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Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 5-6/2019 SCHULE Fachinformationen aus der Landwirtschaftsverwaltung in Bayern und BERATUNG Differenzierte Grünlandnutzung für mehr Artenvielfalt Ackerwildkraut-Wettbewerb Die Dorfhelferin – einzigartig und unentbehrlich Medien für die Generation Z
BIODIVERSITÄT Pflanzenkohle für die Bäume in der Stadt von KERSTIN BECK: Bei Pflanzungen von Bäumen in der Stadt werden zunehmend spezielle Baumsubstrate eingesetzt, um den Bäumen an schwierigen Standorten möglichst günstige Wachstumsbedingungen zu bieten. Da diese Substrate größtenteils aus grobkörnigen mine- ralischen Ausgangsstoffen bestehen, weisen sie oftmals nur eine geringe Nährstoffspeicher- fähigkeit und Nährstoffverfügbarkeit auf. An der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) wird untersucht, inwieweit Pflanzenkohlen einen geeigneten Zuschlagstoff darstellen, um die Nährstoffsituation in Baumsubstraten zu verbessern. BIODIVERSITÄT Stadtbäume haben viele wünschenswerte und nützliche durch Abbau der organischen Substanz verhindert werden Funktionen. Die Bäume wirken beispielsweise positiv auf soll. Als organische Komponente wird dabei meist Kompost das Mikroklima in der Stadt, tragen wesentlich zum Wohl- verwendet, der aufgrund der guten Durchlüftung im Sub- befinden der Stadtbewohner bei und stellen einen Lebens- strat jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit innerhalb weni- raum für zahlreiche Insekten und Vögel dar. Die Bäume im ger Jahre vollständig abgebaut wird. urbanen Raum sind jedoch einer Vielzahl von Stressfaktoren Die Zusammensetzung der Substrate, mit ihrem hohen ausgesetzt. Sie müssen unter anderem mit stark beengten Gehalt an grobkörnigen mineralischen Materialien und ge- Wurzelräumen, Bodenverdichtungen und Bodenversiege- ringem Gehalt an organischer Substanz, hat zur Folge, dass lungen, Luftschadstoffen und Salzeinträgen zurechtkom- diese meist nur eine geringe Speicherfähigkeit für Nähr- men. Außerdem haben Stadtbäume mit den höheren Tem- stoffe besitzen und die Verfügbarkeit von Nährstoffen im peraturen in der Stadt und Trockenheit zu kämpfen, was im Substrat insgesamt gering ist. Eine ausreichende Nährstoff- Sommer 2018 besonders deutlich zu sehen war. Eine der versorgung des Baums ist daher häufig nicht gewährleistet. wichtigsten Voraussetzungen für eine trotz dieser extremen Belastungen zufriedenstellende Entwicklung der Bäume ist, Pflanzenkohle als möglicher Zuschlagstoff dass die Bäume in einen Boden gepflanzt werden, der lang- Pflanzenkohlen, die durch Pyrolyse von organischen Rest- fristig eine gute Durchwurzelbarkeit und eine ausreichende stoffen hergestellt werden, könnten eine geeignete orga- Versorgung mit Wasser, Luft und Nährstoffen sicherstellt. Da nische Komponente darstellen, um die Nährstoffsituation der vorhandene Boden in den meisten Fällen nicht geeignet ist, diese Anforderungen zu erfüllen, werden bei Baumpflan- zungen in der Stadt heutzutage vermehrt spezielle Baum- Infobox 1: Pflanzenkohle substrate eingesetzt. Pflanzenkohle wird durch Pyrolyse von organischen Aus- Nährstoffmangel in Baumsubstraten gangsmaterialien erzeugt, d. h. die Ausgangsstoffe werden Bei diesen Baumsubstraten stehen die physikalischen Ei- unter Ausschluss von Sauerstoff auf Temperaturen zwi- genschaften im Vordergrund. Die Substrate sollen in ihrer schen 350 und 1 000 °C erhitzt. Es eignen sich zahlreiche Struktur dauerhaft stabil und daher relativ unempfindlich Reststoffe wie Baum-, Strauch-, Grünschnitt, Nussschalen, gegenüber Erschütterungen und Verdichtungen sein. Au- Trester, Hackschnitzelsiebreste, Getreidespelzen und Gär- ßerdem sollen sie ein hohes Porenvolumen, eine hohe Spei- reste. Pflanzenkohle wird bereits seit über 2 