Schweizer Pensionskassen 2013 - UB Basel

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Schweizer Pensionskassen 2013 - UB Basel
SC2 9301d 09.13
                  Schweizer
                  Pensionskassen 2013
                  Ergebnisse der Umfrage
                  Daten, Analysen und Beiträge zu:
                  – Neue Prozesse für die taktische
                     Asset Allocation
                  – Grosse Heterogenität in der 2. Säule
                  – Zur geplanten Verordnung gegen
                     die Abzockerei
                  – Vermögensverwaltungskosten
                     in Bewegung
Swisscanto – ein führender Asset Manager

In der Schweiz ist Swisscanto einer der führenden Anlage-
fondsanbieter, Vermögensverwalter und Anbieter von
Lösungen der beruflichen und privaten Vorsorge. Das
Gemeinschaftsunternehmen der Schweizer Kantonalbanken
verwaltet Kundenvermögen von CHF 51,4 Milliarden
und be­schäftigt 400 Mitarbeitende in Zürich, Bern, Basel,
Pully, London, Frankfurt am Main und Luxemburg (Stand
30. Juni 2013).

Als ausgewiesener Spezialist entwickelt Swisscanto quali-
tativ hochstehende Anlage- und Vorsorgelösungen für
private Anleger, Firmen und Institutionen. Als Fondsanbieter
wird Swisscanto national und international regelmässig
ausgezeichnet. Weiter ist Swisscanto für seine Vorreiter­
rolle bei nachhaltigen Anlagen sowie für die jährlich
publizierte Studie "Schweizer Pensionskassen" bekannt.

www.swisscanto.ch
                                                               Impressum
Blog: blog.swisscanto                                          Herausgeber       Swisscanto Asset Management AG, Waisenhausstrasse 2, 8021 Zürich
Twitter: @swisscanto                                           Redaktion         Peter Wirth, Vorsorgeforum
                                                               Bestellungen      Tel. 058 344 44 70, sales_services@swisscanto.ch

                                                               Swisscanto Asset Management AG, September 2013

                                                               Disclaimer
                                                               Die in diesem Dokument enthaltenen Informationen wurden von Swisscanto Asset Management AG mit grösster Sorgfalt zusammengestellt. Die Informationen
                                                               und Meinungen stammen aus zuverlässigen Quellen. Trotz professionellem Vorgehen kann Swisscanto Asset Management AG die Richtigkeit, Vollständig-
                                                               keit sowie Aktualität der Angaben nicht garantieren. Zahlen zur Performance sind vergangenheitsbezogen und dürfen nicht als Garantie für die künftige Ent-
                                                               wicklung verstanden werden. Swisscanto Asset Management AG lehnt jede Haftung für Investitionen, die sich auf dieses Dokument stützen, ab. Diese darin
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                                                               Swisscanto Asset Management AG darf dieses Dokument weder für einen öffentlichen noch kommerziellen Zweck verwendet werden.

                                                               Mit der Unterzeichnung der Grundsätze für verantwortungs-
                                                               volles Investment der Vereinten Nationen (United Nations
                                                               Principles for Responsible Investment – UN PRI) verpflichtet
                                                               sich Swisscanto zum umfassenden Einbezug von Nachhaltig­
                                                               keits­aspekten in sämtliche Investmentprozesse.

                                                               www.swisscanto.ch/nachhaltigkeit

                                                               © Swisscanto Asset Management AG
Inhaltsverzeichnis

                                   Zur Studie                                                           4

                                   Dr. Gérard Fischer
                                   Das Projekt Altersvorsorge 2020
                                   Risiken und Nebenwirkungen                                           5

                                   Hanspeter Konrad
                                   Zur geplanten Verordnung gegen die Abzockerei
                                   Praxistaugliche Umsetzung einer Führungsaufgabe                      9

                                   Peter Bänziger, Thomas Härter
                                   Neue Prozesse für die taktische Asset Allocation
                                   Buy And Hold reicht nicht mehr                                      13

                                   Stephan Wyss, Andreas Müller
                                   Finanzierungssysteme der öffentlichen Kassen
                                   Harte Entscheide für die Kantone                                    17

                                   Dr. Ueli Mettler, Dr. Alvin Schwendener
                                   Vermögensverwaltungskosten in Bewegung                              21

                                   Colette Nova
                                   Keine Chance ohne Zugeständnisse der Sozialpartner                  25

                                   Dr. Stephan Skaanes, Lukas Riesen
                                   Grosse Heterogenität in der 2. Säule
                                   Mahnung zur Vorsicht bei der Dateninterpretation                    27

                                   Peter Zanella
                                   Nachhaltige Bewertung und Finanzierung von Vorsorgeverpflichtungen
                                   Solidarität auf dem Prüfstand                                       30

                                   Ergebnisse der Umfrage

                                   Die Swisscanto Umfrage
                                   Resultate der Umfrage 2013                                          35

                                   Die Teilnehmer der Umfrage
                                   Verzeichnis der Vorsorgeeinrichtungen                               60

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                               3
Zur Studie

Die Swisscanto Umfrage Schweizer Pensionskassen wird              Wertvolle Fachbeiträge als Ergänzung zu den Resultaten
­bereits zum 13. Mal durchgeführt. Sie erfasst wichtige           der Umfrage lieferten:
 ­Daten zur Struktur, zu den Leistungen und Kapital­anlagen       • Dr. Gérard Fischer, CEO Swisscanto Gruppe
  sowie zum Deckungsgrad und zur Performance.                     • Peter Bänziger, Leiter Asset Management/
                                                                     CIO Swisscanto Gruppe;
Das Ziel ist, den beteiligten Institutionen Vergleichs-, Füh-        Thomas Härter, Chief Strategist Asset Management
rungs- und Entscheidungsinstrumente zu bieten und den             • Hanspeter Konrad, Direktor ASIP Schweizerischer
­interessierten Kreisen aus dem Vorsorgewesen, der Politik          ­Pensionskassenverband
 und der Wissenschaft Grundlagen für eine fundierte               • Dr. Ueli Mettler, Partner c-alm AG;
 ­Auseinandersetzung mit der beruflichen Vorsorge bereit­            Dr. Alvin Schwendener, Senior Consultant c-alm AG
  zustellen.                                                      • Colette Nova, Leiterin des Geschäftsfeldes AHV,
                                                                     Berufliche Vorsorge und EL beim BSV
Gleiche Ziele verfolgt auch der Schweizerische Pensions­          • Dr. Stephan Skaanes, Partner PPCmetrics;
kassenverband ASIP. Ihm werden die Daten jener Vor­                  Lukas Riesen, Consultant PPCmetrics
sorgeeinrichtungen zur Verfügung gestellt, die dazu ihre          • Peter Wirth, Geschäftsführer Vorsorgeforum
Ein­willigung gegeben haben.                                      • Stephan Wyss, eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte;
                                                                     Andreas Müller, eidg. dipl. Pensionsversicherungsexperte
Allen teilnehmenden Kassen, ihren Geschäftsführern und               Swisscanto Vorsorge AG Zürich
Stiftungsräten gebührt ein grosser Dank für die Bereit-           • Peter Zanella, Towers Watson, Director,
schaft, die Daten einzugeben und die Fragen zu aktuellen             Retirement Services, Switzerland
Vor­sorgethemen zu beantworten.
                                                                  Swisscanto will mit der Publikation der Daten nicht nur
Zu danken ist auch dem ASIP für seine Unterstützung und           den Fachkreisen in der beruflichen Vorsorge, sondern auch
den Mitgliedern des Beirats, die sich aktiv bei der Er­stellung   den Politikern, Medien und einer weiteren interessierten
des Fragebogens engagierten und mit zahlreichen Vor­              ­Öffentlichkeit einen Dienst erweisen. Die vielen positiven
schlägen und wertvollen Kritiken dessen Gestaltung beein-          Rückmeldungen zur Studie ermuntern uns und sind uns
flussten. Es sind dies:                                            gleichzeitig Ansporn.
• Heinrich Leuthard, Schwyzer Kantonalbank
• Susanne Jäger, Aargauische Pensionskasse                        Swisscanto wünscht Ihnen eine interessante Lektüre. Für alle
• Hanspeter Konrad, Schweizerischer Pensionskassen­               Kommentare, Anregungen und Kritiken sind wir dankbar.
   verband (ASIP)
• Christoph Ryter, Migros-Pensionskasse/                          Swisscanto Asset Management AG
   Schweizerischer Pensionskassenverband (ASIP)                   September 2013
• Dr. Peter Schnider, VPS Verlag Personalvorsorge
   und Sozialversicherung AG
• Dieter Stohler, Pensionskasse des Bundes Publica
• Andreas Zingg, Geschäftsbereich Unternehmenskunden
   Swiss Life

