Schriften zur Hochschuldidaktik - Hochschuldidaktische Aufsätze Flipped Classroom - Hochschullehre und Tutorien umgedreht gedacht - fbzhl

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Schriften zur Hochschuldidaktik - Hochschuldidaktische Aufsätze Flipped Classroom - Hochschullehre und Tutorien umgedreht gedacht - fbzhl
Schriften zur Hochschuldidaktik
Beiträge und Empfehlungen des Fortbildungszentrums Hochschullehre
der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Hochschuldidaktische Aufsätze
12.2017

Flipped Classroom –
Hochschullehre und Tutorien umgedreht gedacht
Schriften zur Hochschuldidaktik - Hochschuldidaktische Aufsätze Flipped Classroom - Hochschullehre und Tutorien umgedreht gedacht - fbzhl
Autoren
                                          Alessandra Kenner, M.A.
                      Fortbildungszentrum Hochschullehre (FBZHL)
                                               0911-65078-64801
                                        alessandra.kenner@fau.de

                                                    Dr. Dirk Jahn
                      Fortbildungszentrum Hochschullehre (FBZHL)
                                              0911/65078-64803
                                               dirk.jahn@fau.de

                                                         Bildnachweis
                                                 Foto Titelseite: FAU

                                                        Originalquelle
                  Kenner, A. & Jahn, D. (2016). Flipped Classroom –
                  Hochschullehre und Tutorien umgedreht gedacht.
In: Eßer, A.; Kröpke, H. & Wittau, H.: Qualifizierung für die Zukunft.
                Tutorienarbeit im Diskurs III. Münster. WTM-Verlag.
                                           ISBN: 978-3-95987-020-7
Inhalt
1   Die Bedeutung der umgedrehten Vorlesung in der Hochschullehre ...................................... 1

2   Flipped Classroom als Form des Blended Learning ............................................................... 1

3   Vorlesungen umdrehen – wie geht das? .............................................................................. 2
      3.1      Traditionelle Hochschullehre vs. Flipped Classroom ....................................................... 3
      3.2      Das Selbststudium im Inverted Classroom gestalten ....................................................... 4
      3.3      Assessment im Selbststudium .......................................................................................... 5
      3.4      Die Förderung von Lernkompetenzen im Inverted Classroom ........................................ 5
      3.5      Die Vorlesung im Inverted Classroom gestalten .............................................................. 7
      3.6      Exkurs: Fachtutorien als Baustein der traditionellen Lehre ............................................. 9
      3.7      Tutorien umgedreht gedacht ......................................................................................... 11

4   Lernerfolg und Wirksamkeit des Inverted Classroom.......................................................... 12

5   Inverted Classroom – ein Ausblick ..................................................................................... 13

6   Danksagung ...................................................................................................................... 14

7   Literatur ........................................................................................................................... 15
1    Die Bedeutung der umgedrehten                           langer Wegstrecken zwischen den Veranstal-
                                                             tungen nicht pünktlich erscheinen konnten. Sie
     Vorlesung in der Hochschullehre
                                                             experimentierten mit Screencast-Software und
Fragt man den Stanford-Präsidenten John Hen-                 Präsentationsfolien, um die Vorträge aufzu-
nessy im Interview, wie die Lehre im Jahr 2060               zeichnen und nutzten das Videoportal YouTube
aussehen wird, prophezeit er: „Die Vorlesung                 für die Verbreitung. Überraschenderweise ver-
als Format wird aussterben und durch neue For-               änderte sich das Lernklima dadurch erheblich:
mate ersetzt werden, Flipped-Classroom-Mo-                   Die Umstellung führte zu einem intensiven Aus-
delle zum Beispiel“ (Wiarda 2016). Was Hen-                  tausch der Studierenden untereinander über
nessy anspricht, ist ein Trend, der aktuell in               die Fachinhalte, aber auch mit Dozenten intera-
Deutschland (noch) von wenigen Hochschulleh-                 gierten die Lernenden viel stärker als zuvor (vgl.
renden praktiziert wird, aber zunehmend an                   Johnson et al. 2015, S. 38).
Aufmerksamkeit gewinnt: Dozenten1 wie Chris-
                                                        Obwohl erst wenige empirische Studien zum
tian Spannagel2 oder Jürgen Handke3 erhalten
                                                        Einsatz von Flipped Classroom vorliegen, in de-
Lehrpreise für die Umset-
                                                                             nen eher selten signifikante
zung von Flipped Classroom
                                                                             Vorteile in Bezug auf lernbe-
in ihrem Unterricht und sind
                                     Die Vorlesung als Format wird           zogene, metakognitive oder
gern gesehene Gäste auf
                                       aussterben und durch neue             affektive Aspekte festge-
hochschuldidaktischen Ver-
                                        Formate ersetzt werden,              stellt werden konnten (vgl.
anstaltungen wie z. B. dem
                                       Flipped-Classroom-Modelle             ebd. 2015, S. 39), ist die um-
„Tag der Lehre“ oder ande-
                                              zum Beispiel.                  gedrehte Vorlesung eine
ren Konferenzen an deut-
                                                                             echte Alternative zur traditi-
schen Hochschulen. Diese
                                                                             onellen Präsenzveranstal-
stehen immer öfter im Zei-
                                                                             tung geworden. Was zeich-
chen des „umgedrehten“ Unterrichts oder grei-
                                                        net nun das Flipped Classroom Modell aus?
fen das Thema sowie seine Randbereiche
                                                        Wieso ist es insbesondere für die Hochschuldi-
(bspw. Videoeinsatz in der Hochschullehre) in
                                                        daktik bzw. -lehrende von Interesse und welche
Form von Vorträgen und Workshops auf4.
                                                        Rolle könnten Tutoren im umgedrehten Unter-
In den Vereinigten Staaten sind Flipped Class-          richt einnehmen? Diesen Fragen soll auf den
rooms weit verbreitet (vgl. Johnson, Becker, Est-       Grund gegangen werden.
rada & Freeman 2015, S. 38; Handke & Schäfer
2012, S. 94 ff.). Bereits im Jahr 2007 wurde der        2 Flipped Classroom als Form des
Einsatz der umgedrehten Vorlesung dort tiefge-               Blended Learning
hend dokumentiert: Zwei Dozenten der Wood-
land Park High School stellten ihren Chemieun-          „Flipped Classroom“, „Inverted Classroom“,
terricht um, weil einzelne Lernende aufgrund            „Classroom Flip“, „Flipped Mastery“, „Educa-
                                                        tion Model“ oder „umgedrehter Unterricht“ –
                                                        viele Begriffe5 (vgl. Handke & Schäfer 2012, S.

