Performance Management der dritten Generation (Teil 2)
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Hans-Gerd Servatius, avantum consult GmbH & Co. KG Performance Management der dritten Generation (Teil 2) Im ersten Teil des Artikels haben wir die Entwicklung des Per- Analysewerkzeuge nutzen Daten und quantitative Methoden zur formance Managements beschrieben und die Schlüsselthemen Modellbildung, Prognose und Optimierung. Unternehmen erzielen Wettbewerbsvorteile, indem sie diese Werkzeuge einsetzen, um skizziert, bei denen sich gegenwärtig ein Paradigmawechsel ab- ihre spezifischen Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Am Anfang zeichnet. In diesem zweiten Teil behandeln wir die Themen: steht daher die Frage, welche Prozesse und Kompetenzen durch die Anwendung von Analytics so verbessert werden können, dass strategischer Einsatz von Analysewerkzeugen, offenes Modell eine nachhaltige strategische Differenzierung erreicht wird. Ana- der Innovation und Unternehmensenergie. Die dritte Generati- lytischer Wettbewerb, wie ihn Unternehmen wie Google erfolg- reich praktizieren, basiert auf vier Kriterien:[43] on des Performance Managements betrachtet ein Unternehmen als komplexes adaptives System. Die entscheidende Frage ist, - der Anwendung von Analytics zur Verbesserung von spezifi- wie die Führung die Rahmenbedingungen für das Entstehen schen strategischen Fähigkeiten, - einem unternehmensweiten Einsatz dieser Werkzeuge, von Hochleistungen verbessern kann. Parallel dazu gilt es, das - einem klaren Commitment der obersten Führungsebene und Risikobewusstsein zu schärfen. - einer erheblichen Anstrengung bei der Umsetzung dieses Konzeptes. Keywords Die Ausprägung dieser Kriterien unterscheidet Analytical Compe- Performance management, high performance business, complex titors von Unternehmen, bei denen zwar schon seit langem iso- adaptive system, lean solutions, business process platform, lierte Business Intelligence-Projekte durchgeführt wurden, die je- crisis prevention, IT support of decisions, business intelligence, doch keine strategische Bedeutung erlangt haben. analytics, open model of innovation, organizational energy Stichworte Erste empirische Untersuchungen zeigen einen klaren Zusam- Leistungssteigerung, Hochleistungsunternehmen, komplexes menhang zwischen dem strategischen Einsatz von Analysewerk- adaptives System, schlanke Problemlösungen, Geschäftsprozess- zeugen und einer guten finanziellen Performance.[44] Als Anwen- plattform, Krisenprävention, IT-Unterstützung von Entscheidun- dungsgebiete eignen sich sowohl interne Aktivitäten, wie Kosten- gen, Business Intelligence, Analysewerkzeuge, offenes Modell und Qualitätsmanagement, als auch Kunden- und Lieferanten- der Innovation, Unternehmensenergie. prozesse. Entscheidend ist, dass die erzielten Vorteile schwer nachzuahmen sind und diese dem Unternehmen eine gewisse Al- leinstellung ermöglichen. 5. Strategische Wettbewerbsvorteile durch den Einsatz von Analysewerkzeugen Die Entwicklung von analytischen Fähigkeiten sollte nach einem klaren Fahrplan ablaufen. In einem ersten Schritt erfolgt die Aus- Neue IT-Technologien erreichen allmählich auch die oberen wahl der Prozesse und Kompetenzen, bei denen eine verstärkte Führungsebenen. In der zweiten Generation des Performance Ma- Nutzung von Analytics sinnvoll erscheint. Es ist zu klären, welche nagements erfolgte die Ablösung von einfachen Tabellenkalkula- Voraussetzungen hierzu in den Feldern Organisation, Personal und tionsprogrammen durch Business Intelligence- und CPM-Soft- IT geschaffen werden müssen. Ein in Schritt zwei erfolgreich wareanwendungen. Dies reicht vielen Managern aber nicht und durchgeführtes Projekt verdeutlicht die Chancen eines strategi- sie wollen mehr, wie das folgende Zitat zeigt: „Die CPM- und BI- schen Einsatzes von Analysewerkzeugen. Auf dieser Grundlage Software muss näher an die Führungskräfte heranrücken. Wir wird in den Schritten drei und vier ein umfassendes Konzept für brauchen bessere Informationsgrundlagen für wichtige Entschei- den analytischen Wettbewerb entwickelt und umgesetzt. Ein dungen." wichtiger Aspekt ist hierbei die Verbesserung der vorhandenen 78 Information Management & Consulting 22 (2007) 4
