Schweizer Pensionskassen 2013 - UB Basel
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SC2 9301d 09.13 Schweizer Pensionskassen 2013 Ergebnisse der Umfrage Daten, Analysen und Beiträge zu: – Neue Prozesse für die taktische Asset Allocation – Grosse Heterogenität in der 2. Säule – Zur geplanten Verordnung gegen die Abzockerei – Vermögensverwaltungskosten in Bewegung
Swisscanto – ein führender Asset Manager In der Schweiz ist Swisscanto einer der führenden Anlage- fondsanbieter, Vermögensverwalter und Anbieter von Lösungen der beruflichen und privaten Vorsorge. Das Gemeinschaftsunternehmen der Schweizer Kantonalbanken verwaltet Kundenvermögen von CHF 51,4 Milliarden und beschäftigt 400 Mitarbeitende in Zürich, Bern, Basel, Pully, London, Frankfurt am Main und Luxemburg (Stand 30. Juni 2013). Als ausgewiesener Spezialist entwickelt Swisscanto quali- tativ hochstehende Anlage- und Vorsorgelösungen für private Anleger, Firmen und Institutionen. Als Fondsanbieter wird Swisscanto national und international regelmässig ausgezeichnet. Weiter ist Swisscanto für seine Vorreiter rolle bei nachhaltigen Anlagen sowie für die jährlich publizierte Studie "Schweizer Pensionskassen" bekannt. www.swisscanto.ch Impressum Blog: blog.swisscanto Herausgeber Swisscanto Asset Management AG, Waisenhausstrasse 2, 8021 Zürich Twitter: @swisscanto Redaktion Peter Wirth, Vorsorgeforum Bestellungen Tel. 058 344 44 70, sales_services@swisscanto.ch Swisscanto Asset Management AG, September 2013 Disclaimer Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden von Swisscanto Asset Management AG mit grösster Sorgfalt zusammengestellt. Die Informationen und Meinungen stammen aus zuverlässigen Quellen. Trotz professionellem Vorgehen kann Swisscanto Asset Management AG die Richtigkeit, Vollständig- keit sowie Aktualität der Angaben nicht garantieren. Zahlen zur Performance sind vergangenheitsbezogen und dürfen nicht als Garantie für die künftige Ent- wicklung verstanden werden. Swisscanto Asset Management AG lehnt jede Haftung für Investitionen, die sich auf dieses Dokument stützen, ab. Diese darin enthaltenen Informationen sind nur insoweit ein Angebot, als sie ausdrücklich als solche gekennzeichnet sind. Ohne vorherige schriftliche Genehmigung durch Swisscanto Asset Management AG darf dieses Dokument weder für einen öffentlichen noch kommerziellen Zweck verwendet werden. Mit der Unterzeichnung der Grundsätze für verantwortungs- volles Investment der Vereinten Nationen (United Nations Principles for Responsible Investment – UN PRI) verpflichtet sich Swisscanto zum umfassenden Einbezug von Nachhaltig keitsaspekten in sämtliche Investmentprozesse. www.swisscanto.ch/nachhaltigkeit © Swisscanto Asset Management AG
Inhaltsverzeichnis Zur Studie 4 Dr. Gérard Fischer Das Projekt Altersvorsorge 2020 Risiken und Nebenwirkungen 5 Hanspeter Konrad Zur geplanten Verordnung gegen die Abzockerei Praxistaugliche Umsetzung einer Führungsaufgabe 9 Peter Bänziger, Thomas Härter Neue Prozesse für die taktische Asset Allocation Buy And Hold reicht nicht mehr 13 Stephan Wyss, Andreas Müller Finanzierungssysteme der öffentlichen Kassen Harte Entscheide für die Kantone 17 Dr. Ueli Mettler, Dr. Alvin Schwendener Vermögensverwaltungskosten in Bewegung 21 Colette Nova Keine Chance ohne Zugeständnisse der Sozialpartner 25 Dr. Stephan Skaanes, Lukas Riesen Grosse Heterogenität in der 2. Säule Mahnung zur Vorsicht bei der Dateninterpretation 27 Peter Zanella Nachhaltige Bewertung und Finanzierung von Vorsorgeverpflichtungen Solidarität auf dem Prüfstand 30 Ergebnisse der Umfrage Die Swisscanto Umfrage Resultate der Umfrage 2013 35 Die Teilnehmer der Umfrage Verzeichnis der Vorsorgeeinrichtungen 60 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 3
Zur Studie Die Swisscanto Umfrage Schweizer Pensionskassen wird Wertvolle Fachbeiträge als Ergänzung zu den Resultaten bereits zum 13. Mal durchgeführt. Sie erfasst wichtige der Umfrage lieferten: Daten zur Struktur, zu den Leistungen und Kapitalanlagen • Dr. Gérard Fischer, CEO Swisscanto Gruppe sowie zum Deckungsgrad und zur Performance. • Peter Bänziger, Leiter Asset Management/ CIO Swisscanto Gruppe; Das Ziel ist, den beteiligten Institutionen Vergleichs-, Füh- Thomas Härter, Chief Strategist Asset Management rungs- und Entscheidungsinstrumente zu bieten und den • Hanspeter Konrad, Direktor ASIP Schweizerischer interessierten Kreisen aus dem Vorsorgewesen, der Politik Pensionskassenverband und der Wissenschaft Grundlagen für eine fundierte • Dr. Ueli Mettler, Partner c-alm AG; Auseinandersetzung mit der beruflichen Vorsorge bereit Dr. Alvin Schwendener, Senior Consultant c-alm AG zustellen. • Colette Nova, Leiterin des Geschäftsfeldes AHV, Berufliche Vorsorge und EL beim BSV Gleiche Ziele verfolgt auch der Schweizerische Pensions • Dr. Stephan Skaanes, Partner PPCmetrics; kassenverband ASIP. Ihm werden die Daten jener Vor Lukas Riesen, Consultant PPCmetrics sorgeeinrichtungen zur Verfügung gestellt, die dazu ihre • Peter Wirth, Geschäftsführer Vorsorgeforum Einwilligung gegeben haben. • Stephan Wyss, eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte; Andreas Müller, eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte Allen teilnehmenden Kassen, ihren Geschäftsführern und Swisscanto Vorsorge AG Zürich Stiftungsräten gebührt ein grosser Dank für die Bereit- • Peter Zanella, Towers Watson, Director, schaft, die Daten einzugeben und die Fragen zu aktuellen Retirement Services, Switzerland Vorsorgethemen zu beantworten. Swisscanto will mit der Publikation der Daten nicht nur Zu danken ist auch dem ASIP für seine Unterstützung und den Fachkreisen in der beruflichen Vorsorge, sondern auch den Mitgliedern des Beirats, die sich aktiv bei der Erstellung den Politikern, Medien und einer weiteren interessierten des Fragebogens engagierten und mit zahlreichen Vor Öffentlichkeit einen Dienst erweisen. Die vielen positiven schlägen und wertvollen Kritiken dessen Gestaltung beein- Rückmeldungen zur Studie ermuntern uns und sind uns flussten. Es sind dies: gleichzeitig Ansporn. • Heinrich Leuthard, Schwyzer Kantonalbank • Susanne Jäger, Aargauische Pensionskasse Swisscanto wünscht Ihnen eine interessante Lektüre. Für alle • Hanspeter Konrad, Schweizerischer Pensionskassen Kommentare, Anregungen und Kritiken sind wir dankbar. verband (ASIP) • Christoph Ryter, Migros-Pensionskasse/ Swisscanto Asset Management AG Schweizerischer Pensionskassenverband (ASIP) September 2013 • Dr. Peter Schnider, VPS Verlag Personalvorsorge und Sozialversicherung AG • Dieter Stohler, Pensionskasse des Bundes Publica • Andreas Zingg, Geschäftsbereich Unternehmenskunden Swiss Life 4 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