1 Der leichteren Lesbarkeit halber verwenden wir im Fol-     Angewandte Wissenschaften Hamburg (2014), der Hoch-
genden ausschließlich die männliche Form.                    schule Bonn-Rhein-Siegen (2014), der Universität Erlan-
2                                                            gen-Nürnberg (2015), der Hochschule Merseburg (2015),
  Lehrpreis des Landes Baden-Württemberg für „Aktivie-
rende Methoden in der Mathematiklehre“ im Jahr 2012          der Fachhochschule Kiel (2016) oder der Universität Bay-
3
  Ars legendi-Preisträger des deutschen Stifterverbandes     reuth (2016) sowie die Tagung „Qualifizierung für die Zu-
und der Hochschulrektorenkonferenz für „Digitales Lehren     kunft. Tutorienarbeit im Diskurs III“ an der Hochschule Nie-
und Lernen“ im Jahr 2015                                     derrhein (2015).
4                                                            5
  So zum Beispiel die Tage der Lehre der Fachhochschule       Die Begriffsvielfalt bildete sich aufgrund der unabhängig
St. Pölten (2013 und 2015), der Universität Paderborn        voneinander entwickelten Aktivitäten der Bemühungen
(2013), der Universität Gießen (2014), der Hochschule für

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94), hinter denen sich folgendes Unterrichtsmo-          Learning-Outcomes aus, verrät nichts zu ver-
dell verbirgt: Große Teile der traditionellen Prä-       wendeten Methoden und Medien, klärt nicht
senzlehre (in der Regel die Vorlesung) werden            die Intensität und Dauer von Selbstlernphasen
durch virtuelle Elemente, wie E-Learning Mo-             oder die Rolle von Präsenzveranstaltungen. In-
dule oder Videos (Vortragsaufzeichnungen, Ani-           verted Classroom zielt auf die Nutzung und Aus-
mationen, Screencasts oder Mischformen von               schöpfung der Potentiale digitaler Medien ab,
                                                         für die didaktisch sinnvolle Gestaltung des Blen-
Lernvideos dieser Art, vgl. Sperl 2016, S. 102ff.)
                                                         ded Learning gelten aber die gleichen Überle-
ersetzt: Die Wissensaneignung erfolgt verstärkt
                                                         gungen und Schritte, die auch in jedem „traditi-
im Selbststudium. Die Studierenden verfügen so           onellen“ Unterricht angestellt werden müssen:
über ein großes Maß an Mitbestimmung und Ei-             die Analyse der Ausgangsbedingungen, die For-
genverantwortung über den Lernprozess:                   mulierung präziser Lernziele, die dazu passende
Wann, wo, wie und mit wem sie lernen, bleibt             Wahl und Gestaltung von Medien und Metho-
ihnen überlassen. Die dadurch frei werdende              den sowie die Sequenzierung der Lehr-Lernsitu-
Zeit im Präsenzstudium wird zum gemeinsamen              ationen, ein stimmiges Assessment oder die
Vertiefen und Üben genutzt (vgl. Handke 2014,            Ausgestaltung einer formativen und summati-
S. 181; Kück 2014, S. 21). Formen des koopera-           ven Evaluation zur Anpassung der Lehr-Lern-
tiven und kollaborativen Lernens werden einge-           schritte an die jeweilige Situation. Garrison und
setzt, um den Austausch anzuregen und das                Ganuka (2004, S. 96) beschreiben diesen Zu-
                                                                                sammenhang wie folgt:
Verständnis zu festigen.
Formative       Assessments                                                     „Blended learning is
kommen in verschiedenen                                                         both simple and com-
                                     Im Grunde genommen handelt es
Ausprägungen in den                                                             plex. At its simplest,
                                      sich beim Flipped Classroom um
Selbstlern- und Präsenz-                                                        blended learning is the
                                       ein Blended Learning Konzept.
phasen zum Einsatz, um ei-                                                      thoughtful integration
nerseits den Lernstand zu                                                       of classroom face-to-
erheben und Feedback zu                                                         face learning experi-
geben und andererseits                                                          ences with online
                                                             learning experiences. There is considera-
das weitere didaktische Vorgehen – vor allem in
                                                             ble intuitive appeal to the concept of in-
der Präsenzphase – daran auszurichten.                       tegrating the strengths of synchronous
Im Grunde genommen handelt es sich beim Flip-                (face-to-face) and asynchronous (text-
ped Classroom um ein Blended Learning Kon-                   based Internet) learning activities. At the
zept, also um „nichts anderes als ein Lernen mit             same time, there is considerable com-
                                                             plexity in its implementation with the
verschiedenen Medien und Methoden unter
                                                             challenge of virtually limitless design
Einbezug von virtuellen und physischen Räu-
                                                             possibilities and applicability to so many
men“ (Reinmann 2011, S. 7). Es ist somit kein ei-
                                                             contexts.”
gener didaktischer Ansatz oder gar eine Me-
thode, sondern eine „Klammer, die zusammen-
halten soll, was guten Unterricht in einer Zeit
und Gesellschaft ausmacht, in der digitale Me-
dien bereits selbstverständlich (...) genutzt wer-
den“ (ebd. 2011, S. 9).
Blended Learning, und damit auch die umge-
drehte Vorlesung, sagt per se nichts über die

um die “Vertauschung” der Lehr- und Lernaktivität aus
(vgl. Handke 2014, S. 179).

Hochschuldidaktik – Beiträge und Empfehlungen des FBZHL der FAU | Aufsätze 12.2017                Seite | 2
3    Vorlesungen umdrehen – wie                              meist ohne Begleitung statt, d. h. Dozenten er-
                                                             halten keine Rückmeldung über den Wissens-
     geht das?
                                                             stand der Lernenden und auch die Lernenden
Im Folgenden soll das Modell des Flipped Class-              selbst wissen meist nicht, wo genau sie beim
room verdeutlicht werden, indem zunächst                     Lernen stehen. Am Ende des Semesters steht
Lehr- und Lernphasen der traditionellen Hoch-                die Prüfung.
schullehre dargelegt und anschließend mit Pha-
                                                             Im Flipped Classroom Modell wird mehr Initia-
sen der umgedrehten Vorlesung im Detail ver-
                                                             tive von den Studierenden erwartet und der
glichen werden:
                                                             Austausch untereinander sowie mit dem Lehr-
                                                             personal wird gefördert. Studierende eignen
3.1 Traditionelle Hochschullehre vs.
                                                             sich dabei selbstständig, vor allem durch den
    Flipped Classroom                                        Einsatz von Lernvideos, die Inhalte an. Durch ein
                                                             anschließendes E-Assessment – also einer digi-
Die traditionelle Hochschullehre6 zeichnet sich
                                                             talen Leistungserhebung zur Einschätzung des
durch ein hohes Maß an Frontalunterricht in der
                                                             Lernstandes – erfährt der Dozent, auf welche
Präsenzphase aus: Die Vorlesung wird oftmals
                                                             Aspekte er während der Vorlesung nochmals
als Massenveranstaltung abgehalten, in welcher
                                                             gesondert eingehen sollte. Weiter können wäh-
der Dozent vortragsartig Inhalte darstellt und
                                                             rend der Präsenzphase Fragen geklärt und The-
erklärt (Vor-Lesung). Die Studierenden verhal-
                                                             men diskutiert werden. Im Tutorium wird in
ten sich eher passiv bzw. rezeptiv, schreiben im
                                                             Gruppen gearbeitet – alternativ unterstützen
besten Fall mit und hören aufmerksam zu. Das
                                                             Tutoren den Dozenten direkt während der Vor-
Fachtutorium hingegen dient dazu, den Stoff
                                                             lesung, sofern auch dort Gruppenphasen ange-
praktisch anzuwenden oder zu wiederholen –
                                                             dacht sind. Auch die Präsenzphase und das Tu-
wobei auch hier Tutoren nicht selten vorrech-
                                                             torium sollten weiter durch Assessments beglei-
nen, präsentieren oder zusammenfassen – und
                                                             tet werden, damit Studierende und Lehrende ei-
somit Studierende wieder in die passive Rolle
                                                             nen Überblick über ihren Wissensstand haben
verfallen (weitere Ausführungen s. u.). Das
                                                             und sehen, wie gut die Lernenden bereits auf
Selbststudium dazwischen und danach findet
                                                             die Prüfung7 vorbereitet sind.

Abbildung 1: Traditionelle Hochschullehre

6 An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass es   drei Terminen zur Ablegung einer E-Prüfung wählen kön-
auch Mischformen zwischen traditioneller und aktivieren-     nen – und so ihren Lernrhythmus weiter selbst bestimmen
der, studierendenzentrierter Lehre gibt.                     können.
7 Jürgen Handke flexibilisiert seit dem Wintersemester       Weitere Informationen finden sich unter https://hoch-
2015/16 seine Lehre sogar so weit, dass Studierende aus      schulforumdigitalisierung.de/de/blog/hochschulforum-di-
                                                             gitalisierung/digitalisierung-problemloeser-neue-
                                                             praesenzformate.

