MASTER THE DISASTER MANN DES MONATS NICK HAYEK - Oliver Oettli
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MANN DES MONATS NICK HAYEK MASTER THE DISASTER von MARC KOWALSKY und IRIS KUHN-SPOGAT Nick Hayek hat viele Krisen erlebt. Corona aber ist mit Abstand die grösste Herausforderung in der Karriere des 65-Jährigen. Wie der Konzernchef die Swatch Group durch den perfekten Sturm navigiert. Foto: Oliver Oettli für BILANZ BERUFSOPTIMIST «Wir entlassen keine Leute wegen einer kurzfristigen Krise wie dieser», sagt Hayek. 30 BILANZ 07 | 2020 07 | 2020 BILANZ 31
TITEL MANN DES MONATS ultrakonservativ geführt. Das heisst, sie hat keine Aber durchaus wegen länger dauernder Probleme. Schulden, dafür mit über einer Milliarde Franken in Wie etwa in Hongkong, das seit einem Jahr nicht zur der Bilanz sehr viel Cash. Entsprechend kann sie lang- Ruhe kommt und wo die eigenen Shops deshalb fristig handeln. So hatte der Konzern etwa nach der geschlossen bleiben – und jetzt nach und nach liqui- Finanzkrise Marktanteile gewonnen. Hayek, der sich diert werden. Oder bei der Günstigmarke Calvin Klein: 200 selbst einen Optimisten nennt, sagt: «Es gibt keinen CK Watch dürfte die letzten zwei Jahre grosse Verluste Grund, das nicht wieder zu erwarten, weil wir unsere gemacht haben (die Bank Vontobel schätzt sie auf 12 Strategie aufgrund von solchen Ereignissen nicht über bzw. 33 Millionen Franken). Die Kooperation mit dem den Haufen werfen.» Also reagiert er ähnlich wie Fashionlabel läuft deshalb aus. «CK zu schliessen, ist 2008: Unausgelastete Uhrmacher werden mit Quali- das einzig Richtige», sagt Analyst René Weber. tätskontrollen beschäftigt und mit Kundendienst, die Patente Hayek hat wegen der Pandemie nicht nur Ausgaben Ingenieure führen Revisionsarbeiten an den Maschi- meldet die Swatch gekappt, sondern auch auf Einnahmen verzichtet: Den nen und den Produktionslinien durch. Die Forschungs- Group jedes Jahr an. Mietern in firmeneigenen Immobilien, etwa Louis und Entwicklungsabteilungen arbeiten an ihren lang- Der Nächste in Vuitton und Bongénie Grieder an der Zürcher Bahn- fristigen Projekten weiter. Hayek streicht auch keine der Branche kommt hofstrasse, hat er während des Shutdowns 100 Prozent Marketingbudgets dort, wo die Läden offen sind. Aber auf 24. der Miete erlassen – unaufgefordert. Umgekehrt hat er die Lancierung von Neuheiten seiner Prestigemarken, Reduktionen auch für die eigenen Boutiquen eingefor- 30 die an einem grossen Event Anfang März in Zürich dert, weltweit: «Wir sind in allen Ländern aggressiv FAMILIENIDYLLE hätte stattfinden sollen, hat er erst mal verschoben. vorgegangen», sagt er, «aber die meisten Landlords Die Hayeks haben Und die zwei Millionen Franken, die er ausgeben sind geldgierig und nicht kompromissfähig.» Er sucht dank ihres Aktien- wollte, um den Swatch Store in der Tokioter Einkaufs- einvernehmliche Lösungen. Findet er sie nicht, geht er pakets und ihrer meile Ginza anlässlich der Olympischen Spiele auf hart vor – bis vor Gericht. Auch, wenn es die Stornie- bis 40 Positionen die volle Macht im Uhren zuhübschen, bleiben in der Kasse. Ähnlich verfährt er rung oder Umschichtung von Werbeausgaben und E konzern. mit anderen Investitionen ohne Dringlichkeit. Events ins zweite Halbjahr betrifft. Auch