Performance Management Leistungsmessgrößen. In Schritt fünf erreicht das Unternehmen schließlich eine auf Analysewerkzeugen basierende echte strate- Verankerung Ableitung von Realisierung gische Differenzierung.[45] des Themas Innovationszielen, eines Innovation in M ßnahmen Innovations- den Strategien und Messgrößen controllings Co Engere Eine Entwicklung, die sich bereits heute abzeichnet, ist die stärke- Zusammen- Produktion mit dem arbeit mit Von der Führung vorgelebte Innovationskultur, die von re Integration von Analysewerkzeugen in Entscheidungsprozesse, externen kompetenten Mitarbeitern getragen wird Kunden und Schaffung Innovations- die zum Teil automatisiert ablaufen werden. Eine wichtige Rolle partnern von neuen Märkten Innovationsfördernde Organisation mit einem spielen dabei Alarmsignale, die größere Abweichungen bei Lei- leistungsfähigen Projekt-Management stungsmessgrößen graphisch anzeigen. Dies ermöglicht eine Ver- Verbesserung der Innovationsprozesse, besserung des Reporting und genauere Prognosen. des Wissensmanagements und der IT-Systeme Abbildung 6: Offenes Modell der Innovation 6. Erfolgreiches Wachstum mit einem offenen Modell der Innovation on und Beseitigung lassen sich nun Wertkurven ableiten. Das Ziel In der Vergangenheit dominierte ein geschlossenes Modell der In- muss dabei nicht immer in der Hochleistungsinnovation liegen. novation, bei dem man vor allem auf den eigenen Forschungs- Erfolgreiche Angriffe mit Low Cost-Modellen, z.B. in der Airline, und Entwicklungsbereich setzte. Dieses Modell stößt zunehmend Reise- und Telekommunikationsbranche, verdeutlichen die Chan- an seine Grenzen, wie das folgende Zitat zeigt: „Wir können uns cen, wenn dem Kunden bei niedrigeren Preisen ein als ausreichend nicht länger darauf verlassen, die notwendigen Innovationen alle empfundener Wert geboten wird. Die Grundlage hierfür bildet ei- selbst zu entwickeln, sondern müssen das Ideenpotenzial von ne genaue Kenntnis der wirklichen Bedürfnisse einzelner Ziel- Kunden, Partnerunternehmen und anderen Branchen besser nut- gruppen. Diese zu kennen, erfordert eine bessere Interaktion mit zen." Erfolgreiches Wachstum ergibt sich somit immer häufiger dem Kunden. mit einem offenen Modell der Innovation. Als Mittler zwischen dem Unternehmen und seinem Umfeld eta- bliert sich ein neuer Typ von Innovationsdienstleistern. Diese so Das offene Modell der Innovation durchdringt nicht nur das ganze genannten Innovation Capitalists stellen kein Wagniskapital zur Unternehmen, sondern es bezieht auch Kunden und Wertschöp- Verfügung, sondern unterstützen etablierte Unernehmen mit fungspartner ein (vgl. Abb. 6). Der Kunde agiert zunehmend als Technologie- und Marktkenntnis, Designkompetenz und Erfah- „Co-Produzent" von Problemlösungen und wirkt aktiv bei der rung in der Gestaltung von internationalen Netzwerken. Auf die- Schaffung neuer Märkte mit.[46] Die engere Zusammenarbeit mit se Weise stellen sie einen stetigen Strom an Innovationen si- externen Innovationspartnern basiert auf Vertrauen in Netzwerk- cher.[49] en.