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Im Folgenden werden die einzelnen Phasen –                   nachhaltigeres Lernen zu ermöglichen (vgl. Kück
Selbststudium, Präsenzveranstaltung, Tutorium                2014; Bleimann & Löw 2013).
– E-Assessment – im Flipped Classroom genauer
                                                             Die eingesetzten Videos sollten zudem keine
beleuchtet:
                                                             (oftmals ermüdenden) Mitschnitte aus Vorle-
                                                             sungen sein, sondern kurze, didaktisch gut auf-
3.2 Das Selbststudium im Inverted                            bereitete und speziell für den Flipped Classroom
    Classroom gestalten                                      produzierte (Erklär)-Videos im Umfang von we-
                                                             nigen Minuten bis maximal einer halben Stunde
Auch wenn in dem klassischen Inverted Class-
                                                             (vgl. Handke & Schäfer 2012, S. 95). Im einfachs-
room Konzept ausschließlich auf Screencasts8
                                                             ten Fall ist ein Lehrender auf dem Bildschirm zu
und vertiefende Aufgaben zur Anwendung in
                                                             sehen, der einen Inhalt gekonnt und nachvoll-
den Selbstlernphasen zur Wissensvermittlung
                                                             ziehbar darstellt und dabei zusätzliche Handlun-
und -festigung gesetzt wird (vgl. Kück 2014, S.
                                                             gen zur Förderung des Verständnisprozesses
11), ist es heute oftmals vielmehr als „nur“ rein
                                                             unternimmt, wie z. B. Stichworte aufschreiben,
videobasiertes Lernen (vgl. Spannagel & Span-
                                                             Denkprozesse modellieren, digitale Symbole auf
nagel 2013, S. 113ff.). Zusätzliche Printmateria-
                                                             dem Active-Board verwenden oder Grafiken
lien, Projektaufgaben, ein Lehrerblog, E-Portfo-
                                                             einblenden. Diese Art von Videos lassen sich mit
lios, MOOCs oder Wikis werden beispielsweise
                                                             relativ geringem Aufwand produzieren (rapid vi-
ergänzend und in Abhängigkeit der Lernziele zu
                                                             deo production, vgl. Handke 2013, S. 70ff.)9. Al-
den Videos im Selbststudium eingesetzt, um ein

Abbildung 2: Flipped Classroom Modell

8 Für die Produktion der Screencasts und E-Assessmentauf-    E-Assessments lassen sich des Weiteren gut mit den Gene-
gaben gibt es eine ganze Schar an Open Source sowie kos-     ratoren der Lernplattformen wie Moodle oder ILIAS gestal-
tenpflichtigen Programmen. Kück empfiehlt beispielsweise     ten. Aber auch freie Programme wie Hot Potatoes bieten
Screencast-O-Matic, Debut Video Capture, Doceri oder Ex-     interessante Einsatzmöglichkeiten, z. B. im Bereich von On-
plain Everything (vgl. Kück 2014, S. 93ff.).                 line-Quiz’.
                                                             9
                                                              Beispiele für gute rapid micro-learning-videos aus
                                                             dem Virtual Linguistics Campus finden sich unter

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lerdings sind auch Videos denkbar, die die Po-                   have to read, watch or carry out an activ-
tentiale des Mediums „Film“ (Anschaulichkeit,                    ity and then answer questions related to
Mehrschichtigkeit, Emotionalisierung etc.) wei-                  the task. (...) JiTT assignments have a
ter durch entsprechende Filmtechniken aus-                       deadline a few hours before class, thereby
schöpfen (vgl. Baumann & Jahn 2014, S. 7ff.).                    allowing the teacher sufficient time to
Die Produktion solcher Videos ist allerdings                     adapt the forthcoming class, taking the
deutlich ressourcenintensiver.                                   students’ responses into account.“ (Row-
                                                                 ley & Brown 2015, S. 15)
3.3 Assessment im Selbststudium
                                                             Die Lehre wird gezielt auf den laufenden Lern-
                                                             prozess der Studierenden abgestimmt.
Nach den einzelnen Clips werden in der Selbst-
lernphase möglichst obligatorische Online-Auf-        Die didaktische Planung und inhaltliche Ausar-
gaben angeboten (E-Assessments, z. B. in Form         beitung der E-Assessments ist eine anspruchs-
von Multiple Choice oder auch Quiz-Aufgaben).         volle, kreative, didaktisch reflexive Arbeit. Für
Diese geben den Studierenden Aufschluss dar-          jede Gruppe und jedes Lernziel müssen das ge-
über, wo sie jeweils stehen: Habe ich das Lern-       eignete Format und die passende Umsetzung
ziel erreicht? Wo muss ich noch nacharbeiten,         gefunden werden. Zudem hat der Lehrende für
um die Prüfung zu bestehen? Woran hängt es            die Selbstlernphasen nicht nur die Aufgabe,
gerade? Das direkte Feed-                                                  lernförderliche Lernsituati-
back auf die Lernleistung                                                  onen und -materialien bzw.
fördert dabei die Motiva-         Die aktive Auseinandersetzung mit        E-Assessments mit zielge-
tion der Studierenden. Die          dem „Lernen lernen“ kann ein           richteter Feedbackfunktion
Ergebnisse des E-Assess-           wichtiger Aspekt der umgedreh-          auszuwählen, zu gestalten
ments können aber auch                    ten Vorlesung sein.              oder verfügbar zu machen.
Dozierende      aufgreifen:                                                Er ist auch dafür zuständig,
Welche Inhalte haben die                                                   den Lernprozess zu beglei-
Studierenden noch nicht                                                    ten und gegebenenfalls un-
verstanden und müssen wiederholt oder vertieft        terstützend einzugreifen – ganz im Sinne der
werden? Wie erfolgreich ist das Lernmaterial          Rolle eines Lernbegleiters.
und wo muss es ggf. weiterentwickelt werden?
Bedarf es einer Erweiterung der Lernstrategien        3.4 Die Förderung von Lernkompeten-
der Studierenden (z. B. im Tutorium)?                      zen im Inverted Classroom
Im so genannten Just-in-time-teaching (JiTT)
(vgl. Novak & Patterson 2010; zit. n. Rowley &               Das selbstgesteuerte Lernen stellt hohe Anfor-
Brown 2015) wird durch diese Art von E-Assess-               derungen an die Studierenden. Verfügen diese
ments die Selbstlernphase mit der Präsenzver-                nicht über die notwendigen Lernkompetenzen,
anstaltung eng verzahnt:                                     werden die Materialien und Aufgaben unter
                                                             Umständen nur oberflächlich bearbeitet und
   „The main concept behind the JiTT ap-                     das gewünschte, tiefergehende Lernen findet
   proach is to create a direct link between                 nicht statt. Die aktive Auseinandersetzung mit
   the pre- and in-class activities by making                dem „Lernen lernen“ kann somit ein wichtiger
   use of introductory web-based assign-                     Aspekt der umgedrehten Vorlesung sein. Der
   ments, commonly referred to as JiTT exer-                 stets geforderte Shift from teaching to learning
   cises. In these exercises students usually                fordert, auch das Lernen selbst zum Gegenstand

https://www.youtube.com/channel/UCaM-
pov1PPVXGcKYgwHjXB3g [17.05.2016].