4                                                                                        Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
Das Projekt Altersvorsorge 2020

Risiken und Nebenwirkungen

                                                             Bei der Formulierung der Ziele fallen folgende Punkte auf:
                                                             • Die 3. Säule gehört in diesem Paket nicht zur Vorsorge.
                                                               Dies entspricht zwar nicht dem Verfassungsartikel mit dem
                                                                Dreisäulenprinzip, aber für die 3. Säule fühlt sich der
                                                               ­Bundesrat offenbar nicht zuständig.
                                                             • Das Leistungsniveau, das heute besteht, soll gehalten wer-
                          Dr. Gérard Fischer,                   den. Unklar ist, ob es um das Leistungsniveau der Rentner,
                          CEO Swisscanto Gruppe                 der Rentner in den nächsten zehn Jahren, der Frührentner
                                                                oder auch um das Leistungsniveau der jüngeren Generatio­
Mit dem Projekt "Altersvorsorge 2020" will der                  nen gehen soll. An anderer Stelle 2 wird immerhin das
Bundesrat AHV und berufliche Vorsorge gleichzeitig              ­ursprüngliche Ziel der Altersvorsorge genannt, nämlich:
reformieren und damit den gordischen Knoten,                     "Die Leistungen der BVG-Minimalvorsorge erfüllen zu­
den die Politik in den letzten Jahrzehnten geknüpft              sammen mit den Renten der AHV/IV die dem Dreisäulen-
hat, durchschlagen. Zu den Risiken und Neben­                    konzept zugrunde liegende Erwartung einer Ersatzquote
wirkungen all der vorgeschlagenen Massnahmen                     von 60 Prozent des letzten Einkommens."
gibt es jedoch keine "Packungsbeilage".
                                                             So wie die Ziele formuliert sind, wird impliziert, dass die
Der Bundesrat hat unter dem Titel "Die Altersvorsorge für    vorgeschlagenen Kompensationsmassnahmen zum ­Erhalt
die nächsten Generationen sichern" am 21. Juni 2013 einen    des Leistungsniveaus auch dann greifen, wenn das Leis-
"umfassenden Lösungsansatz für eine mehrheitsfähige          tungsziel bereits über den angestrebten 60 Prozent liegt.
­Reform bis zum Jahr 2020" präsentiert. Eine "Gesamtsicht
 der Probleme und ein umfassender Lösungsansatz" sollen      Herausforderungen
 erfolgversprechend sein. Nachfolgend wird geprüft, ob die   Die Eckwerte 3 nennen drei Herausforderungen:
 vorgeschlagenen Massnahmen zu den tatsächlichen Heraus­     1.		Die steigende Lebenserwartung: Dies ist eine Heraus­
 forderungen passen.                                             forderung für die 1. und 2. Säule, werden doch damit die
                                                                 "Rentnerferien", für die gespart werden muss, laufend
Ziele des Lösungsansatzes                                        länger.
Als Ziele1 der Reform werden genannt:                        2. Die demografische Entwicklung: Dies ist vor allem ein
• "Das Leistungsniveau der (…) Vorsorge soll gehalten            Problem im Umlageverfahren und damit eines der AHV.
  und gesichert werden" und                                  3. Die verschlechterten Möglichkeiten der Vermögensanlage
• "Die Finanzierungsgrundlagen von AHV und beruflicher           und das niedrige Zinsniveau: Dies ist primär ein Problem
  Vorsorge sollen nachhaltig den demografischen und wirt-        in der 2. Säule mit ihrem Kapitaldeckungsverfahren.
  schaftlichen Verhältnissen angepasst werden."
                                                             Positiv zu nennen ist, dass die 1. Säule nicht mehr als Vor-
                                                             sorge ohne Probleme dargestellt wird, wie dies von Teilen
                                                             der ­politisch interessierten Kreise immer noch gerne getan
                                                             wird, sondern dass die absehbaren Entwicklungen in der
                                                             1. Säule als Heraus­forderung anerkannt werden und damit
                                                             der Handlungsbedarf klar bejaht wird.

                                                             1   Eckwerte der Reform der Altersvorsorge 2020, Seite 4.
                                                             2   Leitlinien der Reform der Altersvorsorge 2020, Seite 16.
                                                             3   Eckwerte der Reform der Altersvorsorge 2020.