[47] Das Thema Innovation ist tief in den Strategien des Unter- nehmens verankert. Es werden entsprechende Innovationsziele, 7. Positive Beeinflussung der Unternehmensener- Maßnahmen und Messgrößen abgeleitet. Außerdem existiert ein leistungsfähiges Innovationscontrolling. Von der Führung wird ei- gie als Basis für Hochleistungen ne Innovationskultur vorgelebt, die von kompetenten Mitarbei- Das Performance Management hat sich lange Zeit der Illusion hin- tern getragen wird. Es gibt eine innovationsfördernde Organisati- gegeben, man könne Wandel durch eine Entwertung des Beste- on mit einem leistungsfähigen Projektmanagement. Und schließ- henden herbeiführen. Viele Change-Programme sind jedoch gera- lich betrachtet man die Verbesserung der Innovationsprozesse, de an den Widerständen gescheitert, die Sie ausgelöst haben. Die des Wissensmanagement und der entsprechenden IT-Systeme als Frage lautet daher eher: Was ist gut, und wie können wir diese kontinuierliche Aufgabe. Stärke ausbauen? Und nicht: Was müssen wir ändern? Ein Ma- nager sagte hierzu: „Wir sollten weniger gegeneinander arbeiten, Die Schaffung neuer Märkte erfolgt im Rahmen des offenen Mo- sondern versuchen, die Energie unserer Mitarbeiter in eine positi- dells der Innovation auf der Grundlage von bewusst aus Kunden- ve Richtung zu lenken." Daher sieht die dritte Generation des Per- sicht gestalteten Wertkurven. Dabei stellt sich das Unternehmen formance Managements in der positiven Beeinflussung der Un- die folgenden vier Fragen:[48] ternehmensenergie eine wichtige Basis für Hochleistungen. - Welche bislang nicht vorhandenen Faktoren können für den Die am meisten bewunderten Unternehmen unterscheiden sich Kunden neu geschaffen werden? von anderen nicht zuletzt durch ihre Führung. So nimmt z.B. Ge- - Welche Faktoren sollten über den vorhandenen Industrie- neral Electric eine Spitzenposition beim Kriterium Qualität des standard angehoben werden? Managements ein. Jack Welch führt die Erfolge des Unterneh- - Gibt es daneben Faktoren, die unter den Industriestandard mens auf vier Schlüsseleigenschaften seiner Manager zurück:[50] gesenkt werden können und schließlich - eine positive Energie, - welche von Kunden als selbstverständlich angenommenen - die Fähigkeit, andere zu elektrisieren, Faktoren können beseitigt werden? - Entschlusskraft und Aus den vier Handlungselementen Kreation, Anhebung, Redukti- - Ergebnisorientierung. Information Management & Consulting 22 (2007) 4 79
Zu seinem 4E+1P-Konzept kommt als fünfter Faktor Passion, d.h. Aus einer Analyse der Energiezustände ergeben sich spezifische Aufgaben für die Personalführung Leidenschaft. Das Konzept der Unternehmensenergie liefert einen interessanten Mobilisie- Erklärungsrahmen für gute Führung und dauerhaften Erfolg. Im 1 rungshelfer 4 Kultivierer Unterschied zum traditionellen Change Management, das häufig mit großen Reibungsverlusten verbunden ist, betont es stärker die Positiv I Angenehme Trägheit IV Produktive Energie Entwicklung und Ausschöpfung von Potenzialen. Die Wurzeln die- ses neuen Ansatzes liegen in der positiven Organisationspsycho- Qualität Energiezustände logie.[51] Resignative Destruktive Die Entstehung des Begriffs „positive Psychologie" geht auf eine Negativ II Trägheit III Energie Initiative des Präsidenten der American Psychological Association Niedrig Intensität Hoch Martin Seligman im Jahr 1998 zurück, der konstatiert, dass sich 2 Motivierer 3 Integrator Wissenschaft und Praxis in der Vergangenheit zu sehr mit psychi- schen Problemen und zu wenig mit psychischer Gesundheit be- Abbildung 7: Energiezustände und Aufgaben für die Personalführung schäftigt haben. Die positive Psychologie möchte ein Gegenge- wicht zu dieser Entwicklung bilden. Im Mittelpunkt stehen dabei die Untersuchung von positiven persönlichen Merkmalen und Er- Die Qualität der Personalführung trägt entscheidend zum jeweili- fahrungen sowie die Gestaltung von positiv wirkenden Kontext- gen Energiezustand des Unternehmens bei. Und dieser ist wieder- bedingungen in Organisationen. Ein wichtiges Ziel ist die Integra- um für den Erfolg oder Misserfolg mit verantwortlich. Dabei be- tion der Vielzahl von nebeneinander existierenden Theorieansät- schreibt der Begriff Unternehmensenergie, in welchem Maße eine zen unter einem verbindenden Oberbegriff.