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der Lehre zu machen. Die Rede ist von Lernkom-               fördern, falls sich hinderliche Defizite bei den
petenz bzw. den geeigneten Lernstrategien.                   Studierenden zeigen sollten. Die Unterstützung
Wild und Schiefele (1994, S. 186f.) unterschei-              kann direkt erfolgen, sprich die Lernstrategie
den dabei zwischen                                           wird als solche klar benannt und behandelt,
                                                             Techniken und Methoden werden dazu einge-
   kognitiven Lernstrategien,
                                                             übt (z. B. während der Präsenzveranstaltung Le-
   metakognitiven Lernstrategien und den
                                                             sestrategien erklären und einüben lassen). Eine
   ressourcenbezogenen Lernstrategien, die                  indirekte Förderung von Lernstrategien liegt
    gelingendes Lernen bedingen.                             dann vor, wenn das Thema „Lernen lernen“
Kognitive Lernstrategien, wie z. B. das Memori-              nicht direkt zum Inhalt gemacht wird, sondern
sieren, Elaborieren oder Organisieren beziehen               die jeweilige Lernsituation so gestaltet ist, dass
sich auf die unmittelbare Informationsauf-                   Studierende erfolgreiche Lernstrategien anwen-
nahme, -verarbeitung und -speicherung. Le-                   den müssen, z. B. indem Arbeitsaufträge in
sestrategien, Mnemotechniken, das Finden von                 kleinteilige Schritte zerlegt werden. Also nicht
Anwendungsbeispielen oder auch kritisches                    „lesen Sie den Text“, sondern:
Hinterfragen zählen als Methoden dazu. Die                       Lesen Sie den Text komplett.
metakognitiven Lernstrategien als Überwa-
                                                                 Markieren Sie bei beim zweiten Lesen un-
chungsinstanz beschäftigen sich des Weiteren
                                                                  klare Stellen.
mit dem Monitoring und der Regulation von lau-
fenden Lernprozessen. Sie beschreiben jene re-                   Bilden Sie Sinnabschnitte und formulieren
flexiven, beobachtenden, regulativen und adap-                    Sie jeweils eine Überschrift.
tiven Schritte, die das eigene Vorgehen beim          Je nach Lernstrategie stehen verschiedene
Lernen laufend unter die Lupe nehmen, es auf          Maßnahmen bei der direkten und indirekten
Lernerfolg und Angemessenheit hin hinterfra-          Förderung zur Verfügung. Ein Hebel zur indirek-
gen und gegebenenfalls anpassen (metakogni-           ten Förderung der Metakognition ist beispiels-
tive Planung, Überwachung, Bewertung und Re-          weise der Einsatz von "Prompts" im E-Learning,
gulation).                                            z. B. bei dynamischen Videos (van den Boom et
Lernhandlungen sollen optimiert und Fehler da-        al. 2004, zit. n. Jahn, Trager & Wilbers 2007, S.
bei minimiert werden. Die ressourcenbezoge-           17). Während der Bearbeitung von Aufgaben o-
nen Lernstrategien hingegen umfassen sämtli-          der dem Ansehen von Videos werden zusätzli-
che Handlungen, die das Lernen unterstützen o-        che Denkanstöße in Form von Fragen gegeben,
der von äußeren Einflüssen abschirmen sollen.         um etwa die eigene Perspektive zu erweitern o-
Dazu gehört unter anderem die Gestaltung              der das eigene Handeln zu hinterfragen. Aber
günstiger Lernumgebungen, die geschickte Nut-         auch der Einsatz und die Besprechung schriftli-
zung zusätzlicher Quellen, das Lernen mit Peers       cher Tests zur Erfassung von Lernkompetenz re-
(allesamt externe Ressourcen), aber auch ein          gen die Metakognition an (vgl. z. B. den Selbst-
stimmiges      Zeitmanage-                            einschätzungstest „Lernen im Studium“ von
ment oder der gezielte Ein-                                                 Wild und Schiefele 1994,
satz von Konzentration,                                                     gekürzt einsehbar in Jahn
Aufmerksamkeit und An-            Je nachdem, welche Lernziele ver-         und Kenner 2013, S. 18ff.).
strengung (interne Res-                folgt werden, können   in
                                                                            Kognitive Lernstrategien
sourcen). Aufgabe des Leh-          Präsenzeinheiten des Inverted           lassen sich gezielt verbes-
renden kann es folglich                Classroom Modells   auch             sern, wenn sie a) themati-
auch sein, gezielt ausge-              mehrere Methoden des
                                                                            siert (Wissen über Lern-
wählte Lernstrategien zu              kooperativen Lernens zur              strategien) und b) regelmä-
                                        Anwendung kommen.                   ßig geübt und angewendet

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werden. Ressourcenbezogene Strategien kön-                   2014). Daher ist die Präsenzveranstaltung im-
nen beispielsweise durch entsprechende Mate-                 mer auch der Ort des gezielten Übens und der
rialien wie Zeitpläne, Zeitmanagementtools,                  Klärung von Fragen.
ausgewiesene Lernziele und Erfolgskriterien,
                                                        Bei der Durchführung des formativen Assess-
die Angabe weiterführender Quellen, der Ein-
                                                        ments haben sich Audience Response Systeme
führung von Gruppenarbeiten, aber auch durch
                                                        als nützlich erwiesen, um den Wissensstand der
Anreizsysteme jeweils individuell gefördert
                                                        Lernenden herauszufinden (vgl. Wiemeyer
werden.
                                                        2013, S. 127ff.; Jäger & Atkins 2016, S. 48ff.).
                                                        Studierende beantworten dabei während der
3.5 Die Vorlesung im Inverted Class-                    Selbstlernphase oder während der Präsenzver-
      room gestalten                                    anstaltung Fragen via Clicker oder den deutlich
                                                        günstigeren, und aufgrund der Verbreitung von
Das Prinzip der Umkehrung eröffnet neue Mög-
                                                        Smartphones einfach handhabbaren, web-ba-
lichkeiten für die Gestaltung der Präsenzveran-
                                                        sierten Live-Voting- bzw. Live-Feedback-Syste-
staltungen. Wissen muss nicht mehr von der
                                                        men10. Durch den Einsatz von Quizfragen o. ä.
Pike auf, wie in klassischen Vorlesungen, frontal
                                                        sieht der Lehrende genau, wo es noch Verständ-
vermittelt (Erinnern und
                                                                             nisprobleme in der Gruppe
Verstehen), sondern es
                                                                             gibt und kann gezielt da-
können Lernziele auf höhe-
                                     Kognitive Lernstrategien lassen         rauf eingehen, indem er z.
ren Taxonomiestufen ver-
                                    sich gezielt verbessern, wenn sie        B. Inhalte wiederholt oder
folgt (Anwenden, Analysie-
                                    thematisiert und regelmäßig ge-          nochmal anders darstellt.
ren, Evaluieren, Erschaf-
                                          übt und angewendet                 In dieser Funktion ist er
fen) und Schlüsselkompe-
                                                  werden.                    wieder der klassische Fach-
tenzen gefördert werden.
                                                                             experte und Inhaltsver-
Handlungsorientiertes,
                                                                             mittler.
problemorientiertes, spie-
lerisches und kooperatives Lernen wird dadurch          Aber auch stark handlungsorientierte, kollabo-
ermöglicht. Der Spielraum kann aber erst richtig        rative und kooperative Formen des Lernens eig-
genutzt werden, wenn dem Lehrenden durch                nen sich besonders für die Ausgestaltung des
formatives Assessment in den Selbstlernphasen           gewonnenen Freiraumes. Konzepte wie „Lernen
und/oder in der Präsenzlehre deutlich gewor-            durch Lehren“, „Lernen durch Spielen“ und
den ist, auf welchem Lernstand sich die Studie-         „Lernen durch Diskutieren“ sind längst gängige
renden bewegen, ob sie die anvisierten Lern-            Praxis für den Teil der Präsenzveranstaltungen
ziele erreicht haben und wo noch eine Klärung           geworden: Spannagel und Spannagel (2013)
und Wiederholung notwendig ist. Erst wenn               setzen dabei insbesondere auf drei Formate:
Lernen sichtbar wird, lässt sich gezielt eine ge-            Im Aktiven Plenum sind Studierende damit be-
eignete didaktische Antwort finden, wie konkret              fasst, gemeinsam ein mathematisches Problem
weiter verfahren werden sollte (vgl. dazu die                zu lösen. Ein Studierender übernimmt dabei die
Theorie des Visible Learning, Hattie 2013;
                                                             Rolle des Moderators, der Ideen sammelt,
                                                             strukturiert und die Kommunikation im Hörsaal

