Schrei vor Frust - Carpathia AG
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Trends Online-Shopping Schrei vor Frust Mit aller Macht drängen Traditionsfirmen ins Web und nehmen damit den Kampf gegen die Online-Anbieter auf. Manch alter Konzern zeigt sich siegesgewiss – dabei ist das Risiko enorm. Foto: Infinity/Fotolia Kristina Gnirke Text 64 BILANZ 17/2012
P Wer mit einem Online-Shop ure Not treibt Max der Brüder Oliver, Marc und Alexander durchstarten will, braucht Manuel Vögele an. Samwer, das Zalando einst mit dem nöti- die richtige Strategie – und viel Geld. Im März peppt er gen Kapital an den Start gebracht hat, den Online-Shop glaube nicht mehr an die Idee. «Die seiner Schuhfirma Samwers planen den Ausstieg», heisst es Vögele auf – doch in Investmentkreisen. Über 100 Firmen jubelt der Chef der haben sie im Web gross gezogen, manche Familienfirma über waren top, manche ein Flop. die Innovationen? Keine Spur. Heute Wenn selbst pure Internetplayer wie müsse man als grosser Schuhhändler den Zalando im Web kriseln, wie arg trifft es Kunden auch im Internet etwas bieten, dann die Newcomer aus der alten Laden- lässt er wissen. Es klingt wenig nach Lust. welt in der Online-Ära? Vögele wird gejagt. Den wichtigsten Grund für die Shopkur nennt er selbst: Zalando. Wette auf die Zukunft. Verheissungsvoll Wie ein Orkan fegt der deutsche Inter- tönen die Versprechungen des Internets. net-Modehändler über Europa hinweg. Angelockt von Megaerfolgen wie dem US- Seine Werbung «Schrei vor Glück» mit Versandriesen Amazon, drängen immer kaufsüchtigen Frauen hält seit Herbst mehr Firmen hinein. Dabei sind die Risi- auch in der Schweiz Händler in Atem. ken enorm, Gewinne rar. Denn der Sprung Kleider, Taschen, Schuhe – mit Zehntau- mit der Marke ins Netz ist teuer. Perfekt senden Produkten und einer selten gese- müssen alte und neue Welt verknüpft wer- henen Marketingshow will Geschäftsfüh- den, neue Serviceleistungen, neue Ideen rer und Mitgründer Robert Gentz Zalando braucht es. Das Dilemma: Kein Unterneh- an die Marktspitze hieven. Im Schweizer mer kommt daran vorbei. Neue Rivalen Mode-Internethandel liegt er beim Um- tauchen im Web auf und machen alten satz schon nach so kurzer Zeit auf Platz Firmen das Geschäft streitig. Zweistellige drei hinter La Redoute und Heine. Wachstumsraten stellen die mickrigen Zalandos Lautstärke übertönt die bit- Zuwächse im Laden in den Schatten. Wer tere Seite der Online-Welt: Gewinne sind zu spät kommt, steht schnell im Abseits. weit entfernt. Schon 2010 verzehnfachte Welche Geschäftsidee zündet, weiss in sich der Verlust auf 25 Millionen Franken, diesem Wettkampf aber niemand. Es ist bei 193 Millionen Umsatz. Das teure Mar- eine grosse Wette auf die Zukunft, und keting frisst den Erlös. Doch Gentz’ gros viele Händler werden sie verlieren. Denn ses Problem ist die Geschäftsidee. Der es warten etliche Fallen. Shop garantiert Gratisversand und -rück- Zalandos Markteintritt hat nicht nur gabe. Das hat die Retourenquote laut In- Vögele aufgeschreckt. «Das war ein Weck- sidern auf über 60 Prozent getrieben. Im ruf für viele Händler», sagt Adrian Hofer, Schnitt liegt die Branche bei 40. «Sie krie- Handelsexperte von Boston Consulting in gen es nicht gesenkt», sagt ein Kenner der Zürich. «Manche, die zuvor online kaum Probleme. Zalandos Hauptaktionär, das aktiv waren, haben begonnen, schnell Berliner Investmenthaus Rocket Internet nach Lösungen zu suchen.» • 17/2012 BILANZ 65