[52] Organisation emotionale, mentale und verhaltensbezogene Po- In Gesprächen mit Managern hört man häufig Aussagen wie die tenziale auf die Verfolgung ihrer Ziele ausrichten kann. folgenden: Zur Überwindung von angenehmer Trägheit bedarf es eines Mobi- - „Wir sind mit dem Erreichten sehr zufrieden und sehen kei- lisierungshelfers, der die Mitarbeiter in die Bewältigung von ex- nen Veränderungsbedarf." ternen Bedrohungen oder in die Nutzung von Zukunftschancen - „Die Programme der letzten Zeit haben nichts gebracht. So einbindet. Da resignative Trägheit unterschiedliche Ursachen ha- macht das alles keinen Sinn mehr." ben kann, sind Motivierer erforderlich, die den situativ richtigen - „Hier kämpft jeder gegen jeden, und die Führung gießt auch Weg finden, um die Organisation aus ihrem Tief zu führen. Hierzu noch Öl ins Feuer." kann sowohl die Priorisierung von Aufgaben als auch die Schaf- - „Trotz unserer Erfolge müssen wir extrem wachsam bleiben. fung von Stabilität beitragen. Destruktive Energie baut man ab, Die nächsten Jahre werden hart." wenn es gelingt, die Konfliktherde zu beseitigen und die Organi- sation wieder auf gemeinsame Ziele auszurichten. Erfolgreiche Wenn eine dieser Aussagen die Situation in Ihrem Unternehmen Integratoren beginnen in der Regel mit einer Deeskalation und beschreibt, so befindet sich dieses vermutlich in einem der in Ab- Beruhigung und schaffen so die Grundlage für die anschließende bildung 7 dargestellten Energiezustände. Je nach Intensität und Reaktivierung von positiver Energie.[54] Qualität der Energie unterscheidet man zwischen[53] Wenn ein produktiver Energiezustand erreicht ist, stellt sich die - angenehmer Trägheit, Aufgabe, diesen zu erhalten. Hierzu braucht man Kultivierer, die - resignativer Trägheit, die Fähigkeit eines Unternehmens zur Revitalisierung stärken. Ei- - destruktiver Energie und ne nach innen gerichtete Frühaufklärung hilft, Fehlentwicklungen - produktiver Energie. rechtzeitig zu erkennen und entsprechende Initiativen zu ergrei- Angenehme Trägheit entsteht häufig nach einer Phase lang an- fen, die Innovation, Kooperation und Vertrauen wiederherstellen. haltenden Erfolgs. Sie ist gekennzeichnet durch Selbstzufrieden- Die positive Beeinflussung der Unternehmensenergie ist also eine heit, Sicherheit, Verkrustung und Erstarrung. Die Ursache für resi- Aufgabe, die spezifische Führungsfähigkeiten erfordert, die in ei- gnative Trägheit liegt oft in nicht erfolgreichen Veränderungsi- ner klassischen Managementausbildung nur am Rande vermittelt nitiativen. Die Mitarbeiter sind enttäuscht, frustriert, zynisch und werden. perspektivlos bis zum „Burnout". Destruktive Energie ist negativ. Sie äußert sich in Aggression, Abgrenzung, Machtkämpfen und 8. Performance Management in komplexen Intrigen. Nicht selten liegen die Ursachen in einem unfairen Ver- halten der Führungskräfte, das zu den schlechten Arbeitsbedin- adaptiven Systemen gungen beigetragen hat. Produktive Energie hingegen ist gekenn- Das Performance Management der ersten beiden Generationen zeichnet durch erhöhte Anstrengungen, Eile und Dringlichkeit, orientierte sich an einem Maschinenmodell der Organisation und Begeisterung und Stolz. Die ganze Organisation befindet sich im glaubte, man könne Probleme mit einer mechanistischen Steue- Flow-Zustand und ist erfolgreich auf die gemeinsamen Ziele aus- rungsphilosophie in den Griff bekommen. Hingegen betrachtet die gerichtet. dritte Generation ein Unternehmen als komplexes adaptives Sys- 80 Information Management & Consulting 22 (2007) 4