Das Projekt Altersvorsorge 2020 Risiken und Nebenwirkungen Bei der Formulierung der Ziele fallen folgende Punkte auf: • Die 3. Säule gehört in diesem Paket nicht zur Vorsorge. Dies entspricht zwar nicht dem Verfassungsartikel mit dem Dreisäulenprinzip, aber für die 3. Säule fühlt sich der Bundesrat offenbar nicht zuständig. • Das Leistungsniveau, das heute besteht, soll gehalten wer- Dr. Gérard Fischer, den. Unklar ist, ob es um das Leistungsniveau der Rentner, CEO Swisscanto Gruppe der Rentner in den nächsten zehn Jahren, der Frührentner oder auch um das Leistungsniveau der jüngeren Generatio Mit dem Projekt "Altersvorsorge 2020" will der nen gehen soll. An anderer Stelle 2 wird immerhin das Bundesrat AHV und berufliche Vorsorge gleichzeitig ursprüngliche Ziel der Altersvorsorge genannt, nämlich: reformieren und damit den gordischen Knoten, "Die Leistungen der BVG-Minimalvorsorge erfüllen zu den die Politik in den letzten Jahrzehnten geknüpft sammen mit den Renten der AHV/IV die dem Dreisäulen- hat, durchschlagen. Zu den Risiken und Neben konzept zugrunde liegende Erwartung einer Ersatzquote wirkungen all der vorgeschlagenen Massnahmen von 60 Prozent des letzten Einkommens." gibt es jedoch keine "Packungsbeilage". So wie die Ziele formuliert sind, wird impliziert, dass die Der Bundesrat hat unter dem Titel "Die Altersvorsorge für vorgeschlagenen Kompensationsmassnahmen zum Erhalt die nächsten Generationen sichern" am 21. Juni 2013 einen des Leistungsniveaus auch dann greifen, wenn das Leis- "umfassenden Lösungsansatz für eine mehrheitsfähige tungsziel bereits über den angestrebten 60 Prozent liegt. Reform bis zum Jahr 2020" präsentiert. Eine "Gesamtsicht der Probleme und ein umfassender Lösungsansatz" sollen Herausforderungen erfolgversprechend sein. Nachfolgend wird geprüft, ob die Die Eckwerte 3 nennen drei Herausforderungen: vorgeschlagenen Massnahmen zu den tatsächlichen Heraus 1. Die steigende Lebenserwartung: Dies ist eine Heraus forderungen passen. forderung für die 1. und 2. Säule, werden doch damit die "Rentnerferien", für die gespart werden muss, laufend Ziele des Lösungsansatzes länger. Als Ziele1 der Reform werden genannt: 2. Die demografische Entwicklung: Dies ist vor allem ein • "Das Leistungsniveau der (…) Vorsorge soll gehalten Problem im Umlageverfahren und damit eines der AHV. und gesichert werden" und 3. Die verschlechterten Möglichkeiten der Vermögensanlage • "Die Finanzierungsgrundlagen von AHV und beruflicher und das niedrige Zinsniveau: Dies ist primär ein Problem Vorsorge sollen nachhaltig den demografischen und wirt- in der 2. Säule mit ihrem Kapitaldeckungsverfahren. schaftlichen Verhältnissen angepasst werden." Positiv zu nennen ist, dass die 1. Säule nicht mehr als Vor- sorge ohne Probleme dargestellt wird, wie dies von Teilen der politisch interessierten Kreise immer noch gerne getan wird, sondern dass die absehbaren Entwicklungen in der 1. Säule als Herausforderung anerkannt werden und damit der Handlungsbedarf klar bejaht wird. 1 Eckwerte der Reform der Altersvorsorge 2020, Seite 4. 2 Leitlinien der Reform der Altersvorsorge 2020, Seite 16. 3 Eckwerte der Reform der Altersvorsorge 2020. Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 5
Bei den Herausforderungen der beruflichen Vorsorge wird versprechen deutlich höher liegt im Vergleich zu den jedoch wenig differenziert. Die privatrechtlichen Vorsorge- Renditen von Obligationen. Dieses Problem wird im vor einrichtungen mit einem durchschnittlichen, vermögens liegenden Paket weder genannt noch gelöst. gewichteten Deckungsgrad von 107,6 Prozent 4 und einem technischen Zins von 3,08 Prozent (Beitragsprimat) stehen Probleme in der 2. Säule vergleichsweise gut da. Sie weisen deutlich weniger Hand- Bei welchen Gruppen machen sich die Herausforderungen lungsbedarf auf als etwa die öffentlich-rechtlichen und wie Langlebigkeit und tiefere Anlagerenditen besonders be- haben in der Vergangenheit auf die Herausforderungen merkbar. Wo sind die Problemgruppen? reagiert, auch ohne Massnahmenpaket des Bundesrats. Leider waren es die politisch verordneten Parameter wie • Lebensversicherungen Mindestverzinsung und Mindestumwandlungssatz, die Die durch den SST ausgelösten höheren Kapitalanforde Kassen im Obligatoriumsbereich oder mit hohem Rentner- rungen sind nachteilig für den Standort Schweiz, weil anteil in eine schwierige Situation gebracht haben. Ohne die höheren Kapitalkosten an den Kunden weitergegeben diese politischen Vorgaben bräuchten die privaten Kassen werden müssen, was das Vollversicherungsmodell mit wahrscheinlich kein neues Paket. Versicherungslösung für 150 000 KMU und 1 Million Ver sicherte gefährdet. Bei den öffentlich-rechtlichen Kassen bleibt die Ausfinanzie- rung ungelöst. Bei einem Deckungsgrad von 90,3 Prozent • Privatrechtliche Vorsorgeeinrichtungen und einem technischen Zins von 3,32 Prozent gemäss Vor Problemen stehen jene Vorsorgeeinrichtungen, die nur Swisscanto Umfrage 2013 besteht tatsächlich noch grosser die BVG-Minimalleistungen ausrichten und folglich keine Handlungsbedarf. Das grösste Bedürfnis an zusätzlichen Möglichkeit haben, wie umhüllende Vorsorgeeinrichtungen Mitteln löst die Ausfinanzierung der versprochenen regle- den Umwandlungssatz gemäss Anrechnungsprinzip nach mentarischen Leistungen bei den öffentlich-rechtlichen Kas- unten anzupassen. sen aus. Die Regeln zur Ausfinanzierung der öffentlich- rechtlichen Kassen sind vom Gesetzgeber definiert worden • Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen und werden über die nächsten 40 Jahre zusätzliche Kosten ohne Staatsgarantie verursachen. Schätzungen gehen von CHF 40 Mrd. aus, Die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ohne wobei je nach Annahmen grössere oder kleinere Zahlen ge- Staatsgarantie sind überwiegend geprägt durch un nannt werden. Diese Zahl ist in Relation zu setzen zum Pa- zureichende oder gar fehlende Wertschwankungsreserven ket des Bundesrats, das bei der AHV von CHF 14 Mrd. und sowie zu hohe technische Zinsen. bei der beruflichen Vorsorge von CHF 2,8 Mrd. spricht. • Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen Lebensversicherungen sind ausgeklammert mit Staatsgarantie Ein grosser Teil der Vorsorgeleistungen wird durch die Le- Die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staats- bensversicherungen mit dem Kollektivlebengeschäft abge- garantie sind in der Regel nicht voll ausfinanziert. In einer deckt. Auch sie stehen aufgrund der gesunkenen Kapital- Reihe von Kantonen wird wegen der kurzfristig geringeren markterträge vor der Herausforderung der Finanzierung der Finanzierungserfordernisse auf das System der Teilkapita versprochenen Leistungen. Mit der Einführung des Swiss lisierung gesetzt. Damit wird die Ausfinanzierung auf später Solvency Test (SST) im Jahr 2011 wurden die Versicherer mit verschoben. Gleichzeitig sind die Vermögenserträge tiefer, deutlich höheren Kapitalanforderungen konfrontiert (auch weil nur ein Teil des Sollvermögens angelegt wird und bei im Vergleich zu Versicherungsunternehmungen in der EU, Versicherten, welche aufgrund eines Wechsels aus Vorsorge- wo Solvency II erst später und mit grösseren Übergangsfris- einrichtungen ausscheiden, entstehen Migrationsverluste, ten eingeführt wird). Gleichzeitig wurden sie faktisch ge- weil die vollen Freizügigkeitsleistungen ausbezahlt werden zwungen, die Fristen ihrer Anlagen auf die Verpflichtungen müssen. auszurichten. Dies macht durchaus Sinn, wenn die Anlage- renditen genügend hoch sind, führt jedoch zu einem un lösbaren Problem, wenn der technische Zins der Leistungs- 4 Vgl. Seite 53. 6 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