Trends Online-Shopping Bekleidung lich im Laden ein. Zusätzlich erlaubt es Sehen, fühlen, riechen das Surfen im Internet, die eigene Indivi- dualität zu fördern. «In der Mode wollen wir Neues entdecken. Das Web hat dazu Kleider zu kaufen, ist und bleibt ein sinnlicher, sozialer Akt – viel mehr Vorschläge parat, als es sich auch wenn das Online-Geschäft immer wichtiger wird. Modegeschäfte je werden leisten können», sagt Ralf Wölfle, Professor für E-Business Mit konzentriertem Blick scannt die an der Fachhochschule Nordwestschweiz. geübte Internet-Shopperin in Sekunden- Hauptsächlich im Bereich der Massen- bruchteilen jedes einzelne Kleidungsstück. produktion sehen Experten ein grosses Klick, klick, und schon ist das crèmefar- Wachstumspotenzial für den Online- bene Seidenkleid gekauft. Doch kaufen Handel. Spezialisierte Anbieter, wie wirklich so viele im Internet ein? Bei beispielsweise jene für Übergrössen, sind einem Gesamtmarktvolumen von 10,6 relativ resistent gegen Online-Wettbewer- Milliarden Franken werden nach Schät- ber. Tendenziell wird im Bereich Beklei- zung des Marktforschungsinstituts GfK dung das Internetangebot wachsen, aber gerade einmal zwischen sechs und sieben dem stationären Handel noch lange nicht Prozent des Umsatzes im Internet gene- den Rang ablaufen. KB riert. Der Kleiderkauf ist und bleibt für 45 Millionen Franken Umsatz im viele Menschen ein sozialer Akt. Wer Online-Handel: La Redoute. schlendert nicht gerne mit Freunden durch die Stadt und bestaunt die Rolex- St. Gallen betont, dass die Konsumenten Bekleidung: die Top 3 Geschätzter Umsatz in Mio. Fr. Uhr oder die Wildleder-Pumps von Dolce immer öfter zwischen den Kanälen Laredoute.ch 45,0 & Gabbana im Schaufenster? «Online» und «Stationär» wechseln. In Dennoch werden Online-Shops für sta- der Vorkaufsphase holen sie sich erste Heine.ch 40,7 tionäre Verkaufsläden zukünftig immer Informationen – vorzugsweise im Internet Zalando.ch 37,0 wichtiger. Eine Studie der Universität –, kaufen dann aber trotzdem mehrheit- Quelle: iBusiness, Carpathia Consulting • Mittlerweile wird der Markt ja auch Morath, Managing Partner von Roland Markt, der Elektronikhändler werde 2015 ttraktiv. Jahrelang haben Schweizer a Berger Strategy Consultants in Zürich. in Deutschland Webmarktführer. Dabei Unternehmen Online-Kunden mehr oder Ihre Erfahrung: Oft sind die Online- muss das Management froh sein, den weniger ignoriert. Und das, obwohl die Konzepte nicht durchdacht, dem Web- A nschluss zu halten. Seit Jahren führt Eidgenossen sehr webaffin sind. 39 Pro- auftritt fehlt die Integration in die bis Amazon die Branche an, Media Markt zent der Schweizer prüften Marken sogar herige Filialkette. verkauft die Produkte erst seit Jahresbe- auf Social-Media-Seiten wie Facebook, Manche Firmen riskieren selbst dann ginn in Deutschland und der Schweiz stellt Boston Consulting in einer aktuel- eine grosse Klappe. So tönt es von Media online. «Ein Blutbad» sei dafür nötig len Studie fest. Kauften sie 2006 für vier gewesen, sagt der Chef eines Elektronik- Milliarden Franken ein, sind es heute händlers. Denn von jeher führen die bereits rund neun Milliarden, zeigt die Geschäftsführer des rot-weissen Handels- Universität St. Gallen. Gut, der Gesamt- riesen ihre Filialen autonom, auch bei den handel setzt das Zehnfache um – aber Preisen – sie wollten keinen Online-Shop, dafür