meldete Hayek für 70 Prozent der Produk tionseinheiten Kurzarbeit an. Zum einen, weil die GROSSUMBAU Abstände in den Fabriken und Manufakturen nicht eingehalten werden können. Zum anderen konnten Prozent Im grössten Uhrenkonzern der Welt, der rund 90 Pro- zent der Wertschöpfung selber erbringt, gibt es auch „WIR SIND ÜBERALL AGGRESSIV Rückgang bei den die Grenzgänger aus Frankreich und Italien nicht unerwartete Profiteure der Krise: So werden die verkauften Stückzahlen mehr an ihre Arbeitsplätze anreisen. Die rund 1500 Displays der Swatch-Group-Tochter Micro Crystal VORGEGANGEN, ABER DIE MEISTEN der Swatch gesteht eigenen Shops, 50 davon in der Schweiz, mussten auch in Fieberthermometern benutzt, die Batterien natürlich auch geschlossen bleiben. Insgesamt waren Nick Hayek ein. von Renata in Lungenmaschinen. «Ich habe auch LANDLORDS SIND GELDGIERIG.” hierzulande 12 000 Mitarbeiter zeitweise von Kurz nicht gewusst, wo unsere Produkte überall drin sind», 12 arbeit betroffen. Erste Betriebe haben die Arbeit in- sagt Hayek – bis Renata einen Brief des deutschen zwischen wieder aufgenommen, bis Ende Sommer, so Bundesgesundheitsministeriums erhielt mit der Bitte, schätzt Hayek, dürfte überall wieder Normalbetrieb die Batterieproduktion für einen deutschen Hersteller einsperren», brummt er in seinem Sessel im Verwal- herrschen. Die Lohneinbussen gleicht die Swatch von Beatmungsgeräten aufrechtzuerhalten. Und auch Abgehängt tungsratszimmer im Swatch-Group-Hauptsitz, bringt Group bis dahin voll aus, Mitarbeiter werden wegen Tausend das Thema kontaktlose Zahlung erlebt einen unerwar- mit einem Streichholz die obligate Zigarre zum Rau- des Shutdowns nicht auf die Strasse gestellt: «Wir teten Aufschwung: In der Schweiz war Swatch Pay Die Swatch-Aktie im Vergleich mit den wichtigen Indizes. chen und fügt dann an, «ich bin ein Bauchmensch und entlassen keine Leute wegen einer kurzfristigen Krise Mitarbeiter bisher kaum ein Thema, jetzt in der Corona-Krise Es war eine Presseveranstaltung ganz nach dem Ge- brauche die emotionale Nähe zu den Leuten». Zudem wie dieser», sagt Hayek. der Swatch Group wollen Visa und Postfinance einsteigen. schmack von Nick Hayek: Die 90 Sitzplätze im Konfe- 140 indexiert lässt sich Arbeit vor Ort besser koordinieren als im in der Schweiz waren Was Hayek macht, um seinen Konzern durch die renzsaal im vierten Stock der Bieler Cité du Temps 130 S&P Global SMI Homeoffice. Und Arbeit gab es mehr als genug. In sei- oder sind auf Krise zu steuern, machen andere auch: Alle grossen STILLE ZUHÖRER waren restlos belegt. Doch trotz Rekordbesetzung kam Luxury ner Zeit als Manager bei der Swatch Group hat er das An der Pressekonferenz nahmen Kurzarbeit. Schweizer Uhrenhersteller von Audemars Piguet bis 120 Index an der knapp 80-minütigen Veranstaltung keine ein- Platzen der Dotcom-Blase miterlebt, 9/11, die Finanz- dieses Jahr Teddybären den Platz Zenith haben die Produktion unterbrochen und Kurz- 110 der Journalisten ein. zige kritische Frage aus dem anwesenden Publikum, krise, SARS, den Frankenschock und nun die Corona- arbeit beantragt. Auch Rolex oder Patek Philippe Hayek und die fünf anderen Topmanager der Swatch 100 Krise. «Das hier ist absolut die grösste Krise», sagt der haben die Lancierung von Neuheiten