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                  5
Bei den Herausforderungen der beruflichen Vorsorge wird          versprechen deutlich höher liegt im Vergleich zu den
jedoch wenig differenziert. Die privatrechtlichen Vorsorge-      Renditen von Obligationen. Dieses Problem wird im vor­
einrichtungen mit einem durchschnittlichen, vermögens­           liegenden Paket weder genannt noch gelöst.
gewichteten Deckungsgrad von 107,6 Prozent 4 und einem
     technischen Zins von 3,08 Prozent (Beitragsprimat) stehen   Probleme in der 2. Säule
     vergleichsweise gut da. Sie weisen deutlich weniger Hand-   Bei welchen Gruppen machen sich die Herausforderungen
     lungsbedarf auf als etwa die öffentlich-rechtlichen und     wie Langlebigkeit und tiefere Anlagerenditen besonders be-
­haben in der Vergangenheit auf die Herausforderungen            merkbar. Wo sind die Problemgruppen?
 ­reagiert, auch ohne Massnahmenpaket des Bundesrats.
  ­Leider waren es die politisch ­verordneten Parameter wie      • Lebensversicherungen
   ­Mindestverzinsung und Mindestumwandlungssatz, die            Die durch den SST ausgelösten höheren Kapitalanforde­
    ­Kassen im Obligatoriumsbereich oder mit hohem Rentner-      rungen sind nachteilig für den Standort Schweiz, weil
anteil in eine schwierige Situation gebracht haben. Ohne         die höheren Kapitalkosten an den Kunden weitergegeben
     diese politischen Vorgaben bräuchten die privaten Kassen    ­werden müssen, was das Vollversicherungsmodell mit
     wahrscheinlich kein neues Paket.                             ­Versicherungslösung für 150 000 KMU und 1 Million Ver­
                                                                   sicherte gefährdet.
 Bei den öffentlich-rechtlichen Kassen bleibt die Ausfinanzie-
 rung ungelöst. Bei einem Deckungsgrad von 90,3 Prozent          • Privatrechtliche Vorsorgeeinrichtungen
 und einem technischen Zins von 3,32 Prozent gemäss              Vor Problemen stehen jene Vorsorgeeinrichtungen, die nur
­Swisscanto Umfrage 2013 besteht tatsächlich noch grosser        die BVG-Minimalleistungen ausrichten und folglich keine
 Handlungsbedarf. Das grösste Bedürfnis an zusätzlichen          Möglichkeit haben, wie umhüllende Vorsorgeeinrichtungen
 Mitteln löst die Ausfinanzierung der versprochenen regle-       den Umwandlungssatz gemäss Anrechnungsprinzip nach
 mentarischen Leistungen bei den öffentlich-rechtlichen Kas-     unten anzupassen.
 sen aus. Die Regeln zur Ausfinanzierung der öffentlich-
 rechtlichen Kassen sind vom Gesetzgeber definiert worden        • Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen
 und werden über die nächsten 40 Jahre zusätzliche Kosten           ohne Staatsgarantie
 verursachen. Schätzungen gehen von CHF 40 Mrd. aus,             Die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ohne
 wobei je nach Annahmen grössere oder kleinere Zahlen ge-        Staatsgarantie sind überwiegend geprägt durch un­
 nannt werden. Diese Zahl ist in Relation zu setzen zum Pa-      zureichende oder gar fehlende Wertschwankungsreserven
 ket des Bundesrats, das bei der AHV von CHF 14 Mrd. und         sowie zu hohe technische Zinsen.
 bei der beruflichen Vorsorge von CHF 2,8 Mrd. spricht.
                                                                 • Öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen
 Lebensversicherungen sind ausgeklammert                             mit Staatsgarantie
 Ein grosser Teil der Vorsorgeleistungen wird durch die Le-      Die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen mit Staats-
 bensversicherungen mit dem Kollektivlebengeschäft abge-         garantie sind in der Regel nicht voll ausfinanziert. In einer
 deckt. Auch sie stehen aufgrund der gesunkenen Kapital-         Reihe von Kantonen wird wegen der kurzfristig geringeren
 markterträge vor der Herausforderung der Finanzierung der       Finanzierungserfordernisse auf das System der Teilkapita­
 versprochenen Leistungen. Mit der Einführung des Swiss          lisierung gesetzt. Damit wird die Ausfinanzierung auf später
­Solvency Test (SST) im Jahr 2011 wurden die Versicherer mit     verschoben. Gleichzeitig sind die Vermögenserträge tiefer,
 deutlich höheren Kapitalanforderungen konfrontiert (auch        weil nur ein Teil des Sollvermögens angelegt wird und bei
 im Vergleich zu Versicherungsunternehmungen in der EU,          Versicherten, welche aufgrund eines Wechsels aus Vorsorge-
 wo Solvency II erst später und mit grösseren Übergangsfris-     einrichtungen ausscheiden, entstehen Migrationsverluste,
 ten eingeführt wird). Gleichzeitig wurden sie faktisch ge-      weil die vollen Freizügigkeitsleistungen ­ausbezahlt werden
 zwungen, die Fristen ihrer Anlagen auf die Verpflichtungen      müssen.
 auszurichten. Dies macht durchaus Sinn, wenn die Anlage-
 renditen genügend hoch sind, führt jedoch zu einem un­
 lösbaren Problem, wenn der technische Zins der Leistungs-       4   Vgl. Seite 53.

6                                                                                       Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
Die "Altersvorsorge 2020" versucht nun, dieses "Problem­        Abgesehen davon ist zu begrüssen, dass mit dem Interven­
paket" in einem Aufwasch anzugehen. Ist das erfolgverspre-      tionsmechanismus eine quasi automatische Massnahme be-
chend?                                                          darfsgerecht ausgelöst wird. Dieser Automatismus ist
                                                                ­wichtig, weil die politischen Entscheidungsprozesse syste-
Lösungsansätze für die 1. Säule                                  matisch versagen, wenn es darum geht, notwendige
Mit der Vorgabe fixierter Leistungen kann die Finanzierung       und gleichzeitig unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Es
nur über zusätzliche Geldquellen gesichert werden. Zwar          ist für einen Politiker stets unangenehm, seinen Wählern
wird die Erhöhung des Altersrücktritts als Lösung angespro-      die Notwendigkeit einer bitteren Medizin beizubringen.
chen, gleichzeitig wird aber behauptet, dass eine Erhöhung
des Rentenalters nicht verantwortbar sei, weil der Arbeits-     Lösungsansätze für die 2. Säule
markt gegenwärtig nicht bereit sei, eine grosse Zahl älterer    In der 2. Säule soll der geltende Umwandlungssatz von
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufzunehmen.                 6,8 Prozent in vier Schritten auf 6,0 Prozent gesenkt werden.
                                                                Um wie versprochen die Leistungen beizubehalten, werden
 Diese Behauptung kontrastiert mit den Arbeitslosenzahlen       folgende Massnahmen vorgeschlagen:
 vom Juli 2013: Die Arbeitslosigkeit liegt gesamthaft bei       • Erhöhung der Altersgutschriften (Erhöhung der Lohnabzüge)
3 Prozent, bei den Über-50-Jährigen jedoch bei 2,5 Prozent,     • Neuregelung des Koordinationsabzugs
während die jungen Arbeitnehmer eine Arbeitslosenrate           • Beginn des Sparprozesses eventuell vor dem 25. Altersjahr
von 3,1 Prozent aufweisen. Offenbar wird befürchtet, dass
eine Erhöhung des Rentenalters vom Volk abgelehnt und           Erhöhung der Altersgutschriften
­damit das Projekt gefährdet würde, so dass man die Tat­        Mit der Erhöhung der Altersgutschriften (und Senkung für
 sachen lieber ein wenig verzerrt.                              die Über-55-Jährigen) will man ältere Arbeitnehmer länger
                                                                im Arbeitsmarkt halten. Ob dies wirklich notwendig ist
 Den wichtigeren Teil des Pakets bildet jedoch die "automati-   (vgl. Arbeitslosenraten) und ob es wirklich an den Altersgut-
sche Schuldenbremse", die für die 1. Säule vorgeschlagen        schriften liegt, wenn ein älterer Arbeitnehmer arbeitslos
wird. Beim Erreichen von Schwellenwerten soll die Ausfinan-     wird, ist nicht belegt und auch wenig plausibel.
zierung über die Erhöhung der Mehrwertsteuer in zwei
­Stufen erfolgen. Gleichzeitig werden Rentenanpassungen           Neuregelung des Koordinationsabzugs
 nach einer komplexen Formel, deren Wirkung kaum be­            Dieser Vorschlag betrifft nur das BVG-Obligatorium und
urteilbar ist, aufgeschoben.                                    soll in erster Linie bei den tiefen Einkommen und für die
                                                                 Übergangsgeneration zu Verbesserungen führen. Bei Ver­
 Diese politische Lösung wird in der Hoffnung vorgeschlagen,    sicherten, die durch die Anpassung schlechter gestellt
 dass die "breite Lastenverteilung" über eine Konsum-           ­werden, soll der Sicherheitsfonds BVG einspringen und das
  steuer weniger Widerstand auslöst als eine sachbezogene        fehlende Kapital einschiessen. Avenir Suisse 5 hat sich mit
  Lösung. Verschwiegen wird, dass die Erhöhung der               ­dieser Idee auseinandergesetzt und ist zu folgenden Schlüs-
 ­Mehrwertsteuer die Kaufkraft der Konsumenten und damit          sen gekommen:
  auch der Rentner ­verringert und gleichzeitig einen             • Alle Vorsorgeeinrichtungen müssen in den Fonds ein­
 w
 ­ achstumsdämpfenden ­Effekt hat. Die "Leistungskürzung"           zahlen. Kompensationszahlungen erhalten aber vor allem
 erfolgt damit nicht bei den Rentnern, sondern bei allen            diejenigen, die einen grossen Anteil älterer Versicherter
­Konsumenten. Ob das wirklich eine "Lösung" der Altersvor-          aufweisen. Damit wird eine Umverteilung von Jung zu Alt
sorge ist oder nur eine ­grosse Umverteilung zugunsten der          institutionalisiert, die der AHV vorbehalten sein sollte.
 Rentner, wird wohl noch politisch zu würdigen sein.              • Umhüllende Vorsorgeeinrichtungen, die ihren Umwand-
                                                                    lungssatz bereits gesenkt haben und Leistungen kürzten,
                                                                    um ihre Vorsorgeeinrichtung nachhaltig zu finanzieren,
                                                                    werden bestraft.