wächst er pro Jahr nur um 2 Pro- der naturgemäss nur einen Preis offeriert. zent, das Online-Geschäft hingegen um Nach viel Streit hat man sich geeinigt – 20. Tablet Computer machen das Surfen auf ein Miniangebot: 2500 Artikel verkauft vom Sofa aus bequemer, und bald kom- der Konzern im Internet in Deutschland. men Mobilfunk-Apps, mit denen Nutzer In der Schweiz will Media-Markt-Landes beispielsweise auf der Strasse eine Ta- chef Karsten Sommer mit nur 1000 Pro- sche fotografieren und im Internet nach dukten online brillieren. Dabei bietet die dem Preis und einem Shop suchen kön- Firma in jeder F iliale über 100 000 Pro- nen, der die Tasche führt. dukte an. Amazon das Vielfache davon – Manager, die nur ihre Filialen kennen, und das zu niedrigeren Preisen. stolpern im Web nun über diverse Fall- Die Angst vor dem Neuen lässt viele stricke. «Viele Unternehmen sind zu zag- Firmen straucheln. Die Mitarbeiter haft, andere starten zu spät oder gehen boykottieren das Web aus Sorge, ihren wiederum zu massiv im Marktauftritt an Job zu verlieren. Resigniert sagte der das Internetgeschäft heran», sagt Beatrix Chef eines grossen deutschen Waren- 66 BILANZ 17/2012
Unterhaltungsmedien Röthlin läuft die Migros-Tochter auch Zweigleisig zum Erfolg deshalb besser als der Markt, weil sie das Geschäft im Laden und im Web optimal miteinander vernetzt hat. Kunden von Ex Ex Libris erzielt schon ein Drittel der Erlöse im Internet. Mit Libris können beispielweise eine CD einer Strategie, die auch kleinen Buchhändlern gut täte. online bestellen und im Laden abholen. Es sind hauptsächlich die getrennten Bücher, CDs, Filme: An Megaseller Ama- Strukturen für Online und Stationär, zon kommt in diesen Sparten niemand weshalb viele Geschäfte der Unterhal vorbei. Der weltweit bekannteste Online- tungsmedienbranche zurückbleiben. Anbieter von Unterhaltungsmedien bringt Zukünftig gilt für die Buchhändler, viele stationäre Läden in eine prekäre sich mit gutem Service von der Konkur- Situation. Der mühselige Gang aus dem renz abzuheben und das Webgeschäft mit Haus in einen Laden ist für ein Stück dem Laden um die Ecke möglichst benut- gebundenes Papier in Pappe oder eine zerfreundlich zu verbinden. «Nur mit glänzende Plastikscheibe nicht mehr kombiniertem Online- und Offline- nötig. «Man stellt sich die Frage, wofür es Geschäft können wir gegen Amazon Buchläden überhaupt noch braucht und bestehen», sagt Röthlin. KB welche Funktionen sie haben», sagt Mar- Optimale Verquickung von Internet und tina Kühne, Konsumforscherin am Gott- realer Welt: Ex Libris. lieb Duttweiler Institut. Unterhaltungs- medien wie Bücher, CDs oder Filme es schwer, gegen die zahlreichen Web Unterhaltungsmedien: Geschätzter die Hits Umsatz in Mio. Fr. müssen von Kunden vor dem Kauf nicht anbieter zu bestehen. mehr unbedingt angefasst oder genaus- Der Schweizer Marktführer Ex Libris Exlibris.ch 60,0 tens unter die Lupe genommen werden. (seit 1999 auch online) macht bereits ein Weltbild.ch 38,0 Ist man nicht ein spezialisierter Laden Drittel seines Gesamtumsatzes im Inter- Buch.ch 37,0 oder geniesst einen blendenden Ruf, fällt net. Aus Sicht von Ex-Libris-Chef Daniel Quelle: iBusiness, Carpathia Consulting hauskonzerns jüngst in kleinem Kreis: fühlten auch seine Manager. Die Aktion neues IT-System verknüpft die Filialen «Mich muss keiner überzeugen, ein gutes eröffnete eine wichtige Diskussion. nahtlos mit dem