verschoben, Group hatten mit den handzahmen Besuchern leichtes 90 65-Jährige. Das belegen auch die Zahlen: Während der Bulgari hat alle Kampagnen gestoppt. Aber Hayek hat Spiel. Kein Wunder, denn auf den Stühlen sassen 80 Finanzkrise 2008 brachen die Exporte der Schweizer das Steuer heftiger herumgerissen als die Konkurrenz. dieses Mal nicht Journalisten, sondern BAG-konform Uhrenindustrie um 22 Prozent ein. Für dieses Jahr er- Er unterzieht sein Führungsteam jetzt einem Gross- 70 Fotos: Keystone, PD/Screenshot Swatch 90 knuddelige Teddybären – Kuscheltiere für die Wohl- Swatch wartet René Weber, Analyst bei Vontobel, ein Minus umbau: Auf einen Schlag tauscht er ein Drittel der tätigkeitsorganisation Orbis, die von der Uhrenmarke 60 von mindestens 25 Prozent. Im April betrug der Rück- Markenchefs aus. Altgediente Getreue wie Longines- Omega unterstützt wird. «So fühlen wir uns nicht al- gang gar 82 Prozent, im Mai noch immer 68 Prozent. Chef Walter von Känel, 78 und seit über einem halben 2. Jan. 22. Juni lein und haben ein emotionales Vis-à-vis», begründete 2019 2020 «2020 erlebt die Uhrenbranche den grössten Einbruch Jahrhundert bei der Marke, oder François Thiébaud, Hayek das ungewöhnliche Setup. Quelle: Bloomberg seit über fünfzig Jahren», so Weber. 72 und seit 24 Jahren Chef von Tissot, geben die Lei- Auch sonst war der CEO der Swatch Group in den Die Swatch Group mit ihren 8,23 Milliarden Fran- tung ab. Die Nachfolgeplanung war schon länger auf- turbulenten letzten Monaten nicht allein, im Gegen- ken Umsatz, 36 000 Mitarbeitern und 18 Uhrenmarken gegleist, man könnte auch sagen: Sie war längst über- teil: Während des Shutdowns war er jeden Tag mit (siehe «Lauter Top-Labels» auf Seite 35) wird von der fällig. «Das zweite Halbjahr bietet uns grosse Chancen, seiner Kernmannschaft im Büro. «Ich lass mich nicht Familie Hayek seit der Entstehung in den 80er Jahren Marktanteile zu gewinnen, weil viele andere Fir- • 32 BILANZ 07 | 2020 07 | 2020 BILANZ 33
TITEL MANN DES MONATS • men opportunistisch einfach nur sparen», begrün- machen», gesteht er ein. Die Folge: Die Verkäufe sind det Hayek den Zeitpunkt der Verjüngungskur: «Dafür in den letzten Jahren massiv gesunken. Um 30 bis 40 Breites Sortiment brauchen wir die volle Energie der Markenchefs.» Das Portfolio der Swatch Group Prozent weltweit, sagt Hayek, gar von einem Absturz Dass Hayek solch eine massive Reorganisation in von 12 auf 2 Millionen Stück spricht Oliver Müller von dieser Situation durchziehen kann, liegt auch daran, Marke/ Umsatzschätzung Marke/ Umsatzschätzung der Beratungsfirma LuxeConsult. «Heute ist Swatch Preissegment in Fr. 2019 in Mio. Fr. Preissegment in Fr. 2019 in Mio. Fr. dass sein Konzern weniger hierarchisch organisiert ist als seine Gegenparts in Genf und Paris. Das Gros der Prestige/Luxus Mittleres Preissegment VR Swatch tot», sagt er und fügt an, «Nick Hayek wird es nie zuge- ben. Die Marke hat sein Vater aufgebaut, es ist eine Marken, Produktionsbetriebe und Länder sind in der Omega >4000 Harry Winston >12 000 2280 690 Tissot
