SCHOLÆ 7 - MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN - Pflanzenforschung.de
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INHALT DAS IST DER INHALT GENOMXPRESS 2 INHALT SCHOLÆ: 3 4 SO FUNKTIONIERT DER GENOMXPRESS SCHOLÆ EINFÜHRUNG: DIE NACHBARN VON UNTEN Pflanzen leben nicht allein … 8 ARBEITSAUFTRÄGE 9 FORSCHUNG & ANWENDUNG: ZUR WURZELBEHANDLUNG BITTE! Ökologisches Engineering – neue Ansätze finden und altbekannte Praxis verstehen 13 ARBEITSAUFTRÄGE 14 EXPERTENINTERVIEW: PRIMING, GERSTE UND DAS ›SCHÖN-WETTER-EXPERIMENT‹ Interview mit Dr. Adam Schikora vom Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig 17 ARBEITSAUFTRÄGE 18 FORSCHUNGSPORTRÄT: EIN OPTIMALES MIKROBIOM Das Projekt RECONSTRUCT Aktuelle Forschung 21 ARBEITSAUFTRÄGE 22 PROJEKTSTECKBRIEFE spannend für die 22 DAS PROJEKT INPLAMINT Interaktionen zwischen Pflanze, Boden Schule aufbereitet und Mikroorganismen verstehen 23 DAS PROJEKT CATCHY Zwischenfrüchte für mehr Der GENOMXPRESS SCHOLÆ bietet aktuelle Themen aus der Bodenfruchtbarkeit und Ertrag Wissenschaft in einer direkt im Unterricht einsetzbaren Form. 23 DAS PROJEKT CHITOPOP Die vorliegende siebte Ausgabe zum Thema „Mikrobiom der Pappeln müssen nützliche Kulturpflanzen“ wird von PLANT 2030 herausgegeben. und schädliche Pilze unterscheiden 24 DAS PROJEKT ROOTWAYS Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Wurzelkanäle in den Untergrund fördert den GENOMXPRESS SCHOLÆ wie auch die darin vorge- 25 ARBEITSAUFTRÄGE stellten Forschungsprojekte. Der GENOMXPRESS SCHOLÆ ist 26 GLOSSAR Die wichtigsten Begriffe kurz erklärt sowohl in gedruckter als auch in digitaler Form (pdf) erhältlich und wird kostenlos abgegeben. 28 PRAXIS ERFORSCHT KNÖLLCHEN! Informationen zum Heft, digitale Zusatzangebote Eine Gruppenaufgabe zur Erforschung des und kostenloses Abonnement unter: Wachstums und der Verteilung von Wurzelknöllchen genomxpress.de 31 IMPRESSUM 2 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
GENOMXPRESS SCHOLÆ SO FUNKTIONIERT DER GENOMXPRESS SCHOLÆ Das Heft gliedert sich in fünf verschiede- liert die Abläufe in einem ausgewählten täten zum Thema. Auf diese Weise bieten ne Beiträge. Grundsätzlich können diese Forschungsprojekt. Die Projektsteckbriefe sie den direkten Einblick in aktuelle For- individuell und unabhängig voneinander stellen kompakt reale Forschungsprojek- schungsfragen. in den Unterricht integriert werden. te mit unterschiedlichen Fragestellungen Unter www.genomxpress.de finden Der erste einleitende Artikel führt ins und Lösungsansätzen vor. Am Ende eines sich Hinweise zum Bezug des Lösungs- Thema ein, benennt die Fachtermini sowie jeden Beitrags finden sich Informationen hefts mit den zugehörigen Lösungen der die wissenschaftliche und gesellschaftli- zur weiterführenden Recherche und die Arbeitsaufträge, zum kostenlosen Abon- che Relevanz des Themas. Der zweite ver- Arbeitsaufträge. Das übergreifende Glos- nement und zu früheren Ausgaben des tiefende Beitrag zeigt den aktuellen Stand sar erklärt zum Schluss die wichtigsten GENOMXPRESS SCHOLÆ. Dort stehen der Forschung, die praktischen Anwen- Begriffe. auch die Abbildungen des Hefts zum dungen und mögliche Wege in die Zukunft. Die Inhalte und Themen stammen aus Download zur Verfügung. Im Interview geben Fachleute persönliche den Forschungsprojekten von PLANT 2030 Neu ist die ständige Erweiterung mit ak- Einblicke in ihre Forschung und ihre Visi- und anderen vom Bundesministerium für tuellen Inhalten sowie zusätzliche digitale onen. Das Projektporträt verfolgt detail- Bildung und Forschung geförderten Aktivi- Angebote zum Thema. FORSCHUNGSBOX Die Kurzvorstellung relevanter Forschungsprojekte erleichtert ZUM WEITERLESEN weitergehende Recherchen. UND RECHERCHIEREN Weiterführendes Material vertieft und erweitert das behan- delte Thema und kann bei der Bearbeitung der Arbeitsauf- träge hilfreich sein. ARBEITSAUFTRÄGE Die Lösung erfordert eine tiefergehende Analyse und Bewertung der Materialien, weitere Recherchen und Diskussionen in der Gruppe. Es wurde stets darauf geach- tet, dass verschiedene Kommunikationsfor- men in den Unterricht einfließen können. ARBEITSMATERIALIEN Einführungen, Artikel, Projektporträts und Interviews als Grundlage für die Arbeitsaufträge DIDAKTIKHEFT Das separate Didaktikheft enthält Lösungsvorschläge zu den Arbeitsaufträgen, Informationen und weitere Hinweise für den Unterricht. Für den Bezug des Didaktikhefts ist ein Nachweis des pädagogischen Status erforderlich. GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 3
EINFÜHRUNG MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN PFLANZENWURZELN stecken nicht einfach nur in steriler Erde. Stattdessen tum- melt sich eine große Vielfalt verschiedenster Mikroben im Boden. Milliarden einzelner Mikroorganismen sind in einem kleinen Brocken Erde verborgen. Da ist es nicht verwunderlich, dass sich im Laufe der Evolution untrennbare Gemeinschaften zwischen Pflanzen und Mik- roorganismen entwickelt haben. Das Zusammenspiel zwischen beiden Gruppen ist komplex. In vielen Fällen profitieren sowohl die Pflanzen von den Mikroben, die an ihren Wurzeln leben, als auch die Mikroben von ihren Pflanzenpartnern. In manchen Fällen sind die Mikroben auch schädlich und gewinnen an Oberhand, weil sich bestimmte Gleichgewichtszustände zu ihren Gunsten verschoben haben. Auch unsere Nutzpflanzen sind in hohem Maße von den sie umgebenen Mikroben abhängig. Ohne die Mikroben im Boden könnten sie nicht ge- deihen und Früchte tragen. Dieser Beitrag gibt einen Einblick in diese faszinierende Welt unter unseren Füßen. DIE NACHBARN VON UNTEN luftübertragene Mikroorganismen Pflanzen leben nicht allein … Mikrobiom der … vielmehr besiedelt eine riesige Vielfalt von Phyllosphäre Mikroorganismen ihren Wurzelraum und ihre Organe. Obgleich für das bloße Auge unsicht- bar, sollte man die winzigen Kolonisten nicht unterschätzen. Sie beeinflussen die Pflanzen ernährung und Gesundheit, ihre Toleranz gegenüber Stress wie Trockenheit, und sie Boden-Mikrobiom (Rhizosphäre) helfen bei der Abwehr von Krankheitserregern. Samen-Mikrobiom (Spermosphäre) Spricht man vom Mikrobiom, oder Phytobiom bezeichnet. Die Mikro- meint man meist das Mikrobiom ben leben in einer komplexen Lebensge- des Menschen. meinschaft mit den Pflanzen. Dabei han- Die Zahl der Mikroben, die auf und in un- delt es sich um Bakterien, Archaeen und serem Körper leben, ist zehnmal größer Pilze. Einige sind vorteilhaft für die Pflan- als die Zahl all unserer Zellen. Wir besit- zen, andere sind sogenannte Pflanzenpa- zen über 100 Billionen von ihnen. Häufig thogene und können sie schädigen oder verwenden wir die Begriffe Darm-, Haut- sogar abtöten. Von der Mehrheit der © GENOMXPRESS SCHOLÆ oder Mundflora. Die Bakterien helfen bei mikro biellen Kolonisten ist die Wirkung der Verdauung, regulieren unser Immun- auf Wachstum und Fitness