000 Jahren cherfähigkeit für Wasser und Luft sowie eine ausreichende in verschiedenen Regionen der Erde zur Bodenverbesse- Wasserdurchlässigkeit besitzen. Damit diese Eigenschaften rung genutzt. Bekanntestes Beispiel ist die Terra Preta, ein erreicht werden, bestehen die Substrate zum Großteil aus fruchtbarer anthropogener Boden im Amazonasgebiet. grobkörnigen mineralischen Komponenten wie Sand und Heutzutage wird Pflanzenkohle in unterschiedlichen An- Kies und haben nur einen geringen Ton- und Schluffgehalt. wendungsbereichen eingesetzt, u. a. als Bodenhilfsstoff, Organisches Material wird nur in geringen Mengen hin- als Futterzusatz in der Tierfütterung, als Zusatzstoff bei der zugegeben, da eine gleichmäßige und tiefe Durchwurze- Kompostierung und in Biogasanlagen sowie als Filtermittel. lung im Substrat gefördert und eine nachträgliche Setzung SUB 5-6/2019 19
BIODIVERSITÄT Bild 1: Drei der 16 im Labor auf ihre chemische Eigenschaften untersuchten Pflanzenkohlen (Fotos: LWG) in Baumsubstraten langfristig zu verbessern. Pflanzenkoh- In die Laborversuche wurden ausschließlich kommerzi- BIODIVERSITÄT len sind äußerst stabil gegenüber chemischem und mikro- ell hergestellte Pflanzenkohlen aus modernen Pyrolysean- biellem Abbau und weisen aufgrund ihrer porösen Struktur lagen einbezogen, welche somit auch in größeren Mengen und ihrer großen spezifischen Oberfläche eine hohe Kapa- für eine Anwendung in Baumsubstraten zur Verfügung ste- zität zur Sorption und Bindung von Wasser und Nährstof- hen würden. Insgesamt wurden 16 Pflanzenkohlen von zehn fen auf. Nach Einbringung von Pflanzenkohle in den Boden Herstellern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz un- konnte in verschiedenen Studien eine Verminderung der tersucht (siehe Bild 1). Die Pflanzenkohlen unterschieden sich Nährstoffauswaschung und eine Zunahme der Nährstoff- hinsichtlich ihres Ausgangsmaterials, der Prozessbedingun- verfügbarkeit festgestellt werden [1]. gen bei der Pyrolyse und ihrer Körnung. Als Ausgangsstoffe In der Praxis gibt es bereits erste Anwendungen von dienten beispielsweise Hackschnitzelsiebreste, Heilkräuter- Pflanzenkohle in Baumsubstraten. Bei Baumpflanzungen trester und Getreidespelzen. und Standortsanierungen in Stockholm wird Pflanzenkohle Es zeigte sich, dass die untersuchten Pflanzenkohlen zum schon seit 2009 als Substratbestandteil eingesetzt [2]. Dort Teil deutlich in ihren chemischen Eigenschaften variierten wurden positive Auswirkungen auf die Wurzelentwicklung und dass Pflanzenkohlen auf dem Markt verfügbar sind, die und das Baumwachstum beobachtet, was auf eine Verbes- aufgrund ihres verhältnismäßig niedrigen pH-Werts, ihres serung der physikalischen Eigenschaften des Substrats und niedrigen Salzgehalts, ihres hohen Gehalts an thermisch hierbei besonders auf die Zunahme der Porosität zurück- stabilem Kohlenstoff und ihrer hohen Kationenaustausch- geführt wurde. kapazität vermutlich besser für einen Einsatz in Baumsub- Ob Pflanzenkohlen auch einen positiven Effekt auf die straten geeignet sind und daher vorrangig als Zuschlagstoff chemischen Eigenschaften von Baumsubstraten haben und getestet werden sollten. die Speicherung und Verfügbarkeit von Nährstoffen im Sub- strat beeinflussen, ist nicht bekannt. Ziel eines Forschungs- Topfversuch projekts am Fachzentrum Analytik der LWG ist es daher, zu Um den Einfluss von Pflanzenkohle auf die chemischen Ei- untersuchen, inwieweit Pflanzenkohlen als Zuschlagstoff genschaften von Baumsubstraten zu untersuchen, wurde im geeignet sind, die chemischen Eigenschaften von Baum- substraten zu verbessern. Charakterisierung von Pflanzenkohlen Mithilfe von Laboranalysen sollte zunächst überprüft wer- den, ob Pflanzenkohlen im Hinblick auf ihre chemischen Ei- genschaften grundsätzlich für einen Einsatz