TITEL MANN DES MONATS • und bleiben, und daran sollte sich jeder beteili- gen», sagt Hayek – und schliesst damit die Schweizer Konkurrenz von Rolex, Richemont und Patek mit ein. Schaffen will er es hauptsächlich durch Innovation: 200 Patente hat die Swatch Group letztes Jahr depo- niert, der Nächste in der Uhrenindustrie kommt auf 24. Die meisten Neuerungen betreffen Uhrwerke, aber auch Materialien wie Keramik oder Liquid Metal. Die Swatch Group muss hier hochtourig fahren, will sie führend bleiben – auch weil immer wieder Patente auslaufen. Übernächstes Jahr etwa jene auf die anti- magnetische Siliziumspirale, eine der grössten Errun- genschaften der Schweizer Uhren industrie in den vergangenen Jahrzehnten. Sie ist ein Gemeinschafts- projekt von Swatch Group, Rolex und Patek Philippe, entwickelt haben sie die Forscher des Swiss Center for Electronics and Microtechnology in Neuchâtel. Hayek weiss, dass die chinesischen und japanischen Uhrma- cher – etwa Seiko – bereits in den Startlöchern stehen: RATSCHLÄGE Sie werden sich auf die Siliziumspirale stürzen, um UNERWÜNSCHT sich ein Stück des lukrativen Marktes für mechanische «Il ne faut pas péter plus haut Uhren abzuschneiden. que son cul»: Noch grösser als Hayeks Abneigung gegen die Börse ist seine Abneigung gegen UNGELÖSTE PROBLEME aktivistische Investoren. Zur wachsenden Konkurrenz durch hochambitio- nierte Marken aus Fernost muss Hayek jene Probleme angehen, die ihm schon vor der Corona-Krise zu schaf- fen machten. Sie wurden durch die Pandemie ein Vierteljahr lang überdeckt, sind aber nicht gelöst: Das Ende der Kooperation mit CK, die Unruhen in Hong- kong, dem traditionell wichtigsten Uhrenmarkt der Welt, der Streit mit der Wettbewerbskommission um „ICH KENNE KEIN die Uhrwerke, welche die Swatch Group anderen Her- stellern zur Verfügung stellen muss. Und natürlich der Interview Nick Hayek über die Aktienkurs, der schon letztes Jahr ein Drittel seines Wertes verloren hat und dieses Jahr noch mal ein aufgeblasene Egokultur der Uhren- branche, über die Müdigkeit des METIER, WO MEHR Drittel. Auch wenn Hayek in seiner gewohnten Ver- achtung für die Börse diese Entwicklung demonstrativ ignoriert bzw. sie sogar für private Zukäufe nutzt (siehe Interview rechts): Die Anleger sehen es als Piraten und über seinen Nachfolger GEBLUFFT WIRD” Problem. Auf den Verwaltungsrat, der eigentlich ihre als Konzernchef. Interessen vertreten sollte, können sie dabei tradi von MARC KOWALSKY und IRIS KUHN-SPOGAT tionell kaum hoffen: Lindt-Chairman Ernst Tanner, seit 25 Jahren (!) mit dabei, ist der einzige Topmanager H im sechsköpfigen Gremium und damit kein Gegen gewicht zu Nick und Nayla Hayek. Die anderen Verwal- tungsräte gelten als Abnicker. Konkurrent Richemont err Hayek, Ende Schauen Sie sich die Kapitalisierung der und sie dann wieder verlassen. Wir haben Wenn wir über 50 Prozent gehen, müssen hingegen, dessen 20-köpfiges Board mit deutlich März wurden von Gruppe doch mal an. Ihr Wert an der eine Firma, die an der Börse total unter wir den anderen Aktionären ein Pflicht schwereren Kalibern besetzt ist, insbesondere aus einem exekutiven Börse ist momentan tiefer als ihr Bilanz- bewertet ist. Eine bessere Investition gibts angebot unterbreiten, um schliesslich alle dem Finanzbereich, hat ein besseres Reporting, macht Verwaltungsrats wert. Es gibt keine Schulden bei uns, doch nicht! Aktien zu übernehmen. Das ginge nur über Roadshows und Investorentreffen und ist daher mitglied oder