ihrer Pflanzen system, schützen vor Krankheitserregern bisher noch gar nicht erforscht. Ursprung des Pflanzenmikrobioms. Das Pflan- und produzieren wertvolle Vitamine. zenmikrobiom stammt hauptsächlich aus dem Eine Pflanze kann in bestimmte Boden. In einigen Fällen wandern die Mikroben Bei Pflanzen ist das ähnlich. Zonen unterteilt werden. von dort zu den oberirdischen Teilen der Pflanze. Auch Pflanzen haben ein Mikrobiom, das Diese sogenannten Mikrohabitate wer- Zusätzlich wird die Phyllosphäre von luftübertrage- eine wichtige Rolle für ihre Fitness und den von ganz unterschiedlichen Mikroor- nen Arten besiedelt. Oft spielt auch die Mikro- auch für den Ertrag von Nutzpflanzen ganismengemeinschaften besiedelt. Die bengemeinschaft der Samen eine Rolle. (Nach: spielt. Die meisten Pflanzen beherbergen dünne Erdschicht im unmittelbaren Ein- Sánchez-Cañizares C., Jorrín B., Poole P.S., Tkacz unterschiedliche mikrobielle Gemein- zugsbereich der Wurzel wird als Rhi- A. (2017) Understanding the holobiont: the inter- schaften in ihrer Nachbarschaft, auf aber zosphäre bezeichnet. Sie ist der mikrobi- dependence of plants and their microbiome. Curr auch in ihren Geweben. In ihrer Gesamt- elle Lebensraum, in dem die physikalische, Opin Microbiol., 38:188-196. doi.org/10.1016/j. heit werden sie als Pflanzenmikrobiota chemische und biologische Zusammen- mib.2017.07.001) 4 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN EINFÜHRUNG Modul 1 Grundlagen und Anwendung Übersicht Von Mikroorganismen besiedelte Zonen einer Pflanze (Mikrohabitate) Phyllosphäre Bereich aller oberirdischen Pflanzenorgane (also der Blätter, aber auch Blüten, Gewebe, Stängel) Rhizosphäre Zone um die Wurzel herum, wo die Eigenschaften des Bodens direkt von der Pflanze beeinflusst werden Anthosphäre Zone um die Blüten Carposphäre Zone um die Früchte Caulosphäre Zone um den oberirdischen Teil des Stängels Phylloplane unmittelbare Blattoberflächen Endosphäre Bereiche innerhalb der ober- und unterirdischen Pflanzengewebe Spermosphäre Bodenzone unter dem direkten Einfluss von keimendem Saatgut Laimosphäre Zone des Bodens, der die unterirdischen Teile des Stängels umgibt Rhizoplane unmittelbar mit der Wurzeloberfläche assoziierter mikrobieller Lebensraum setzung des Bodens direkt von der Pflan- re ab, was mit „ausschwitzen“ oder Zusammensetzung und auch das Verhal- ze beeinflusst wird. Die Rhizosphäre be- „abfließen“ übersetzt werden kann. Wur- ten der Mikroorganismen in ihrer Rhi- heimatet deshalb eine besonders große zelexsudate sind verschiedenste Aus- zosphäre steuern können. Vielfalt an Mikroorganismen, das Wurzel- scheidungen der Pflanzenwurzeln. Es Die Bodenorganismen profitieren von mikrobiom. Das Wurzelmikrobiom steht sind meist wasserlösliche organische den abgegebenen organischen Kohlen- meist auch im Zentrum der Mikrobiom- Stoffwechselprodukte wie freie Zucker- stoffverbindungen. Sie ernähren sich von forschung. Der mikrobielle Lebensraum moleküle, organische Säuren, Aminosäu- ihnen, insbesondere von den Assimilaten, auf der Oberfläche der oberirdischen ren und Proteine, die in den Boden abge- die durch die Photosynthese in den Blät- Pflanzenorgane, also vor allem der Blät- geben werden. Diesen Prozess bezeichnet tern produziert wurden. Sie verändern ter, heißt Phyllosphäre. Die Phyllosphäre man als Rhizodeposition. Pflanzen prägen ihren Stoffwechsel gezielt, um sich wäh- wird wiederum in kleinere Bereiche un- so die physikalischen und chemischen Ei- rend der Besiedlung oder als Reaktion auf terteilt, je nachdem ob nur die Zone um genschaften des Bodens. Beispielsweise pflanzliche Stressreaktionen an die jewei- die Blüten, die Blätter oder die Samen ge- können sie durch die Abgabe geringer lige Umgebung anzupassen. meint ist. Mengen organischer Säuren den pH-Wert im wurzelnahen Boden regulieren. Sie Viele Pflanzen gedeihen besser Woher kommen eigentlich können so aber nicht nur die Umgebung in Gegenwart eines gesunden die Mikroben? der Wurzeln verändern, sondern auch Mi- Mikrobioms. Der Boden ist vermutlich der am dichtes- kroben anlocken oder fernhalten und sta- Denn bestimmte mikrobielle Mitbewoh- ten besiedelte Raum auf der Erde und der bile Mikrobengemeinschaften fördern. Im ner helfen dabei, Nährstoffe zu erschlie- Hotspot der Pflanze-Mikroben-Interakti- Laufe der Evolution hat sich ein ausgeklü- ßen, sich gegen Krankheitserreger zu on. Neben Wurzeln, Würmern, Insekten, geltes Kommunikationssystem entwi- wappnen oder toleranter gegenüber Algen und Pilzen sind Bakterien hier ckelt, durch das Pflanzen den Boden, die Stressfaktoren zu sein. Die positiven reichlich vorhanden. Ein Gramm trockene Erde enthält circa zehn Milliarden Mik- roorganismen. Tausende unterschiedli- che Arten tummeln sich auf engstem Bakterium Raum. Zusätzlich zu den Mikroorganis- men der Rhizosphäre, die in einigen Fällen auch vom Boden zu den Blättern wan- dern, kann die Phyllosphäre von luftüber- chemische Signale tragenen Arten besiedelt werden. Bei ei- Wurzelexsudate nigen Pflanzenarten werden die Mikrobengemeinschaften der Samen so- gar auf die nächste Generation „vererbt“. Dies macht man sich auch im Pflanzenan- bau zunutze, indem man die Samen von Nutzpflanzen mit bestimmten Mikroorga- nismen beimpft. Rezeptoren Zellmembran Die Wechselwirkungen zwischen Diffusion aktiver Mikroben und Pflanzen sind Transport komplex. © GENOMXPRESS SCHOLÆ Sie sind vom gegenseitigen Austausch von Signalmolekülen und Stoffwechsel- Dialog zwischen den Mikroorganismen des Bodens und der Pflanze. Die Exsudate der Wurzeln wirken auf produkten geprägt. Durch sogenannte bestimmte Mikroben attraktiv. Sie werden von ihnen angezogen. Signal- und Oberflächenmoleküle der Mikroor- Exsudate beeinflussen Pflanzen das Mik- ganismen binden an spezifische Rezeptoren in der Zellmembran und werden so von der Pflanze wahrgenommen. robiom ihrer Rhizosphäre. Die Bezeich- (Nach: Sánchez-Cañizares C., Jorrín B., Poole P.S., Tkacz A. (2017) Understanding the holobiont: the interdepen- nung leitet sich vom lateinischen exsuda- dence of plants and their microbiome, Curr. Opin. Microbiol., 38:188-196. doi.org/10.1016/j.mib.2017.07.001.) GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 5
