Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses - Mikro - und Molekularbiologie - Biogas ...

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Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses - Mikro - und Molekularbiologie - Biogas ...
Mikro - und Molekularbiologie
 FACHINFORMATION

                      Schlüsselparameter zur
                   Kontrolle des Gärprozesses

www.biogas-forum-bayern.de/bif22

Biogas Forum Bayern, Verfasser:

Dr. Michael Lebuhn
Bernhard Munk
Bayerische Landesanstalt
für Landwirtschaft
Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses - Mikro - und Molekularbiologie - Biogas ...
Fachinformation bif22   Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses
1. Auflage - 05/2021    Mikro- und Molekularbiologie

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                   Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten

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      Telefax:     08161 / 887- 3957
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      Internet:    www.alb-bayern.de

1. Auflage         Mai 2021
© ALB              Alle Rechte vorbehalten
Abb. Titelseite    großes Foto:     Entwicklung von Biogasblasen in einem Biogasfermenter mit
                                    Schwefelablagerungen an der Decke (Quelle: LfL)
                   kl. Foto oben: Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von wahrscheinlich cellulo-
                                    lytischen Bakterien (pink) auf Pflanzenzellen-Zellwänden (blau)
                                    (Quelle: M. Lebuhn, LfL)
                   kl. Foto Mitte: Elektronenmikroskopische Aufnahme von Bakterien u. Archaeen,
                                    verbunden mit Plasmafäden, möglicherweise zum Austausch von
                                    Elektronen (Quelle: S. Weiß, AEA Wien)
                   kl. Abb. unten: Ergebnisdiagramm einer quantitativen Real-Time PCR mit Verdün-
                                    nungen der Ziel - DNA (Quelle: B. Munk, LfL)
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Inhaltsverzeichnis
                                                                                        Seite

Abkürzungsverzeichnis……………………………………………………………………………………………………………………. 4

Zusammenfassung: Mikrobiologische Analytik für die Praxis ………………………………………………………….. 5

1.    Einführung: der Biogasprozess, die Mikroorganismen und Prozessstörungen ……………………..… 7

2.    Das Mikrobiom: molekularbiologische Analytik von DNA und RNA…………………………………….….. 8

3.    Quantifizierung von Mikroorganismen und ihrer (Transkriptions-) Aktivität………..………………… 9

4.    Bioindikatoren: DNA- und RNA-Sequenzierungen ..……………………………………………………….………. 10

5.    Metabolischer Quotient …………………………..………………………………………………………………...………... 12

6.    Transkript/Gen- (T/G-) Verhältnisse ……………………………………………………………………………….…..... 14

7.    Ausblick………………………………………………………………………...…………………………………………………….… 16

8.    Referenzen …………………………………………………………………………………………………….………………….….. 17

9.    Weiterführende Fachinformation ………………………………………….……………………………….…………….. 18

                                                                                           3
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Abkürzungsverzeichnis

cDNA               Complementary DNA (in DNA umgeschriebene RNA)
DNA                Desoxyribonukleinsäure (Erbsubstanz)
FM                 Frischmasse
FOS/TAC            Verhältnis flüchtiger organischer Säuren / gesamter anorganischer Kohlenstoff
MAG                Metagenome Assembled Genome (rekonstituiertes Genom)
mcrA               Untereinheit A des Methyl-Coenzym M Reduktase Gens
MP                 Methanproduktivität
MQ                 Metabolischer Quotient
mRNA               Messenger-RNA (Boten-RNA zur Bildung von Enzymen, Proteinen)
NGS                Next Generation Sequencing
OLR                Organic Loading Rate (organische Raumbelastung)
oTM                Organische Trockenmasse
oTS                Organische Trockensubstanz
OTU                Operational Taxonomic Unit (dient der Abgrenzung bzw. Einordnung von
                   Mikroorganismenarten)
PCR                Polymerase-Kettenreaktion
qPCR               Quantitative Real-Time PCR (Echtzeit-Polymerase-Kettenreaktion)
RNA                Ribonukleinsäure (Transkripte der DNA)
rRNA               Ribosomale RNA (Bestandteil der Ribosomen)
rrs                Kleine Untereinheit der ribosomalen RNA (16S rRNA bei Bacteria)
RT                 Reverse Transkription (Umschreibung von RNA in cDNA)
RT-qPCR            qPCR mit vorgeschalteter RT
SCFA               Short chain fatty acid (kurzkettige Fettsäure)
SMA                Spezifische methanogene Aktivität
T/G                Transkript/Gen-Verhältnis (RNA/DNA, gemessen als cDNA/DNA)
TM                 Trockenmasse
Transkriptom       Gesamtheit der RNA
TS                 Trockensubstanz

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Zusammenfassung: Mikrobiologische Analytik für die Praxis

