrequenz-Oszillation“ • „Hochschaukeln“ von Sekret durch Rüttelbewegungen des Brustkorbes • bei starker Sekretbildung in den Atemwegen zusätzlich zum Cough Assist® vertretbar z. B. The Vest ® Beispielabbildung
Infektvorbeugung – Impfung gegen die saisonale Grippe (Influenza) – jährlich empfohlen – Impfung gegen Infekte durch Pneumokokken – Erstimpfung mit Prevenar13® oder Pneumovax® – Auffrischung mit Pneumovax® nach 6 Jahren – bei Prevenar13® keine Auffrischung erforderlich – Impfung gegen SARS-CoV2
Corona-Impfverordnung vom 08.02.2021
Fazit – Schlaf und Atmung sind zentrale Symptomfelder neuromuskulärer Erkrankungen, die große Bedeutung haben für : – Wachheit, Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit – Lebensqualität und Teilhabe – Körperliche und seelische Gesundheit – Lebenserwartung – Schlafbezogene Atmungsstörungen können und sollten frühzeitig behandelt werden! – Für die Schlaflaboruntersuchung bei NME spielt die CO2- Messung eine zentrale Rolle!
Sie können auch lesen