Die "Altersvorsorge 2020" versucht nun, dieses "Problem Abgesehen davon ist zu begrüssen, dass mit dem Interven paket" in einem Aufwasch anzugehen. Ist das erfolgverspre- tionsmechanismus eine quasi automatische Massnahme be- chend? darfsgerecht ausgelöst wird. Dieser Automatismus ist wichtig, weil die politischen Entscheidungsprozesse syste- Lösungsansätze für die 1. Säule matisch versagen, wenn es darum geht, notwendige Mit der Vorgabe fixierter Leistungen kann die Finanzierung und gleichzeitig unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Es nur über zusätzliche Geldquellen gesichert werden. Zwar ist für einen Politiker stets unangenehm, seinen Wählern wird die Erhöhung des Altersrücktritts als Lösung angespro- die Notwendigkeit einer bitteren Medizin beizubringen. chen, gleichzeitig wird aber behauptet, dass eine Erhöhung des Rentenalters nicht verantwortbar sei, weil der Arbeits- Lösungsansätze für die 2. Säule markt gegenwärtig nicht bereit sei, eine grosse Zahl älterer In der 2. Säule soll der geltende Umwandlungssatz von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzunehmen. 6,8 Prozent in vier Schritten auf 6,0 Prozent gesenkt werden. Um wie versprochen die Leistungen beizubehalten, werden Diese Behauptung kontrastiert mit den Arbeitslosenzahlen folgende Massnahmen vorgeschlagen: vom Juli 2013: Die Arbeitslosigkeit liegt gesamthaft bei • Erhöhung der Altersgutschriften (Erhöhung der Lohnabzüge) 3 Prozent, bei den Über-50-Jährigen jedoch bei 2,5 Prozent, • Neuregelung des Koordinationsabzugs während die jungen Arbeitnehmer eine Arbeitslosenrate • Beginn des Sparprozesses eventuell vor dem 25. Altersjahr von 3,1 Prozent aufweisen. Offenbar wird befürchtet, dass eine Erhöhung des Rentenalters vom Volk abgelehnt und Erhöhung der Altersgutschriften damit das Projekt gefährdet würde, so dass man die Tat Mit der Erhöhung der Altersgutschriften (und Senkung für sachen lieber ein wenig verzerrt. die Über-55-Jährigen) will man ältere Arbeitnehmer länger im Arbeitsmarkt halten. Ob dies wirklich notwendig ist Den wichtigeren Teil des Pakets bildet jedoch die "automati- (vgl. Arbeitslosenraten) und ob es wirklich an den Altersgut- sche Schuldenbremse", die für die 1. Säule vorgeschlagen schriften liegt, wenn ein älterer Arbeitnehmer arbeitslos wird. Beim Erreichen von Schwellenwerten soll die Ausfinan- wird, ist nicht belegt und auch wenig plausibel. zierung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer in zwei Stufen erfolgen. Gleichzeitig werden Rentenanpassungen Neuregelung des Koordinationsabzugs nach einer komplexen Formel, deren Wirkung kaum be Dieser Vorschlag betrifft nur das BVG-Obligatorium und urteilbar ist, aufgeschoben. soll in erster Linie bei den tiefen Einkommen und für die Übergangsgeneration zu Verbesserungen führen. Bei Ver Diese politische Lösung wird in der Hoffnung vorgeschlagen, sicherten, die durch die Anpassung schlechter gestellt dass die "breite Lastenverteilung" über eine Konsum- werden, soll der Sicherheitsfonds BVG einspringen und das steuer weniger Widerstand auslöst als eine sachbezogene fehlende Kapital einschiessen. Avenir Suisse 5 hat sich mit Lösung. Verschwiegen wird, dass die Erhöhung der dieser Idee auseinandergesetzt und ist zu folgenden Schlüs- Mehrwertsteuer die Kaufkraft der Konsumenten und damit sen gekommen: auch der Rentner verringert und gleichzeitig einen • Alle Vorsorgeeinrichtungen müssen in den Fonds ein w achstumsdämpfenden Effekt hat. Die "Leistungskürzung" zahlen. Kompensationszahlungen erhalten aber vor allem erfolgt damit nicht bei den Rentnern, sondern bei allen diejenigen, die einen grossen Anteil älterer Versicherter Konsumenten. Ob das wirklich eine "Lösung" der Altersvor- aufweisen. Damit wird eine Umverteilung von Jung zu Alt sorge ist oder nur eine grosse Umverteilung zugunsten der institutionalisiert, die der AHV vorbehalten sein sollte. Rentner, wird wohl noch politisch zu würdigen sein. • Umhüllende Vorsorgeeinrichtungen, die ihren Umwand- lungssatz bereits gesenkt haben und Leistungen kürzten, um ihre Vorsorgeeinrichtung nachhaltig zu finanzieren, werden bestraft. 5 Jérôme Cosandey: Die schiefe zweite Säule. Avenir Suisse. Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 7
• Als Folge dieser "Bestrafung" könnten Vorsorgeeinrichtun- Risiken und Nebenwirkungen gen in Zukunft, die bis anhin vorsorglich gehandelt Mit dem bundesrätlichen Paket wird eine politische Lösung haben, bei veränderten Bedingungen (Demografie etc.) vorgeschlagen, von der man hofft, dass sie vom Volk irgend- ihre Leistungen nicht mehr freiwillig anpassen. wie akzeptiert wird. Mit unbegründeten Behauptungen werden weitere Umverteilungsmassnahmen legitimiert, und Der Einbezug des Sicherheitsfonds hat zur Folge, dass mit dem Versprechen, keine Leistungen kürzen zu wollen, die Finanzierung der beruflichen Vorsorge insgesamt wird politischer Goodwill erkauft. intransparenter wird. Es ist nicht klar, wie sich diese Kosten entwickeln werden. Im Bericht wird zwar von einem Über die indirekten Folgen all dieser Massnahmen bestehen geschätzten Betrag von CHF 400 Millionen für das Jahr kaum Annahmen und keinerlei Gewissheit. Sicher ist nur, 2030 ausgegangen. Die Eckdaten für diese Massnahme dass die zusätzlichen Finanzierungsquellen (Sicherheitsfonds sind jedoch nicht genau spezifiziert. Im Bericht geht für die 2. Säule, MWSt für die 1. Säule) zu weiteren Um der Bundesrat davon aus, dass die Kosten nach der Ein verteilungen führen werden. führung ansteigen und danach wieder fallen werden. Die Risiken und Nebenwirkungen dieses Pakets sind nicht Beginn des Sparprozesses eventuell wirklich absehbar, weil sie die Intransparenz in der Vorsorge vor dem 25. Altersjahr erhöhen, anstatt die Komplexität des Systems zu senken. Dieser Vorschlag tönt plausibel. Wird aber bedacht, dass Man sollte die vorgeschlagene Medizin deshalb nur mit die Arbeitslosigkeit bei den Unter-25-Jährigen mit 3,1 Prozent grösster Vorsicht anwenden. im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern höher liegt und sie schon jetzt aus "Solidarität" überhöhte Renten mit finanzieren, so wird angesichts des Vorhabens, sie über den Sicherheitsfonds und mit den angedachten Mehrwert- steuererhöhungen nochmals zur Kasse zu bitten, jeder froh sein, nicht zu den Unter-25-Jährigen zu gehören. Gesell- schaftspolitisch ist es falsch, den jüngeren Generationen noch mehr Lasten aufzubürden. 6 Eckwerte der Reform Altersvorsorge 2020, Seite 21. 8 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