In der jüngeren Vergangenheit hat die moleku-             und chemische Untersuchungen). Der MQ ist
larbiologische Analytik enorme Fortschritte ge-           damit ein ideales „Frühwarnsystem“ vor Pro-
macht. In der „Black Box“ Biogasfermenter ist             zessstörungen. Besonders aussagekräftig sind
es deutlich heller geworden. Auch wenn bei                die     molekularbiologisch-ökophysiologischen
Weitem nicht alle Mikroorganismen kultiviert              Parameter in Kombination mit den klassischen
werden können, die für Biogasprozesse relevant            prozesschemischen Analysen. Bei allen diesen
sind, lassen sie sich mit Polymerase-                     Untersuchungen wird geraten, Zeitreihen zu
Kettenreaktion- (PCR-) gestützten Methoden                untersuchen, da sie Entwicklungen erkennen
nachweisen und quantifizieren. Neue Sequen-               lassen und damit eine sehr viel sicherere Ergeb-
ziertechniken erlauben es mittlerweile, das               nisinterpretation ermöglichen.
„Mikrobiom“ in seiner Gesamtheit zu erfassen,
seine Zusammensetzung detailliert zu untersu-             Die qualitativen Untersuchungen mit Sequen-
chen, ganze Genome einzelner Mikroorganis-                zierung der Nukleinsäuren dauern hingegen län-
men zu rekonstruieren und ihre Funktionen zu              ger, sie erfordern eine umfangreiche IT-
identifizieren.                                           Infrastruktur zum Umgang mit großen Daten-
                                                          mengen („big data“) und sind entsprechend
Die quantitativen PCR-gestützten Untersu-                 teurer. Sie ermöglichen es aber, die Zusammen-
chungen (Quantitative Real-Time PCR, qPCR)                setzung der Mikrobiome zu bestimmten Pro-
der Nukleinsäuren DNA und RNA (Transkripte                zesszuständen zu analysieren und hierüber Bio-
der DNA) ermöglichen es, bestimmte Mikroor-               indikator-Mikroorganismen zu identifizieren,
ganismen, bestimmte Gruppen oder das ganze                deren Auftreten oder Fehlen wiederum mit der
Mikrobiom einer Probe innerhalb eines Tages               schnellen qPCR analysiert werden kann. Davon
kostengünstig zu quantifizieren. Auf DNA-Ebene            abgesehen wurde mit den Sequenzierungser-
wird ihre Präsenz nachgewiesen, auf RNA-                  gebnissen ein enormer Erkenntnisgewinn ge-
Ebene ihre Aktivität. Hiermit können ökophysio-           schaffen, der entscheidend zur Klärung der
logische Parameter wie die Transkript/Gen- (T/            Funktionen einzelner Mikroorganismen und ih-
G-) Verhältnisse oder unter Einbeziehung der              ren stofflichen Umsetzungen beigetragen hat
Methanproduktivität der Metabolische Quoti-               und weiter beitragen wird.
ent (MQ) berechnet werden. Die T/G-
Verhältnisse zeigen die spezifische Transkriptbil-        Welche dieser Analysen können nun in welcher
dungsaktivität bestimmter, für den Prozess                Frequenz für einen Anlagenbetreiber von Nut-
wichtiger Funktionen an. Der MQ kennzeichnet              zen oder wichtig sein? Sicher sind bei einem
den Zustand des Energiestoffwechsels der me-              störungsfreien, effizienten Routinebetrieb (z.B.
thanogenen Archaeen, der einzigen zu relevan-             einer reinen „Gülleanlage“) keine „High-Tech“
ter Methanbildung fähigen und zugleich emp-               Sequenzierungen erforderlich. Wenn aber die
findlichsten Gruppe des Biogas-Mikrobioms.                organische Raumbelastung hoch und die Ver-
Der MQ informiert, ob die Methanogenen effi-              weilzeit kurz ist, wenn Substrate oder Futter-
zient arbeiten, unterfordert, gestresst oder              mengen z.B. für eine Flexibilisierung der Metha-
schon geschädigt sind.                                    nerzeugung wechseln, oder wenn belastete
                                                          Substrate wie verschimmeltes oder störstoffhal-
Für eine Prozessdiagnose indizieren die genann-           tiges Material eingesetzt werden sollen, wird
ten ökophysiologischen Parameter den Zustand              eine häufigere Analyse insbesondere des MQ
und die Veränderungen essentieller mikrobiel-             angeraten, da dieser sehr schnell Stressmetabo-
ler Aktivitäten. Dabei signalisiert insbesondere          lismus der empfindlichen methanogenen Ar-
der MQ Prozessstörungen deutlich früher als               chaeen und frühzeitig eine anstehende Prozess-
z.B. der etablierte FOS/TAC-Wert, der zudem               versäuerung anzeigt. Dies erlaubt dem Betrei-
bei höheren N-Gehalten seine Aussagekraft ver-            ber rechtzeitig gegenzusteuern, bevor Ertrags-
liert (siehe Fachinformation Schlüsselparameter           einbußen entstehen. Bei einem niedrigen MQ
zur Kontrolle des Gärprozesses - Physikalische            ohne vorherige Stressperiode, wenn eine

                                                                                                        5
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„Unterforderung“ der Methanogenen erkenn-                 biologischen Analytik ausgewiesenes und erfah-
bar ist, lässt sich dagegen die organische Raum-          renes Speziallabor einzubinden, da die Gerä-
belastung steigern, was für den Betreiber ge-             teausstattung für die Analytik aufwändig ist, der
winnbringend sein kann.                                   Umgang mit ihr Erfahrung erfordert und für die
                                                          Ergebnisinterpretation weitreichende Kenntnis-
Für prozesstechnische Innovationen und Zu-                se der Prozesse sowie der mikrobiellen Fähig-
kunftstechnologien, beispielsweise für die biolo-         keiten und Bedürfnisse notwendig sind.
gische Methanisierung im Sektor „Power-to-
Gas“,     können    die    molekularbiologisch-           Für den an den mikrobiologischen Hintergrün-
ökophysiologischen Parameter ähnlich hilfreich            den und der molekularbiologischen Analytik
sein: Belastungsgrenzen neuer Prozesse sind in            stärker interessierten Leser werden im Folgen-
der Regel nicht bekannt, weswegen frühe, ver-             den wichtige Grundlagen und Zusammenhänge
lässliche Signale für Störungen für die Pro-              detaillierter vorgestellt.
zessoptimierung sehr dienlich sein können.

Sollte eine solche Analytik gewünscht werden,
wird dringend empfohlen, ein in der molekular-