ei keinen Goodwill in den Büchern, und Schulden, und das wollen wir nicht. Daher beliebter bei den Investoren – was sich auch im Kurs- nem Mitglied der unsere eigenen Geschäftsimmobilien sind «Wir» – das sind Sie, Ihre Schwester ist ein Going-private für uns kein Thema. Fotos: Oliver Oettli für BILANZ verlauf widerspiegelt. Geschäftsleitung zwischen einer und zwei Milliarden wert, Nayla und deren Sohn, Marc Hayek. Mit dem letzten Zukauf reagieren wir nicht Sicher ist: Mit seinen 65 Jahren ist der ewige Junior Aktien im Wert von insgesamt 167 Millio ohne jegliche Hypothek. Unsere Strategie Haben Sie alle drei zugekauft ? nur auf das Negativzinsumfeld, sondern als Konzernchef noch einmal richtig gefordert. «Es nen Schweizer Franken gekauft … ist transparent und langfristig. Das Aktio- Ja, im Rahmen unserer Erbengemeinschaft, senden auch ein Signal an die Mitarbeiter wird ein Jahr, das ganz klar tiefe Spuren im Resultat Nick Hayek (lacht): Tja, wer könnte das nariat und das Management garantieren zu der auch unsere Mutter gehört. und die anderen Aktionäre: Wenn die hinterlässt», weiss er selber. So handzahm wie die gewesen sein? auch in Krisen wie jetzt Stabilität. Bei uns grössten Aktionäre des Unternehmens Teddybären werden die Umstände in nächster Zeit gibt es kein Karussell von Externen, die Streben Sie jetzt nach der Mehrheit noch viel mehr Geld in die Firma stecken, nicht sein für ihn. • Warum machen Sie das? die Führung unserer Marken übernehmen in der Swatch Group? heisst das, dass sie hundertprozentiges • 36 BILANZ 07 | 2020 07 | 2020 BILANZ 37
TITEL MANN DES MONATS • Vertrauen haben ins Unternehmen und War ja auch nur ein Spass. Ich habe es nie seine Strategie. bereut, weil es hier so viel Kreativität und Möglichkeiten gibt, weil es so interessant Kurz davor hat Gregor Greber, Chef des ist und kein Luftschloss: Unsere industri- Investmentfonds Veraison, Swatch- elle Basis ist faszinierend und einmalig. Group-Aktien öffentlich als Fehlinvest ment bezeichnet. Was war da los? Ihre Schwester wird 69. Können Sie sich Ich kenne ihn nicht persönlich. Aber er hat vorstellen, das Verwaltungsratspräsidium sich hier sicher verspekuliert. Er hat uns von ihr zu übernehmen? einen Brief geschickt, in dem er uns mit- Nein, nein. Wir funktionieren fantastisch teilte, dass er jetzt gross und langfristig mit zusammen. seiner Firma in die Swatch Group inves- tiert habe und er den Eindruck habe, dass Haben aber einen ziemlichen der Pirat etwas müde geworden sei … Altersunterschied. Drei Jahre – auf dem Papier. Im Geist ist … ist er das? meine Schwester viel jünger als ich. In dem Brief waren verschiedene Vor- Sie versteht auch viel mehr von der digitalen schläge aufgeführt, was man in der Firma Welt. Und sie führt Harry Winston perfekt. aus der Sicht von Finanzinvestoren alles INKOGNITO verbessern könnte – mit dem Angebot, «Viele Konsumenten wissen Kaufen Sie eigentlich auch Uhren? man stehe uns quasi als Berater zur Verfü- nicht, dass der Besitzer von Wir kaufen Uhren von anderen Marken, gung. Ich habe zuerst einmal herauszufin- Blancpain, Harry Winston oder um sie zu analysieren und zu sehen, was Tissot die Swatch Group ist.» den versucht, mit wem wir es überhaupt otenziellen Investoren. Das wollen wir p tur in der Uhrenindustrie