                                                                5   Jérôme Cosandey: Die schiefe zweite Säule. Avenir Suisse.

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                      7
• Als Folge dieser "Bestrafung" könnten Vorsorgeeinrichtun-       Risiken und Nebenwirkungen
  gen in Zukunft, die bis anhin vorsorglich gehandelt             Mit dem bundesrätlichen Paket wird eine politische Lösung
  ­haben, bei veränderten Bedingungen (Demografie etc.)           vorgeschlagen, von der man hofft, dass sie vom Volk irgend-
   ihre Leistungen nicht mehr freiwillig anpassen.                wie akzeptiert wird. Mit unbegründeten Behauptungen
                                                                  ­werden weitere Umverteilungsmassnahmen legitimiert, und
Der Einbezug des Sicherheitsfonds hat zur Folge, dass              mit dem Versprechen, keine Leistungen kürzen zu wollen,
die Finanzierung der beruflichen Vorsorge insgesamt                wird politischer Goodwill erkauft.
­intransparenter wird. Es ist nicht klar, wie sich diese Kosten
entwickeln werden. Im Bericht wird zwar von einem                 Über die indirekten Folgen all dieser Massnahmen bestehen
 ­geschätzten Betrag von CHF 400 Millionen für das Jahr           kaum Annahmen und keinerlei Gewissheit. Sicher ist nur,
  2030 ausgegangen. Die Eckdaten für diese Massnahme              dass die zusätzlichen Finanzierungsquellen (Sicherheitsfonds
sind jedoch nicht genau spezifiziert. Im Bericht geht             für die 2. Säule, MWSt für die 1. Säule) zu weiteren Um­
der Bundesrat davon aus, dass die Kosten nach der Ein­            verteilungen führen werden.
führung ansteigen und danach wieder fallen werden.
                                                                  Die Risiken und Nebenwirkungen dieses Pakets sind nicht
Beginn des Sparprozesses eventuell                                wirklich absehbar, weil sie die Intransparenz in der Vorsorge
vor dem 25. Altersjahr                                            erhöhen, anstatt die Komplexität des Systems zu senken.
Dieser Vorschlag tönt plausibel. Wird aber bedacht, dass          Man sollte die vorgeschlagene Medizin deshalb nur mit
die Arbeitslosigkeit bei den Unter-25-Jährigen mit 3,1 Prozent    grösster Vorsicht anwenden.
im Vergleich zu den übrigen Arbeitnehmern höher liegt
und sie schon jetzt aus "Solidarität" überhöhte Renten mit­
finanzieren, so wird angesichts des Vorhabens, sie über
den Sicherheitsfonds und mit den angedachten Mehrwert-
steuererhöhungen nochmals zur Kasse zu bitten, jeder
froh sein, nicht zu den Unter-25-Jährigen zu gehören. Gesell-
schaftspolitisch ist es falsch, den jüngeren Generationen
noch mehr Lasten aufzubürden.

                                                                  6   Eckwerte der Reform Altersvorsorge 2020, Seite 21.

8                                                                                              Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
Zur geplanten Verordnung gegen die Abzockerei