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1.    Einführung: der Biogasprozess, die Mikroorganismen und
      Prozessstörungen
Der Substratabbau im Fermenter, also alle Um-             in vorgelagerten, energetisch ungünstigen Pro-
setzungen ausgehend von der eingesetzten Bio-             zessschritten, in denen sogenannte „syntrophe
masse bis hin zum Biogas, erfolgt durch teils             Bakterien“ kurzkettige Verbindungen (z.B. Essig-
sehr unterschiedliche Mikroorganismen in einer            säure, Propionsäure, Buttersäure, Ethanol) zu
engen, annähernd symbiotischen Nahrungs-                  Kohlendioxid und Wasserstoff umsetzen. Nähe-
kette (siehe Fachinformation „Prozessmodell               res hierzu findet sich in der Fachinformation
Biogas“). Kein Organismus kann die eingesetzte            „Prozessmodell       Biogas“.    Beim      Abbau
Biomasse allein zu Biogas umsetzen. Der Pro-              „schwieriger“ Verbindungen können auch toxi-
zess funktioniert nur, wenn die Produkte aus              sche Beiprodukte gebildet werden, beispiels-
der Hydrolyse/Acidogenese von den Sekundär-               weise Ammoniak (Tian et al., 2018) beim Abbau
fermentierern weiter umgesetzt und diese Sub-             von Substrat(mischung)en mit hohem Protein-
stanzen (insbesondere Acetat, H2, Formiat, Me-            gehalt. Schließlich kann auch zu Beginn des Sub-
thylverbindungen und CO2) schließlich von me-             stratabbaus ein Engpass entstehen, z.B. wenn
thanogenen Archaeen zu Biogas abgebaut wer-               zu viel lignocellulosereiches Material eingesetzt
den, das aus dem System entweicht.                        wird, das schwer und nur langsam von den Mik-
                                                          roorganismen abgebaut wird. Die Hydrolyse
Die Energie, die aus bestimmten Teilab-                   wird dann zum limitierenden Schritt, besonders
bauschritten des anaeroben Prozesses gewon-               TS (bzw. TM) aber auch oTS (bzw. oTM) steigen
nen werden kann, ist nur sehr gering, die Mikro-          im Gärgemisch an, es wird zunehmend schlech-
organismen müssen also äußerst effizient arbei-           ter durchmischbar, ggf. bildet sich eine
ten. Im Gegensatz zu aeroben Prozessen lassen             Schwimmschicht, und der Prozess kann zum Er-
sich im Anaeroben je nach Prozessführung ener-            liegen kommen.
giereiche erneuerbare Produkte wie z.B. Me-
than gewinnen. Allerdings wachsen und ver-                In den Abschnitten 3 - 6 wird ausgeführt, dass
mehren sich anaerobe Mikroorganismen nur                  und wie die Analyse des mikrobiellen Stoff-
langsam, weswegen Störungen oft nachhaltig                wechsels und seiner Veränderung solche Pro-
gravierende Folgen haben. Besonders proble-               zessstörungen früher anzeigen kann als die klas-
matisch ist dabei, dass schon einzelne Störun-            sischen Analysen der Stoffwechselprodukte und
gen an bestimmten Stellen der Substratabbau-              andere prozesschemische bzw. -physikalische
kette typischerweise eine Hemmung des gesam-              Untersuchungen       (siehe   Fachinformation
ten Prozesses auslösen.                                   „Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärpro-
                                                          zesses - Physikalische und chemische Untersu-
Tritt eine Prozessstörung auf, für die kein tech-         chungen“), z.B. die Bestimmung (von Verände-
nischer Fehler verantwortlich ist, liegen eigent-         rungen) des FOS/TAC-Werts, des Fettsäures-
lich immer ungünstige Bedingungen für be-                 pektrums, des Ammoniumgehalts, der TM- und
stimmte Mikroorganismen vor. Meistens liegt               oTM-Gehalte, der Gaszusammensetzung, der
das Problem bei den methanogenen Archaeen                 Temperatur und des pH-Werts. Idealerweise
am Ende der Prozesskette, zuweilen aber auch              werden diese Untersuchungen kombiniert.

                                                                                                         7
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2.    Das Mikrobiom: molekularbiologische Analytik von DNA und RNA

In der klassischen Mikrobiologie werden Mikro-              nissen zufolge einen ganz entscheidenden Bei-
organismen und ihre Leistungen mittels Kultivie-            trag zu den Stoffumsetzungen im Biogasprozess
rung untersucht. Allerdings lässt sich nur ein              leisten (z.B. Nobu et al., 2015; Ruiz-Sánchez et
verschwindend geringer Bruchteil des Mikrobi-               al., 2018).
oms (Gesamtheit der betrachteten Mikroorga-
nismengesellschaft) in vereinzelnder Aufzucht               Bei den molekularbiologischen Analysen des
kultivieren, die Kultivierung dauert lange und ist          Mikrobioms (s. Flussschema Abbildung 1) ist
meist sehr aufwändig, und die Anzucht auf                   noch eine Unterscheidung wichtig: mittels Un-
künstlichen Medien führt zudem oft zu ver-                  tersuchung ihrer DNA können Mikroorganismen
fälschten Ergebnissen. Deswegen hat sich in                 identifiziert und ihre Präsenz nachgewiesen
den letzten Jahrzehnten die Analyse der Erbsub-             werden. In einem effizienten, ungestörten, im
stanz der vorhandenen Mikroorganismen, der                  Fließgleichgewicht befindlichen Prozess sind
Nukleinsäuren DNA und der RNA-Species durch-                diese Mikroorganismen wohl auch aktiv, dies ist
gesetzt. Hiermit kann das gesamte Mikrobiom                 aber beim Auftreten von Störungen für manche
untersucht werden, das aus Tausenden ver-                   Teile des Mikrobioms nicht mehr der Fall. Zu-
schiedener Mikroorganismen-Arten besteht -                  dem werden Mikroorganismen mit dem Sub-
darunter auch aktuell nicht kultivierbare Mikro-            strat in den Fermenter eingetragen und sind
organismen, von denen einige neueren Erkennt-               dort auf DNA-Ebene wegen der Langlebigkeit

Abbildung 1: Flussschema der Abläufe der nukleinsäurebasierten (DNA bzw. RNA) molekularbiologischen Untersuchun-
gen (Lebuhn et al., 2015, verändert)