Webshop, per Mobilfunk- Angebot im Internet zu machen, aber Mit dem Internetshop kommt eben App können Kunden mit dem Smart- u nsere 18 000 Mitarbeiter schon.» nicht nur ein neuer Laden hinzu. «Wir phone bezahlen und Bons einlösen, die Um seine Truppe bei der Stange zu hatten vorher ein zweidimensionales Logistik arbeitet ganz neu. Burger will in halten, greift Philippe Olivier Burger auch Geschäft, jetzt hat es eine dritte Dimen- seinen Läden kleine Laptop-Terminals zum Besenstiel. Der Eigentümer und sion», sagt Burger. «Manche Unterneh- aufstellen, damit die Kunden sich Pro- Chef der Modehauskette PKZ Burger-Kehl men glauben, es reiche fürs Online-Ge- dukte etwa in anderen Farben ansehen mit den Marken PKZ, Burger, Feldpausch schäft, ein paar Päckchen zu packen und und bestellen können. 150 000 Besucher und Blue Dog startete voriges Jahr die zu versenden. Das ist falsch.» Der PKZ- zähle die Website pro Monat, 60 000 Kun- Website Thelook.ch – nach drei Jahren Chef hat die Firma umgekrempelt: Ein den hätten die mobile App heruntergela- Planung ist sie perfekt integriert mit dem den, sagt Burger stolz. «Das alles wird in Filialgeschäft. Doch der Wandel, der alle einigen Jahren selbstverständlich sein.» Prozesse umgestülpt hat, liess die Firma Noch ist es alles andere als das. Auch in kräftig knirschen: «Nach der Entschei- mancher PKZ-Filiale bleibt die Webwelt dung für den Schritt vor drei Jahren ru- vor der Tür: Die Verkäufer ignorieren den morte es in allen Bereichen», sagt Burger. Online-Shop, wenn eine Grösse fehlt. Fragt der Kunde nach der Website, wird er Zwei Geschäfte, drei Dimensionen. Den gebeten, dort nachzusehen. Burger muss Sturm, den sein Unternehmen erfasst noch viele seiner Leute überzeugen. hatte, wollte er veranschaulichen. Anfang Nicht nur die Mitarbeiter bocken. Die 2011 beim jährlichen Kader t reffen am Systeme neu auf die Internetzeit einzu- Ägerisee waren die Präsentationen gerade stellen, ist für viele Manager schon zu beendet, da trat Burger mit Führungs- viel. Die Anforderungen würden von den kräften auf: Er nahm einen Besenstiel, meisten brutal unterschätzt, warnt band ein Tuch daran und wedelte damit E-Commerce-Berater Thomas Lang von durch seine tanzende Laientheater- Carpathia Consulting. Plötzlich stünden gruppe. Solch ein Durcheinander – so Unternehmer vor dem Problem, dass • 17/2012 BILANZ 67
Trends Online-Shopping Lebensmittel Dominique Locher, Marketingdirektor Hunger nach mehr von LeShop, ist dennoch überzeugt, dass Online mittelfristig zwei bis drei Prozent Marktvolumen erreichen wird. Zum Der Detailhandel erzielt nicht einmal ein Prozent des Umsatzes Vergleich: Spitzenreiter England bringt es online. Das soll sich ändern – auch dank den Smartphones. auf fünf Prozent Online-Anteil. «Haupt- treiber für das Wachstum werden die Eigentlich müsste man meinen, es sei das Smartphones sein», ist Locher überzeugt. Glück aller Haus- und Berufsfrauen, dass Bereits heute kommt bei LeShop jede sie ihre Lebensmittel in der Schweiz seit fünfte Bestellung über ein mobiles End einigen Jahren im Netz bestellen können. gerät herein. Mit LeShop Drive startet das Kein umständlicher Gang in den Super- Unternehmen, das 1998 gegründet markt mehr, keine Schlepperei von Ein- wurde, im Oktober zudem ein Pilotpro- kaufstüten. Doch bis dato werden, die jekt. Neu soll der Kunde auf Wunsch Marktführer Migros (LeShop) und Coop seine Ware an bestimmten