Praxistaugliche Umsetzung einer Führungsaufgabe

                                                                   Mit der Volksinitiative "gegen die Abzockerei" hat diese
                                                                   ­Thematik wieder an Bedeutung gewonnen. Nach der deut­
                                                                    lichen Annahme der Initiative am 3. März 2013 muss der
                                                                    Bundesrat spätestens ein Jahr nach der Volksabstimmung zur
                                                                    Umsetzung von Art. 95 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV)
                                                                    eine neue Verordnung erlassen. Das Eidgenössische Justiz-
                          Hanspeter Konrad,                        und Polizeidepartement hat die Umsetzungsarbeiten
                          lic. iur., Rechtsanwalt, Direktor ASIP    so geplant, dass der Bundesrat die Verordnung auf den
                                                                    1. Januar 2014 in Kraft setzen kann.
Mit der Verordnung gegen die Abzockerei werden
den Pensionskassen neue Pflichten bei der Wahr­                    Aus Optik der Pensionskassen steht Satz 3 von Art. 95
nehmung ihrer Aktionärsinteressen auferlegt. Der                   Abs. 3 lit. a BV im Vordergrund: "…Die Pensionskassen stim-
vom Bundesamt für Justiz entwickelte Entwurf                       men im Interesse ihrer Versicherten ab und legen offen, wie
nimmt auf die Bedürfnisse der Kassen weitgehend                    sie gestimmt haben…" Das EJPD hat in der geplanten Verord­
Rücksicht und stellt eine praktikable Vorlage dar.                 nung gegen die Abzockerei (VgdA) unter anderem auch
Der ASIP hofft entsprechend, dass diese Teile der Ver­             diesen Satz auszulegen. Dabei muss es sich auf die klassi-
ordnung so in Kraft gesetzt werden können.                         schen Auslegungsmethoden wie Wortlaut, Systematik,
                                                                   Zweck und Entstehungsgeschichte abstützen. Wie kann
Gemäss aktuellen Statistiken halten die Pensionskassen in­         eine sinnvolle Lösung aussehen? Die nachfolgenden Aus­
nerhalb ihres Gesamtvermögens von rund CHF 625 Mil­                führungen zeigen einen möglichen Weg auf. Sie basieren
liarden Schweizer Aktien im Wert von gegen CHF 60 Mil­             auf der Stellungnahme, die der ASIP im Rahmen der An­
liarden. Ge­messen an der Gesamtmarktkapitalisierung               hörung zum Vorentwurf der Verordnung gegen die Abzo­cke­
von rund CHF 963 Milliarden ist dies ein Anteil von 6,5 Pro-       rei verfasste. Es geht dabei um den 10. Abschnitt des Vor-
zent am Aktienmarkt Schweiz. Die Schweizer Pensions­               ent­wurfs der Verordnung: Stimm- und Offenlegungspflicht
kassen vereinen somit weitaus weniger Stimmenmacht auf             für Vorsorgeeinrichtungen, und zwar die Art. 22 (Stimm­
sich, als allgemein wahr­genommen wird. Trotzdem fordert           pflicht), Art. 23 (Offenlegungspflicht), Art. 25 (Strafbarkeit
der ASIP seine Mitglieder immer wieder auf, die Aktionärs-         bei Vorsorgeeinrichtungen) und Art. 27 (Anpassung von
rechte aktiv wahrzunehmen und sich auf diese Art eigen­            ­Statuten und Reglementen).
verantwortlich auch zu den bis anhin konsultativen Vergü-
tungsberichten zu äussern.                                         Geltungsbereich
                                                                   Es stellt sich zunächst die Frage nach dem Geltungsbereich:
Aus Sicht des ASIP hat das sozialpartnerschaftlich zusammen-       Für welche Pensionskassen gilt die Verfassungsbestimmung
gesetzte Führungsorgan grundsätzlich die Pflicht, die Ak­          überhaupt? Die in Art. 22 Abs. 1 VgdA vorgesehene Ver­
tionärsrechte der Pensionskasse treuhänderisch im Sinne der        weisung auf das Freizügigkeitsgesetz (FZG) erscheint zweck-
Versicherten wahrzunehmen – das Inkasso der Dividende              mässig. Das entscheidende Kriterium ist somit die Frage,
­gehört ebenso dazu wie der verantwortungsvolle Umgang             ob die Begünstigten bei Eintritt eines Vorsorgefalls gegenüber
 mit den Stimmrechten. Schliesslich verlangt der Gesetz­           den Pensionskassen einen festen, einklagbaren Leistungs­
 geber bereits seit dem 1. Januar 2002 von den Führungs­           anspruch haben. Mit dem Bezug auf das FZG unterliegen
organen der Pensionskassen, Regeln zur Ausübung der                patronale Wohlfahrtsfonds diesen Bestimmungen zu Recht
 ­Aktionärsrechte aufzustellen.                                    nicht. Gleichzeitig wird auch der AHV-Ausgleichsfonds, der im
                                                                   Übrigen seine Stimmrechte schon weitgehend wahrnimmt,
                                                                   von der Verfassungsbestimmung nicht erfasst. Gemäss Art. 1
                                                                   Abs. 1 VgdA finden die Bestimmungen A    ­ nwendung auf
                                                                   Schweizer Aktiengesellschaften nach den Art. 620–763 OR,
                                                                   deren Aktien an einer Börse im In- oder Ausland kotiert sind.
                                                                   Die VgdA bezieht sich auf die von der Vorsorgeeinrichtungen
                                                                   direkt gehaltenen Aktien (vgl. Art. 22 Abs. 1 VgdA).

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                     9
Die Frage bezüglich kollektiver Anlagen oder Anteile an            Willensbildung
­Anlagestiftungen kann über eine Verordnungsbestimmung             Zu Recht wird in Art. 22 Abs. 4 VgdA das oberste Organ
 nicht gelöst werden. Daran ändert die Tatsache nichts,            als verantwortlich für die Willensbildung erklärt. Das sozial-
 dass bereits heute einige Anlagestiftungen den Anlegern die       partnerschaftlich zusammengesetzte oberste Organ ist
  Möglichkeit bieten, ihre Stimmpräferenz geltend zu machen.       am besten geeignet, das Verfahren für die Wahrnehmung
 Der ASIP ist gegen einen Zwang, die Stimmrechte in kollektiv      der Stimmrechte zu definieren und festzulegen, nach
 gehaltenen Schweizer Gesellschaften auszuüben, setzt              ­welchen Grundsätzen das Interesse der Versicherten – der
 sich aber gegenüber den Anbietern dafür ein, dass die Mög­         Aktiven und Rentenbeziehenden – bestimmt werden soll.
 lichkeit geschaffen wird, dass die Stimmrechte auch in
 ­diesen Kollektivanlagen für institutionelle Investoren wahrge-   Offenlegungspflicht
  nommen werden. Das ist heute nur selektiv möglich. Seit          Die Pflicht, mindestens einmal jährlich in einem zusammen-
  2011 bietet zum Beispiel Avadis als eine der ersten Anlage-      fassenden Bericht Rechenschaft über die Wahrnehmung
  stiftungen der Schweiz den in der Anlagegruppe Aktien            der Stimmrechte abzulegen, stellt eine sinnvolle Grundlage
  Schweiz investierten Anlegern die Möglichkeit, das Stimm-        dar. Wie im erläuternden Bericht festgehalten wird, han-
  recht an den Generalversammlungen der 100 grössten               delt es sich um Mindestvorgaben. Eine häufigere, detaillier-
  Schweizer Aktiengesellschaften auszuüben. Andere Anbieter        tere Berichterstattung ist zulässig, aber nicht Pflicht. Aus
  wie UBS Voice bieten ähnliche Lösungen an.                       Sicht des ASIP geht die generelle Forderung nach einer
                                                                   ­Information über jede einzelne Gesellschaft sowie zu jedem
 Stimmpflicht – Versicherteninteressen                              einzelnen Traktandum zu weit. Eine solche umfassende
 Aufgrund des Verfassungstexts lässt sich aus Sicht des             ­Informationsverpflichtung lässt sich insbesondere auch nicht
 ASIP für Pensionskassen keine absolute Stimmpflicht ab­leiten.      aus dem Wortlaut der Verfassungsbestimmung ableiten.
­Vielmehr verknüpft der Text zwei Ideen miteinander: Einer-
 seits müssen Pensionskassen abstimmen, anderseits müssen          Sinnvollerweise besteht die Offenlegungspflicht nur gegen-
 sie aber ihr Stimmrecht immer im Interesse der Ver­sicherten      über den Versicherten und nicht gegenüber den andern
 ausüben. Somit ist eine absolute Stimmpflicht (absoluter          ­Aktionären oder weiteren Dritten. Im Sinne dieser Erwägung
 Stimmzwang) nur dann verlangt, wenn Stimm­abstinenz die            können auch nur die Versicherten der betroffenen Pensions-
 Interessen der Versicherten verletzen würde (vgl. M. L. Glanz-     kasse entsprechende Rechte ableiten.
 mann in GesKR 1/2013). In deren Interesse kann jedoch
 auch eine Stimmenthaltung oder ein Stimmverzicht liegen           Strafbarkeit bei Vorsorgeeinrichtungen
 (Art. 22 Abs. 3 VgdA). Das ist beispielsweise speziell            Da die neue Verfassungsbestimmung keine Ausnahmen
 bei kleinen Positionen einer Vorsorgeeinrichtung im Small-        ­vorsieht, sind auch Strafbestimmungen für Vorsorgeeinrich-
 Cap-Bereich des SPI zu begrüssen.                                  tungen vorgesehen. Diese tragen dem Grundsatz der
                                                                    ­Verhältnismässigkeit dadurch Rechnung, dass als mögliche
Richtigerweise hält der erläuternde Bericht zum Vorentwurf           Täter lediglich Personen, die über eine gewisse Entschei-
der VgdA fest, dass sich die Vorgabe, "im Interesse ­ihrer           dungskompetenz verfügen (unter anderem Mitglieder des
Versicherten abzustimmen", nicht in generell-abstrakter Weise        obersten Organs), in Frage kommen und die Handlungen
und im Voraus regeln lässt.                                          (Verletzung der Stimm- und Offenlegungspflicht nach den
                                                                     Art. 22 und 23 VgdA) nur dann strafbar sind, wenn der
                                                                     ­Täter vorsätzlich handelt.