10
   Live-Voting- bzw. Live-Feedback-Systeme sind in-          Webseite des Medienzentrums der TU München:
zwischen für die an Hochschulen gängige E-Learning-          https://www.mz.itsz.tum.de/elearning/nuetzliche-
plattformen ILIAS und Moodle verfügbar. Darüber              tools/live-abstimmung
hinaus stehen Lehrenden auch Tools wie PINGO oder
OnlineTED zur Verfügung. Eine gute Übersicht aktu-
ell nutzbarer Live-Voting-Systeme findet sich auf der

Hochschuldidaktik – Beiträge und Empfehlungen des FBZHL der FAU | Aufsätze 12.2017                    Seite | 7
steuert. Ein weiterer Studierender ist für die Ta-           Je nachdem, welche Lernziele verfolgt werden,
felanschrift verantwortlich. Der Lehrende hin-               können in einer Präsenzeinheit des Inverted
gegen gibt die Rolle des Vermittlers und des                 Classroom Modells auch mehrere und weitere
Fachexperten weitgehend ab und tritt eher als                Methoden des kooperativen und kollaborativen
Coach, Lernbegleiter und Lernberater auf den                 Lernens zur Anwendung kommen. Auch die in-
Plan (vgl. Spannagel & Spannagel 2013, S.                    dividuelle Förderung der Lernkompetenz kann
                                                             gezielt in der Präsenzveranstaltung stattfinden.
115ff.).
Die so genannten Lecture Games hingegen set-            Abhängig von den anvisierten Lernzielen und
zen auf Schnelligkeit und kompetitives Lernen in        Sequenzen kommen auf die Lehrenden unter-
                                                        schiedliche und mitunter anspruchsvolle Aufga-
Gruppen. Beim Divide and Fight teilt sich der
                                                        ben zu: Zur Exploration der Problemstellung an-
Hörsaal in zwei Gruppen und bearbeitet eine
                                                        regen (exploration), sich dann zurücknehmen
Aufgabe, die auf der Leinwand präsentiert wird.
                                                        und beobachten, unterstützen nur da, wo es
Wer von den Studierenden als erster die Lösung          wirklich notwendig wird (scaffolding, coaching),
parat hat, antwortet laut und bekommt für               die Unterstützung und die Struktur dann aber
seine Gruppe Punkte. Abwandlungen davon                 wieder reduzieren, wenn es möglich wird (fa-
sind Row Rotation (hier kooperieren die einzel-         ding), vorführen und erklären, wo es geboten
nen Reihen und konkurrieren untereinander) o-           scheint (modeling), den Kurs korrigieren, wenn
der Ring the Bell: In Klein-                                                  es zu weit aus dem Ruder
gruppen lösen Studierende                                                     läuft, zur Artikulation und
ein Problem auf Zeit und           Tutorien in ihrer Grundform sind           zum Diskurs anregen (arti-
müssen den Gong anschla-                  weniger als Frontal-                culation), um Probleme aus
gen, wenn sie es geschafft              unterricht gedacht und                verschiedenen Perspekti-
haben. Die schnellste               orientieren sich in Ansätzen an           ven zu betrachten oder
                                         den Ansprüchen der                   aber dann auch die Lernen-
Gruppe gewinnt.
                                          Charta guter Lehre.                 den wieder in die Reflexion
Ein weiteres methodisches                                                     führen (reflexion). Diese
Grundprinzip bei Spanna-                                                      und weitere didaktische
gel und Spannagel findet                                                      Aufgaben zeichnen die mit-
sich in der sogenannten Think-Pair-Share-Me-            unter komplexe Aufgabe des Lehrenden aus
thode; der Grundform des kooperativen Ler-              (vgl. dazu auch das Modell des Cognitive App-
nens, die auch im Kontext der Förderung des kri-        renticeship: Collins, Brown & Holum 1991). Der
tischen Denkens häufig diskutiert wird (vgl. Petri      Lehrende ist dabei vielmehr als nur Fachexperte
2003; Jahn 2012). Nachdem die Lernenden eine            oder Stoffvermittler. Er ist verantwortlich für
Einführung in eine bestimmte Problemstellung            das gezielte und stimmige Herbeiführen und Be-
erhalten haben, müssen sie anschließend                 gleiten von Lernenden (vgl. dazu Ramsden
selbstständig in Alleinarbeit über das Problem          2003., zit. n. Gläser & Munt 2015, S. 27ff.). Der
                                                        Lehrende erforscht in diesem Verständnis fort-
nachdenken (Think), dann mit ihrem Partner
                                                        laufend die Wirkung seiner eigenen Lehre und
und in einer Arbeitsgruppe diskutieren (Pair),
                                                        richtet sein didaktisches Handeln und Gestalten
dabei ein Handlungsprodukt wie ein Plakat oder
                                                        an dem Verständnisprozess und Lernstand der
eine Lösungsskizze anfertigen sowie abschlie-           Studierenden aus (vgl. dazu auch die Theorie
ßend im Plenum die Ergebnisse besprechen und            des Flexible Learning, Hattie 2013; 2014).
zusammentragen (Share) (zur Methode vgl.
Cobb 2004, S. 401).