Performance Management tem. Hieraus ergeben sich weitreichende Implikationen für die Wenn das Ziel des Performance Managements die Gestaltung von Leistungssteigerung, deren Erforschung erst am Anfang steht.[56] Hochleistungsunternehmen ist, so ist die Personalführung der Motor dazu. [61] Das Management von strategischen Optionen Ein komplexes adaptives System entsteht aus dem Zusammenwir- erfordert ein spezifisches Führungsverständnis, das man als „die- ken von elementaren Mustern, die man Building Blocks nennt.[57] nende Führung" bezeichnen kann. [62] Dem Führungsaspekt Die beschriebenen Schlüsselelemente eines Performance Ma- kommt dabei die Aufgabe zu, den strategischen Rahmen aufzu- nagements der dritten Generation stellen derartige, temporär be- zeigen und verschiedene Optionen abzuleiten. Erfolgsentschei- deutsame Building Blocks dar. Ihre Relevanz ergibt sich aus der je- dend ist jedoch der dienende Aspekt – nicht unbedingt die stärks- weiligen Situation und ihrem Potenzial zur Verbesserung der Fitn- te Eigenschaft vieler Manager. Hierunter verstehen wir die Unter- ess der Organisation. Es stellt sich die Frage, von welchen Design- stützung der für die operative Umsetzung der Optionen verant- prinzipien man bei der Gestaltung dieser Schlüsselelemente aus- wortlichen Projektleiter gemäß der Devise: „Ich möchte Dir helfen geht. zu gewinnen und Deine Ziele zu erreichen." Eine empirische Stu- die zeigt, dass Mitarbeiter Führung dann als besonders positiv Die grundlegenden Unterschiede zwischen einem Performance empfinden, wenn sie hilft, konkrete Fortschritte bei der Arbeit zu Management der ersten beiden Generationen und dem der dritten erzielen und Probleme zu lösen.[63] Generation zeigen sich unter anderem beim Strategieverständnis und der Personalführung. Das traditionelle Strategieverständnis Anders als seine Vorgängergenerationen ist das Performance Ma- basiert auf der Annahme, die Entwicklung einer einzigen jeweils nagement der dritten Generation demnach mehr als eine Art Soft- gültigen Strategie, die dann auf die verschiedenen Bereiche her- ware unterstütztes Controlling. Es ist eine Führungsphilosophie untergebrochen wird, führe zum größtmöglichen Erfolg. Dabei für Hochleistungsunternehmen, die sich in dynamischen Umfel- werden jedoch die Risiken einer solchen strategischen Rigität un- dern bewegen, in denen es entscheidend auf Experimentierfreude terschätzt. Mit dem Ausmaß des Commitments und der Ressour- und Innovationsfähigkeit ankommt. Hochleistungen können aber cenbindung für eine einmal realisierte Strategie steigt nämlich nicht angeordnet werden. Sie entstehen, wenn die richtigen Rah- auch die Wahrscheinlichkeit eines Fehlschlags, wenn z.B. unvor- menbedingungen vorliegen. Die Führung hat die Aufgabe, diese hersehbare Ereignisse auftreten oder sich die Planungsprämissen Rahmenbedingungen zu verbessern. Hierzu zählen: [64] als falsch erweisen. Auch eine starre Steuerung der Strategieum- setzung in Form von längerfristig gültigen Zielen und Messgrößen - eine kooperative Grundhaltung ist problematisch, da hierdurch das „Einrasten" auf dem gewähl- - die Zusammenarbeit über Bereichs- und Unternehmens- ten strategischen Pfad zementiert wird. [58] grenzen hinweg - eine begeisternde Vision oder motivierende Fragen und Auf- Im Performance Management der dritten Generation wird hinge- gaben sowie gen die Formulierung von mehreren strategischen Optionen prä- - die relevanten materiellen und immateriellen Ressourcen. feriert. Dieser Ansatz erhöht die strategische Flexibilität und er- möglicht eine bessere Bewältigung der untrennbar mit Strategien Im Mittelpunkt der Komplexitätsforschung steht die Beschäfti- verbundenen