Zur geplanten Verordnung gegen die Abzockerei Praxistaugliche Umsetzung einer Führungsaufgabe Mit der Volksinitiative "gegen die Abzockerei" hat diese Thematik wieder an Bedeutung gewonnen. Nach der deut lichen Annahme der Initiative am 3. März 2013 muss der Bundesrat spätestens ein Jahr nach der Volksabstimmung zur Umsetzung von Art. 95 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV) eine neue Verordnung erlassen. Das Eidgenössische Justiz- Hanspeter Konrad, und Polizeidepartement hat die Umsetzungsarbeiten lic. iur., Rechtsanwalt, Direktor ASIP so geplant, dass der Bundesrat die Verordnung auf den 1. Januar 2014 in Kraft setzen kann. Mit der Verordnung gegen die Abzockerei werden den Pensionskassen neue Pflichten bei der Wahr Aus Optik der Pensionskassen steht Satz 3 von Art. 95 nehmung ihrer Aktionärsinteressen auferlegt. Der Abs. 3 lit. a BV im Vordergrund: "…Die Pensionskassen stim- vom Bundesamt für Justiz entwickelte Entwurf men im Interesse ihrer Versicherten ab und legen offen, wie nimmt auf die Bedürfnisse der Kassen weitgehend sie gestimmt haben…" Das EJPD hat in der geplanten Verord Rücksicht und stellt eine praktikable Vorlage dar. nung gegen die Abzockerei (VgdA) unter anderem auch Der ASIP hofft entsprechend, dass diese Teile der Ver diesen Satz auszulegen. Dabei muss es sich auf die klassi- ordnung so in Kraft gesetzt werden können. schen Auslegungsmethoden wie Wortlaut, Systematik, Zweck und Entstehungsgeschichte abstützen. Wie kann Gemäss aktuellen Statistiken halten die Pensionskassen in eine sinnvolle Lösung aussehen? Die nachfolgenden Aus nerhalb ihres Gesamtvermögens von rund CHF 625 Mil führungen zeigen einen möglichen Weg auf. Sie basieren liarden Schweizer Aktien im Wert von gegen CHF 60 Mil auf der Stellungnahme, die der ASIP im Rahmen der An liarden. Gemessen an der Gesamtmarktkapitalisierung hörung zum Vorentwurf der Verordnung gegen die Abzocke von rund CHF 963 Milliarden ist dies ein Anteil von 6,5 Pro- rei verfasste. Es geht dabei um den 10. Abschnitt des Vor- zent am Aktienmarkt Schweiz. Die Schweizer Pensions entwurfs der Verordnung: Stimm- und Offenlegungspflicht kassen vereinen somit weitaus weniger Stimmenmacht auf für Vorsorgeeinrichtungen, und zwar die Art. 22 (Stimm sich, als allgemein wahrgenommen wird. Trotzdem fordert pflicht), Art. 23 (Offenlegungspflicht), Art. 25 (Strafbarkeit der ASIP seine Mitglieder immer wieder auf, die Aktionärs- bei Vorsorgeeinrichtungen) und Art. 27 (Anpassung von rechte aktiv wahrzunehmen und sich auf diese Art eigen Statuten und Reglementen). verantwortlich auch zu den bis anhin konsultativen Vergü- tungsberichten zu äussern. Geltungsbereich Es stellt sich zunächst die Frage nach dem Geltungsbereich: Aus Sicht des ASIP hat das sozialpartnerschaftlich zusammen- Für welche Pensionskassen gilt die Verfassungsbestimmung gesetzte Führungsorgan grundsätzlich die Pflicht, die Ak überhaupt? Die in Art. 22 Abs. 1 VgdA vorgesehene Ver tionärsrechte der Pensionskasse treuhänderisch im Sinne der weisung auf das Freizügigkeitsgesetz (FZG) erscheint zweck- Versicherten wahrzunehmen – das Inkasso der Dividende mässig. Das entscheidende Kriterium ist somit die Frage, gehört ebenso dazu wie der verantwortungsvolle Umgang ob die Begünstigten bei Eintritt eines Vorsorgefalls gegenüber mit den Stimmrechten. Schliesslich verlangt der Gesetz den Pensionskassen einen festen, einklagbaren Leistungs geber bereits seit dem 1. Januar 2002 von den Führungs anspruch haben. Mit dem Bezug auf das FZG unterliegen organen der Pensionskassen, Regeln zur Ausübung der patronale Wohlfahrtsfonds diesen Bestimmungen zu Recht Aktionärsrechte aufzustellen. nicht. Gleichzeitig wird auch der AHV-Ausgleichsfonds, der im Übrigen seine Stimmrechte schon weitgehend wahrnimmt, von der Verfassungsbestimmung nicht erfasst. Gemäss Art. 1 Abs. 1 VgdA finden die Bestimmungen A nwendung auf Schweizer Aktiengesellschaften nach den Art. 620–763 OR, deren Aktien an einer Börse im In- oder Ausland kotiert sind. Die VgdA bezieht sich auf die von der Vorsorgeeinrichtungen direkt gehaltenen Aktien (vgl. Art. 22 Abs. 1 VgdA). Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 9
Die Frage bezüglich kollektiver Anlagen oder Anteile an Willensbildung Anlagestiftungen kann über eine Verordnungsbestimmung Zu Recht wird in Art. 22 Abs. 4 VgdA das oberste Organ nicht gelöst werden. Daran ändert die Tatsache nichts, als verantwortlich für die Willensbildung erklärt. Das sozial- dass bereits heute einige Anlagestiftungen den Anlegern die partnerschaftlich zusammengesetzte oberste Organ ist Möglichkeit bieten, ihre Stimmpräferenz geltend zu machen. am besten geeignet, das Verfahren für die Wahrnehmung Der ASIP ist gegen einen Zwang, die Stimmrechte in kollektiv der Stimmrechte zu definieren und festzulegen, nach gehaltenen Schweizer Gesellschaften auszuüben, setzt welchen Grundsätzen das Interesse der Versicherten – der sich aber gegenüber den Anbietern dafür ein, dass die Mög Aktiven und Rentenbeziehenden – bestimmt werden soll. lichkeit geschaffen wird, dass die Stimmrechte auch in diesen Kollektivanlagen für institutionelle Investoren wahrge- Offenlegungspflicht nommen werden. Das ist heute nur selektiv möglich. Seit Die Pflicht, mindestens einmal jährlich in einem zusammen- 2011 bietet zum Beispiel Avadis als eine der ersten Anlage- fassenden Bericht Rechenschaft über die Wahrnehmung stiftungen der Schweiz den in der Anlagegruppe Aktien der Stimmrechte abzulegen, stellt eine sinnvolle Grundlage Schweiz investierten Anlegern die Möglichkeit, das Stimm- dar. Wie im erläuternden Bericht festgehalten wird, han- recht an den Generalversammlungen der 100 grössten delt es sich um Mindestvorgaben. Eine häufigere, detaillier- Schweizer Aktiengesellschaften auszuüben. Andere Anbieter tere Berichterstattung ist zulässig, aber nicht Pflicht. Aus wie UBS Voice bieten ähnliche Lösungen an. Sicht des ASIP geht die generelle Forderung nach einer Information über jede einzelne Gesellschaft sowie zu jedem Stimmpflicht – Versicherteninteressen einzelnen Traktandum zu weit. Eine solche umfassende Aufgrund des Verfassungstexts lässt sich aus Sicht des Informationsverpflichtung lässt sich insbesondere auch nicht ASIP für Pensionskassen keine absolute Stimmpflicht ableiten. aus dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung ableiten. Vielmehr verknüpft der Text zwei Ideen miteinander: Einer- seits müssen Pensionskassen abstimmen, anderseits müssen Sinnvollerweise besteht die Offenlegungspflicht nur gegen- sie aber ihr Stimmrecht immer im Interesse der Versicherten über den Versicherten und nicht gegenüber den andern ausüben. Somit ist eine absolute Stimmpflicht (absoluter Aktionären oder weiteren Dritten. Im Sinne dieser Erwägung Stimmzwang) nur dann verlangt, wenn Stimmabstinenz die können auch nur die Versicherten der betroffenen Pensions- Interessen der Versicherten verletzen würde (vgl. M. L. Glanz- kasse entsprechende Rechte ableiten. mann in GesKR 1/2013). In deren Interesse kann jedoch auch eine Stimmenthaltung oder ein Stimmverzicht liegen Strafbarkeit bei Vorsorgeeinrichtungen (Art. 22 Abs. 3 VgdA). Das ist beispielsweise speziell Da die neue Verfassungsbestimmung keine Ausnahmen bei kleinen Positionen einer Vorsorgeeinrichtung im Small- vorsieht, sind auch Strafbestimmungen für Vorsorgeeinrich- Cap-Bereich des SPI zu begrüssen. tungen vorgesehen. Diese tragen dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit dadurch Rechnung, dass als mögliche Richtigerweise hält der erläuternde Bericht zum Vorentwurf Täter lediglich Personen, die über eine gewisse Entschei- der VgdA fest, dass sich die Vorgabe, "im Interesse ihrer dungskompetenz verfügen (unter anderem Mitglieder des Versicherten abzustimmen", nicht in generell-abstrakter Weise obersten Organs), in Frage kommen und die Handlungen und im Voraus regeln lässt. (Verletzung der Stimm- und Offenlegungspflicht nach den Art. 22 und 23 VgdA) nur dann strafbar sind, wenn der Täter vorsätzlich handelt. 10 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
Anpassung der Reglemente und Organisation Stimmrechtsvertreter Die Bestimmungen für Vorsorgeeinrichtungen gelten ab Die Pensionskassen werden prüfen, ob und in welcher 1. Januar 2015. Das gibt den Führungsorganen genügend Ausprägung sie die Dienste professioneller Aktionärsdienste Zeit, um eigenverantwortlich die Grundsätze des Stimm- in Anspruch nehmen wollen. Der ASIP hat die ihm bekann- rechtsverhaltens im Interesse der Versicherten reglementa- ten, in der Schweiz aktiven professionellen Aktionärsdienste risch zu regeln. Es geht zum Beispiel darum, den Entschei- analysiert, deren Angebot geprüft und für jeden Anbieter dungsprozess zur Stimmrechtsausübung, organisatorische ein Kurzporträt erstellt (vgl. www.asip.ch). Zweifellos wird es Fragen (unter anderem Eintrag ins Aktienbuch der börsen in Zukunft auch weitere Anbieter und Plattformen zur U m- kotierten schweizerischen Aktiengesellschaft) sowie die Art setzung geben, die den Pensionskassen administrative Erleich und Weise der Offenlegung (Berichterstattung) zu defi terungen bieten. Eine Auswahl fördert den Wettbewerb. nieren. Fazit Ist die Kapazität der Verwaltung der Pensionskasse durch Der ASIP hat den Kampf gegen überhöhte Vergütungs die anfallende Arbeitslast beschränkt und sind die Gründe pakete und für die Stärkung der Aktionärsrechte immer hierzu nicht offensichtlich in der eigenen mangelnden unterstützt und setzt sich nun auch für praxistaugliche Organisation zu finden, darf gemäss erläuterndem Bericht L ösungen ein. Im Vordergrund steht eine effiziente und im eine Prioritätenliste zum Abarbeiten der Einladungen/ Interesse der Versicherten liegende Umsetzung einer Traktandenliste beziehungsweise hinsichtlich der (Nicht-)Teil- durch die Führungsorgane wahrzunehmenden Aufgabe. nahme an der Generalversammlung erstellt werden. Die Der vorliegende Vorentwurf trägt diesen Überlegungen Festlegung dieser Prioritäten muss anhand sachlicher Krite- weitgehend und in ausgewogener Art und Weise Rechnung. rien vorgenommen werden – beispielsweise aufgrund Die massgebenden Bestimmungen untermauern richtiger der wirtschaftlichen Bedeutung eines Traktandums für die weise die Gestaltungsverantwortung der Pensionskassen Interessen der Versicherten oder der finanziellen Bedeutung verantwortlichen in Bezug auf die Ausübung der Mitwirkungs der von der Pensionskasse gehaltenen Aktien. rechte bei Aktiengesellschaften. Zu hoffen ist somit, dass diese Teile des Vorentwurfs der Verordnung gegen die Abzo- ckerei so in Kraft gesetzt werden können. Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 11
Vorentwurf der "Verordnung gegen die Abzockerei" 10. Abschnitt: Stimm- und Offenlegungspflicht für Vorsorgeeinrichtungen Art. 22 Stimmpflicht 1 Vorsorgeeinrichtungen, die dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 7 (FZG) unterstellt sind, müssen das Stimmrecht der von ihnen gehaltenen Aktien in der Generalversammlung der Gesellschaft ausüben. 2 Sie müssen im Interesse ihrer Versicherten abstimmen. 3 Sie dürfen sich der Stimme enthalten oder auf eine Stimmabgabe verzichten, sofern dies dem Interesse der Ver sicherten entspricht. 4 Das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung legt in einem Reglement fest, nach welchen Grundsätzen das Interesse ihrer Versicherten bei der Ausübung des Stimmrechts bestimmt wird. Art. 23 Offenlegungspflicht (Art. 86 b BVG) Vorsorgeeinrichtungen, die dem FZG 8 unterstellt sind, müssen mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassen- den Bericht ihren Versicherten gegenüber Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihrer Stimmpflicht nachgekommen sind. Art. 23 Offenlegungspflicht (Art. 86 b BVG) Vorsorgeeinrichtungen, die dem FZG 8 unterstellt sind, müssen mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden Bericht ihren Versicherten gegenüber Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihrer Stimmpflicht nachgekommen sind. Art. 25 Strafbarkeit bei Vorsorgeeinrichtungen Mit der Geschäftsführung betraute Personen oder Mitglieder des obersten Organs einer dem FZG unterstellten Vorsorge- einrichtung, die die Stimmpflicht nach Art. 22 oder die Offenlegungspflicht nach Art. 23 vorsätzlich verletzen, werden mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft. Art. 27 Anpassung von Statuten und Reglementen 1 Gesellschaften, deren Statuten und Reglemente dieser Verordnung nicht entsprechen, müssen diese innerhalb von zwei Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung den neuen Vorschriften anpassen. 2 Vorsorgeeinrichtungen, die dem FZG 12 unterstellt sind, müssen innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten dieser Ver ordnung ihre Reglemente und ihre Organisation Art. 22 und Art. 23 anpassen. 12 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