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In der Praxis hingegen kann                                                Eine selbständige Schwer-
                                 Es kommt auf die didaktische Qua-
Inverted Classroom leider                                                  punktsetzung des Tutors
                                  lität beim „Umdrehen“ an, damit
auch bedeuten, einen stark                                                 sowie ein didaktisches Kon-
                                     der Inverted Classroom einen
wissensbasierten Frontal-                                                  zept wurden bei der Ein-
                                  Mehrwert auch für die Studieren-
unterricht einer Vorlesung                                                 stellung vorausgesetzt (vgl.
                                           den bieten kann.
einfach abzufilmen. Der di-                                                Klaue 2014).
gitale Professor erscheint
                                                                           Heute gelten Tutoren als
dann nicht einmal mehr in
                                                       Lernbegleiter, gar als „Stützen der Hochschul-
der Präsenzveranstaltung, sondern er schickt
                                                       lehre“ (Kröpke 2008). Auch die Charta guter
seinen Assistenten, der bei Unklarheiten für die
                                                       Lehre – eine Gemeinschaftsinitiative der Kultus-
Studierenden zur Verfügung steht. Sie haben
                                                       ministerkonferenz und des Stifterverbandes,
keine Fragen mehr? Gut, dann ist die Stunde für
                                                       die aus dem Wettbewerb exzellente Lehre ent-
heute beendet. Es kommt auf die didaktische
                                                       stand – misst der Rolle von Tutoren eine beson-
Qualität beim „Umdrehen“ an, damit der Inver-
                                                       dere Bedeutung bei der Unterstützung von
ted Classroom einen Mehrwert auch für die Stu-
                                                       Lernprozessen bei und folgert:
dierenden bieten kann.
                                                                 „Aufgrund ihrer fachlichen und sozialen
3.6 Exkurs: Fachtutorien als Baustein                            Nähe zu ihren Kommilitonen können sie
    der traditionellen Lehre                                     [die Tutoren] diese bei der Bewältigung
                                                                 der Studienpraxis, der Selbstregulation
Das Rollen- und Aufgabenspektrum von Fachtu-                     und Kompetenzentwicklung beraten und
toren in der traditionellen Hochschullehre ist                   unterstützen.“ (Jorzik, 2013, S. 16)
breit und kann
                                                             Doch die Phänomene, die sich aktuell in den
   das Wiederholen und Vertiefen von Inhal-                 Vorlesungssälen abspielen, zeichnen sich auch
    ten (bspw. in den Geisteswissenschaften),                innerhalb der Tutorien ab. Anstelle von indivi-
   das Vorrechnen von Aufgaben (z. B. in                    dueller Hilfe bei fachlichen Problemen oder In-
    MINT-Fächern oder sozialwissenschaftli-                  formationen zur Orientierung an der Universität
    chen Fächern mit statistischem Bezug) oder               findet sich ein Hochschulsystem, das sich durch
   praktische Demonstrationen (u. a. in der                 seine starke Expansion auszeichnet – durch den
    Medizin)                                                 Zuwachs von immatrikulierten Studierenden,
                                                             aber auch durch die Anzahl von Hochschul- so-
umfassen (vgl. Kenner & Stender 2015, S. 9; An-
                                                             wie Studientypen oder -abschlüssen. Weiter
tosch-Bardohn, Beege & Primus 2016, S. 14ff.).
                                                             sind Hochschulen zunehmend durch eine stei-
Tutorien institutionalisierten sich in den 1960er            gende Heterogenität innerhalb der Studieren-
Jahren an deutschen Hochschulen als regulärer                denschaft geprägt (vgl. Pohlenz 2014, S. 8): Stu-
Bestandteil des Studiums. Seit damals gilt das               dierende mit Migrationshintergrund, aus Pro-
Angebot in der Regel als freiwillig, d. h. die Teil-         fessoren- und Arbeiterfamilien, mit und ohne
nahme ist nicht verpflichtend, wird von Dozen-               Beeinträchtigung (vgl. Ramm et al. 2014;
ten aber meist empfohlen. Was sich mit den                   Wejwar 2012). Viele Faktoren tragen heute
Jahren veränderte, ist die Rolle von Tutorien im             dazu bei, dass in einem Seminarraum – über-
hochschulinternen Curriculum: Vor 40 Jahren                  spitzt formuliert – eine Altersspanne von 17- bis
sollten Tutorien explizit nicht als Repetitorien             77jährigen Lernenden vertreten sein kann: auf-
und Vorlesungsbegleitung fungieren, sondern                  grund des Abiturs nach zwölf Schuljahren und
galten als eigenständige Lehrveranstaltung.                  dem Wegfalls der Wehrpflicht oder durch den
                                                             vereinfachten Zugang zu Hochschulen durch
                                                             den zweiten Bildungsweg bzw. ohne Abitur. Auf

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der anderen Seite zeichnet sich der Trend des                Den inhaltlichen Rahmen von Tutorien geben in
lebenslangen Lernens ab, so dass auch Arbeit-                der Regel die betreuenden Dozierenden vor:
nehmer mittleren Alters, berufsbegleitend, o-                Welche Inhalte und Aufgaben sollen bearbeitet
der Senioren an Hochschulen zusammen mit                     werden? Hinsichtlich der methodischen Ausge-
den Jungen lernen. Die Folge der o. g. Verände-              staltung, divergieren die Bedingungen stark. An
rungen sind eine wachsende Komplexität bei                   der FAU Erlangen-Nürnberg durchgeführte In-
der Organisation, aber auch bei der didakti-                 terviews mit Betreuern und Tutoren verweisen
schen Planung und Ausgestaltung der Lehre.                   auf der einen Seite auf starre Vorgaben bei der
                                                             Ausgestaltung. Bspw. ist für jede Tutoriumssit-
Nicht nur Dozenten sind mit diesen Herausfor-
                                                             zung ein vordefinierter Satz an Aufgaben zu be-
derungen konfrontiert, sondern auch studenti-
                                                             arbeiten. Auf der anderen Seite zeigt sich für
sche Lehrende. Interne Bedarfsermittlungen
                                                             viele Studiengänge, dass nur die Inhalte mit Be-
der Universität Erlangen-Nürnberg zur didakti-
                                                             treuern abzusprechen sind, die Tutoren aber
schen Situation in Tutorien zeigen bspw., dass in
einigen Fächern, wie den Wirtschaftswissen-                  völlig frei sind – aber eben auch nicht sinnvoll
schaften, auch Tutorien Massenveranstaltun-                  angeleitet werden, wie sie ihren Unterricht ge-
gen mit bis zu 100 teilnehmenden Studierenden                stalten.
sind. Die Folge kann sein, dass Studierende nicht      Konzepte zur Gestaltung eines interaktiven Tu-
nur während der Vorlesung, sondern auch im                                 toriums finden sich inzwi-
Tutorium weiter in der pas-                                                schen – zumindest punktu-
siven Rolle verharren, in-                                                 ell – an einigen Instituten
dem die teilnehmenden               Im Inverted Classroom gehen Tu-        (vgl. bspw. Direnga, Brose
Studierenden zusehen, wie            toren weg von der Rolle als Prä-      & Kautz 2015). Tutoren
Tutoren Ergebnisse herlei-           sentator und Aufbereiter von In-      übernehmen hier die Rolle
ten und nicht selbst Rech-          halten hin zum Lernbegleiter, der      von Lernbegleitern, die
nungen vollziehen oder sie         Kleingruppen beim Finden von Lö-        Studierenden nicht einfach
sich erhoffen, dass der Tu-                   sungen berät.                Lösungen präsentieren o-
tor die Vorlesung nochmals                                                 der Aufgabensätze vor-
zusammenfasst und sie                                                      rechnen, sondern gemein-
nicht selbst die Inhalte ver-                                              sam mit ihnen erarbeiten.
innerlichen und durchdringen müssen (vgl. z. B.        Auch die Konzeption von (fachspezifischen
die Bedarfsermittlung von Kenner & Kraus 2016,         und/oder an den Rahmenbedingungen orien-
S. 3).                                                 tierten) hochschuldidaktischen Qualifizierungs-
Trotzdem sind Tutorien in ihrer Grundform we-                maßnahmen gewinnt an Bedeutung (vgl. z. B.
niger als Frontalunterricht gedacht und orien-               Attenberger 2012; Kenner & Kraus 2016). So er-
tieren sich in Ansätzen an den Ansprüchen der                halten Tutoren Anregungen, wie sie ihre Lehre
Charta guter Lehre: Die Gruppen sind kleiner als             nach didaktischen Gesichtspunkten planen,
in der Vorlesung, die Hierarchie ist flach und Tu-           auch wenn sie selbst nicht von Betreuern didak-
toren sind näher an der Studien- und Lebens-                 tisch angeleitet werden. Hochschuldidaktische
welt der Lernenden. Fragen sollen explizit ge-               Zertifizierungsmöglichkeiten schaffen zusätzli-
stellt und Lösungswege gemeinsam erarbeitet                  che Anreize für Tutoren, sich entsprechend fort-
werden. In Kombination mit Mentoring- und Be-                zubilden. Aber auch in der Tutorienarbeit tätige
ratungsangeboten stellen Tutorien somit ein                  Mitarbeiter haben die Möglichkeit, sich über
wichtiges Angebot dar, um Studierenden Orien-                das bundesweite Netzwerk Tutorienarbeit an
tierung im komplizierten System Hochschule zu                Hochschulen zu vernetzen, auszutauschen und
geben und sie fachlich zu unterstützen.                      so Qualifizierungskonzepte effizient weiterzu-
                                                             entwickeln.