Unsicherheiten. [59] Wichtig ist dabei allerdings ei- gung mit Emergenzphänomenen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ne klare Arbeitsteilung zwischen dem Durchdenken der verschie- Hochleistungen entstehen, lässt sich durch entsprechendes denen Optionen und der konsequenten Verfolgung der einzelnen Führungsverhalten erhöhen. Dies macht den Kern von Leadership Optionen im Rahmen von Projekten. An die Stelle einer starren Performance aus. Steuerung der Strategieumsetzung z.B. mit Balanced Scorecards tritt eine adaptive Koordination der Handlungsoptionen. Dies ist Daneben kommt es auf die Schärfung des Risikobewusstseins an. für die meisten Unternehmen mit einem Umdenkprozess verbun- Die jüngste Krise der Finanzmärkte verdeutlicht, dass diese einen den. „Wir mussten den richtigen Umgang mit strategischen Op- Komplexitätsgrad erreicht haben, der Unfälle unvermeidbar zu tionen erst lernen", sagte hierzu der Finanzvorstand eines Tele- machen scheint.[65] Die Komplexitätstheorie lehrt, dass Märkte kommunikationsanbieters. „Für unsere Strategiearbeit kam dies turbulent sind und sehr viel riskanter, als es die klassischen Fi- einem Paradigmawechsel gleich, der neue Instrumente und eine nanztheorien, die auf dem Modell eines vollkommenen Marktes veränderte Form der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen basieren, vorgaukeln. Auf diesen turbulenten Finanzmärkten Organisationseinheiten erforderte." Er bringt damit zum Aus- spielt der richtige Zeitpunkt eine bedeutende Rolle. Große Gewin- druck, dass das Performance Management in komplexen adapti- ne und Verluste konzentrieren sich innerhalb schmaler Zeitpake- ven Systemen ein neues Managementverständnis erfordert. An te. Kurse springen oft, anstatt zu gleiten. Das erhöht das Risiko. die Stelle von Scheinsicherheiten, die sich häufig als Illusion er- Großen Kurssprüngen folgen tendenziell weitere große Änderun- weisen, tritt das bewusste Denken und Handeln in Optionen. Für gen, und Volatilität versammelt sich zu Clustern. Allerdings ist manche stärker intuitiv agierende Praktiker ist das zwar nicht neu, diese fraktale Theorie der Finanzmärkte noch nicht so weit ent- [60] in den BWL-Lehrbüchern nimmt dieses Kapitel allerdings wickelt, dass sich klare Gestaltungsregeln zur Performance-Stei- noch nicht den ihm gebührenden Raum ein. gerung formulieren lassen.[66] Information Management & Consulting 22 (2007) 4 81
Klar ist jedoch, dass Unternehmenskrisen meist aus einem Zusam- zu diskutieren. Interessierte Unternehmen sind herzlich eingela- menspiel verschiedener interner und externer Faktoren resultie- den, sich an diesem Prozess zu beteiligen. ren. Die Modellierung eines solchen dynamischen, nicht linearen Systems ermöglicht es, diese Wechselwirkungen besser zu verste- Literatur hen. Unternehmen sollten handeln, bevor es zu spät ist.[67] So birgt z.B. die traditionell hohe Abhängigkeit deutscher Unterneh- [43] Davenport, T.H./Harris, J.G., Competing on Analytics - The men von Hausbanken, die sich immer häufiger von ihren Kredit- New Science of Winning, Boston 2007 portfolios trennen, erhebliche Gefahren. Bei nicht optimierter Per- formance bietet die Passivseite der Bilanz eine offene Flanke, die [44] Davenport/Harris, a.a.O., S. 44 ff. es Finanzinvestoren leicht macht, die Macht im Unternehmen zu [45] Davenport/Harris, a.a.O., S. 107 ff. übernehmen. Aber auch neue Finanzierungsinstrumente sind nicht ohne Risiken, wie das Scheitern einiger Mezzanine-Fonds [46] Prahalad, C.K./Ramaswamy, V., The Future of Competition - belegt. [68] Die Komplexitätswissenschaft kann die Zusammen- Co-Creating Unique Value with Customers, Boston 2004 hänge zwischen möglichen Chancen und Risiken und der Perfor- Servatius, H.G., Next Practice des