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der DNA nachweisbar. Sie sind aber oft nicht am           Verluste während der Extraktion und der Reini-
Biogasprozess beteiligt und stellen bei den ver-          gung zu bestimmen, werden „spike-in“-
änderten Bedingungen im Fermenter wie dem                 Experimente (Dotierung mit bekannten Organis-
äußerst niedrigen Redox-Potential schnell ihre            men) durchgeführt. Mit diesen Techniken und
Aktivität ein. Deshalb ist es neben der Identifi-         Kenntnissen wurden in den letzten Jahren mole-
zierung der Mikroorganismen wichtig, auch ihre            kularbiologische Analyseroutinen entwickelt,
Aktivität zu bestimmen. Dies ist möglich mittels          die allerdings aktuell nur bei spezialisierten La-
der Analyse der RNA- (Ribonukleinsäure-) Pro-             boren beauftragt werden können. Je nach Ziel-
duktion. Nur lebende Zellen können RNA                    setzung können quantitative Untersuchungen
(Transkripte der DNA) produzieren, die für die            (s. Abschnitt 3) und Analysen der Gesellschafts-
Bildung von Enzymen (mRNA, messenger-RNA)                 zusammensetzung (s. Abschnitt 4) unterschied-
oder Ribosomen (rRNA, ribosomale RNA) wich-               lich spezifisch gestaltet werden. Beispielsweise
tig ist. Um diese RNA nachzuweisen, muss sie in           kann die Konzentration aller oder bestimmter
cDNA umgeschrieben werden. Hierzu wird zu-                methanogener Archaeen analysiert werden,
nächst die DNA-Fraktion im Nukleinsäure-                  ebenso die Gesellschaftszusammensetzung der
Extrakt verdaut. Die RNA wird in cDNA                     Bacteria oder bestimmter Untergruppen. Die
(complementary DNA) umgeschrieben (Reverse                Ergebnisse der molekularbiologischen Untersu-
Transkription, RT) und als DNA analysiert. Das            chungen geben Auskunft über den jeweiligen
Mikrobiom lässt sich damit molekularbiologisch            Zustand der Gärbiologie. Er wird z.B. anhand
auf DNA- und RNA-Ebene nicht nur schnell und              der Präsenz und Aktivität bestimmter Bioindika-
umfassend (s. Abschnitt 4) untersuchen, son-              tor-Mikroorganismen (s. Abschnitt 4), über den
dern die Ergebnisse können auch Prozessstö-               „Metabolischen Quotient“ (MQ, Abschnitt 5)
rungen deutlich früher anzeigen als dies mit den          und/oder andere Parameter wie z.B. die Tran-
einschlägigen prozesschemischen Analysen                  skript/Gen-Verhältnisse (Abschnitt 6) ermittelt.
möglich ist (s. Abschnitt 5).                             Diese Analysen werden möglichst in synergisti-
                                                          scher Kombination mit den klassischen prozess-
Voraussetzung für zuverlässige Ergebnisse ist             chemischen Analysen als Frühwarnsystem vor
vor allem eine repräsentative Probenahme                  Prozessstörungen eingesetzt.
(siehe Fachinformation Probenahme aus Gülle-,
Fermenter- und Gärrestbehältern, Einsatz-                 Abbildung 1 zeigt ein Flussschema der Abläufe
stofflagern und offenen Silos), aber auch eine            der nukleinsäurebasierten molekularbiologi-
effiziente Extraktion der Nukleinsäuren. Um               schen Untersuchungen.

3.    Quantifizierung von Mikroorganismen und ihrer (Transkriptions-)
      Aktivität

Zur Quantifizierung von Nukleinsäuren bzw. der            mcrA der Methyl-Coenzym M Reduktase
Organismen, aus denen sie extrahiert wurden,              (Schlüsselenzym der Methanogenese) bzw. der
wird seit etwa 30 Jahren die „Quantitative Real-          entsprechenden Transkripte. Keine anderen
Time      PCR“      (Echtzeit-Polymerase-Ketten-          Mikroorganismen besitzen dieses Enzym und
reaktion, qPCR) eingesetzt. Sie ist mittlerweile          die Fähigkeit, nennenswert Methan zu produ-
zum „Gold-Standard“ geworden. Mithilfe der                zieren. Bacteria lassen sich wegen ihrer hohen
qPCR lässt sich beispielsweise die Konzentration          Diversität am besten anhand des 16S rRNA
der methanogenen Archaeen oder von be-                    Gens (rrs) bzw. dessen Transkripte nachweisen
stimmten (funktionellen) Bakteriengruppen in              und identifizieren.
Substraten, Gärgemischen und Gärresten er-
mitteln. Der Nachweis methanogener Archaeen               In ungestörten landwirtschaftlichen Biogaspro-
erfolgt idealerweise anhand des Genabschnitts             zessen liegt die Konzentration methanogener

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1. Auflage - 05/2021    Mikro- und Molekularbiologie

Archaeen etwa im Bereich 107 bis 108, die der             gruppen, also darüber, ob ihre Vermehrung im
Bacteria etwa bei 109 bis 1011 pro mL Gärge-              Durchflussbetrieb gehemmt wird und sie des-
misch (DNA-Ebene). Dem ähnlich lassen sich mit            halb ausgespült werden, ob sie unverändert
Vorschaltung einer Reversen Transkription (RT,            bleiben, oder ob sie zunehmen, weil sich die
s. Abschnitt 2; RNA-Ebene) mittels RT-qPCR                Bedingungen zu ihren Gunsten verändert
auch Zeitreihen für (transkriptionell) aktive Or-         hatten.
ganismen ermitteln. Hier liegen typische Kon-
zentrationen für methanogene Archaeen etwa                Die auf DNA-Ebene ermittelten qPCR- bzw. RT-
im Bereich 106 bis 107 mRNA-Kopien und für                qPCR-Ergebnisse bilden auch die Grundlage zur
Bacteria etwa bei 1011 bis 1013 rRNA-Kopien pro           Bestimmung der ökophysiologischen Parameter
mL Gärgemisch. Werden Zeitreihen aufgenom-                „Metabolischer Quotient“ (MQ, s. Abschnitt 5)
men, geben diese Auskunft über quantitative               und Transkript/Gen-Verhältnisse (T/G, s. Ab-
Veränderungen der Zielorganismen bzw. -                   schnitt 6).