EINFÜHRUNG MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN © GENOMXPRESS SCHOLÆ a b c d Bakterien eingerolltes Stickstoff- Wurzelknöllchen Wurzelhaar fixierungszone Infektionsschlauch Die Knöllchenbildung erfolgt in mehreren Phasen. a) Nachdem das Bakterium den geeigneten Symbiosepartner identifiziert hat, erfolgt die Anheftung an dessen Haarwurzeln. b) Durch bestimmte Ausscheidungen der Rhizobien kräuselt sich das Wurzelhaar. c) Nach der Bildung eines Invasionsschlauchs kann das Bakterium in die Haarwurzel eindringen, sich vermehren und dann in die Hauptwurzel einwandern. d) In den Pflanzenzellen bilden sich deformierte Bakterienzellen (Bacteroide), die die Fähigkeit zur Stickstoff-Fixierung besitzen. Das reife Wurzelknöllchen entsteht durch weitere Zellteilungen der Pflanzenzellen, die durch die Bakterien angeregt wurden. (Nach: Wippel K., Schulze-Lefert P., Garrido-Oter R. (2019) Rhizobien in der Pflanzenmikrobiota, Biol. Unserer Zeit, 49:426-434. doi.org/10.1002/biuz.201910692.) Auswirkungen auf die Pflanzengesund- Mikroben können schädliche Pathogene „Kommensalismus“ zugeordnet. Kom- heit und das Wachstum sind vielfältig in Schach halten, Stoffwechselwege der mensalismus ist eine Form des lockeren und können sowohl direkt als auch indi- Pflanze modulieren oder die Genaktivität Zusammenlebens von Organismen ver- rekt durch das Zusammenspiel mehrere der Pflanze positiv beeinflussen. schiedener Arten. Dabei profitiert der eine, Prozesse sein. Beispielsweise reagieren der Kommensale, vom anderen, dem Wirt, Gerstenpflanzen auf eine Wurzelinfektion Pflanzen-Mikrobiom-Beziehungen ohne dass dieser dabei geschädigt wird durch bestimmte Pilze mit der Ausschei- können unterschiedlich (sonst wäre es Parasitismus) oder ohne, dung bestimmter Verbindungen, die wie- intensiv sein. dass der Wirt auch einen großen Nutzen derum die Produktion pilzhemmender Meistens wird das Verhältnis zwischen hätte (sonst wäre es eine Symbiose). Stoffe durch Bakterien fördern. Andere Pflanzen und ihren Mikrobiota dem Es gibt aber auch sehr enge Pflanzen-Mikroben-Beziehungen. Endomykorrhiza Ektomykorrhiza Sie sind für beide Partner von großem Nutzen. Ein gut erforschtes Beispiel ei- Zentralzylinder ner solchen Symbiose sind die Knöll- Rindenzellen Pilzhyphen chenbakterien (Rhizobien). Der wissen- schaftliche Name Rhizobium bedeutet „in den Wurzeln lebend“. Rhizobien sind stäbchenförmige, freilebende Bodenbak- Arbuskel Mantel aus terien. Sie leben mit Leguminosen, auch in den Zellen Pilzhyphen Hülsenfrüchtler und Schmetterlingsblüt- der Wurzel ler genannt, wie Luzernen, Sojabohnen, Lupinen, Rotklee oder Linsen aber auch Pilzhyphen vielen anderen Pflanzen in Symbiose. Die Besonderheit von Rhizobien ist, dass sie elementaren Luftstickstoff binden kön- nen (Stickstoff-Fixierung), der dann in Form von Ammonium und Nitrat von den Pflanzen aufgenommen werden kann. Pflanzen sind nicht in der Lage Stickstoff Rhizodermis Hartigsches Netz aus der Luft aufzunehmen, den sie je- zwischen den Zellen doch dringend benötigen. Man bezeich- der Wurzel net Rhizobien auch als Knöllchenbakteri- © GENOMXPRESS SCHOLÆ en, weil sie knollige Schwellungen an den Es gibt zwei Hauptformen der Mykorrhiza. Bei der Endomykorrhiza (links) wachsen die Hyphen in die Rinde Wurzeln ihrer Pflanzenpartner hervor- (den Cortex) der Wurzel ein und schwellen zu Vesikeln an. Sie dienen als Speicherorte. Arbuskuläre Mykorr- rufen. Gerade wegen ihrer Fähigkeit mit hizapilze bilden in den Zellen der Wurzelrinde bäumchenartige Gebilde, die Arbuskeln. Hier findet der aktive Rhizobien Symbiosen einzugehen, sind Stoffaustausch zwischen der Pflanze und dem Mykorrhizapilz statt. Die Pilzhyphen außerhalb der Wurzel können Hülsenfrüchtler von großer wirtschaftli- sich mehrere Meter weit in den Boden ausdehnen. Die Ektomykorrhiza (rechts) kommt vor allem bei Bäumen cher Bedeutung als Proteinpflanzen, zur und Sträuchern vor. Der Pilz bildet einen dicken Mantel aus Pilzhyphen um die Wurzel herum. Als Hartigsches Gründüngung und als Zwischenfrüchte Netz wird das dichte Geflecht zwischen den Rindenzellen bezeichnet. zur Verbesserung des Bodens (vgl. „Zur 6 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN EINFÜHRUNG Zum Weiterlesen Wurzelbehandlung bitte!“ S. 9). Auch die bodenlebenden Bakterien der Gattung und Recherchieren Francia können elementaren Luftstick- stoff fixieren und leben mit einigen Pflan- zen in enger Symbiose, bei denen sie Wur- zelknöllchen hervorrufen. Mykorrhiza kommt bei den meisten Pflanzen vor. Als Mykorrhiza (altgr.: Pilzwurzel) bezeich- Artgerechte Fütterung net man eine Gemeinschaft zwischen den Pflanzen kultivieren eigene Bodenbakterien Wurzeln höherer Pflanzen und Pilzen. Der Pilzkörper besteht aus dünnen Filamen- Während des Wurzelmetabolismus entstehen von Art zu Art unterschiedliche ten, den Hyphen. Der gesamte Pilzkörper Produkte. Mit ihrer Hilfe passen Pflanzen das Mikrobiom in der Rhizosphäre wird als Myzel bezeichnet. Zwischen bei- an ihre Bedürfnisse an. den Partnern, Pilz und Pflanze, findet ein www.pflanzenforschung.de/qr/Artgerechte_Fuetterung wechselseitiger Stoffaustausch statt: Die Pilze erhalten von der Pflanze vor allem Kohlenhydrate. Die Pflanze wird von den Hilfe bei Bedarf Pilzen mit Phosphor, Spurenelementen, Bodenbakterien können Pflanzen mit Eisen versorgen Ammonium und Nitrat als Stickstoffquel- len versorgt. Doch es gibt weitere Vorteile Für ein gesundes Wachstum brauchen Pflanzen ausreichend Nährstoffe. Doch für die Pflanze: Das Pilz-Myzel kann sich gerade Eisen ist im Boden oft für Pflanzen kaum zugänglich. Mit einem Signalmo- mehrere Meter weit im Boden ausdeh- lekül können Pflanzen bei Mikroorganismen „um Hilfe bitten“, damit diese ihnen nen, wodurch der Einzugsbereich der den Nährstoff zur Verfügung stellen. Wurzeln enorm vergrößert wird. Wegen www.pflanzenforschung.de/qr/Hilfe_bei_Bedarf des geringen Durchmessers der Pilzhy- phen können diese auch in feinste Bo- denpartikel eindringen und dort viel effi- Wie Wurzel und Mikrobiom kommunizieren zienter als Pflanzenwurzeln Nährstoffe und Wasser erschließen. Dadurch werden Der Pflanzenforscher Tonni Andersen ist Kovalevskaja-Preisträger 2019. die Nährstoffversorgung und die Wasser Er will verstehen, wie Wurzeln sich mit Bodenmikroben austauschen aufnahme der Pflanze deutlich verbes- und baut am Max-Planck-Institut in Köln eine neue Arbeitsgruppe auf. sert. Durch diese Symbiose werden die biooekonomie.de/interview/wie-wurzel-und-mikrobiom-kommunizieren Pflanzen widerstandsfähiger gegenüber Schädlingen und haben eine deutlich hö- here Trockenstresstoleranz. Eine pilzfreie Krieg der Knöllchen Aufzucht von Bäumen hat in der Regel ein Wenig Harmonie in der Symbiose zwischen Pflanzen und Rhizobien kümmerliches Wachstum zur Folge. Die oft als friedliches Miteinander dargestellte Symbiose zwischen Pflanzen und Rhizobien ist in Wahrheit ein Kampf: die Stickstoff-fixierenden Knöllchenbakteri- en überleben gerade so in der Wurzelzelle. Foto: © Adobe Stock/andersphoto www.pflanzenforschung.de/qr/Krieg_der_Knoellchen Planet Wissen: Bakterien. Vorteil der Symbiose von Remo Trerotola Es ist eine der bedeutendsten Fähigkeiten in der Natur: Einige Bakterien können Stickstoff aus der Luft binden. Ein unscheinbarer Prozess mit einer entscheiden- den Rolle – auch für uns Menschen. Naturbewusste Gärtner wissen das schon lange und setzen auf die Symbiose zwischen Leguminosen und Bakterien statt auf Dünger. https://bit.ly/2MVuHJj Trüffel sind Ektomykorrhizapilze Rhizobien in der Pflanzenmikrobiota Auch wenn der Fachausdruck kaum Wippel, K., Schulze, Lefert, P. and Garrido, Oter, R. (2019), geläufig ist, ein Ektomykorrhizapilz ist Bioloogie in unserer Zeit, 49: 426-434. sehr bekannt und besonders wert- https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/biuz.201910692 voll: der Trüffel. Seine oberirdischen Fruchtkörper gelten als Delikatesse und sind weltweit heißbegehrt. Mykorrhiza I – Mykorrhiza und Umwelt (Video 4:33) UFZde https://youtu.be/CMtq9q6PZD8 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 7