in Baumsub- straten in Frage kommen. Dafür wurden verschiedene im Handel erhältliche Pflanzenkohlen auf ihre für Baumsub- strate relevanten chemischen Eigenschaften untersucht. Da sich Pflanzenkohlen in Abhängigkeit vom verwendeten Ausgangsstoff und den Herstellungsbedingungen erheblich in ihren Eigenschaften unterscheiden können, stand hinter den Laboruntersuchungen zudem die Frage, wie groß die Unterschiede bei den derzeit auf dem Markt angebotenen Bild 2: In einem Topfversuch wird der Effekt von Pflanzenkohle auf die Pflanzenkohlen sind. chemischen Eigenschaften von Baumsubstraten untersucht 20 SUB 5-6/2019
BIODIVERSITÄT BIODIVERSITÄT Bild 3: Zwei der im Topfversuch eingesetzten Substratmischungen mit Pflanzenkohle April 2018 ein Topfversuch installiert, bei dem ausgewählte Pflanzenkohlen einem mineralischen Baumsubstrat beige- Infobox 3: Hinweis auf Themenseiten mischt wurden (siehe Bild 2). Die Annahme war, dass die Zu- gabe von Pflanzenkohle zu einer verbesserten Nährstoff- Forschungsprojekt „Pflanzenkohle in Baumsubstraten“ speicherung und einer erhöhten Nährstoffverfügbarkeit im www.lwg.bayern.de/analytik/boden_umwelt/188695 Substrat führt im Vergleich zu der herkömmlichen organi- schen Komponente Kompost. Forschungsprojekt „Stadtgrün 2021“: Die verschiedenen Pflanzenkohlen wurden dem Sub- www.lwg.bayern.de/landespflege/urbanes_gruen/085113 strat dabei nicht pur zugegeben, sondern in Verbindung mit Kompost oder im mit Nährstoffen und Mikroorganis- men aufgeladenen Zustand, da sonst anfänglich eine Nähr- wurden in Abhängigkeit von den Niederschlagsereignissen stofffixierung im Substrat auftreten kann. In dem Versuch bewässert. wurden vier Pflanzenkohlen getestet, die in jeweils zwei Die Substrate wurden sofort nach ihrer Mischung zum unterschiedlichen Mengenverhältnissen zu dem Substrat ersten Mal beprobt. Eine weitere Probennahme fand im Sep- gemischt wurden (siehe Bild 3). Als Kontrolle diente das mi- tember 2018 statt. Bei den Untersuchungen im September neralische Substrat mit Kompost als alleiniger organischer konnte keine Verbesserung der chemischen Eigenschaften Komponente. Die neun Varianten wurden jeweils dreimal in den mit Pflanzenkohlen versetzten Substraten im Ver- wiederholt, sodass der Versuch aus insgesamt 27 Töpfen gleich zur Kontrollvariante festgestellt werden. Eine weitere bestand. Die Pflanztöpfe (12 l) wurden mit je 11 kg Sub- Messung im Frühjahr 2019 soll zeigen, ob sich ein positiver stratmischung befüllt, mit Liguster (Ligustrum vulgare ‚At- Effekt durch Zumischung von Pflanzenkohle erst nach län- rovirens‘) bepflanzt und im Freiland aufgestellt. Die Töpfe gerer Versuchszeit einstellt. Literatur Infobox 2: Was haben Baumsubstrate mit [1] HAUBOLD-ROSAR, M. ET AL. (2016): Chancen und Biodiversität zu tun? Risiken des Einsatzes von Biokohle und anderer „ver- änderter“ Biomasse als Bodenhilfsstoffe oder für die Stadtbäume sind von großer Bedeutung für die Biodiversi- C-Sequestrierung in Böden. Texte 04/2016. Umwelt- tät im urbanen Bereich. Ihre ökologische Funktion erfüllen bundesamt, Dessau-Roßlau. Stadtbäume jedoch nur, wenn sie ein entsprechendes Alter [2] EMBRÉN, B. (2016): Planting Urban Trees with Biochar. erreichen und nicht nach wenigen Jahren ersetzt werden The Biochar Journal. müssen. Eine entscheidende Voraussetzung für ein über viele Jahre gesundes Wachstum der Bäume in der Stadt ist, dass ihnen ein ausreichend großer Wurzelraum mit einem KERSTIN BECK geeigneten Substrat zur Verfügung steht. Die kontinuierli- BAYERISCHE LANDESANSTALT FÜR WEINBAU che Weiterentwicklung von Baumsubstraten kommt somit UND GARTENBAU VEITSHÖCHHEIM indirekt auch der Biodiversität in Städten zugute. FACHZENTRUM ANALYTIK kerstin.beck@lwg.bayern.de SUB 5-6/2019 21
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