4.    Bioindikatoren: DNA- und RNA Sequenzierungen

Mittels „Sequenzierung“ der DNA bzw. RNA,                 analysiert, insbesondere um die Mikroorganis-
d.h. der Bestimmung der Abfolge der einzelnen             men, die die in Abschnitt 1 genannten schwieri-
Nukleotide der Nukleinsäuren, lässt sich die              gen Prozessschritte durchführen, ihre Aktivität
Identität von Mikroorganismen in einer Probe              und ihren Zustand zu erfassen (Hassa et al.,
bestimmen. Mittlerweile sind verschiedene Se-             2018; Lebuhn et al., 2014). Dabei wurden Bioin-
quenziertechniken verfügbar. Neben der sehr               dikator-Organismen für intakte und beeinträch-
exakten klassischen Sanger-Sequenzierung hat              tigte Gärprozesse identifiziert („mikrobielles
sich in den letzten Jahren die massive parallele          Benchmarking“).
„Next-Generation“-Sequenzierung (NGS) durch-
gesetzt. Mittels NGS können Millionen von Nuk-            Beispielsweise zeigt eine Dominanz mit ver-
leinsäuresequenzen gleichzeitig analysiert wer-           gleichsweise hoher Aktivität der obligat ace-
den, was zwar einen hohen Aufwand an Bioin-               toklastischen Methanosaeta concilii-2 OTU001
formatik und Rechnerleistung erfordert („big              (Abbildung 2 A, im hellgrünen Rahmen) oder
data“), aber angesichts von Tausenden mikrobi-            auch des Candidatus Methanofastidiosum III sp.
eller Species in einer Probe die statistische Si-         2b (Abbildung 2 A, im pinken Rahmen) einen bis
cherheit der Ergebnisse, insbesondere den                 ca. Versuchstag 380 eher weniger belasteten
Nachweis wenig abundanter Species, gegen-                 Prozess mit relativ langer hydraulischer Verweil-
über der Sanger-Sequenzierung entscheidend                zeit an. Dies gilt in ähnlicher Weise für den
verbessert.                                               Candidatus       Cloacimonas    sp.    OTU0001
                                                          (Abbildung 2 B, im hellgrünen Rahmen), einem
Nach der Sequenzierung von DNA oder in cDNA               nicht kultivierten und daher kaum untersuchten
umgeschriebener RNA (s. Abschnitt 2) wird die             Vertreter der Bacteria, den Evidenzen zufolge
Ähnlichkeit von Nukleinsäuresequenzen mit in              ein syntropher Aminosäureverwerter und Propi-
Datenbanken hinterlegten Sequenzen berech-                onat-Oxidierer. Demgegenüber ließen sich im
net. Hierüber wird die Gesellschaftszusammen-             gleichen Experiment mit der physiologisch viel-
setzung der Mikroorganismen oder spezieller               seitigen Methanosarcina IIIC sp. 1 OTU003
Gruppen wie der methanogenen Archaeen oder                (Abbildung 2 A, im roten Rahmen) und dem
der syntrophen Bakterien ermittelt. Besonderes            nicht kultivierten, nicht näher beschriebenen
Interesse gilt dabei den „Gilden“, bestimmten             Peptostreptococcales-Tissierellales       W5053
wichtigen funktionellen Gruppen des Mikrobi-              OTU0006 (Abbildung 2 B, im roten Rahmen)
oms. In den letzten Jahren wurden mit diesen              Mikroorganismen identifizieren, die durch eine
Techniken unterschiedliche Prozesszustände                höhere organische Raumbelastung (organic loa-

10
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1. Auflage - 05/2021       Mikro- und Molekularbiologie

Abbildung 2: Beispiel zweier „heatmaps“ für die Abundanz von (A) mcrA- und (B) 16S-rRNA-Genen (rrs, DNA) und -
Transkripten (cDNA) für methanogene Archaeen (A) und Bacteria (B) in einem Versuchsverlauf zweier Fermenter (R0,
RCO2); OTU: Operational Taxonomic Unit (Polag et al., 2020; Munk und Lebuhn, unveröffentlicht). Je heller das Symbol,
desto stärker präsent waren die Zielgene bzw. -transkripte. Mit zunehmender Versuchsdauer (Abszisse nach rechts) stie-
gen die Säuregehalte an.

ding rate, OLR) bei höheren Gehalten kurzketti-               Während die bisher beschriebenen Analyserou-
ger Fettsäuren (SCFA) wie Acetat begünstigt                   tinen zumindest einen PCR-Schritt zur Verviel-
werden.                                                       fältigung eines bestimmten DNA- bzw. Genab-
                                                              schnitts beinhalten, um die in den kleinen Pro-
Auf Grundlage der Kenntnisse solcher mikrobi-                 benvolumina enthaltenen Mikroorganismen-
eller Bioindikatoren mit ihren Vorlieben und                  bzw. Nukleinsäuremengen nachweisbar zu ma-
Bedürfnissen lassen sich bestimmte Prozesszu-                 chen, verzichten die neueren Metagenom- und
stände besser abbilden und eventuelle Störun-                 Metatranskriptomanalysen (Abbildung 1) auf
gen feststellen. Erkannten Defiziten kann damit               solche PCR-Schritte. Dadurch wird vermieden,
zielgerichteter und schneller entgegenwirkt                   dass bestimmte Mikroorganismen nicht erfasst
werden.                                                       oder bevorzugt detektiert werden. Wenn inten-

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siv genug im Hochdurchsatz sequenziert wird,              DNA-Puzzlefragmenten zu rekonstruieren. Die
kann die gesamte DNA bzw. RNA in einer Probe              Möglichkeit, solche „Metagenome Assembled
analysiert werden. Der hiermit verbundene In-             Genomes“ (MAGs) zu bilden (Parks et al., 2017;
formationsgewinn ist immens, da bislang unbe-             Campanaro et al., 2020) und mit den zugeord-
kannte Mikroorganismen mit ihren Funktionen               neten Transkriptomen zu kombinieren, ist ein
und ihrer Aktivität entdeckt und beschrieben              methodischer Durchbruch zur Analyse der Mik-
werden können. Die Analyse und die Prozessie-             robiome in bestimmten Proben, ihrer Funktio-
rung der großen Datenmengen erfordern aller-              nen und ihrer Aktivitäten, die „Black Box“ wird
dings eine entsprechend große IT-Infrastruktur            immer stärker erhellt. Hierzu tragen auch die
mit leistungsfähigen Rechnerclustern.                     neuen Ansätze der „Metaproteomik“ bei, in de-
                                                          nen die in Proben enthaltenen Proteine bzw.
Die Weiterentwicklung dieser Techniken erlaubt            Enzyme untersucht werden (Heyer et al., 2015;
es neuerdings, ganze (idealerweise komplette,             Hassa et al., 2018).
geschlossene) Genome aus den sequenzierten