Innovationsmanagements, in: mance transparenter machen. Dies ist auch bei der Entwicklung IM Information Management & Consulting, 19. Jg., 2004, Son- von Wachstumsstrategien und der Bewertung möglicher Finan- derausgabe, S. 53-60 zierungsoptionen von entscheidender Bedeutung. [47] Chesbrough, H., Open Innovation - The New Imperative for Insgesamt korrigiert die Theorie komplexer adaptiver Systeme so- Creating and Profiting from Technology, Boston 2003 mit die mechanistische Verengung der ersten beiden Generatio- Hargadon, A., How Breakthroughs Happen - The Surprising Truth nen des Performance Managements. Um Hochleistungen zu er- How Companies Innovate, Boston 2003 bringen, reicht es wie bereits erläutert nicht aus, Ziele zu formu- lieren, Messgrößen zu definieren und Maßnahmen abzuleiten. Im [48] Kim, W.C./Mauborgne, R., Blue Ocean Strategy - How to Sport weiß das jeder, in der Betriebswirtschaftslehre offenbar Create Uncontested Market Space and Make the Competition nicht. Hochleistungen von Unternehmen sind das Ergebnis von Irrelevant, Boston 2005 komplexen energiegeladenen Interaktionsprozessen zwischen [49] Nambisan, S./Sawhney, M., Marktreife Erfindungen, in: Har- Menschen. Konzepte und IT-Systeme können diese Prozesse bes- vard Business Manager, 29. Jg., Juni 2007, S. 19-20 tenfalls unterstützen. Die Komplexitätswissenschaft trägt dazu bei, ein realitätsnäheres Bild davon zu gewinnen, wie Unterneh- [50] Welch, J./Welch, S., Winning - Das ist Management, Frank- men ihre Performance steigern. Eine solche Perspektive kann in furt 2005, S. 96 ff. Reifegradmodelle einfließen, wie sie ursprünglich für das Soft- [51] Seligman, M.E.P./Csikszentmihalyi, M., Positive Psychology - ware Engineering konzipiert[69] und später zur Bewertung von An Introduction, in: American Psychologist, 2000, S. 5-14 Internen Kontrollsystemen und Geschäftsprozessen angewendet wurden. Auf der Grundlage von Erkenntnissen aus der Komple- Snyder, C.R./Lopez, S.J. (Hrsg.), Handbook of Positive Psychology, xitätswissenschaft hat z.B. die Citibank ein Reifegradmodell er- New York 2002 probt, das zwischen verschiedenen Fitness Levels unterschei- Cameron, K.S./Dutton, J.E./Quinn, R.E. (Hrsg.), Positive Organiza- det.[70] Die stärkere Betonung der Qualität von Interaktionspro- tional Scholarship - Foundations of a New Discipline, San Fran- zessen kann einen Beitrag zur Verbesserung traditioneller Reife- cisco 2003 gradmodelle leisten. Das Ziel ist die Konzeption und Umsetzung von praxistauglichen Diagnosewerkzeugen für das Performance Auhagen, A.E. (Hrsg.), Positive Psychologie - Anleitung zum „bes- Management. seren" Leben, Weinheim 2004 Servatius, H.G., Positive Organisationspsychologie als Grundlage 9. Ausblick für Energize-Programme, in: SEM-Radar - Zeitschrift für Systemdenken und Entscheidungsfindung im Management, 4. Die beschriebenen Schlüsselthemen eines Performance Manage- Jg., 2005, Nr. 5, S. 73-98 ments der dritten Generation werden sich in der Praxis ebenso weiterentwickeln wie das Konzept der Leistungssteigerung in [52] Peterson, C.M./Seligman, M.E.P., Positive Organizational komplexen adaptiven Systemen. Manche Lösungsansätze werden Studies - Lessons From Positive Psychology, in: sich nicht durchsetzen, und neue Herausforderungen werden zu Cameron./Dutton/Quinn (Hrsg.), a.a.O., S. 14-27 neuen Themen führen. Die skizzierten Erfahrungen aus Bera- [53] Bruch, H./Vogel, B., Organisationale Energie - Wie Sie das tungsprojekten bedürfen sicherlich einer wissenschaftlichen Ver- Potenzial Ihres Unternehmens ausschöpfen, Wiesbaden 2005 tiefung. Es bleibt daher noch viel zu tun. Neben der Projektarbeit besteht unser Beitrag darin, die vorhandenen Ansätze und Leading [54] Bruch, H./Vogel, B./Drack, S., Organisationale Energie als Practices gemeinsam mit unseren Kunden in „Themenschmieden" HR-Aufgabe, in: Harbig, A.J./Klug, T./ Bröcker, M. (Hrsg.) Führung 82 Information Management & Consulting 22 (2007) 4