zu tun. Ich kenne drin ist. zu tun haben. Und ich habe festgestellt, nicht. Das wäre eine Ungleichbehandlung fast kein Metier oder keine Industrie, wo dass Veraison für acht Millionen Schweizer des Aktionärs, ganz gleich, ob jemand 100 mehr geblufft wird. Es gibt viele Marken, Das heisst, Sie betreiben Franken Aktien gekauft hat. Acht Millionen Franken oder 300 Millionen investiert hat. die sind reines Marketing. Das finden Sie Das müssen sie auch nicht wissen, das ist Reverse Engineering? sind acht Millionen, verstehen Sie mich Anleger können aber selbstverständlich heraus, wenn Sie das Produkt mal zer nicht wichtig. Nein, nein. Wir müssen nicht kopieren, nicht falsch. Aber wenn mir jemand einen mit unserem Investor-Relations-Verant- legen. Dann steckt von der Firma, die sich wir haben genug Innovation in der Gruppe. Brief schreibt, er sei gross investiert in der wortlichen sprechen. an der Messe mit einem grossen Pavillon «Bei uns gibt es keine Altersguillotine», Es geht mehr darum zu schauen, ob je- Swatch Group, ist das doch ein wenig über- präsentiert, oftmals kaum etwas Selbst haben Sie gerade gesagt. Sie selber sind mand zum Beispiel unser Patent verletzt, trieben. Ich habe schliesslich sehr nett und Sie haben sich 2018 von der Baselworld gemachtes drin. Das ist nur Show! Zudem 65 und haben damit das Pensionsalter wie bei der Siliziumspirale. Für mich selbst klar geantwortet, dass er eine intelligente verabschiedet und damit deren Unter sind Messen auch aus der Zeit gefallen, erreicht. Wie lange wollen Sie den Job kaufe ich keine anderen Uhren, nur die Entscheidung getroffen habe, Swatch- gang eingeläutet. Wie ersetzen Sie den weil man heute vor allem in eigenen denn noch machen? von unserer Firma. Aber natürlich längst Group-Aktien zu kaufen, aber dass der Messeauftritt? Geschäften oder via E-Commerce direkt an Solange es mir Spass macht und die ande- nicht alle. Mit ein paar Blancpains und Pirat nicht müde sei – nur müde, auf die Es gibt nichts zu ersetzen, denn das Busi- die Konsumenten verkauft oder über grosse ren mich natürlich noch wollen. Aber es Breguets oder Harry Winstons wäre ich typischen Argumente der kurzfristig den- ness und die Welt haben sich von Grund auf Händler. Und die treffen wir sowieso gibt für alle Positionen Alternativen. Die schnell an meinem finanziellen Limit. Also kenden Finanzinvestorengemeinde zu ant- verändert. Neuheiten entwickelt man nicht mehrmals pro Jahr. Firma ist gut aufgestellt, und es gibt eine bleibe ich Swatch treu. worten. Und man sollte einen Piraten nie mehr auf einen fixen Messetermin hin, nächste Generation. unterschätzen. Ich habe nach meiner Ant- sondern das ganze Jahr hindurch. Die Ent- Wie arbeiten Sie mit der Bei Ihnen gehen auffallend viele Top Gibt es eine Uhrenmarke, wort nichts mehr von der Firma gehört, wicklungszeiten werden immer kürzer, und Community? kader erst sehr spät in Rente. Dann ist der Plan, dass Marc Hayek die Sie bewundern? nur gelesen, dass er die Aktien nach eini- überall auf der Welt warten die Kunden Das macht jede Marke für sich. Blancpain, Bei uns gibt es keine Altersguillotine. Aber dereinst das Ruder übernimmt ? Ich bewundere, dass manche Uhren gen Wochen oder Monaten schnell wieder immer ungeduldiger auf Innovationen. Eine