5.     Metabolischer Quotient

Die bisherigen Untersuchungen haben gezeigt,              organische Raumbelastungen bei 38°C hinweg
dass die methanogenen Archaeen das empfind-               ermittelt wurde (Abbildung 3). Die Werte zur
lichste Glied der Biogas-Mikrobiome sind. Pro-            Ermittlung der SMAStd (grüne Punkte und Be-
zessstörungen sind daher frühzeitig an Verände-           schriftung in Abbildung 3) stammen ausschließ-
rungen ihrer Leistung erkennbar. Vor diesem               lich aus Proben ohne jeglichen Hinweis auf Vor-
Hintergrund wurde der „Metabolische Quoti-                liegen einer Prozessstörung.
ent“ (MQ) für eine schnelle Analyse des Zu-
stands der methanogenen Archaeen entwickelt               Damit definiert ein MQ von ungefähr 1 einen
(Abbildung 1; Lebuhn et al., 2014; Munk et al.,           effizienten Standardbetrieb (nicht nur für die
2012). In den MQ gehen die Methanproduktivi-              mesophile Maissilagevergärung, s. unten). MQ-
tät (MP, in LCH4 / (kgFM * d)) als Aktivitätspara-        Werte über ca. 4 (rote Punkte und Beschriftung
meter und die mit qPCR ermittelte Konzentrati-            in Abbildung 3) weisen auf Stressmetabolismus
on der methanbildenden Archaeen (in Anzahl                der methanogenen Archaeen hin. Hier leisten
methanogener Zellen / gFM; s. Abschnitt 3) im             die Methanogenen mehr als im effizienten Stan-
Gärgemisch zum Zeitpunkt der Probenahme ein               dardzustand. Da Methanbildung und Energiege-
(zur Vereinfachung wird angenommen, dass 1                winnung der Methanogenen direkt miteinander
kg Gärgemisch ein Volumen von 1 L einnimmt).              gekoppelt sind, zeigt ein hoher MQ-Wert an,
Die damit bestimmte aktuelle spezifische me-              dass ihr Energiemetabolismus zu den gegebe-
thanogene Aktivität (SMAakt), also die Methan-            nen, offenbar ungünstigen Bedingungen intensi-
produktivität pro methanogenem Archaeon,                  viert werden musste, um überleben und sich im
wird einer methanogenen Standard-Aktivität                Durchflussprozess halten zu können. Bei Wer-
(SMAStd) gegenübergestellt, die in vielen Ver-            ten unter ca. 0,2 (blaue Punkte und Be-
suchsreihen mit Maissilage über verschiedene              schriftung in Abbildung 3) sind die Methanoge-

Der Metabolische Quotient wird wie folgt berechnet:

MQ = SMAakt / SMAStd

Mit:
SMA (akt bzw. Std) = MP (akt bzw. Std) / Konzentration methanogener Zellen in der Probe

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1. Auflage - 05/2021     Mikro- und Molekularbiologie

Abbildung 3: Konzentration methanogener Archaeen, Methanproduktivitäten und Metabolische Quotienten (MQ) für
methanbildende Archaeen in verschiedenen Gärsystemen und Interpretation der Daten (Lebuhn et al., 2014)

nen unterfordert, dann ließe sich z.B. die OLR             In weiteren Untersuchungen ließ sich zeigen,
erhöhen, oder aber sie sind geschädigt. Letzte-            dass der MQ als Prozessindikator auch bei Ver-
res ist der Fall, wenn sie trotz Stressmetabolis-          gärungsprozessen auf anderem Temperaturni-
mus nicht mehr genügend Energie für ihren                  veau und von anderen Substraten (Munk et al.,
Stoffwechsel und ihr Wachstum erzeugen kön-                2017) angewendet werden kann. Hierbei ist al-
nen, die Verweilzeit für ihre Vermehrung nicht             lerdings zu bedenken, dass Einsatzstoffe wie
mehr ausreicht und sie ausgespült werden.                  z.B. Gülle einen geringeren spezifischen Me-
Welcher der beiden Zustände vorliegt, ist an-              thanertrag haben als Maissilage. Um die MQ-
hand einer Zeitreihe zu beurteilen. Eine solche            Werte vom Betrag her vergleichbar zu machen,
Entwicklung ist exemplarisch in Abbildung 4                müsste um den entsprechenden Faktor korri-
dargestellt: Nach Reaktivierung eines versauer-            giert werden. Weiterhin ist zu bedenken, dass
ten Gärgemischs sank der FOS/TAC-Wert (ab ca.              Praxisanlagen häufig mehrstufig konfiguriert
Versuchstag 50) sowie stieg der MQ (ab ca. Tag             sind, die Gasbildung in der Regel aber nur ge-
40) in den jeweiligen Normalbereich. Ungefähr              sammelt erfasst wird, und auch ein Gärrestlager
ab Versuchstag 150 begann der MQ Stressmeta-               noch zur erfassten Gasmenge beitragen kann.
bolismus anzuzeigen, während das FOS/TAC-                  Bei Sammelgasmessung müssten die verschie-
Verhältnis erst etwa 3 Wochen später deutlich              denen Kompartimente separat molekularbiolo-
anstieg und eine angehende Versäuerung signa-              gisch untersucht und die Methanproduktivitä-
lisierte. Zu diesem Zeitpunkt begann der MQ                ten für eine erste Näherung anhand von Erfah-
ausgehend von sehr hohen Werten wegen der                  rungswerten geschätzt werden. Eine Alternative
einbrechenden SMAakt bereits wieder zu sin-                ohne Erfordernis von Daten zur Gasproduktion
ken. Als Grund für die Versäuerung zu Versuchs-            bieten die im folgenden Kapitel 6 erläuterten
ende wurde der unter das Minimum gefallene                 Transkript/Gen-Verhältnisse.
Kobaltgehalt (Abbildung 4) identifiziert.

                                                                                                               13
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Abbildung 4: Entwicklung des FOS/TAC-Wertes, des Metabolischen Quotienten (MQ) und des mcrA-cDNA/DNA-
Verhältnisses (T/GmcrA, ab d 127) bei der mesophilen Vergärung von Maissilage. Der Prozess im zu Versuchsbeginn stark
versauerten Fermenter wurde reaktiviert (etwa d 40); etwa ab d 150 zeigte der MQ erste Störungsanzeichen infolge Ko-

6.    Transkript/Gen- (T/G-) Verhältnisse

Zur Bestimmung des Prozesszustands ist ein                    bestimmt werden (Munk et al., 2012; Lebuhn et
aussagekräftiger Aktivitätsparameter erforder-                al., 2014). Dabei werden die Konzentration von
lich. Idealerweise wäre dies die Methanproduk-                „Messenger-RNA“ (mRNA: von den Genen
tivität, jedoch besitzen die wenigsten Biogasan-              (DNA) abgelesen und aktivitätsabhängig produ-
lagen eine separate Gaserfassung und -analyse                 ziert) und die Konzentration der zugeordneten
für die einzelnen Gärbehälter bzw. Gärrestlager.              DNA (Maß für die Zellzahl) gemessen und zuei-
Zuweilen werden überhaupt keine Gasmengen                     nander ins Verhältnis gesetzt. Je höher das T/G-
gemessen, oder die Messwerte sind unzuverläs-                 Verhältnis eines bestimmten Transkript/Gen-
sig. Deswegen wurden zur rein molekularbiolo-                 Paars ist, desto höher ist auch die spezifische
gischen Analyse der Aktivität bestimmter Um-                  transkriptionelle Aktivität der Mikroorganismen,
setzungsprozesse und der Mikroorganismen                      die den betrachteten Prozess bzw. die enzyma-
(gruppen), die sie durchführen, die Transkript/               tische Umsetzung durchführen.
Gen- (T/G-) Verhältnisse entwickelt. Es wurde
vielfach gezeigt, dass z.B. die Transkription                 Die molekularbiologischen Parameter MQ (s.
(mRNA-Produktion) der mcrA-Gene in verschie-                  Abschnitt 5) und T/G-Verhältnisse geben Auf-
denen Ökosystemen mit der Methanproduktion                    schluss über den Zustand des betrachteten Mik-
korrelierte (Freitag and Prosser, 2009; Watana-               robioms zum Zeitpunkt der Probenahme. Für
be et al., 2009; Munk et al., 2012).                          eine aussagekräftige Prozessdiagnose ist aller-
                                                              dings die Darstellung der Entwicklung der Ana-
Mit den T/G-Verhältnissen können die spezifi-                 lysenergebnisse im Zeitverlauf noch wichtiger
schen (transkriptionellen) Aktivitäten der einzel-            (steigen oder fallen die Werte?). Es ist also ähn-
nen im Biogasprozess relevanten Mikroorganis-                 lich wie z.B. für die FOS/TAC-Bestimmung (s.
men, bestimmten Gruppen oder Gilden (z.B.                     „Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärpro-
syntrophe Bakterien, methanogene Archaeen)                    zesses - Physikalische und chemische Untersu-