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3.7 Tutorien umgedreht gedacht                               Tutorium ziehen in der traditionellen Lehre ins-
                                                             besondere engagierte Studierende einen Nut-
Dreht ein Dozent nun seine Lehre um, bietet es               zen. Sie können den Berechnungen des Tutors
sich an, auch das Tutorium neu zu denken, es in              folgen, konkret nachfragen, wenn Unklarheiten
das Inverted Classroom Modell aufzunehmen                    bestehen und trauen sich, vor Kommilitonen
und Tutoren als wertvolle zusätzliche Ressource              Aufgaben vorzurechnen und so Feedback dazu
im Lernprozess zu nutzen. Im Folgenden wird                  zu erhalten. Studierende, die nicht kontinuier-
aufgezeigt, wie Tutorien in den umgedrehten                  lich im Semester mitarbeiten, können dem Tu-
Unterricht didaktisch implementiert werden                   torium jedoch auch nur schlecht folgen – insbe-
können. In seinem Vortrag, im Rahmen der Ta-                 sondere dann, wenn sie die Vorlesung nicht ge-
gung „Qualifizierung für die Zukunft. Tutorien-              wissenhaft nachbereiten.
arbeit im Diskus III“ am 16.11.2015 in Mönchen-
                                                             Ist nun die Vorlesung umgedreht gedacht, ver-
gladbach, demonstriert Christian Spannagel
                                                             ändert sich auch das didaktische Setting des Tu-
sein Konzept der „umgedrehten Mathematik-
                                                             toriums:
vorlesung“ (vgl. Spannagel 2011) sowie die In-
terpretation des Flipped Classroom in seinen                 Wird der Input in der traditionellen Lehre durch
Lehrveranstaltungen – und geht dabei auch auf                den Dozenten in der Vorlesung dargelegt, set-
die unterstützende Rolle von Tutorien ein.                   zen sich Studierende im Flipped Classroom zu-
                                                             nächst alleine oder in Lerngruppen mit den In-
Wie oben bereits angerissen, schildert er, basie-
                                                             halten auseinander. Der Vorteil: Sie können das
rend auf seinen eigenen Erfahrungen als Profes-
                                                             Video zu einer beliebigen Zeit ansehen, pausie-
sor der Mathematik, folgende Problematik der
                                                             ren, wiederholen. Die Berechnung von Aufga-
traditionellen Lehre: Von der Vorlesung, wo
                                                             ben erfolgt dann nicht mehr alleine – so dass
Spannagel als Dozent etwa 250 Hörern die ei-
                                                             Studierende nur schwer die Möglichkeit haben,
gentlichen Inhalte vermittelt, profitieren in ers-
                                                             Unterstützung zu erhalten, wenn sie nicht wei-
ter Linie die fachlich guten Studierenden. Sie
                                                             ter kommen – sondern im Tutorium. Dort bear-
denken mit, können die Herleitungen nachvoll-
                                                             beiten Studierende in Gruppen Aufgaben, hel-
ziehen und so im Selbststudium die Vorlesun-
                                                             fen sich gegenseitig und können auf das Wissen
gen effizient vor- und nachbereiten. Studie-
                                                             des Tutors zurückgreifen. Während der Vorle-
rende, die sich mit dem Stoff schwertun, schal-
                                                             sung besteht dann die Möglichkeit, weiter be-
ten in der Regel während der Vorlesung ab: Zu
                                                             stehende Fragen vom Dozenten oder Kommili-
schwer, zu langweilig, das schaue ich mir (kurz
                                                             tonen beantworten zu lassen. Das komplette
vor der Prüfung) selbst nochmal an – was die
                                                             Plenum profitiert davon, wenn Lösungen be-
Konsequenz nach sich zieht, dass sie alleine und
                                                             sprochen und Aufgaben exemplarisch berech-
ohne Unterstützung durch den Dozenten In-
                                                             net werden.
halte selbst erarbeiten müssen. Auch aus dem

                            Input                          Aufgaben bearbeiten       Lösungen besprechen,
                                                                                     Fragen klären

 Traditionelle Lehre        Vorlesung                      Selbststudium             Tutorium
                            250 TN                         alleine                   25 TN

 Flipped Classroom          Selbststudium                  Tutorium                  Vorlesung
                            alleine/Lerngruppe             25 TN                     250 TN

Tabelle 1: Didaktisches Setting in der traditionellen Lehre bzw. im Flipped Classroom (in Anlehnung an Spannagel
2015)

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Das oben beschriebene                                                       Gestaltung von Tutorien,
                                  Wird Inverted Classroom im Sinne
Bild des Tutors passt somit                                                      Präsentationsübungen,
                                  des Visible Learning gestaltet, also
deutlicher auf das in der                                                   Umgang mit schwierigen
                                   dass Lernprozesse durch formati-
Charta der Lehre darge-                                                     Lehrsituationen, vgl. Ken-
                                    ves Assessment „sichtbar“ ge-
legte Ideal: Tutoren sollen                                                 ner & Stender 2015, S. 5)
                                  macht werden, dann ließe sich gut
bei der „Selbstregulation                                                   abweichen müssen: Die Er-
                                   argumentieren, dass im Inverted
und Kompetenzentwick-                                                       stellung eines didaktischen
                                    Classroom ein hoher kognitiver
lung beraten und unter-                                                     Curriculums und Vortrags-
                                      Lernerfolg zu erwarten sei.
stützen“ (Jorzik 2013, S.                                                   techniken verlieren an Re-
16). Rechnen Tutoren ein-                                                   levanz. Die Betreuung von
fach vor, sind Studierende                                                  (Klein-)Gruppen, das Prin-
nicht selbst tätig. Sie agieren somit, wie oben        zip der minimalen Hilfe, der sinnvolle Umgang
bereits angerissen, auf einer niedrigeren Taxo-        mit Nicht-Wissen bei Studierenden sowie Frage-
nomiestufe, erinnern sich an Inhalte, während          techniken rücken hingegen in den Vordergrund.
sie als Baustein im Flipped Classroom Inhalte          Von besonderer Wichtigkeit ist auch die oben
anwenden und berechnen (vgl. Anderson &                bereits angesprochene Vermittlung von Lern-
Bloom 2014, S. 31). Erst im umgedrehten Tuto-          strategien, die Tutoren an Studierende weiter-
rium findet also eine echte Beratung und Unter-        geben sollten: Wie bereite ich Lehrvideos oder
stützung statt, da Studierende vom Wissen des          Texte vor und nach, um optimal auf die Präsenz-
Tutors profitieren und sie bei der Problemlö-          phase vorbereitet zu sein? Wie gehe ich mit Fra-
sung unterstützt werden.                               gen um, die offen bleiben? Wie könnte mein
                                                       Zeitmanagement im Inverted Classroom ausse-
Jürgen Handke hingegen setzt Tutoren direkt in
                                                       hen? Wie bereite ich mich optimal auf die Prü-
seiner Präsenzveranstaltung ein (vgl. Handke
                                                       fung vor?
2016, S. 37). Kommen Studierende mit Fragen in
die Vorlesung oder arbeiten sie in Gruppen, er-
halten sie nicht nur durch den Dozenten Unter-         4 Lernerfolg und Wirksamkeit des
stützung, sondern auch durch studentische Leh-              Inverted Classroom
rende. Auch hier steht nicht die Darlegung von         Der Lernerfolg beim Inverted Classroom ist bis-
Inhalten im Zentrum, sondern primär der Bera-          her erst wenig erforscht. Einige aktuelle Studien
tungsaspekt.                                           zeigen in der Tendenz eher keinen signifikanten
Im Inverted Classroom gehen Tutoren weg von                  Unterschied zu traditionellen Präsenzveranstal-
der Rolle als Präsentator und Aufbereiter von In-            tungen im Hinblick auf lernbezogene, metakog-
halten hin zum Lernbegleiter, der Kleingruppen               nitive oder affektive Zusammenhänge (Johnson
beim Finden von Lösungen berät. Insofern sind                et al. 2015, S. 39). Dennoch gibt es auch einzelne
bei der Leitung eines umgedrehten Tutoriums                  Befragungen, welche die Vorteile des Inverted
auch darüber hinausgehende Kompetenzen11                     Classroom herausstellen.
gefragt, anders als im traditionellen Lehrsetting.           In einer schriftlichen Befragung des Flipped
Dies hat zur Folge, dass hochschuldidaktische                Learning Networks aus dem Jahr 2012, in der
Basisschulungen, wie sie inzwischen an vielen                453 Lehrende, die ihren Unterricht umgedreht
Hochschulen für Tutoren angeboten werden,                    hatten, befragt wurden, berichteten 67 % von
von ihrer meist ähnlichen inhaltlichen Ausrich-
tung (Rollenklärung, didaktische Planung und