ARBEITSAUFTRÄGE MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN Arbeitsaufträge 7. Erkläre anhand der Abbildung (links unten), wie 1. Eine Pflanze kann in verschiedene mikrobielle Lebensräume durch Mykorrhizapilze die Nährstoff- und Wasser- unterteilt werden. Lies den Text und beschrifte die Abbildung. versorgung der Pflanze enorm gesteigert wird. (Kopiervorlage: www.genomxpress.de) 8. Mykorrhizapilze leben als Symbionten an den Wur- zeln vieler Pflanzenarten. Recherchiere, bei welchen Nutzpflanzenarten Mykorrhizierung beobachtet werden kann. 9. Zahlreiche Speisepilze leben in Symbiose oder enger Assoziation mit Bäumen. Kennst Du Pilze, die beson- ders häufig unter bestimmten Bäumen zu finden sind? Dabei muss es sich nicht immer um Mykorrhi- zapilze handeln. 10. Selbsttest: Welche Aussagen sind richtig? a Der Boden ist vermutlich der am dünnsten besiedelte Raum auf der Erde. b Als Phytobiom bezeichnet man die mikrobielle Gemeinschaft, mit der Pflanzen interagieren. c Das Wurzelmikrobiom steht meist im Zentrum der Mikrobiomforschung. d Pflanzenpathogene sind Krankheitserreger, die Pflanzen mit Nährstoffen versorgen. e Mikrohabitate sind bestimmte Zonen einer Pflanze, die von Mikroorganismen besiedelt werden. f Die Rhizosphäre ist der Bereich an den Blättern, dessen Eigenschaften direkt von der Pflanze beein- flusst werden. g Wurzelexsudate sind Ausscheidungen der Pflanzenwurzeln. h Wurzelexsudate können bestimmte Mikro 2. Recherchiere den Begriff „Rhizosphäre“. Was versteht organismen anlocken oder abschrecken und man unter dem Rhizosphäreneffekt? die Eigenschaften des Bodens verändern. 3. Was bedeutet der Begriff „Rhizodeposition“? i Bei der Rhizodeposition sondert die Pflanze bestimmte Stoffe über die Blätter ab. 4. Erkläre die Anreicherung des Bodens mit Stickstoffverbindungen durch Rhizobien (Knöllchenbakterien). j Rhizobien sind stäbchenförmige Flechtenarten. k Rhizobien können Luftstickstoff binden und so 5. Recherchiere Nutzpflanzenarten, die mit Rhizobien in Symbiose leben. umwandeln, dass Pflanzen davon profitieren. 6. Recherchiere folgende Fragen: Was sind die Vorteile für die beiden Partner l Rhizobien werden auch als Knöllchenbakterien a) bei der Mykorrhizierung und b) bei den Rhizobien? Teilt euch in zwei bezeichnet, weil sie die Bildung von Knöllchen Gruppen auf. Jede Gruppe bearbeitet dann nur eine Form der Symbiose. an den Wurzeln hervorrufen. m Als Mykorrhiza bezeichnet man eine Gemeinschaft zwischen Pflanzen und Blaualgen. Mykorrhiza: die „Pilzwurzel“ n Mykorrhiza kommt bei den wenigsten Pflanzen vor. o Die Pflanzen erhalten von den Mykorrhizapilzen Stickstoff vor allem Kohlenhydrate. p Mykorrhizapilze werden von den Pflanzen mit Phosphor, Spurenelementen, Ammonium und Nitrat versorgt. q Mykorrhizapilze spielen keine Rolle für die Wasseraufnahme von Pflanzen. r Bei der Ektomykorrhiza befinden sich die Pilzhyphen außerhalb der Wurzelzellen. s Bei der Endomykorrhiza dringen die Wasser Phosphor Hyphen in die Wurzelzellen ein. t Arbuskuläre Mykorrhizapilze zählen © GENOMXPRESS SCHOLÆ zur Gruppe der Endomykorrhiza. 8 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN FORSCHUNG & ANWENDUNG DIE MIKROORGANISMEN des Bodens, insbesondere im Bereich der Rhizo sphäre, beeinflussen maßgeblich die Gesundheit und Produktivität der Pflanzen, die in ihm gedeihen. In den letzten Jahren hat sich deshalb ein wachsendes Interesse daran entwickelt, diejenigen Faktoren zu verstehen, die zur Förderung und Steigerung des Pflanzen- wachstums durch das pflanzliche Mikrobiom beitragen. Der folgende Text gibt einen Überblick über ein For- schungsfeld, das sich mit dem faszinierenden Universum des pflanzlichen Mikrobioms beschäftigt. ZUR WURZELBEHANDLUNG BITTE! Ökologisches Engineering – neue Ansätze finden und altbekannte Praxis verstehen Neue Forschungsansätze stützen sich auf das ser zu verstehen und dann gezielt zu be- einflussen. Dabei werden verschiedene sogenannte Ökologische Engineering, insbeson- Strategien verfolgt, um die Gesundheit dere das Rhizosphären-Engineering, die gezielte der Pflanzen und Böden zu verbessern. Pflanzen sind z. B. durch hohe Salz- oder Verbesserung des Bodens durch den Menschen Metallkonzentrationen, anhaltende Dür- unter besonderer Berücksichtigung des Boden- re, Krankheiten und Schädlinge gestresst. Die gezielte Veränderung des Bodens und mikrobioms. Voraussetzung ist das Verständnis das mikrobielle oder pflanzliche Enginee- ring sind Ansätze, um die Rhizosphäre po- eines komplexen und vielfältigen Systems. sitiv zu verändern und so den Pflanzen zu helfen. Einige beruhen auf der Aktivie- rung natürlicher pflanzeneigener Schutz- Mikrobiome sind große Hier setzt das Ökologische mechanismen, die durch bestimmte Mik- mikrobielle Gemeinschaften. Engineering an. roorganismen oder Stoffe in der Pflanze Sie bestehen aus tausenden verschiede- Beim Ökologischen Engineering (engl.: ausgelöst werden. Andere Ansätze erpro- ner Bakterien- und Pilzarten, die unterei- ecological engineering), genauer dem Rhi- ben die Wirkung bestimmter Anbaustra- nander agieren, sich fördern, bekämp- zosphären-Engineering, versucht man die tegien und bodenökologischer Maßnah- fen, in stiller Eintracht leben und mit den Zusammenhänge in der Rhizosphäre bes- men auf das Pflanzenwachstum und die anderen Mitgliedern ihres Ökosystems im Austausch stehen. Oft haben sich syn- ergetische Beziehungen zwischen Pflan- zen und Mikroorganismen entwickelt. Als Synergie (griech.: Zusammenarbeit) be- zeichnet man das positive Zusammen- wirken von Lebewesen, aus dem sich ein gemeinsamer Nutzen ergibt. Die komple- xen Wechselwirkungen aller Mitglieder haben entscheidende Auswirkungen auf die Stabilität der Ökosysteme. Auch so- genannte abiotische Faktoren, wie die Bodenbeschaffenheit und das Klima, be- einflussen Pflanzen und regulieren die vielen verschiedenen Organismen, die mit ihnen interagieren. Durch die Stö- rung des Mikrobioms kann sich das Gleichgewicht eines ganzen Ökosystems so verschieben, dass unerwartete und auch unerwünschte Folgen auftreten. Echter Mehltau (Blumeria graminis) auf einer Getreidepflanze. Durch im Boden lebende Rhizobien kann Umgekehrt können die Pflege und Förde- die pflanzeneigene Abwehr gegen diese Krankheit potenziert werden. (Bildquelle: Clemson University – USDA rung eines stabilen Mikrobioms das Cooperative Extension Slide Series, Bugwood.org, https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/us/deed.de) Pflanzenwachstum deutlich verbessern. https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/us/deed.de GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 9