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Fachinformation bif22      Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses
1. Auflage - 05/2021       Mikro- und Molekularbiologie

Abbildung 5: Entwicklung der rrs Transkript/Gen-Verhältnisse (T/Grrs) zweier Bacteria-Genospecies im Verlauf eines OLR-
Steigerungsversuchs; uncl: nicht klassifiziert; OTU: Operational Taxonomic Unit; OLR: organische Raumbelastung
(kg / (m³ * d)) (Munk und Lebuhn, unveröffentlicht)

chungen“) angeraten, eine Zeitreihe zu analy-                 (ca. 10² bis 10³) zu einem ziemlich weiten Ver-
sieren. Nur aufgrund einer einmaligen Bestim-                 hältnis entwickelte (Abbildung 5). Kurz nach
mung kann kaum eine zuverlässige Aussage ge-                  Versuchstag 250 fand eine Ultraschallbehand-
troffen werden. Besonders deutlich wird dies in               lung statt, und die OLR wurde gesteigert, was
Abbildung 5.                                                  die spezifische rrs-Transkription von OTU0023
                                                              sehr stark, die von OTU0154 dagegen nur wenig
Ausgehend von einem sehr hohen Wert sank T/                   aktivierte. Der komplette Verlauf zeigt, dass
Grrs einer nicht-klassifizierten Genospecies                  OTU0023 kein Freund hoher organischer Raum-
(OTU0023) der Familie Anaerolineaceae in einer                belastungen und/oder SCFA-Konzentrationen
Untersuchung mit zunehmender organischer                      ist, wo sich OTU0154 eher wohlfühlt. Eine allei-
Raumbelastung, während sich T/Grrs der nicht-                 nige Probenahme etwa am Tag 260 hätte zu ei-
klassifizierten Genospecies OTU0154 der Ord-                  ner falschen Interpretation geführt.
nung Saccharimonadales von einem normalen

                                                                                                                     15
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7.    Ausblick

Ohne eine verlässliche spezifische Analytik ist           Ein erhebliches Potential wird auch in der Wei-
ein wissenschaftsbasierter Fortschritt kaum               terentwicklung der neuen Sequenziertechnolo-
möglich. Neue Fragestellungen können Weiter-              gien (s. Abschnitt 4) gesehen. Besonders beim
oder Neuentwicklungen der Analytik erfordern.             Einsatz ohne Vorschaltung einer PCR
In diesem Sinne wurden die ökophysiologischen             (Metagenomik/-transkriptomik, s. Abschnitt 4)
Frühwarnparameter MQ (Abschnitt 5) und T/G-               können sie die Informationen liefern, um bis-
Verhältnisse (Abschnitt 6) entwickelt bzw. wei-           lang unbekannte Mikroorganismen mittels Bio-
terentwickelt. Aktuell werden die Einsatzgren-            informatik zu identifizieren und ihre physiologi-
zen dieser Techniken untersucht. Ein Ziel ist es          schen Möglichkeiten nach Rekonstruktion ihrer
dabei, Einsatzmöglichkeiten prozesstechnischer            Genome (MAGs, s. Abschnitt 4) auf genetischer
(z.B. neue Reaktortypen) oder substratspezifi-            Basis zu charakterisieren. Sie eignen sich zwar
scher Innovationen zu prüfen. Ersten Ergebnis-            nicht zur schnellen Routinediagnostik, auf Basis
sen zufolge kann damit z.B. die Wirkung einer             der gewonnenen Erkenntnisse lassen sich aber
H2 und/oder CO2-Begasung zur biologischen                 neue PCR-Systeme maßschneidern oder vor-
Methansynthese in- sowie ex-situ präzise und              handene modifizieren, mit denen wiederum die
schnell beurteilt werden (Polag et al., 2020;             als relevant erkannten Mikroorganismen und
Mößnang et al., 2019). Weitere Entwicklungen              ihre Aktivitäten gezielt nachgewiesen, verfolgt
zielen darauf ab, molekularbiologische Analytik           und quantifiziert werden können.
unproblematisch vor Ort zu ermöglichen. Eine
online-/inline-Sensorik erscheint allerdings in
näherer Zukunft noch nicht realisierbar.

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1. Auflage - 05/2021    Mikro- und Molekularbiologie