Punkten ab- zusammengerechnet, lediglich 0,8 Pro- holen können – und erfährt damit mehr zent der Lebensmittelkäufe online getä- Komfort, weil er so auch kleinere Bestel- tigt. Umsatzspitzenreiter Nespresso zählt lungen aufgeben kann, die LeShop sonst in der Branche aufgrund seines einsei Mit Abstand grösster Schweizer Food- nicht ausliefert. KFK tigen Angebots nicht als grosser Lebens- Anbieter im Internet: Nespresso. mittelhändler. Grund für den kleinen Anteil an einem andern wollen die Konsumenten ihre Food: die Spitzenreiter Umsatz in Mio. Fr. allerdings gigantisch grossen Markt (36 Lebensmittel eben immer noch gerne Nespresso.ch (geschätzt) 220,0 Milliarden Franken) ist zum einen die im Laden sehen oder riechen. Deshalb hohe Supermarktdichte in der Schweiz: wird der Food-Bereich auch nie im glei- Leshop.ch 150,0 Beinahe an jeder Ecke sind die Platz chen Masse digitalisiert werden wie etwa Coop@home.ch 85,8 hirsche Migros und Coop präsent. Zum der Buchhandel. Quelle: iBusiness, Carpathia Consulting • sie keine Debitoren-Buchhaltung Das Internet gibt es schon lange, doch Vor einem Jahr kündigte der Reiseanbie- haben, die ihr Online-Shop für Zahlun- damit Geld zu verdienen, ist Neuland. ter, einer der Top-3-Player im Schweizer gen gegen Rechnung oder Kreditkarte Keiner weiss, welche Geschäftsmodelle Markt, gross eine neue Online-Reiseagen- braucht. Die IT bleibt oft getrennt, sodass funktionieren. Die Migros kauft ihr Know- tur an. Das Projekt Etrips.ch, mit dem Kunden mit Fragen nach Lieferungen Medienhaus Ringier lanciert, sollte zum oder Retouren online bestellter Ware im tonangebenden Schweizer Ferienportal Laden auf taube Ohren stossen. Und viele werden, «mit dem grössten Flug- und Lager sind noch darauf eingestellt, wie bisher Produkte kistenweise in Filialen Wem es gelingt, Ferienprogramm der wichtigsten Anbie- ter zu tagesaktuellen Preisen». zu liefern, statt sie einzeln zusammen gestellt zu verpacken. Offline und Online Gefährdete Branchen. Der E-Trip endete All das zu verändern, muss man sich zu fusionieren, schnell. Dieses Jahr strich Wittwer die leisten können. PKZ-Patron Burger hätte stattdessen gut zwei Filialen eröffnen kann reich belohnt Investitionen. «Wir mussten erkennen, dass es viel mehr Mittel braucht, als wir können. In die Millionen sei seine Inves- werden. geglaubt hatten, um eine neue Marke tition für das Online-Engagement gegan- bekannt zu machen. Wir müssen genau gen. Wer Online- und Offline-Welt wie überlegen, auf welchen Brand wir einzah- bei PKZ zusammenführt, zahlt nach len – und haben uns dabei für unsere Erfahrung vieler Manager viermal mehr how daher lieber zu: Der Handelsriese bewährten Marken TUI und Vögele ent- als derjenige, der sie getrennt nebenein- übernahm mit Digitec einen Internet- schieden.» TUI Suisse selbst erreicht laut anderher laufen lässt. Wer sich traut, Elektronikhändler und mit LeShop einen eigenen Angaben i mmerhin einen kann reich belohnt werden: «Werden Online-Lieferservice für Lebensmittel. Online-Anteil von 20 Prozent. Dennoch beide Vertriebskanäle koordiniert, stei- So umgeht Migros das Risiko, am extre- sei Etrips wichtig für die Lernkurve. Man gen die jährlichen Wachstumsraten um men Wandel im eigenen Unternehmen habe geglaubt, mit Online-Auftritten 25 Prozent», sagt Oliver Emrich, Leiter zu scheitern, und ist im Web dabei. Geld für Kataloge und Reisebüros zu spa- des Kompetenzzentrums E-Commerce Wie es anders laufen kann, musste ren. Das ging nicht auf. «Auch der der Universität St. Gallen, der Managern Martin Wittwer leidvoll erfahren. Der Online-Vertrieb kostet», sagt Wittwer. nun auch ein Seminar anbietet. CEO von TUI Suisse glaubte an eine Idee: Doch er lässt eine Tür offen: Noch wird 68 BILANZ 17/2012