FORSCHUNG & ANWENDUNG MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN Bildquelle: © INOQ Bildquelle: © INOQ Pflanzenwurzel mit arbuskulärer Mykorrhiza. Der Pilz wurde dunkelblau eingefärbt. Man erkennt deutlich seine Strukturen: die fadenförmigen Hyphen, Arbuskeln und Vesikel in den Rindenzellen und seine Sporenkörper (Clamydosporen). potenziert und zusätzlich eine höhere Wi- Mykorrhizapilze und Tomaten gehen in Wirkung der Mykorrhizierung auf das Wachstum. derstandkraft gegen weitere Krankheiten Gewächshäusern bislang keine Verbin- Die beiden Eschen wurden innerhalb eines Experi- und Schädlinge wie Zwergrost und Blatt- dung ein. Im Projekt MycoTom ist es nun ments parallel herangezogen. Die linke Pflanze wurde läuse hervorruft. erstmalig gelungen, Gewächshaustoma- ohne Mykorrhiza, die rechte mit Endomykrrhizapilzen Diese Stimulation des pflanzlichen Im- ten zu „zwingen“ mit den Mykorrhizapil- behandelt. munsystems macht man sich beim soge- zen in Kontakt zu treten. Dass die Toma- nannten Priming zunutze. Unter Priming ten dadurch süßer schmecken, ist dabei Biodiversität des Bodens. Auch die geziel- versteht man das Vermögen einer Pflanze eine überraschende, aber willkommene te Zugabe von Bodenmikroben wird sys- zu dieser induzierten Abwehrreaktion. Nebenwirkung. Auch bei Erdbeeren und tematisch untersucht. Züchterische An- Geprimte Pflanzen sind sozusagen auf anderen Nutzpflanzen wurde beobachtet, sätze werden verfolgt, um beispielsweise Stress-Situationen schon vorbereitet, be- dass Mykorrhizen den Nährstoffgehalt die Pflanzenwurzeln mit Verteidigungs- vor sie eintreten. Im Experteninterview ihrer Früchte steigern können. Bereits mechanismen gegen schädliche Mikroor- „Priming, Gerste und das Schön-Wet- heute werden im Handel kommerzielle ganismen auszustatten oder die Architek- ter-Experiment“ auf Seite 14 spricht der Mykorrhiza-Produkte (z. B. Mykorrhiza- tur der Wurzeln günstig zu verändern. Wissenschaftler Dr. Adam Schikora über Impfstoffe, Bioeffektoren) für den Pflan- das Projekt PrimedPlant, das den faszi- zenbau angeboten. Mikroorganismen können das nierenden Mechanismus des Primings bei Immunsystem der Pflanzen Gerste erforscht. Durch Mikroorganismen lässt sich aktivieren. die Wurzelarchitektur steuern. Anfang des 20. Jahrhunderts entdeckte Mykorrhizapilze machen Pflanzen brauchen gesunde Wurzeln, man, dass Pflanzen, die zuvor mit einem Tomaten süßer. um gut im Boden verankert zu sein. Für Krankheitserreger infiziert waren, einer Erst kürzlich fand man heraus, dass To- die Wasser- und Nährstoffaufnahme ist wiederholten Infektion besser widerste- maten, die mit Mykorrhizapilzen in Ge- dabei die Verzweigung der Wurzeln und hen können als Pflanzen, die keinen Kon- meinschaft leben, besonders süß schme- die Bildung von Wurzelhaaren besonders takt zu den Erregern hatten. Im Laufe der cken und zusätzlich mehr wertvolles wichtig. Bisher wurden in Experimenten Jahrzehnte beobachtete man verschiede- Lycopin und sehr viel mehr Aminosäuren Stämme der Bakterienspezies Pseudomo- ne Mechanismen, bei denen Mikroorganis- bilden. Doch die Sache hat einen Haken: nas erfolgreich eingesetzt, um das Wachs- men Resistenzen bei Pflanzen hervorru- fen. Interessanterweise kann sowohl der Ökosystemfunktion (Boden-)Ökologisches Engineering Kontakt mit harmlosen als auch mit schäd- lichen Mikroorganismen zum Schutz vor Erhöhung der gesamten Gezielte Manipulationen anderen Erregern, wie Bakterien und Pil- Biodiversität des Bodens der Zusammensetzung der zen führen. Diese Wirkung kann über Wo- Bodengemeinschaft chen oder sogar Monate anhalten. Schädlingsbekämpfung/ × × Wir haben die Knöllchenbakterien ken- Pflanzenschutz nengelernt, die insbesondere mit Legumi- Nährstoffaufnahme × nosen in Symbiose leben und Luftstick- der Pflanzen stoff fixieren, der den Pflanzen dann als natürlicher Dünger zur Verfügung steht Reduktion von × Nährstoffverlusten (vgl. „Die Nachbarn von unten“ auf Sei- te 4). Die nützlichen Rhizobien bewirken Bodenbildung × aber noch mehr: Bei manchen Pflanzen Kohlenstoffspeicherung × × können sie die Abwehrkräfte aktivieren. Ein Beispiel ist das Bakterium Ensifer me- Ökosystemfunktionen, die durch die Erhöhung der biologischen Diversität gefördert werden. (Nach: Bender liloti, das bei Gerstenpflanzen die pflan- S.F., Wagg C., van der Heijden M.G.A. (2016) An underground revolution: biodiversity and soil ecological enginee- zeneigene Abwehr gegen echten Mehltau ring for agricultural sustainability, Trends Ecol. Evol., 31(6):440-452. doi.org/10.1016/j.tree.2016.02.016.) 10 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN FORSCHUNG & ANWENDUNG Stabiles Ökosystem © GENOMXPRESS SCHOLÆ Landwirtschaftliches Feld • hohe Pflanzendiversität • verschiedene Wurzeltypen • diversifizierte Zusammensetzung der Exsudate • Ablagerung von heterogenem organischen Material • höhere mikrobielle Diversität • funktionierende Pflanzengemeinschaften • Pflanzen sind auf mikrobielle Partner zur Nährstoffversorgung angewiesen Interaktionen von Pflanzen und Mikroben in gewachsenen Ökosystemen und landwirtschaftlich intensiv bewirtschafteten Flächen. In Monokulturen schrumpft die mikrobielle Vielfalt im Boden. Dadurch können auch Kulturpflanzen anfälliger für Schädlinge werden. (Nach: Andreote F.D., Pereira E Silva M.C. (2017) Microbial communities associated with plants: learning from nature to apply it in agriculture, Curr. Opin. Microbiol., 37:29-34, doi.org/10.1016/j.mib.2017.03.011.) tum der Hauptwurzeln der Modellpflanze Mikrobengemeinschaften und gleichzeitig andere Arten auf derselben Ackerschmalwand zu unterdrücken und Boden werden „rekonstruiert“. Fläche sprießen. Dieses Phänomen wird die Bildung von Seitenwurzeln und Wur- Die Wirkung künstlich zusammenge- auch als „Bodenmüdigkeit“ oder „Nach- zelhaaren voranzutreiben. Wenn man stellter Mikrobengemeinschaften wird baukrankheit“ bezeichnet. Man kennt es noch besser versteht, wie Wurzeln wach- im Projekt RECONSTRUCT systematisch von Rosengewächsen, wie Apfelbäumen, sen und sich verzweigen, können die zu- untersucht. Dort werden die Mikroorga- oder auch bei Weizen. Weizenmüdigkeit gehörigen Prozesse in der Rhizosphäre, nismen identifiziert, die das Wachstum tritt auf, wenn an einem Standort jah- die die gewünschten Effekte hervorrufen, von Mais ankurbeln. Bodenorganismen relang nur Weizen angebaut wurde. Die gezielt gefördert werden. können heute mit moderner Hochdurch- dahintersteckenden Vorgänge sind nicht satzsequenzierung sehr genau erfasst gänzlich verstanden und werden derzeit