10                                                                                         Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
Anpassung der Reglemente und Organisation                          Stimmrechtsvertreter
Die Bestimmungen für Vorsorgeeinrichtungen gelten ab               Die Pensionskassen werden prüfen, ob und in welcher
1. Januar 2015. Das gibt den Führungsorganen genügend             ­Ausprägung sie die Dienste professioneller Aktionärsdienste
Zeit, um eigenverantwortlich die Grundsätze des Stimm-            in Anspruch nehmen wollen. Der ASIP hat die ihm bekann-
rechtsverhaltens im Interesse der Versicherten reglementa-        ten, in der Schweiz aktiven professionellen Aktionärsdienste
risch zu regeln. Es geht zum Beispiel darum, den Entschei-        analysiert, deren Angebot geprüft und für jeden Anbieter
dungsprozess zur Stimmrechtsausübung, organisatorische            ein Kurzporträt erstellt (vgl. www.asip.ch). Zweifellos wird es
Fragen (unter anderem Eintrag ins Aktienbuch der börsen­          in Zukunft auch weitere Anbieter und Plattformen zur U  ­ m-
kotierten schweizerischen Aktiengesellschaft) sowie die Art       setzung geben, die den Pensionskassen admini­strative Erleich­
und Weise der Offenlegung (Berichterstattung) zu defi­            terungen bieten. Eine Auswahl fördert den Wettbewerb.
nieren.
                                                                  Fazit
Ist die Kapazität der Verwaltung der Pensionskasse durch          Der ASIP hat den Kampf gegen überhöhte Vergütungs­
die anfallende Arbeitslast beschränkt und sind die Gründe         pakete und für die Stärkung der Aktionärsrechte immer
hierzu nicht offensichtlich in der eigenen mangelnden             ­unterstützt und setzt sich nun auch für praxistaugliche
­Organisation zu finden, darf gemäss erläuterndem Bericht          L­ ösungen ein. Im Vordergrund steht eine effiziente und im
 eine Prioritätenliste zum Abarbeiten der Einladungen/             Interesse der Versicherten liegende Umsetzung einer
 Traktandenliste beziehungsweise hinsichtlich der (Nicht-)Teil-    durch die Führungsorgane wahrzunehmenden Aufgabe.
 nahme an der Generalversammlung erstellt werden. Die              Der ­vorliegende Vorentwurf trägt diesen Überlegungen
 Festlegung dieser Prioritäten muss anhand sachlicher Krite-       ­weitgehend und in ausgewogener Art und Weise Rechnung.
 rien vorgenommen werden – beispielsweise aufgrund                  Die massgebenden Bestimmungen untermauern rich­tiger­
 der wirtschaftlichen Bedeutung eines Traktandums für die         weise die Gestaltungsverantwortung der Pensionskassen­
 Interessen der Versicherten oder der finanziellen Be­deutung     verantwort­lichen in Bezug auf die Ausübung der Mitwirkungs­
 der von der Pensionskasse gehaltenen Aktien.                       rechte bei Aktiengesellschaften. Zu hoffen ist somit, dass
                                                                  diese Teile des Vorentwurfs der Verordnung gegen die Abzo-
                                                                    ckerei so in Kraft gesetzt werden können.

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                    11
Vorentwurf der "Verordnung gegen die Abzockerei"
 10. Abschnitt: Stimm- und Offenlegungspflicht für Vorsorgeeinrichtungen

 Art. 22 Stimmpflicht

 1    Vorsorgeeinrichtungen, die dem Freizügigkeitsgesetz vom 17. Dezember 1993 7 (FZG) unterstellt sind, müssen das
      Stimmrecht der von ihnen gehaltenen Aktien in der Generalversammlung der Gesellschaft ausüben.
 2
      Sie müssen im Interesse ihrer Versicherten abstimmen.
 3    Sie dürfen sich der Stimme enthalten oder auf eine Stimmabgabe verzichten, sofern dies dem Interesse der Ver­
      sicherten entspricht.
 4   Das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung legt in einem Reglement fest, nach welchen Grundsätzen das Interesse
      i­hrer Versicherten bei der Ausübung des Stimmrechts bestimmt wird. Art. 23 Offenlegungspflicht (Art. 86 b BVG)
     ­Vorsorgeeinrichtungen, die dem FZG 8 unterstellt sind, müssen mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassen-
      den Bericht ihren Versicherten gegenüber Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihrer Stimmpflicht nachgekommen
      sind.

 Art. 23 Offenlegungspflicht (Art. 86 b BVG)

 Vorsorgeeinrichtungen, die dem FZG 8 unterstellt sind, müssen mindestens einmal jährlich in einem zusammenfassenden
 Bericht ihren Versicherten gegenüber Rechenschaft darüber ablegen, wie sie ihrer Stimmpflicht nachgekommen sind.

 Art. 25 Strafbarkeit bei Vorsorgeeinrichtungen

 Mit der Geschäftsführung betraute Personen oder Mitglieder des obersten Organs einer dem FZG unterstellten Vorsorge-
 einrichtung, die die Stimmpflicht nach Art. 22 oder die Offenlegungspflicht nach Art. 23 vorsätzlich verletzen, ­werden
 mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen bestraft.

 Art. 27 Anpassung von Statuten und Reglementen

 1   Gesellschaften, deren Statuten und Reglemente dieser Verordnung nicht entsprechen, müssen diese innerhalb von
     zwei Jahren ab Inkrafttreten dieser Verordnung den neuen Vorschriften anpassen.
 2
     Vorsorgeeinrichtungen, die dem FZG 12 unterstellt sind, müssen innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten dieser Ver­
     ordnung ihre Reglemente und ihre Organisation Art. 22 und Art. 23 anpassen.