Reisen Die schweizerische Fremdenverkehrs- Immer stärker vernetzt bilanz 2011 beziffert den Posten der Aus- landreisen unter «Reiseverkehr mit Über- nachtungen» auf 9,4 Milliarden Franken Ein immer grösserer Teil des Reisegeschäfts verlagert sich ins pro Jahr. Um dieses Marktvolumen ent- Internet. Platz für gute Reisebüros gibt es aber weiterhin. brennt ein immer schärfer geführter Kampf. Ausländische Online-Anbieter Innert weniger Jahre ist das Netz für alle agieren sehr preisaggressiv und holen sich touristischen Geschäfte enorm wichtig Kuchenstücke der hiesigen Platzhirsche, geworden. Mit hoher Preistransparenz, die sich nun alle zu «Online-driven Com- Schnelligkeit und Verlässlichkeit der panies» entwickeln wollen. Wohin der Reservationen ging das Know-how, das Trend läuft, lässt sich heute schon in gro- früher beim Reiseveranstalter lag, in vie- ben Zügen abschätzen: Reiseveranstalter len Gebieten auf den Konsumenten über. bieten online verstärkt die «Dynamic Statt dem Reisebüro vertraut der Konsu- Packaging»-Technik an. User können sich ment diversen Bewertungsplattformen. so zu tagesaktuellen Preisen ihr eigenes Trotzdem macht die Internetwalze den Arrangement aus Flug, Hotel und Miet- Schweizer Reisebüros – ihre Zahl sank in wagen zusammenstellen und online der letzten Dekade von rund 3000 auf Standardisiert, einfach, erfolgreich: buchen. AG 2000 – nicht automatisch den Garaus. Website der Swiss. Beratungsintensivere Geschäfte, also grössere Rund- und Fernreisen oder Kreuz- Gemäss jüngsten Umfragen bucht die Reisen: die Umsatzbolzer Geschätzter Umsatz in Mio. Fr. fahrten mit verschiedenen Hin- und Rück- Hälfte der Schweizer ihre Auslandreisen Swiss.com 1 100,0 flugdestinationen, dürften weiterhin von im Netz. Die hohe Online-Affinität betrifft spezialisierten stationären Anbietern ab- einfachere und günstigere Reiseabschnitte Ebookers.ch 138,6 gewickelt werden – sofern sie Kundennut- wie Städteflüge, Hotels, Badeferien- Travel.ch 80,0 zen generieren (und verrechnen) können. Arrangements oder auch Mietwagen. Quelle: iBusiness, Carpathia Consulting Etrips nicht ganz abgeschaltet. Vielleicht gieberater Fritze von Berswordt von der lassen sich Möbel und Autos im Web kommt ja die zündende Idee noch. Düsseldorfer Consultingfirma SMP fest. schlechter verkaufen. Wer mehrere 10 000 Besser wäre es, denn die Reisebranche Modehändler sind, wie Zalando zeigt, Franken für einen neuen Wagen ausgibt, wird im Web besonders attackiert. Flug- sehr gefährdet ohne gute Webidee. Auch will ihn auch probefahren, ein Gefühl für tickets, Hotelsuche, Preisvergleiche – vor Elektronikfirmen wie Media Markt ste- die Sitze, die Lenkung haben. Wer sich den Ferien gehören Internetportale zum hen unter Zugzwang, denn den meisten ein Sofa zulegt, will es vorher anfassen Begleiter. So geht es nicht allen Branchen. Kunden ist es egal, ob sie die Artikel vor- und darauf sitzen. «Es gibt Segmente, da steigt das Risiko her selbst in der Hand hatten. Genauso Bequem zurücklehnen können sich für stationäre Händler durch das Web geht es auch dem Buchhandel, den Ver- Händler dennoch in keiner Branche. weit stärker als in anderen», stellt Strate- käufern von Musik und Filmen. Dagegen Nicht einmal im Luxusmarkt sind sie • ANZEIGE