werden. Ziel ist es, durch ein optimiertes intensiv erforscht. System aus Pflanzen, Boden und Mikroor- ganismen den Ertrag von Mais bei gerin- Von Natur aus sind Böden hetero- gerem Einsatz von Dünger und Pestiziden gen und kleinräumig strukturiert. zu steigern. Das Projekt RECONSTRUCT Sie bieten eine Fülle an Lebensräumen steht im Mittelpunkt des Projektporträts (Habitate) mit lokal sehr unterschied- „Ein optimales Mikrobiom“ auf Seite 18. lichen chemischen und physikalischen Bedingungen. Hier liegt ein Ursprung für Bei der Inokulation wird das die Vielfalt der Bodenorganismen. Groß- Saatgut direkt mit den gewünsch- flächige Monokulturen sind dagegen ten Bakterien beimpft. gleichförmig. Über mehrere Jahre hinweg Den Samen von Soja können beispielswei- wachsen dieselben Pflanzenarten mit se die Knöllchenbakterien gleich „mitge- den gleichen Eigenschaften (z. B. gleicher geben“ werden. Wenn sich die Rhizobien Wurzeltiefe) auf derselben Fläche. Hinzu nach der Aussaat im Boden etablieren kommen oft intensive Bodenbearbeitung können, gehen sie mit den Wurzeln der und eine Verdichtung des Bodens durch Pflanzen die gewünschte Symbiose ein schwere Landmaschinen. All dies fördert © Pixabay / JACLOU-DL (vgl. „Die Nachbarn von unten“ auf Sei- eine Reduzierung der mikrobiellen Le- te 4). Derzeit erforscht man das Potenzial bensräume. Die winzigen Samen der Orchideen der Inokulation von Getreidekörnern, um Daher kommt dem Zwischenfruch- besitzen kein eigenes Nährgewebe. auch hier gezielt Einfluss auf das Mikro- tanbau eine besondere Bedeutung zu. Sie können nur keimen, wenn sie mit biom und damit die Wurzelarchitektur, Als Zwischenfrüchte (auch Nebenfrüchte Endomykorrhizapilzen infiziert sind. das Wachstum und die Kornqualität neh- genannt) bezeichnet man Pflanzen, die Der Pilz versorgt den Keimling mit men zu können. zwischen Ernte und Aussaat der Haupt- den für die Keimung notwendigen kultur auf dem Acker ausgesät werden. Nährstoffen und Vitaminen. Bei der Bei manchen Pflanzen kommt es Sie sind Teil einer Fruchtfolge, der zeitli- kommerziellen Orchideen-Produkti- zu Wachstumsdepressionen. chen Abfolge verschiedener Pflanzenar- on spielt das keine Rolle, da die Dabei gehen Wachstum und Erträge auf ten auf einem Feld. Fruchtfolgen wirken Pflanzen hier vegetativ vermehrt derselben Fläche im Laufe der Zeit im- sich grundsätzlich positiv auf die biolo- werden. mer weiter zurück. Die Pflanzen wollen gischen, chemischen und physikalischen einfach nicht mehr gedeihen, während Eigenschaften des Bodens aus. Historisch GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 11
FORSCHUNG & ANWENDUNG MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN Zum Weiterlesen gesehen ist die Fruchtfolgewirtschaft sehr alt und seit mehr als tausend Jahren und Recherchieren landwirtschaftliche Praxis. Werden die Zwischenfrüchte am Ende untergepflügt, spricht man von Gründüngung. Dadurch verbleiben die von den Pflanzen aufge- nommenen und gebildeten Nährstoffe im Boden und stabilisieren die wertvolle Gemeinsam sind wir stark Humusschicht. Für die Gründüngung be- Biologische Pilzbekämpfung mit „guten“ Bakterien sonders geeignet sind Leguminosen, wie Ackerbohne, Klee, Wicken oder Lupinen, Im Boden lebende Bakterien können mit der Freisetzung flüchtiger organischer da sie mit ihren Wurzelknöllchen den Bo- Verbindungen die Pflanzen vor pathogenen Pilzen schützen. Besonders effektiv den zusätzlich mit pflanzenverfügbarem ist die Kombination verschiedener Bakteriengattungen, fanden Forscher heraus. Stickstoff anreichern. Tiefwurzelnde Lupi- www.pflanzenforschung.de/qr/biologische-pilzbekaempfung nen oder Sonnenblumen lockern den Bo- den auf. Fruchtfolgen mit Zwischenfruch- tanbau und Gründüngung helfen dabei, Die „Mikroben-assoziierte Landwirtschaft“ den Krankheits- und Schädlingsbefall auf Natürliche Vorgänge für die Landwirtschaft ausnutzen einer Ackerfläche zu reduzieren. Gerade auch in Hinblick auf den Klima- Viele Agrarökosysteme haben bereits ihre maximale Belastungs- und Leistungs- wandel wird die Forschung für gesunde fähigkeit erreicht. Gleichzeitig steigt der Bedarf an landwirtschaftlichen Produk- Böden in Zukunft stark an Bedeutung ten rasant. Landwirtschaft und ökologische Systeme können nicht mehr getrennt gewinnen. Bereits jetzt wurden hierzu betrachtet werden, so wie es lange Zeit geschehen ist. In den letzten Jahren mehrere Förderprogramme ins Leben ge- haben sich daher Wissenschaftler verstärkt mit den vielfältigen Interaktionen rufen. Die Projektsteckbriefe ab Seite 22 zwischen Boden und Pflanze beschäftigt. Dieses Wissen soll nun für eine stellen einige dieser Projekte vor. optimierte Nahrungspflanzenproduktion sowie für den Umweltschutz zusam- mengetragen und ausgewertet werden. www.pflanzenforschung.de/qr/mikroben-assoziierte-landwirtschaft Mikrobiome unter Klimawandelstress? Lufttemperatur und Feuchte beeinflussen mikrobielle Gemeinschaften im Boden Wie unterscheiden sich die Mikrobiome in den Wurzeln und im wurzelnahen Boden und was verursacht diese Varianz? Auf diese Fragen hat ein europäisches Forschungsteam unter Federführung des Kölner Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung jetzt Antworten gegeben. Für Eukaryoten und Prokaryoten fallen sie unterschiedlich aus. Das Klima und damit auch Klima Boden als nachhaltige veränderungen scheinen wichtige Faktoren zu sein. Ressource für die www.pflanzenforschung.de/qr/Klimawandelstress Bioökonomie In der Förderinitiative BONARES des Mikroben statt Dünger – Bundesministeriums für Bildung und Geht das, Samuel? Forschung (BMBF) steht die nachhal- tige Nutzung der begrenzten Res- Noch ist es eine Vision, aber sie wird konkreter: Wie gesund Pflanzen sind, source Boden im Mittelpunkt. Ziel ob sie genug Nährstoffe erhalten oder Trockenheit überstehen – das hängt ganz von BONARES ist es, das wissen- entscheidend von den Mikroorganismen im Boden ab. Wenn man sie und ihr schaftliche Verständnis von Bo- komplexes Zusammenspiel kennt, kann daraus ein neuer Ansatz für eine denökosystemen zu erweitern, die nachhaltige Landwirtschaft werden. Aber bis dahin ist noch viel Forschung nötig. Produktivität von Böden und anderen Mit Samuel Kroll, Science Slamer und Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Bodenfunktionen zu verbessern und Pflanzenzüchtungsforschung in Köln. (Video 6:07) transGEN neue Strategien für eine nachhaltige https://youtu.be/AE_UctAwCCk Nutzung und Bewirtschaftung von Böden zu entwickeln. Saatgut mit schützenden Pilzen ummanteln Das BONARES-Portal bietet Informa- tionen über die BONARES-Projekte, Um Kartoffeln widerstandsfähiger zu machen, wollen Forscher das Saatgut der Zugang zu Daten, Wissen und Nachtschattengewächse mit Nutzpilzen ummanteln und so zu einem robusteren Modellen sowie zu Entscheidungshil- Wachstum verhelfen. (BIOÖKONOMIE.de) fen für ein nachhaltiges Bodenma- https://biooekonomie.de/nachrichten/neues-aus-der-biooekonomie/ nagement. www.bonares.de saatgut-mit-schuetzenden-pilzen-ummanteln 12 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN ARBEITSAUFTRÄGE Durch Zwischenfruchtanbau lassen sich viele positive Effekte erzielen. Die abgebildeten Pflanzen werden in der landwirtschaftlichen Praxis häufig als Zwischenfrucht ausgesät: Phacelia (Bienenfreund), Lupinen, Wicken, Ölrettich, Rotklee und Weißer Senf. Bildquelle: © Adobe Stock/Anna/Oleg/tamu/Johannes/Martina Berg/belizar Arbeitsaufträge 1. Lies den Text und beschreibe verschiedene 4. Unter „dfv-karte.bonares.de“ findest du eine interaktive Landkarte der Dau- Ansätze des Ökologischen Engineerings. erfeldversuche in Deutschland zum Thema Boden. Informiere dich, ob es in deiner Umgebung auch Versuchsstandorte gibt und was dort untersucht wird. 2. Recherchiere die Begriffe „Fruchtfolge“, „Zwischenfruchtanbau“ und „Gründüngung“. 