Neue Prozesse für die taktische Asset Allocation "Buy And Hold" reicht nicht mehr Die Renditen wurden durch die Interventionen der Zentral- banken aber zeitlich nach vorne verschoben – zu Lasten der Zukunft. Nicht nur die Obligationenbestände profitierten davon, auch die Bewertung der Immobilien wurde nach oben angepasst. Im Falle der Schweizer Immobilien sanken die Diskontierungssätze aber nicht gleich rasch und in gleichem Peter Bänziger, Chief Investment Ausmass wie die Kapitalmarktzinsen – die Immobilien Officer, Swisscanto schätzer sind hierzulande konservativer als im angelsächsi- schen Raum, wo die Immobilienpreise deutlich stärkeren Schwankungen unterliegen. Die Kehrseite der Medaille: In Zukunft wird eine statische Allokation in Anleihen mit hoher Duration wahrscheinlich keinen Sinn machen. Schon kleine Zinssteigerungen wie im Juni 2013 führen zu empfindlichen Kursverlusten auf den Obligationenbeständen. Thomas Härter, Chief Strategist, Swisscanto Wenn wir uns die Asset Allocation der Pensionskassen seit Beginn unserer Umfrage (Grafik 1) anschauen, kommen Die Umfrage-Ergebnisse zeigen deutlich: Die wir zu folgenden Erkenntnissen: Pensionskassen hielten in der Vergangenheit die – Die Asset Allocation blieb über die Zeit ziemlich konstant. Anlagestrategie ziemlich konstant. Dies wird in – Der Aktienanteil veränderte sich tendenziell prozyklisch Zukunft nicht mehr genügen. Das künstlich tiefe mit der Performance der Aktienmärkte. Zinsniveau verschiebt die Performance zeitlich – Das bedeutet, dass der Aktienanteil eher durch die Markt- nach vorne, was auf Kosten künftiger Erträge geht. performance gesteuert wurde als durch die Bewertung Die Autoren entwickeln moderne Strategien, die der Aktienmärkte. auf der Basis von Bewertungsmodellen Unter- res pektive Überbewertungen und damit Handlungs bedarf signalisieren. Grafik 1: Entwicklung der Asset Allocation der CH-Pensionskassen Dank des weltweit stark gesunkenen Zinsniveaus haben die Pensionskassen von einer sehr guten Performance auf In % ihrem Anteil an festverzinslichen Anlagen profitiert. Die 100 Programme der Zentralbanken zur Ankurbelung der Wirt- 80 schaft in den USA (Quantitative Easing 1–3) und zur Stützung der Peripherie in Europa und damit zum Erhalt des 60 Euros durch die EZB haben zu weltweit künstlich tiefen Zins niveaus geführt. Die Anleger – notabene auch die Pensions- 40 kassen – haben dadurch eine sehr gute Performance auf 20 ihren festverzinslichen Anlagen erzielt, was sich positiv auf die Gesamtrendite ausgewirkt hat. Eine sehr hohe statische 0 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 Allokation in Anleihen war durch den lange dauernden Zinssenkungszyklus sinnvoll. ■ Liquide Mittel ■ Obligationen ■ Hypotheken ■ Anlagen beim ■ Aktien ■ Alternative Anlagen Arbeitgeber ■ Immobilien ■ Übrige Quelle: Swisscanto Studie Schweizer Pensionskassen und Pensionskassenstatistik 2004 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 13
Grafik 2: Bewertung (ausgewählter) Aktienmärkte Performance, nicht Bewertung, und Aktienanteil der Schweizer Pensionskassen definiert den Aktienanteil Wir haben den Verlauf des Aktienanteils mit den von uns In % errechneten Bewertungen der Aktienmärkte verglichen 60 32 (Grafik 2). Das Bild überrascht nicht. Die Aktienanteile sind 31 40 nach einem Einbruch der Aktienmärkte relativ tief (2003, 30 20 2008) und nach einem starken Anstieg (2007) hoch. Wenn 29 28 wir uns im gleichen Zeitraum die Aktienbewertungen (Daten- 0 27 punkte jeweils nur per Jahresende) anschauen, stellen –20 26 wir fest, dass die drei analysierten Aktienmärkte (Weltaktien –40 25 markt MSCI World, Aktien Schweiz MSCI Schweiz und 24 –60 23 Aktienmarkt Europa ex Schweiz und Grossbritannien) dann –80 22 am stärksten überbewertet waren, wenn die Aktienanteile 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 den höchsten Wert erreichten (Ende 2006) und umgekehrt MSCI World MSCI Europe ex CH ex UK (Ende 2008). MSCI CH Aktienanteil % (rechte Skala) Wenn wir die Entwicklung des Deckungsgrads und des Aktienanteils analysieren (Grafik 3), stellen wir fest, dass der Deckungsgrad offenbar den Aktienanteil bestimmt. Dies mag Grafik 3: Entwicklung des Deckungsgrads zwar aus dem Blickwinkel der Risikofähigkeit einer Pensions- und des Aktienanteils kasse richtig sein, aber die Bewertungen der Aktienmärkte nehmen darauf leider keine Rücksicht. In der strategischen In % und/oder der taktischen Asset Allocation scheint sich durch 115 34 dieses übliche Verhalten ein fundamentaler Fehler ein 110 32 geschlichen zu haben, der die Aktienmärkte dann hoch ge- 30 wichtet, wenn sie teuer sind – und umgekehrt. 105 28 100 Was ist zu tun? 26 Grundsätzlich haben die Anleger verschiedene Möglich 95 24 keiten zur Steuerung ihrer taktischen Asset Allocation: Die 90 22 wichtigsten sind: 85 20 – Rebalancing. Der einfachste Weg, eine sinnvollere Stra 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 tegie als die prozyklische einzuschlagen, ist die Rebalan- Deckungsgrad (privatrechtliche Kassen, vermögensgewichtet) cingstrategie, die keinerlei Prognosefähigkeiten voraus- Aktienanteil % (rechte Skala) setzt. Die Zielgewichte der strategischen Asset Allocation werden entweder in regelmässigen zeitlichen Abständen oder bei einem Über- oder Unterschreiten von im Voraus definierten Bandbreiten wieder hergestellt. Dies ist eine sehr gängige, einfach umzusetzende und sinnvolle Praxis. Das mit diesem Ansatz verbundene antizyklische Element verbessert die Performance und kontrolliert die Risiken bis zu einem gewissen Ausmass. Allerdings werden die Gewichte von Anlagekategorien ziemlich konstant ge halten, unabhängig von der Bewertung. Damit können auch die Portfoliorisiken sehr stark variieren. 14 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
– Dynamische Asset-Allocation-Modelle. Es gibt verschie Grafik 4: "Fairer" Zins dene Modelle zur dynamischen Steuerung der Asset Allocation, zum Beispiel den Target-Risk-Ansatz. In % Diesen haben wir unter anderem vorgestellt in der 10 Studie "Schweizer Pensionskassen 2010", Seite 16 ff.). 8 – Einsatz von Bewertungsmodellen. Proaktive Anpassung 6 bei signifikanten Abweichungen vom fairen Wert. Diesen 4 2 Weg wollen wir im Folgenden näher untersuchen. 