Trends Online-Shopping Elektronik umsatz von 1,75 Milliarden Franken rund Der Preis ist heiss 15 Prozent aus dem Online-Geschäft. Ob im Internet oder in der Filiale: Die grösste Herausforderung für Unternehmen ist es, Das Online-Geschäft wird von der besseren Vergleichbarkeit sich im Konkurrenzkampf zu profilieren. der Produkte angeregt – und von den tiefen Preisen. Luca Giuriato vom Marktforschungsinsti- tut GfK sagt: «Es kommt nicht primär da- «Wer ein Notebook kaufen will, für den rauf an, ob man nun Online-Händler funktioniert das im Web genauso gut wie oder Besitzer eines stationären Ladens ist. im Laden, wenn nicht besser», sagt Einzig die Differenzierung gegenüber an- Roland Brack, Gründer von Brack.ch. deren Wettbewerbern ist entscheidend.» Produkte und Preise liessen sich einfacher Der Elektronikmarkt wird sich aller- vergleichen, und es gebe die Empfehlun- dings nicht vollständig in den Online- gen anderer Kunden. Heute sind fast Handel verlagern. Gut zu sehen ist das alle technologisch bis auf die Zähne bei Digitec, dem Schweizer Spitzenreiter bewaffnet. In jedem Haushalt ist mindes- im Bereich Elektronik: U rsprünglich tens ein Computer, iPhone oder iPad vor- ausschliesslich Online-Player, hat das handen, von denen man schnell und ein- Unternehmen längst auch stationäre fach auf das Internet zugreifen kann. Den Vom reinen Online-Player zum Läden eröffnet. KB Konsumenten ist es weniger wichtig, die erfolgreichen Ladenbetreiber: Digitec. Produkte anzufassen, als sie zu einem guten Preis im Web zu erwerben. «Ent- Vor allem der Online-Markt für Video- Elektronik: die Topverkäufer Geschätzter Umsatz in Mio. Fr. scheider grosser Elektronikhäuser erwar- kameras boomt. Es werden bereits 25 Pro- Digitec.ch 250,0 ten, dass in fünf Jahren bis zu 60 Prozent zent aller Videokameras im Internet des Umsatzes online stattfinden», sagt bestellt. In der Consumer-Elektronik Brack.ch 120,0 Fritze von Berswordt von der Strategiebe- (Fernseher, Stereoanlagen, Radios, MP3) Arp.com 95,7 ratung SMP. stammen bei einem jährlichen Gesamt- Quelle: iBusiness, Carpathia Consulting • vor der Cyberattacke sicher. Mit dem Louis Vuitton, Dolce & Gabbana oder können sich noch sicher wähnen. Das Online-Luxusmodeportal Net-a-porter. Prada Taschen und Kleider online. Auto- Anfühlen der Stücke und die Beratung com, das zum Luxuskonzern Richemont Internethändler drücken mit Tiefstprei- stehen hoch im Kurs. Wie lange noch? gehört, hat Natalie Massenet es geschafft, sen die Margen von Autokonzernen, die Wer weiss. Die Website Schmuck.ch teure Ware im Web attraktiv zu machen. nun allesamt intern eigene Webshops belegt nicht umsonst das Mittelfeld unter Mittlerweile verkaufen auch Marken wie a ndenken. Schmuck- und Uhrenhändler den 100 grössten Schweizer E-Com- ANZEIGE