5. Unter dem Begriff „Bodenfunktionen“ versteht man wichtige Leistungen des Bodens für die Umwelt und den Menschen. Betrachte das Interview mit dem 3. Suche Hintergrundinformationen zu den Bodenforscher Professor Hans-Jörg Vogel vom Helmholtz-Zentrum für Umwelt- folgenden Pflanzen: Phacelia, Lupine, Wicken, forschung (UFZ) und nenne die wichtigsten Funktionen des Bodens. Beantworte Ölrettich, Rotklee und Weißer Senf. Zu außerdem folgende Fragen: Wodurch werden diese Bodenfunktionen gefähr- welchen Familien zählen sie? Warum sind det? Was sind Indikatoren für die Bodenqualität? sie als Zwischenfrüchte besonders geeignet? (Video 14:15) https://youtu.be/xx-VcYd2kAA Im YouTube-Kanal Blattgeflüster nimmt euch Wissenschaftsjourna listin Tamara mit auf eine Ermitt- lungstour durch die Welt der Pflanzenforschung. Sie präsentiert faszinierende Fakten über Pflanzen, ungeahnte Anwendungsmöglichkei- ten und zeigt Forschende und viele andere Akteure hinter den Kulissen. www.youtube.com/channel/ UCkTE_XVZ0xBqoe0oMB7jfoQ … fasziniert GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 13
EXPERTENINTERVIEW MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN PRIMING, GERSTE UND DAS ›SCHÖN-WETTER-EXPERIMENT‹ Das Experteninterview Bildquelle: © JKI mit Dr. Adam Schikora vom Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik am Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig Priming ist ein faszinierendes Phänomen, bei dem Pflanzen durch eine vorherige Stimulation schneller und stärker auf Trockenheit und Hitze oder auch Infektionen durch Krankheitserreger reagieren können. Ausgelöst wird Priming durch bestimmte Substanzen, die Verwundung der Blätter oder die Besiedlung der Wurzeln mit bestimmten Mikroben. Bei einem späteren Schädlingsbefall oder bei Trockenheit sind die Krankheitssympto- me geprimter Pflanzen wesentlich geringer. Durch das Priming wurde die Pflanze zuvor in einen Alarmzustand versetzt. Kommerziell nutzt man bereits das chemische Priming. Dabei werden Pflanzen gezielt mit synthe tischen Stoffen vorbehandelt, um besser auf Stress reagieren zu können. Vermehrt rückt nun auch das Poten- zial des Primings für den biologischen Pflanzenschutz sowie die Züchtung in den Vordergrund. Im folgenden Experteninterview spricht Dr. Adam Schikora vom Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik am Julius Kühn-Institut (JKI) in Braunschweig über seine Arbeit und seine Visionen im Projekt PrimedPlant. Im Rahmen von PrimedPlant werden die Potenziale und molekularen Mechanismen des Primings bei Gerste untersucht, ein entscheidender Ansatz zur Verbesserung der Resistenz einer unserer wichtigsten Kulturpflanzenarten. Das Forschungsprojekt PrimedPlant star- etwa bei einer Infektion mit Krankheits- Alarmzustand versetzt werden. Kommt tete kürzlich in die zweite Projektphase. erregern oder Trockenheit. Die Pflanzen dann ein Krankheitserreger, ist die Pflan- Zuvor hatte das Team bei Experimenten sind durch Priming „vorgewarnt“. Man ze darauf schon weitgehend vorbereitet herausgefunden, dass Priming die Wi- könnte das im übertragenen Sinne mit und abwehrbereit. derstandsfähigkeit von Gerste gegen ge- dem menschlichen Immunsystem ver- fürchtete Krankheiten wie Mehltau und gleichen. Wenn wir schon die richtigen Was wollen Sie über das Phäno- Zwergrost steigern kann. Funktioniert das Antikörper in uns tragen – das Thema ist men herausfinden und warum auch unter realen Anbaubedingungen? ja gerade in Zeiten von Corona sehr ak- haben Sie als Versuchspflanze Feldversuche sollen das jetzt bestätigen. tuell – dann können Pathogene wie Viren Gerste gewählt? Wir sprachen darüber mit Dr. Adam Schi- problemlos abgewehrt werden. Das Phänomen kennen wir schon länger. kora vom Julius Kühn-Institut (JKI), Bun- Was wir noch nicht wissen ist, welche ge- desforschungsinstitut für Kulturpflanzen So wie eine Impfung? netischen Faktoren bei den Pflanzen hier in Braunschweig. Der Mechanismus ist zwar komplett an- eine Rolle spielen. Nicht in jedem Geno- ders, aber konzeptuell ähnlich. Man gibt typ kann Priming gleich gut aktiviert wer- Sie erforschen im BMBF-Projekt der Pflanze die Möglichkeit, sich besser den. Natürlich kann man das auch mit PrimedPlant das Phänomen des zu wehren. Der Zustand eines aktiven Pri- Modellpflanzen wie Arabidopsis thaliana Primings. Was versteht man mings bedeutet, dass die Pflanzen durch erforschen, aber die möchte man nicht darunter? den Kontakt mit bestimmten Stoffen, unbedingt essen (lacht). Wir wollten eine Priming bewirkt, dass Pflanzen schneller beispielsweise bestimmten Chemikalien Nutzpflanze verwenden und das JKI-Ins- und stärker auf Stress reagieren können, oder bakteriellen Komponenten, in einen titut für Resistenzforschung und Stress 14 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN EXPERTENINTERVIEW Bildquelle: © Yvonne Becker/JKI Braunschweig Bildquelle: © Gwendolin Wehner/JKI Quedlinburg Befall eines Gerstenblatts durch den Schadpilz Gerste im Gewächshaus. Zu Beginn des Projektes testete das Projektteam an 200 Linien, ob und in welchem Puccinia hordei. Priming bedeutet, dass Pflanzen bei Maß die unterschiedlichen Genotypen primebar sind. Dafür wurden bestimmte bakterielle Moleküle als „Pri- Kontakt mit bestimmten Substanzen in einen erhöhten ming-Auslöser“ (Induktoren) eingesetzt. Abwehrzustand versetzt werden. Das schützt sie, wenn später Krankheitserreger angreifen oder extreme gen mit „ja“ beantworten können, dann brauchen Landwirte später auch keine Wetterbedingungen auftreten. Könnte man dieses könnten wir anhand der genetischen Ei- Chemikalien für das Priming einsetzen. Phänomen nutzen, um auch Kulturpflanzen durch genschaften vorhersagen, welche Pflan- Züchtung gezielt widerstandsfähiger zu machen? zen bzw. Pflanzenlinien Priming zeigen. Sind das spezielle Bakterien? Dieser Frage geht das Forschungsprojekt PrimedPlant Dann könnten Züchter diese Eigenschaft Nein. Wir benutzen als Modell