2 1 0 Wie könnten solche Bewertungsmodelle aussehen? Es ist 0 nicht einfach, Timingsignale aufgrund von Bewertungsmodel –1 len zu entwickeln, die für die strategische oder taktische –2 90 92 94 96 98 00 02 04 06 08 10 12 Asset Allocation genutzt werden können. Dennoch sind lang- fristige Modelle geeignet, um Übertreibungen nach oben Abweichung vom fairen Wert in Prozentpunkten (linke Skala) Aktuelle Rendite auf 10-jährigen US-Treasuries (rechte Skala) wie nach unten sichtbar zu machen. Je extremer Unter- oder Modellrendite auf 10-jährigen US-Treasuries (rechte Skala) Überbewertungen ausfallen, desto stärker ist auch das Timingsignal und umso grösser sollte auch der Handlungs- bedarf ausfallen. Bei Swisscanto unterhalten und entwi- ckeln wir laufend Modelle, die einen Hinweis auf mögliche Grafik 5: "Fairer" Spread von Bewertungsanomalien geben. High-Yield-Anleihen Obligationenbewertung In % Wir haben versucht, durch Regressionsmodelle einen fairen 1200 Zins zu modellieren. Parameter dafür sind makroökonomi- 1000 800 sche Daten wie Einkaufsmanagerindizes, die Inflation sowie 600 die Arbeitslosigkeit. Als Beispiel sollen uns die Renditen 300 400 der zehnjährigen US-Treasuries dienen. Grafik 4 zeigt, dass 200 200 der faire Zins bei rund 3,2 Prozent (Stand Juli 2013) läge, 100 0 die effektive Verzinsung aber per 15. Juli 2013 nur bei 0 2,5 Prozent stand. Gut zu erkennen ist auch die Tatsache, –100 dass die Abweichung vom fairen Wert per Ende 2012 in –200 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 den letzten 22 Jahren nie grösser war. Diese Erkenntnis könnte man nützen, indem entweder die Duration der USD- Abweichung vom fairen Wert in Basispunkten (linke Skala) Aktueller Spread High-Yield-Crossover in Basispunkten (rechte Skala) Obligationen verkürzt oder eine allfällige Allokation strate- Modellierter Spread High-Yield-Crossover in Basispunkten (rechte Skala) gisch oder taktisch untergewichtet wird. Mit einem etwas anderen Ansatz kann man auch "faire" Kreditprämien von Unternehmensobligationen modellieren. Die Kreditprämie oder englisch der "Credit Spread" ist Der Spread für den High-Yield-Crossover (ein Index, der die Differenz zwischen der Rendite einer Unternehmens die Kreditausfallprämien eines High-Yield-Obligationenport obligation und der entsprechenden risikofreien Rendite. folios ausdrückt) war extrem tief. Dadurch entstand eine Sie entschädigt den Investor für mögliche Konkursrisiken. deutliche Abweichung nach unten im Vergleich zum fairen Diese Kreditprämien schwanken über die Zeit ebenfalls Wert und damit eine Überbewertung von High-Yield- recht stark. Grafik 5 zeigt die Modellierung von Kredit Anleihen. Die Korrektur erfolgte sehr rasch. Auch in die- prämien für High-Yield-Obligationen. Auch hier ergeben sem Fall hätte man mindestens die Gewinne auf der sich recht gute Timingsignale, zum Beispiel im Mai 2013. Anlageklasse High Yield realisieren können oder müssen. Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 15
Grafik 6: Bewertung der Aktienmärkte Aktienbewertung (Abweichungen der MSCI-Indizes vom fairen Wert Wir analysieren die Bewertung der Aktienmärkte mittels per 28. Juni 2013) zweier Modelle (Grafik 6). Das Modell mit den roten Balken basiert auf den langfristigen Trendgewinnen der Unter In % nehmen. Es reagiert weniger stark auf möglicherweise pro- 10 6 zyklische Gewinnschätzungen der Analysten. Das Modell 1 0 mit den grauen Balken basiert auf den Konsensschätzungen –2 –2 –1 –3 –10 –7 –6 –5 der Unternehmensgewinne der Analysten. Deutlich zu er –10 –9 –12 kennen ist die markante Unterbewertung der europäischen –20 –25 –21 Aktienmärkte. Auf Basis dieser Modelle könnte man einer- –30 –28 seits die Aktienquote implementieren – im konkreten Fall er- –40 gäbe sich aufgrund der Bewertungen tendenziell ein –50 –48 leichtes Übergewicht, andererseits auch die Anlagetaktik –60 innerhalb der Aktien feiner steuern, zum Beispiel ein Welt USA Europa ex UK Schweiz Japan Asien EMMA UK und CH Übergewicht in Europa (billigste Region) zu Lasten Asiens (teuerste Region) herstellen. ■ Trendmodell ■ IBES-Gewinnschätzungen Dynamischere Anpassungen der Asset Allocation Diese Erkenntnisse sollten dazu führen, dass die Asset Grafik 7: Kernanlagen und mögliche Satelliten in Allocation einen recht stabilen Kern aus CHF-Obligationen, der strategischen und taktischen Asset Allocation gegen CHF abgesicherten Fremdwährungsobligationen, Aktien Schweiz und Ausland, Immobilien Schweiz und alter- nativen Anlagen enthält (Grafik 7). Dieser Kern wird EMMA ergänzt durch Satelliten, die mit einer aktiven taktischen Debt Infrastructure sset Allocation bewirtschaftet werden. Derzeit müsste A High Yield man sich strategisch die Frage stellen, welche dieser Satel Debt Inflation Obligationen Staats- obli- liten am besten gegen einen möglichen weiteren Zins Linked Bonds CHF gationen/ CoCos anstieg schützen. Corporates Insurance Linked AI ge Hed s Fund Nach- Um die zukünftige Performance und auch die Risiken zu e Immo- i va t Aktien haltigkeit r P uit y Eq fo ds n , bilien optimieren, sind deshalb Timingfähigkeiten notwendig. mo Im mo and I m usl A Regionen/ Diese sollen auf fundierten Bewertungsmodellen basieren. Schweiz direkt/ Anlagestiftungen Themen- fonds EMMA Insbesondere extreme Unter- oder Überbewertungen in Wasser einzelnen Märkten oder Marktsegmenten sollten zu dyna mischen Anpassungen im Portfolio führen. "Buy and Hold" wird in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr ausreichen. Das Ausnützen der Freiheitsgrade bedingt einerseits einen genügenden Deckungsgrad. Andererseits müssen die Stiftungsräte respektive die jeweiligen Entscheidgremien be- reit sein, proaktiv vom Meinungskonsens abzuweichen. Wenn diese Voraussetzungen nicht vorhanden sind, dürfte eine Rebalancingstrategie oder eine Target-Risiko-Strategie sinnvoll sein. Ein Stiftungsrat sollte den eigenen Risikoappetit nicht zu stark von vergangenen Marktbewegungen und aus- schliesslich vom eigenen Deckungsgrad abhängig machen. 16 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
Finanzierungssysteme der öffentlichen Kassen Harte Entscheide für die Kantone Charakteristika der Voll- und Teilkapitalisierung Bei der Vollkapitalisierung müssen die eingegangenen Verpflichtungen (Passiven) durch Vermögen (Aktiven) gedeckt sein. Das heisst, dass der Deckungsgrad mindestens Stephan Wyss, lic. oec. HSG, 100 Prozent betragen sollte. Dieses System gilt für sämt eidg. dipl. Finanzanalytiker, eidg. liche privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen. Es wird insbe- dipl. Pensionsversicherungsexperte; sondere damit begründet, dass bei einer Abspaltung von Swisscanto Vorsorge AG Zürich Firmen oder Firmenteilen oder bei einer Restrukturierung die ausscheidenden Versicherten die volle Freizügigkeitsleistung erhalten sollen. Ebenso ist eine Rentnerkasse mit einem Deckungsgrad von 100 Prozent grundsätzlich überlebens fähig, weil zur Finanzierung der Leistungen das Kapital bereits vorhanden ist. Andreas Müller, eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte; Bei Pensionskassen mit Staatsgarantie hingegen sorgt die Swisscanto Vorsorge AG Zürich Garantie des Gemeinwesens dafür, dass bei einer Teil liquidation auch im Unterdeckungsfall keine Freizügigkeits- 2012 sind die die Vorschriften zur Finanzierung leistungen gekürzt werden müssen. Zudem ist bei Ge der öffentlich-rechtlichen Pensionskassen in Kraft meinwesen der Fortbestand der Vorsorgeeinrichtungen und getreten. Sie haben für die Kantone und Gemein der versicherten Personen in aller Regel gewährleistet. den, aber auch für die Versicherten erhebliche D eshalb lässt sich