11
  Eine Darlegung der erforderten Kompetenzen von
Hochschullehrern, die sich in Auszügen auch auf Tu-
toren übertragen lassen, findet sich bei Webler
(2004).

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besseren Prüfungsergebnissen. 80 % beschei-                  dabei auf Platz 4 von 150 mit einer enorm ho-
nigten eine verbesserte Lernhaltung der Ler-                 hen Effektstärke. Feedback ist immerhin noch
nenden und 99 % der Befragten gaben an, dass                 auf Rang 10 von 150 (vgl. Hattie, 2014, S. 276ff.).
sie ihre Veranstaltung auch weiterhin „umdre-
                                                             Wird Inverted Classroom also im Sinne des Vi-
hen“ würden (The Flipped Learning Network
                                                             sible Learning gestaltet, nämlich so, dass Lern-
2012, zit. n. Goodwin & Miller 2013, S. 78). Das
                                                             prozesse und -wege laufend durch formatives
genannte Netzwerk hat zudem eine Sammlung
                                                             Assessment „sichtbar“ gemacht und auf dieser
an Lehrveranstaltungs-Evaluationen einzelner
                                                             empirischen Basis dann didaktische Konsequen-
amerikanischer und kanadischer Hochschulen
                                                             zen für den weiteren Verlauf gezogen werden
zusammengestellt, in der etliche Vorteile des In-
                                                             und den Lernenden gezieltes Feedback zu ihrem
verted      Classroom     diskutiert    werden.
                                                             Lernen gegeben wird – dann ließe sich gut nach
Beispielsweise heißt es hier:
                                                             Hattie argumentieren, dass im Inverted Class-
   „In the end, the benefits of the flipped ap-              room ein hoher kognitiver Lernerfolg zu erwar-
   proach are considerable. Students take                    ten sei. Betont man aber andere singuläre Ele-
   more responsibility for their own learning.               mente wie das videobasierte, selbstgesteuerte
   (...) they learn to think more critically,                Lernen in der Selbstlernphase, sieht die Ein-
   communicate more effectively, and have                    schätzung gar nicht mehr so rosig aus. Bei Hat-
   a greater appreciation for the unique im-                 ties Liste der Einflüsse liegt das webbasierte Ler-
   portance and logic of the subject. And                    nen mit einer sehr geringen Effektstärke gerade
   they experience at least some of the sat-                 mal auf Platz 124 von 150. Das technologiege-
   isfaction of learning how to think in a new               stützte Lernen zu Hause schafft es gerade ein-
   and, in some cases, life changing way.“                   mal auf Platz 127 mit einer deutlich unterdurch-
   (Restad o. D., zit. n. Flipped Learning Net-              schnittlichen Effektstärke (vgl. Hattie 2014, S.
   work 2013).                                               281).

Diese und weitere Einschätzungen lesen sich                  Solch singuläre Betrachtungen sind jedoch me-
sehr positiv, lassen sich aber bisher empirisch              thodisch und interpretatorisch äußerst fraglich,
kaum auf einer breiteren Basis fundieren.                    nicht nur, weil eine Vielzahl anderer Faktoren
                                                             und deren Zusammenspiel unberücksichtigt
Betrachtet man aber einzelne didaktische Kern-
                                                             bleiben, sondern auch, weil es nicht die umge-
Elemente des Inverted Classroom, wie beispiels-
                                                             drehte Vorlesung gibt, sondern eine enorme
weise das formative Assessment oder das ge-
                                                             Vielfalt an möglichen Umsetzungsszenarien be-
zielte Feedback, schneiden diese bei breiten
                                                             stehen, die sich nicht vereinheitlichen lassen.
quantitativen Studien zur Feststellung der Lern-
effekte sehr gut ab. Hattie identifiziert beispiels-
                                                             5     Inverted Classroom – ein Aus-
weise in seinem Magnus Opum „Visible Learn-
ing“, in dem er mehr als 800 Meta-Analysen syn-                    blick
thetisiert hat, um herauszufinden was die kog-               Das Inverted Classroom Modell ist keine Me-
nitive Lernleistung von Schülern am meisten                  thode, sondern ein Konzept, eine Idee, die ganz
fördert, 150 Faktoren, die sich auf das Lernen               individuell und für jeden Kontext anders didak-
auswirken. Wichtigste Kennzahl dabei ist die so              tisch mit Leben angereichert werden muss. Die
genannte Effektstärke, die vereinfacht gespro-               vielfältigen didaktischen Rahmenbedingungen
chen darüber Auskunft gibt, wie sich die jeweils             sollte die Forschung als Anknüpfungspunkte
untersuchte Intervention bzw. das untersuchte                aufgreifen. Schließlich ist die Frage, ob der Flip-
Merkmal im Vergleich zu anderen Einflussfakto-               ped Classroom „besser“ (was immer das heißen
ren auf die Lernleistung auswirkt (vgl. Hattie               mag) als traditionelle Lehr-Lernformen ab-
2014). Das formative Assessment befindet sich                schneidet, weniger interessant als die Frage,

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wie „gute“ Inverted Classrooms in einem ganz                 auch theoretische, kontextsensitive Erkennt-
bestimmten Kontext gestaltet werden sollten o-               nisse gewonnen, mit denen neue Theorien kon-
der auf welche anderen Aspekte, neben der                    struiert oder bestehende bereichert werden
kognitiven Lernleistung, die Intervention Ein-               können (vgl. Jahn 2014, S. 1) – um möglichst vie-
fluss nimmt, z. B. im Hinblick auf Lernkompe-                len Lehrenden einen Zugang zu erprobten Mo-
tenz, Sozialkompetenz oder dem Interesse am                  dellen und passenden Gestaltungsprinzipien für
Fach.                                                        ihren Kontext zu ermöglichen.
Die hochschuldidaktische Gestaltungsforschung
könnte Antworten auf diese Fragen finden. Sie                6     Danksagung
zielt darauf ab, komplexe Probleme in Lehr-                  Wir danken unserer studentischen Mitarbeite-
Lernkontexten durch innovative, nützliche und                rin Katharina Habersack für die Erstellung der
praktische Entwicklungen zu lösen. Durch das                 Grafiken zum traditionellen Lehrsetting und
aktive Entwerfen, Erproben und Verfeinern ei-                zum Flipped Classroom Modell.
ner Intervention in der Praxis werden dabei

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