merce-Anbietern, die iBusiness und Car- Webauftritt seines Bücherhauses Press & keting oder Produktstrategie, kümmern pathia ermittelt haben. Books blickt. Wer dort Lesestoff bestellt, sich um alle Verkaufskanäle. Was vielen Firmen Angst macht: Die muss ihn im Laden abholen. Weniger In- Ob PKZ-Inhaber Burger oder Ex-Lib- Auslese im Web wird immer brutaler. ternet geht online kaum. ris-Chef Röthlin: Mit ihren Filialen hal- Leichte Preisvergleiche schaffen Transpa- Dabei wird – angetrieben von Amazon ten sie Trümpfe in der Hand, können spe- renz, sodass viele Anbieter durchfallen. – gerade das Buchgeschäft vom Web ins zielleren Service anbieten. Nun müssen Es ist so schlimm, dass Berater wie SMP- Aus gestellt. Noch ist der stationäre A nteil sie ihr Blatt gut spielen. «Diejenigen wer- Experte Fritze von Berswordt dafür ein grösser. Doch ohne das Internetgeschäft den gewinnen, die Online- und stationä- neues Wort benutzen: Amazonification. sieht Ex-Libris-Chef Daniel Röthlin eine ren Handel intelligent kombinieren», sagt «In der Online-Welt bleibt schnell nur schwierige Zukunft: «Ich brauche ein Roland-Berger-Expertin Beatrix Morath. noch einer pro Segment übrig. Wie Ama- überdimensionales Wachstum, wie es das Das Shoppingerlebnis wird die Kür. zon vereinigen diese wenigen den Gross- Internet bietet, um die Verluste im statio- Online-Konzerne drängen längst in die teil der Märkte auf sich.» Für Konkurren- alte Filialwelt: Digitec baut Läden auf, ten bleibt da leicht zu wenig Umsatz übrig. Zalando eröffnete in Berlin die erste Fili- «Epochale Veränderungen» macht Ro- land Brack, Gründer des gleichnamigen Das geht nicht: Wer ale, Amazon steht in den USA kurz davor. Mit heutigen Shops haben sie aber nichts Schweizer Elektrohändlers, aus. Viele Markteintritte, Dutzende neue Geschäfts- bei Press & Books gemein. Sie sind Erlebniszentren, Show- rooms – Digitec zeigt offline vor allem, modelle bemerkt der Manager, der schon online bestellt, was es online zu kaufen gibt, Zalandos früh komplett auf das Internet setzte. «Ei- nige etablierte Firmen werden die Trans- muss den Lesestoff Outlet Store können nur Kunden mit spe- zieller Shoppingcard betreten. formation nicht schaffen», ist er sicher. im Laden abholen. Wie im Kopf-an-Kopf-Rennen muss sich Burger fühlen. Eine Woche nach sei- Chance für Radikale. Manchen Unterneh- nem Online-Auftritt ist Zalando in der mer verschreckt das derart, dass er sich Schweiz gestartet. In drei bis vier Jahren ins Schneckenhaus zurückzieht – und nären Geschäft auszugleichen.» Ein Drit- will Burger Gewinne aus dem Internet seine gute Marke gefährdet. Ochsner tel der Erlöse von Ex Libris stammt bereits geschäft einstreichen. Wenn Zalandos Sport etwa ist in Sportlerkreisen ge- aus der Online-Welt. So wie der Buch- aggressive Preise ihm keinen Strich durch schätzt für die fundierte Beratung im markt wegbricht, hat ein Buchhändler die Rechnung machen. Immer wieder Laden. Online aber präsentiert sich die ohne Web nur als Spezialist Chancen. klickt sich Burger durch die Zalando-Site. Firma laienhaft. Unübersichtlich und Wer mitziehen will, muss radikal sein Etwas dürfte ihn beruhigen: Es sind zwar uninspiriert wirkt die Website. Unter wie Daniel Röthlin. Seit 1999 ist er mit Ex Tausende Artikel zu finden – doch viele dem Button «Online kaufen» versteckt Libris online und unterscheidet nicht, ob sind gar nicht lieferbar. Nur, er weiss: «Es sich ein Online-Shop, aber auch ein ein Kunde im Laden, im Web oder per gibt online immer neue Angreifer.» • Blätterkatalog. Auch Valora-Präsident Handy Bücher, Filme oder Musik kauft. Rolando Benedick sollte ins Grübeln Alles ist eins – das ist Röthlins Devise. Mitarbeit: Kassandra Bucher, Andreas Güntert und Karin Kofler kommen, wenn er auf den lächerlichen Selbst die Manager, ob in Einkauf, Mar- ANZEIGE
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