ganz „nor- am Beispiel von Gerste nach. gezielt selektieren und am Ende den male“ Knöllchenbakterien, die in unseren Landwirten primebare Sorten anbieten. heimischen Böden natürlicherweise zu toleranz in Quedlinburg, ein Partner in Das ist unser Ziel. finden sind, und von denen wir wissen, unserem Projekt, hat einen sehr großen dass sie Priming auslösen können. genetischen Pool mit vielen Gerste-Ge- Welchen Auslöser für das Priming notypen. An diesem Fundus wollten wir verwenden Sie im Projekt? Wie sind sie dabei vorgegangen? unsere Hypothesen testen, zumal dieses Da kommen wir zu meinem speziellen Wir haben zunächst die Gerste vor der Getreide in Deutschland von großer Be- Fachgebiet, in dem ich am Institut für Keimung mit einem Bakterienstamm deutung ist. Epidemiologie und Pathogendiagnostik „beimpft“ – wir nennen das Inokulation – arbeite: Wir wollen untersuchen, inwie- von dem wir wissen, dass er Priming indu- Welche Hypothesen? fern im Boden vorkommende Bakterien ziert. Dann kommt es auf das Anbausys- Wir haben uns erstens gefragt, ob man diesen Job übernehmen. Diese produzie- tem an: Im Gewächshaus haben wir sie Gerste überhaupt primen kann. Und ren spezielle Signalmoleküle für die Kom- zwei Mal inokuliert und dann untersucht. zweitens, ob wir die verantwortlichen munikation untereinander. Doch Pflanzen Auf dem Feld werden zunächst die Samen Faktoren im Genom der Pflanze finden können „zuhören“ und darauf reagieren. inokuliert und ausgesät. Dann versorgen können. Unsere Annahme am Anfang des Wenn also ein passendes Mikrobiom im wir sie dort noch zusätzlich mit den för- Projektes war: Wenn wir diese beiden Fra- Boden die Pflanze primen kann, dann derlichen Bakterien, indem wir die Pflan- Bildquelle: Dimitar Kostadinov Douchkov/IPK Gatersleben Bildquelle: © Gwendolin Wehner/JKI Quedlinburg Bildquelle: © Nina Bziuk / JKI Braunschweig Uredosporen von Puccinia hordei auf einem Das Team analysierte im Labor, welche physio Myzel von Schadpilz Blumeria graminis auf einem Gerstenblatt. Die behandelten Pflanzen wurden logischen Reaktionen durch den Stress hervor Gerstenblatt. In der ersten Projektphase (2016- anschließend Schadpilzen ausgesetzt und ihre Reak- gerufen werden und wie die Schaderreger 2019) zeigte sich bereits, dass ein Priming von Gerste tionen darauf analysiert. Dabei zeigte sich, welche mit den Pflanzen interagieren. Es wurden auch durch Knöllchenbakterien (Ensifer meliloti) möglich Genotypen besonders gut primebar waren und damit genomweite Assoziationsstudien durchgeführt, um ist, die auch natürlicherweise im Boden vorkommen. widerstandsfähiger gegen Krankheitserreger. herauszufinden, welche genetischen Elemente für ein Die geprimten Pflanzen waren gegen verschiedene Priming essentiell sind. Krankheitserreger wie Mehltau und Zwergrost sowie Schädlinge wie Blattläuse deutlich widerstandsfähiger. GENOMXPRESS SCHOLÆ 7 15
EXPERTENINTERVIEW MIKROBIOM DER KULTURPFLANZEN Bildquelle: © Yvonne Becker/JKI Braunschweig Bildquelle: © Nina Bziuk/JKI Braunschweig zen mit Wasser gießen, das die Bakterien enthält. Es trifft sich ganz gut, dass wir heute miteinander sprechen, weil wir ge- rade ein kleines Feldexperiment bei uns angefangen haben. Wir haben in der ersten Projektphase von 2016 bis 2019 herausgefunden, dass Gerste sehr wohl primebar ist. Die behan- delten Pflanzen waren widerstandsfähi- ger gegen Krankheitserreger, die Mehltau und Zwergrost verursachen. Aber auch gegenüber Schadinsekten. Diese Erkennt- nisse wollen wir in der zweiten Phase nun auch im Feld testen. Keimende Blumeria graminis Spore. Ein weiteres Bodenmikrobiome: Bakterielle Isolate aus der Wieso sind noch Feldversuche Ergebnis ist, dass der Effekt stark vom jeweiligen Rhizosphäre einer Gerstenpflanze. In der zweiten notwendig? Genotyp abhängt. Einige Linien ließen sich gut primen, Phase des Projekts (2020-2023) sollen nun Marker für Wir wollen untersuchen, wie sich die andere überhaupt nicht. Zwei spezifische Genomab- diese QTLs identifiziert werden, um gezielt primebare geprimte Gerste unter natürlichen Be- schnitte konnte das Team identifizieren (sogenannte Gerstensorten züchten zu können. Zusätzlich wird dingungen verhält. Was im Labor und quantitative trait loci oder kurz QTLs), die für ein das natürliche Bodenmikrobiom der Gerste genauer erfolgreiches Priming notwendig sind. analysiert. Dabei soll auch die Frage geklärt werden, ob sich Priming-induzierende Mikroorganismen gegen Gewächshaus funktioniert, muss nicht anderen Mikroorganismen im Boden durchsetzen notwendigerweise auch auf dem Feld können. funktionieren. Daher planen wir gro- ße Feldversuche an zwei Standorten, in zweite Projektphase läuft jetzt erst an Nord- und in Süddeutschland. Sie un- und die aktuelle Lage mit dem Corona- terscheiden sich nicht nur in den Böden virus hat alles etwas verzögert. Aber wir und damit auch im jeweils vorhandenen sind froh, dass wir zumindest den kleinen Mikrobiom, sondern auch in der Anbau- Feldversuch bei uns starten konnten: In- geschichte und dem Klima. tern nennen wir ihn unser „Schön-Wet- ter-Experiment“ – dafür kamen alle gern Haben sie auch schon die gene- aus dem Home-Office, um mit zwei Me- PrimedPlant tischen Faktoren gefunden, die tern Abstand die Gerste auf dem Feld Gerste primebar machen? auszusäen. Priming als eine Strategie zur Ja, wir haben zwei Regionen im Erbgut Verbesserung der Resistenz von gefunden, die für das Priming nötig sind. Haben Sie vielen Dank für das Kulturpflanzen und ein mögliches Das ist wichtig, um molekulare Marker Gespräch und viel Erfolg bei Züchtungsziel für die Züchtung zu entwickeln. Aber die Ihrem Projekt! Bildquelle: © Adam Schikora/JKI Braunschweig • Versuchspflanze: Gerste • Förderprogramm: Pflanzen züchtungsforschung für die Bioökonomie (BMBF) • Förderkennzeichen: 031B0196/ 031B0886 • Laufzeit: 01.10.2016 – 30.09.2019/ 01.02.2020 – 31.01.2023 • Projektbeteiligte (Phase II): Justus-Liebig-Universität Gießen, Julius Kühn-Institut ( JKI) – Institut für Epidemiologie und Pathogen diagnostik (Braunschweig), Julius Kühn-Institut ( JKI) – Institut für Resistenzforschung und Stresstole- ranz (Quedlinburg), Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kultur pflanzenforschung (IPK) Gaters leben, Ackermann Saatzucht GmbH, Limagrain GmbH, ABiTEP GmbH So sieht das „Schön-Wetter-Experiment“ am JKI Braunschweig aus. In der zweiten Projektphase • Mehr informationen beginnen auch Feldversuche an zwei Standorten – in Bayern und Niedersachsen. Hier werden zwei Referenz- www.pflanzenforschung.de/qr/ sorten und fünf Gerste-Linien angebaut, die unterschiedlich primebar sind. Das Team überprüft dabei, wie die PrimedPlant unterschiedlichen Genotypen unter Feldbedingungen reagieren. Das Priming erfolgt durch Bakterien, die im Gießwasser enthalten sind. 16 GENOMXPRESS SCHOLÆ 7
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