Performance Management neu verorten - Perspektiven für Unternehmenslenker im 21. 68 Dentz, M./Frien, B., Licht und Schatten - Mit moderner Finan- Jahrhundert, Wiesbaden 2007, S. 137-162 zierung gewinnen - oder alles verlieren, in: Finance, März 2007, S. 12-18 [55] Kelly, S./Allison, M., The Complexity Advantage - How the Science of Complexity Can Help Your Business Achieve Peak Per- Denz, M., Mezzanine - Balance in Gefahr, in: Finance, März 2007, formance, New York 1999 S. 46-49 Servatius, H.G., Führungsorganisation als komplexes adaptives 69 Carnegie Mellon University Software Engineering Institute System, in: IM Information Management & Consulting, 19. Jg., (Hrsg.), The Capability Maturity Model - Guidelines for 2004, Nr. 2, S. 37-45 Improving the Software Process, Reading 1995 Tilebein, M., Nachhaltiger Unternehmenserfolg in turbulenten 70 Kelly/Allison, a.a.O., S. 115ff. Umfeldern - Die Komplexitätsforschung und ihre Implikationen für die Gestaltung wandlungsfähiger Unternehmen, Frankfurt Autor 2005 Prof. Dr. Hans Gerd Servatius Mandelbrot, B.B./Hudson, R.L., Fraktale und Finanzen - Märkte avantum consult GmbH & Co. KG zwischen Risiko, Rendite und Ruin, München 2005 Alt Niederkassel 67 Beinhocker, E.D., The Origin of Wealth - Evolution, Complexity 40547 Düsseldorf and the Radical Remaking of Economics, Boston 2006 Tel: 0211/ 687838-0 Fax: 0211/687838-88 [56] Holland, J.H., Hidden Order - How Adaptation Builds Com- Mobil: 0170 7914626 plexity, Reading 1995 E-Mail: hans-gerd.servatius@avantum.de Tilebein, a.a.O., S. 90 ff. Internet: www.avantum.de [57] Dievernich, F.E.P., Pfadabhängigkeit im Management, Stutt- Prof. Dr. rer. pol. habil. Dipl.-Ing. Hans-Gerd Servatius ist Partner gart 2007 des auf Performance Management spezialisierten Beratungsun- ternehmens avantum consult in Düsseldorf und Vorstand der [58] Raynor, M.E., The Strategy Paradox - Why Committing to Deutschen Gesellschaft für Komplexitätsforschung. Daneben Success Leads to Failure, New York 2007, S. 177 ff. lehrt er Unternehmensführung an der Universität Stuttgart. [59] Traufetter, G., Intuition - Die Weisheit der Gefühle, Reinbek bei Hamburg 2007 [60] Blanchard, K. (Hrsg.), Leading at a Higher Level - Blanchard Third Generation of Performance Management on Leadership and Creating High Performing Organisations, Har- low 2007 Complexity science offers new possibilities for improving [61] Greenleaf, R., The Power of Servant Leadership, San Francis- performance management. Based on the deficits of the first co 1998 and second performance management generation, we des- cribe key elements of a third generation. High performing Blanchard, K./ Blanchard, S./ Zigarmi, D., Servant Leadership, in: companies have started to implement these leading prac- Blanchard (Hrsg.), a.a.O., S. 247-274 tices. More research is required to better understand the [62] Amabile, T.M./Kramer, S.J., Was Mitarbeiter wirklich denken, foundations of high performance. in: Harvard Business Manager, 29. Jg., September 2007, S. 48-62 [63] Gratton, L., Hot Spots – Why some Companies Buzz with Energy and Innovation – and Others Don’t, Harlow 2007 [64] Bookstaber, R., A Demon of Our Own Design - Markets, Hed- ge Funds and the Perils of Financial Innovation, Weinheim 2007 [65] Mandelbrot/Hudson, a.a.O., S. 309 ff. [66] Sterman, J.D., Business Dynamics - Systems Thinking and Modeling for a Complex World, Boston 2000 Servatius, H.G, Agieren, bevor es zu spät ist, in: Business Intelli- gence Magazine, 2007, Nr. 2, S. 36-37 Information Management & Consulting 22 (2007) 4 83
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