8.    Referenzen

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  P.G., Basile, A., Luo, G., Schlüter, A., Konstantinidis, K.T., Angelidaki, I. (2020): New insights from
  the biogas microbiome by comprehensive genome-resolved metagenomics of nearly 1600 spe-
  cies originating from multiple anaerobic digesters. Biotechnology for Biofuels, 13(1), 1-18.
► Freitag, T.E., Prosser, J.I. (2009): Correlation of methane production and functional gene
  transcriptional activity in a peat soil. Applied and Environmental Microbiology, 75(21), 6679–
  6687.
► Hassa, J., Maus, I., Off, S., Pühler, A., Scherer, P., Klocke, M., Schlüter, A. (2018): Metagenome,
  metatranscriptome, and metaproteome approaches unraveled compositions and functional rela-
  tionships of microbial communities residing in biogas plants. Applied Microbiology Biotechnology,
  102(12), 5045-5063.
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  munities in biogas plants. Microbial Biotechnology, 8(5), 749-763.
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  practice to microbiology basics, Energy, Sustainability and Society 4, (10) 1-21.
► Lebuhn, M., Weiß, S., Munk, B., Guebitz, G.M. (2015): Microbiology and molecular biology tools
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  bitz, ed.), Adv. Biochem. Eng. Biotechnol. 151, 1-40.
► Mößnang, B.; Lebuhn, M.; Strübing, D.; Koch, K. (2019): Mikrobiologie der Biologischen Wasser-
  stoff-Methanisierung (BHM) im thermophilen Rieselbettverfahren (MikMeth). Biogasinfotagen
  Ulm, IBBK, 30.01.–31.01.2019.
► Munk, B., Bauer, C., Gronauer, A., Lebuhn, M. (2012): A metabolic quotient for methanogenic Ar-
  chaea. Water Science & Technology, 66(11), 2311-2317.
► Munk, B., Lebuhn, M. (2014): Process diagnosis using methanogenic Archaea in maize-fed, trace
  element depleted fermenters. Anaerobe, 29, 22-28.
► Munk, B., Guebitz, G. M., Lebuhn, M. (2017): Influence of nitrogen-rich substrates on biogas pro-
  duction and on the methanogenic community under mesophilic and thermophilic conditions. An-
  aerobe, 46, 146-154.
► Nobu, M.K., Narihiro, T., Rinke, C., Kamagata, Y., Tringe, S.G., Woyke, T., Liu, W.T. (2015): Microbi-
  al dark matter ecogenomics reveals complex synergistic networks in a methanogenic bioreactor.
  The ISME Journal, 9(8), 1710-1722.
► Parks, D.H., Rinke, C., Chuvochina, M., Chaumeil, P.A., Woodcroft, B.J., Evans, P.N., Hugenholtz,
  P., Tyson, G.W. (2017): Recovery of nearly 8,000 metagenome-assembled genomes substantially
  expands the tree of life. Nature Microbiology, 2(11), 1533-1542.
► Polag, D., Koch, K., Lebuhn, M. (2020): Increasing methane productivity in anaerobic digesters by
  addition of CO2. DFG-Bericht PO 1982/2-1, KO 3542/3-1, LE 3744/2-1, pp. 13.
► Ruiz-Sánchez, J., Campanaro, S., Guivernau, M., Fernández, B., Prenafeta-Boldú, F.X. (2018): Effect
  of ammonia on the active microbiome and metagenome from stable full-scale digesters. Bio-
  resource Technology, 250, 513-522.
► Tian, H., Fotidis, I. A., Kissas, K., Angelidaki, I. (2018): Effect of different ammonia sources on ace-
  ticlastic and hydrogenotrophic methanogens. Bioresource Technology, 250, 390-397.
► Watanabe, T., Kimura, M., Asakaw, S. (2009): Distinct members of a stable methanogenic ar-
  chaeal community transcribe mcrA genes under flooded and drained conditions in Japanese pad-
  dy field soil. Soil Biology and Biochemistry 41(2), 276–285.

                                                                                                       17
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9.    Weiterführende Fachinformationen

Folgende Titel der im Biogas Forum Bayern erschienenen Fachinformationen geben Ihnen weiterfüh-
rende Informationen im angesprochenen Themenbereich:

Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozesses - Physikalische und chemische Untersuchungen
www.biogas-forum-bayern.de/bif17

Motivation, Voraussetzungen und Methoden für die Prozessüberwachung
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Prozessbiologie/nachhaltig-
erneuerbar-energie_MotivationProzessuberwachung.html

Hinweise zum Anfahren einer Biogasanlage
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Prozessbiologie/nachhaltig-
erneuerbar-energie_HinweiseWiederanfahren.html

Prozessmodell Biogas
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Prozessbiologie/nachhaltig-
erneuerbar-energie_Prozessmodell.html

Prozessbiologische Störungen in NawaRo-Gülleanlagen: Symptome, Ursachen und mögliche Lö-
sungsansätze
https://www.biogas-forum-bayern.de/media/files/0001/Prozessbiologische-Storungen-in-NawaRo-
Anlagen.pdf

Marktübersicht Zusatz- und Hilfsstoffe in Biogasanlagen
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Prozessbiologie/nachhaltig-
erneuerbar-energie_Zusatzstoffe.html

Probenahme aus Gülle-, Fermenter- und Gärrestbehältern, Einsatzstofflagern und offenen Silos
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Laboranalytik/nachhaltig-erneuerbar-
energie_Probenahme.html

Substrataufbereitung zur Verbesserung des Abbaus faserreicher Biomasse
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/AnlagenteileAnlagentechnik/
aufbereitungsverfahren-faserreiche-biomasse_Substrataufbereitung.html

Qualität der Laboranalytik
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Laboranalytik/nachhaltig-erneuerbar-
energie_QualitatderLaboranalytik.html

Hinweise zum sicheren Umgang mit Gefahrstoffen Teil 1: Rechtliche Grundlagen, Kennzeichnung,
Gefährdungsbeurteilung
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Anlagensicherheit/
gefahrstoffe_HinweisezumsicherenUmgangmitGEfahrstoffenTeil1.html

Hinweise zum sicheren Umgang mit Gefahrstoffen Teil 2: Praxishilfe für die Umsetzung der TRGS
529
https://www.biogas-forum-bayern.de/De/Fachinformationen/Anlagensicherheit/nachhaltig-
erneuerbar-energie_GefahrstoffeTeil2.html

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1. Auflage - 05/2021    Mikro- und Molekularbiologie

                                                          ___________________

                                                          Zitiervorlage: M. Lebuhn, B. Munk (2021):
                                                          Schlüsselparameter zur Kontrolle des Gärprozes-
                                                          ses - Mikro- und Molekularbiologie. In: Biogas
                                                          Forum Bayern, bif22, Hrsg. ALB Bayern e.V.,
                                                          https://www.biogas-forum-bayern.de/bif22,
                                                          Stand [Abrufdatum].

                                                                                                      19
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                                                                      Landwirtschaftliches Bauwesen (ALB)
                                                                      in Bayern e.V.
                                                                      Vöttinger Straße 36, 85354 Freising
                                                                      Telefon: 08161 / 887-0078
                                                                      Telefax:    08161 / 887-3957
                                                                      E-Mail:     info@alb-bayern.de
                                                                      Internet: www.alb-bayern.de
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