Omega oder Hamilton zum Beispiel ma- auf der anderen Seite müssen wir schon Marc macht einen super Job. Er hat sicher, marken mit so wenig Innovation so viel verkauft hat. Vielleicht sogar mit Verlust. Messe wie Baselworld hat mehr mit Selbst- chen das hervorragend. schauen, dass man nahe bei der Com ohne Zweifel, das Potenzial, die Swatch verkaufen können. Aber sonst? Ich bin Dies zum Thema langfristiger Investor. In darstellung zu tun, und dies brauchen un- munity bleibt und sich auch mit ihr weiter- Group erfolgreich zu führen. Aber ich nicht in der Uhrenindustrie aufgewachsen. der gleichen Zeit, als er verkauft hat, haben sere Marken heute sicher nicht mehr. Longines wirkt ein bisschen müde. entwickelt. Wenn man wie ich zur älteren halte es wie mein Vater: Ich bestimme Ich habe auch nie darüber nachgedacht. wir, weil die Kurse so tief waren, zuge- Ja, Longines könnte mehr machen, hat Generation gehört, muss man junge Leute nicht über die Zukunft von Marc, das Was ich aber sagen kann: Die einzige kauft, und vielleicht waren darunter auch Das sehen andere Hersteller noch viel Potenzial. Die Marke ist sehr nachziehen und auch auf sie hören. bestimmt er selber. Vielleicht hat er an- Uhrenmarke, die mich immer wieder in seine Aktien. Mir fällt zu dieser Episode offensichtlich nicht so. Patron-orientiert, und Walter von Känel dere Ziele im Leben. Vielleicht möchte er spiriert, ist Swatch. nur das französische Sprichwort ein: «Il ne Dass es überhaupt noch solche Messen ist 78 Jahre alt. Das dürfen wir nicht ver Oder vom Know-how der anderen etwas ganz anderes machen. Er soll sich faut pas péter plus haut que son cul.» gibt, hat auch mit einer gewissen Ego-Kul- gessen. Marken des Hauses profitieren. nicht gezwungen fühlen. Auch meine Was macht es aus? Die Marken unterstützen sich natürlich, Schwester und ich waren nicht gezwun- Ich habe dort als Marketingchef ange Gehen Sie mit allen Investoren so um? aber sie sind trotzdem auch Konkur gen, Präsidentin des Verwaltungsrats oder fangen, sie ist mir am nächsten. Von der Fotos: Oliver Oettli für BILANZ Wir halten uns an das Prinzip der Gleich- renten. Die Kultur bei Longines ist ja CEO zu werden. Philosophie her, von der Unabhängigkeit behandlung aller Aktionäre. Mit den treuen und langfristigen Aktionären, egal „ICH BEWUNDERE, DASS MANCHE eine ganz andere als bei Blancpain oder Breguet. Und das wollen wir so und ist Wie oft haben Sie es schon bereut? her und wohl auch, weil Swatch nie eine Uhr in diesem Messezirkus war, wenn Sie ob gross oder klein, haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Wir verzichten aber auf UHRENMARKEN MIT SO WENIG INNOVATION ja auch richtig so. Viele Konsumenten auf der Welt wissen nicht, dass der Nie, ausser wenn ich mit Journalisten und Finanzanalysten reden muss (lacht). so wollen. Sie hat immer den Kunden im Mittelpunkt gehalten, und ihre Botschaft Roadshows und führen keine separaten Diskussionen mit Fonds und sonstigen SO VIEL VERKAUFEN KÖNNEN!” Besitzer von Blancpain oder Harry Winston oder Tissot die Swatch Group ist. Das ist ja selten genug der Fall. ist eine Philosophie: Spass am Leben, positive Provokation und Swiss made. • 38 BILANZ 07 | 2020 07 | 2020 BILANZ 39
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