12                                                                                       Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
Neue Prozesse für die taktische Asset Allocation

"Buy And Hold" reicht nicht mehr

                                                                   Die Renditen wurden durch die Interventionen der Zentral-
                                                                    banken aber zeitlich nach vorne verschoben – zu Lasten der
                                                                   Zukunft. Nicht nur die Obligationenbestände profitierten
                                                                   ­davon, auch die Bewertung der Immobilien wurde nach oben
                                                                   angepasst. Im Falle der Schweizer Immobilien sanken die
                                                                   Diskontierungssätze aber nicht gleich rasch und in gleichem
                          Peter Bänziger, Chief Investment          Ausmass wie die Kapitalmarktzinsen – die Immobilien­
                          Officer, Swisscanto                       schätzer sind hierzulande konservativer als im ­angelsächsi­-
                                                                    schen Raum, wo die Immobilienpreise deutlich stärkeren
                                                                    Schwankungen unterliegen. Die Kehrseite der ­Medaille: In
                                                                    Zukunft wird eine statische Allokation in Anleihen mit hoher
                                                                    Duration wahrscheinlich keinen Sinn machen. Schon kleine
                                                                    Zinssteigerungen wie im Juni 2013 führen zu empfindlichen
                                                                    Kursverlusten auf den Obligationenbeständen.
                          Thomas Härter, Chief Strategist,
                          Swisscanto                               Wenn wir uns die Asset Allocation der Pensionskassen
                                                                   seit Beginn unserer Umfrage (Grafik 1) anschauen, kommen
Die Umfrage-Ergebnisse zeigen deutlich: Die                        wir zu folgenden Erkenntnissen:
­Pen­sionskassen hielten in der Vergangenheit die                  – Die Asset Allocation blieb über die Zeit ziemlich konstant.
 ­Anlagestrategie ziemlich konstant. Dies wird in                  – Der Aktienanteil veränderte sich tendenziell prozyklisch
  ­Zukunft nicht mehr genügen. Das künstlich tiefe                   mit der Performance der Aktienmärkte.
   Zinsniveau verschiebt die Performance zeitlich                  – Das bedeutet, dass der Aktienanteil eher durch die Markt-
   nach vorne, was auf Kosten künftiger Erträge geht.                performance gesteuert wurde als durch die Bewertung
Die Autoren entwickeln moderne Strategien, die                       der Aktienmärkte.
   auf der Basis von Bewertungsmodellen Unter- res­
   pektive Überbewertungen und damit Handlungs­
   bedarf signalisieren.                                           Grafik 1: Entwicklung der Asset Allocation
                                                                   der CH-Pensionskassen
Dank des weltweit stark gesunkenen Zinsniveaus haben
die Pensionskassen von einer sehr guten Performance auf                   In %
ihrem Anteil an festverzinslichen Anlagen profitiert. Die           100

­Programme der Zentralbanken zur Ankurbelung der Wirt-
                                                                     80
 schaft in den USA (Quantitative Easing 1–3) und zur
 ­Stützung der Peripherie in Europa und damit zum Erhalt des         60
  Euros durch die EZB haben zu weltweit künstlich tiefen Zins­
  niveaus geführt. Die Anleger – notabene auch die Pensions-         40

  kassen – haben dadurch eine sehr gute Performance auf
                                                                     20
  ­ihren festverzinslichen Anlagen erzielt, was sich positiv auf
   die Gesamtrendite ausgewirkt hat. Eine sehr hohe statische         0
                                                                           2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
   Allokation in Anleihen war durch den lange dauernden
   Zinssenkungszyklus sinnvoll.                                        ■ Liquide Mittel              ■ Obligationen              ■ Hypotheken
                                                                       ■ Anlagen beim                ■ Aktien                    ■ Alternative Anlagen
                                                                         Arbeitgeber                 ■ Immobilien                ■ Übrige

                                                                            Quelle: Swisscanto Studie Schweizer Pensionskassen und Pensionskassenstatistik 2004

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                                                   13
Grafik 2: Bewertung (ausgewählter) Aktienmärkte                               Performance, nicht Bewertung,
und Aktienanteil der Schweizer Pensionskassen                                 definiert den Aktienanteil
                                                                              Wir haben den Verlauf des Aktienanteils mit den von uns
         In %                                                                 errechneten Bewertungen der Aktienmärkte ver­glichen
  60                                                                     32   ­(Grafik 2). Das Bild überrascht nicht. Die Aktien­anteile sind
                                                                         31
  40                                                                          nach einem Einbruch der Aktienmärkte relativ tief (2003,
                                                                         30
  20                                                                           2008) und nach einem starken Anstieg (2007) hoch. Wenn
                                                                         29
                                                                         28     wir uns im gleichen Zeitraum die Aktien­bewertungen (Daten-
     0
                                                                         27   punkte jeweils nur per Jahresende) anschauen, stellen
 –20                                                                     26    wir fest, dass die drei analysierten Aktienmärkte (Weltaktien­
 –40                                                                     25
                                                                               markt MSCI World, Aktien Schweiz MSCI Schweiz und
                                                                         24
 –60
                                                                         23
                                                                               ­Aktienmarkt Europa ex Schweiz und Grossbritannien) dann
 –80                                                                     22     am stärksten überbewertet waren, wenn die Aktienanteile
         2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
                                                                                den höchsten Wert erreichten (Ende 2006) und umgekehrt
            MSCI World
            MSCI Europe ex CH ex UK                                             (Ende 2008).
            MSCI CH
            Aktienanteil % (rechte Skala)
                                                                              Wenn wir die Entwicklung des Deckungsgrads und des
                                                                              ­Aktienanteils analysieren (Grafik 3), stellen wir fest, dass der
                                                                               Deckungsgrad offenbar den Aktienanteil bestimmt. Dies mag
Grafik 3: Entwicklung des Deckungsgrads                                        zwar aus dem Blickwinkel der Risikofähigkeit ­einer Pensions-
und des Aktienanteils                                                          kasse richtig sein, aber die Bewertungen der Aktienmärkte
                                                                               nehmen darauf leider keine Rücksicht. In der strategischen
         In %                                                                  und/oder der taktischen Asset Allocation scheint sich durch
 115                                                                     34    dieses übliche Verhalten ein fundamen­ta­ler Fehler ein­
 110                                                                     32    geschlichen zu haben, der die Aktienmärkte dann hoch ge-
                                                                         30    wichtet, wenn sie teuer sind – und umgekehrt.
 105
                                                                         28
 100                                                                          Was ist zu tun?
                                                                         26
                                                                              Grundsätzlich haben die Anleger verschiedene Möglich­
  95
                                                                         24   keiten zur Steuerung ihrer taktischen Asset Allocation: Die
  90                                                                     22   wichtigsten sind:
  85                                                                     20   – Rebalancing. Der einfachste Weg, eine sinnvollere Stra­
         2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012
                                                                                tegie als die prozyklische einzuschlagen, ist die Rebalan-
            Deckungsgrad (privatrechtliche Kassen, vermögensgewichtet)          cingstrategie, die keinerlei Prognosefähigkeiten voraus-
            Aktienanteil % (rechte Skala)
                                                                                setzt. Die Zielgewichte der strategischen Asset Allocation
                                                                                werden entweder in regelmässigen zeitlichen Abständen
                                                                                oder bei einem Über- oder Unterschreiten von im Voraus
                                                                                definierten Bandbreiten wieder hergestellt. Dies ist eine
                                                                                sehr gängige, einfach umzusetzende und sinnvolle Praxis.
                                                                                Das mit diesem Ansatz verbundene antizyklische Element
                                                                                verbessert die Performance und kontrolliert die Risiken
                                                                                bis zu einem gewissen Ausmass. Allerdings werden die
                                                                                Gewichte von Anlagekategorien ziemlich konstant ge­
                                                                                halten, unabhängig von der Bewertung. Damit können
                                                                                auch die Portfoliorisiken sehr stark variieren.