für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrich- finanzielle Konsequenzen. Unter anderem ist bis tungen auch das System der Teilkapitalisierung recht Ende 2013 der Entscheid, ob Voll- oder Teilkapi fertigen. Eine öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung mit talisierung, zu fällen. Wenig überraschend werden einem Deckungsgrad von beispielsweise 80 Prozent er- die Kassen in der Deutschschweiz überwiegend bringt ihre Leistungen zu 80 Prozent aus angespartem Ver- die Vollkapitalisierung, in der Westschweiz und im mögen und zu 20 Prozent aus laufenden Einnahmen, Tessin die T eilkapitalisierung anwenden. Den Aus also zu 20 Prozent nach dem Umlageverfahren. Im Gegen- schlag gibt meist der aktuelle Deckungsgrad. satz zur vollkapitalisierten Vorsorgeeinrichtung ist die teil kapitalisierte Vorsorgeeinrichtung von demografischen Ver- Der erweiterte Art. 65 BVG sowie der neue Art. 72a–g ver- änderungen ähnlich wie die AHV direkt betroffen. Für langen von den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen teilkapitalisierte Vorsorgeeinrichtungen schreibt das Bundes- die rechtliche, organisatorische und finanzielle Verselb recht neu einen Mindestdeckungsgrad von 80 Prozent bis ständigung. Diese eher formellen Änderungen werden von spätestens im Jahr 2052 vor. der Öffentlichkeit nur am Rande wahrgenommen. Anders verhält es sich beim Finanzierungssystem: Die Frage, ob Welches ist das bessere System? die Pensionskassen dem System der Voll- oder Teilkapitali- Sowohl das Umlageverfahren (1. Säule) als auch das Kapi sierung unterstellt werden sollen, schlägt aufgrund der taldeckungsverfahren (2. Säule) weisen Vor- und Nachteile finanziellen Konsequenzen weit höhere Wellen. auf. Während im Umlageverfahren ein gesundes Verhältnis von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern sowie die Lohnentwicklung zentral sind, benötigt das Kapitaldeckungs- verfahren vor allem eine genügende Anlagerendite. Das eine System ist dem anderen nicht grundsätzlich überlegen. Beiden Systemen ist jedoch gemeinsam, dass sie nur funktionieren, wenn ihre Parameter realistisch gesetzt und periodisch an veränderte demografische und ökonomische Rahmenbedingungen angepasst werden. Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013 17
Weiter darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass ein 1. Grundsatz: Die 1. Säule ist umlagefinanziert. Die Ver- Deckungsgrad von 100 Prozent alleine noch kein Garant pflichtungen der 2. Säule sind kapitalgedeckt. Daran soll für ein reines Kapitaldeckungsverfahren ist. Sind nämlich nicht gerüttelt werden. Das System der Vollkapitalisie beispielweise die Umwandlungssätze zu hoch, findet auch rung hat sich bewährt, während das neue System der Teil- bei einer vollkapitalisierten Vorsorgeeinrichtung eine sys kapitalisierung mit vielen rechtlichen Unwägbarkeiten temfremde Umlage von Jung zu Alt statt. behaftet ist. Zudem soll die bestehende Unterdeckung be- hoben und nicht einfach den nächsten Generationen Systemwahl bei kantonalen Kassen angelastet werden. Nicht zuletzt aus d iesem Grund hat der Deutschschweiz der Gesetzgeber das System der Teilkapitalisierung als Der Grossteil der kantonalen Vorsorgeeinrichtungen in der Ausnahmeregelung vorgesehen. Deutschschweiz musste sich gar nicht im Detail mit der 2. Garantie: Die Teilkapitalisierung setzt eine Staatsgarantie Teilkapitalisierung auseinandersetzen. Entweder waren die nach Artikel 72c BVG voraus. In der Deutschschweiz Bedingungen – insbesondere das Vorliegen einer Unter stellt nur noch etwa die Hälfte der Kantone eine Garantie deckung per 1. Januar 2012 – nicht gegeben (beispielsweise zugunsten der kantonalen Vorsorgeeinrichtung. Die Wie- AI, AR, OW) oder das Erreichen der vollen Deckung lag dereinführung einer Staatsgarantie steht im Widerspruch in Reichweite (GL, GR, LU, UR). zur verlangten Verselbständigung und könnte am poli tischen Widerstand scheitern. Schwieriger ist die Lage bei Pensionskassen mit einem 3. Demografie: Ein Ausbau des Umlageverfahrens (Jung Deckungsgrad von 90 Prozent und tiefer. Gemäss Weisung zahlt für Alt) ist angesichts der demografischen Entwick- des Bundesrats muss eine Vorsorgeeinrichtung eine Unter lung nicht einfach zu begründen. deckung innert fünf bis sieben Jahren beheben, wobei 4. Rendite: Im Kapitaldeckungsverfahren kann im lang die "Frist von zehn Jahren nicht überschritten werden sollte". fristigen Durchschnitt eine positive Rendite erwirtschaftet Wird bei einem Deckungsgrad von 90 Prozent die Höchst- werden. Dies reduziert bei gleichem Vorsorgeziel dauer von zehn Jahren ausgeschöpft, muss der Deckungs- die Vorsorgekosten. Zudem sind Renditen einfacher zu grad pro Jahr um 1 Prozentpunkt verbessert werden. Dies importieren als die Lohnentwicklung. entspricht bei einer durchschnittlichen kantonalen Vorsorge einrichtung einem Sanierungsbeitrag von rund fünf Lohn An dieser Stelle sind insbesondere die kantonalen Vorsorge prozenten. Falls der Arbeitgeber nicht mehr als die gesetzlich einrichtungen von SO und BL zu nennen: Sie wiesen mit vorgeschriebene Hälfte beisteuert, müssen die Versicherten 70,8 Prozent beziehungsweise 76,8 Prozent per 1. Januar während zehn Jahren eine AHV-Lohneinbusse von zirka 2012 die tiefsten Deckungsgrade in der Deutschschweiz 2 Prozent gewärtigen. Bei einem Deckungsgrad unter 90 Pro- auf, streben aber dennoch beide die Vollkapitalisierung an. zent wird die Zumutbarkeitsgrenze rasch überschritten. Dabei soll die Unterdeckung mit einer Schuldanerkennung durch den Kanton und die angeschlossenen Arbeitgeber be- Kurzfristig verlockende Teilkapitalisierung hoben werden. Weshalb sollen die Versicherten und das Gemeinwesen schmerzliche Sanierungsopfer erbringen, wenn mit der Teils hohe Beteiligungen der Gemeinwesen Teilkapitalisierung die Möglichkeit besteht, den Deckungsgrad Die Gemeinwesen beteiligen sich oftmals bis zu 75 Prozent bei lediglich 80 Prozent zu stabilisieren? In der Tat wäre die an den Sanierungsmassnahmen, weil die Sanierungspakete Teilkapitalisierung für manchen Kanton, ja auch für manchen sonst für die Versicherten unzumutbar wären. Das starke Politiker kurzfristig die deutlich bequemere Alternative. Nach Engagement der Gemeinwesen wird oft mit früheren Ver- unseren Erfahrungen haben jedoch nachstehende Gründe säumnissen bei der Finanzierung begründet, beispielsweise zahlreiche Kantone dazu bewogen, die "Sanierungskröte" der Aufhebung der Staatsgarantie, bevor genügend Wert- zu schlucken, um eine Teilkapitalisierung abzuwenden: schwankungsreserven vorhanden waren, oder mit der Pflicht zur Übernahme der anteilsmässigen Unterdeckung der Rentner, da das Gemeinwesen bislang Leistungen und Fi- nanzierung festgelegt hat. 18 Swisscanto Schweizer Pensionskassen 2013
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