14                                                                                                     Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
– Dynamische Asset-Allocation-Modelle. Es gibt ver­schie­        Grafik 4: "Fairer" Zins
  dene Modelle zur dynamischen Steuerung der
  ­Asset ­Allocation, zum Beispiel den Target-Risk-Ansatz.               In %
   Diesen haben wir unter anderem vorgestellt in der                                                                                                  10

   ­Studie "Schweizer Pensionskassen 2010", Seite 16 ff.).                                                                                             8

– Einsatz von Bewertungsmodellen. Proaktive Anpassung                                                                                                  6

    bei signifikanten Abweichungen vom fairen Wert. Diesen                                                                                             4
                                                                    2
    Weg wollen wir im Folgenden näher untersuchen.                                                                                                     2
                                                                    1
                                                                                                                                                       0
  Wie könnten solche Bewertungsmodelle aussehen? Es ist             0

 nicht einfach, Timingsignale aufgrund von Bewertungs­model­       –1

 len zu entwickeln, die für die strategische oder tak­tische       –2
                                                                          90     92    94     96     98   00     02      04   06     08   10   12
 ­Asset Allocation genutzt werden können. Dennoch sind lang-
  fristige Modelle geeignet, um Übertreibungen nach oben                        Abweichung vom fairen Wert in Prozentpunkten (linke Skala)
                                                                                Aktuelle Rendite auf 10-jährigen US-Treasuries (rechte Skala)
  wie nach unten sichtbar zu machen. Je extremer Unter- oder
                                                                                Modellrendite auf 10-jährigen US-Treasuries (rechte Skala)
  Überbewertungen ausfallen, desto stärker ist auch das
­Timingsignal und umso grösser sollte auch der Handlungs-
  bedarf ausfallen. Bei Swisscanto unterhalten und entwi-
  ckeln wir laufend Modelle, die einen Hinweis auf mögliche      Grafik 5: "Fairer" Spread von
 Bewertungsanomalien geben.                                      High-Yield-Anleihen

Obligationenbewertung                                                     In %
Wir haben versucht, durch Regressionsmodelle einen fairen                                                                                           1200

Zins zu modellieren. Parameter dafür sind makroökonomi-                                                                                             1000
                                                                                                                                                    800
sche Daten wie Einkaufsmanagerindizes, die Inflation sowie
                                                                                                                                                    600
die Arbeitslosigkeit. Als Beispiel sollen uns die Renditen         300
                                                                                                                                                    400
der zehnjährigen US-Treasuries dienen. Grafik 4 zeigt, dass        200
                                                                                                                                                    200
der faire Zins bei rund 3,2 Prozent (Stand Juli 2013) läge,        100
                                                                                                                                                      0
die ­effektive Verzinsung aber per 15. Juli 2013 nur bei             0
2,5 Prozent stand. Gut zu erkennen ist auch die Tatsache,         –100
dass die Abweichung vom fairen Wert per Ende 2012 in              –200
                                                                               2006    2007        2008   2009        2010    2011    2012
den letzten 22 Jahren nie grösser war. Diese Erkenntnis
könnte man ­nützen, indem entweder die Duration der USD-                Abweichung vom fairen Wert in Basispunkten (linke Skala)
                                                                        Aktueller Spread High-Yield-Crossover in Basispunkten (rechte Skala)
Obliga­tionen verkürzt oder eine allfällige Allokation strate-
                                                                        Modellierter Spread High-Yield-Crossover in Basispunkten (rechte Skala)
gisch oder taktisch untergewichtet wird.

Mit einem etwas anderen Ansatz kann man auch "faire"
Kreditprämien von Unternehmensobligationen modellieren.
Die Kreditprämie oder englisch der "Credit Spread" ist            Der Spread für den High-Yield-Crossover (ein Index, der
die Differenz zwischen der Rendite einer Unternehmens­           die ­Kreditausfallprämien eines High-Yield-Obligationenport­
obligation und der entsprechenden risikofreien Rendite.           folios ausdrückt) war extrem tief. Dadurch entstand eine
Sie entschädigt den Investor für mögliche Konkursrisiken.        deutliche Abweichung nach unten im Vergleich zum fairen
Diese Kreditprämien schwanken über die Zeit ebenfalls             Wert und damit eine Überbewertung von High-Yield-­
recht stark. Grafik 5 zeigt die Modellierung von Kredit­         Anleihen. Die Korrektur erfolgte sehr rasch. Auch in die-
prämien für High-Yield-Obligationen. Auch hier ergeben            sem Fall hätte man mindestens die Gewinne auf der
sich recht gute Timingsignale, zum Beispiel im Mai 2013.         ­Anlageklasse High Yield realisieren können oder müssen.

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                                             15
Grafik 6: Bewertung der Aktienmärkte                                                                                       Aktienbewertung
(Abweichungen der MSCI-Indizes vom fairen Wert                                                                             Wir analysieren die Bewertung der Aktienmärkte mittels
per 28. Juni 2013)                                                                                                         zweier Modelle (Grafik 6). Das Modell mit den roten Balken
                                                                                                                           basiert auf den langfristigen Trendgewinnen der Unter­
         In %                                                                                                              nehmen. Es reagiert weniger stark auf möglicherweise pro-
  10
                                                                           6                                               zyklische Gewinnschätzungen der Analysten. Das Modell
                                                                                                                       1
     0                                                                                                                     mit den grauen Balken basiert auf den Konsensschätzungen
                –2                                                                        –2                –1
                          –3
 –10       –7                                                 –6                                       –5                  der Unternehmensgewinne der Analysten. Deutlich zu er­
                                                                     –10             –9
                              –12
                                                                                                                           kennen ist die markante Unterbewertung der europä­ischen
 –20
                                                       –25
                                                                                                                 –21
                                                                                                                           Aktienmärkte. Auf Basis dieser Modelle könnte man einer-
 –30                                           –28
                                                                                                                           seits die Aktienquote implementieren – im konkreten Fall er-
 –40
                                                                                                                           gäbe sich aufgrund der Bewertungen tendenziell ein
 –50                                      –48                                                                              ­leichtes Übergewicht, andererseits auch die Anlage­taktik
 –60                                                                                                                        ­innerhalb der Aktien feiner steuern, zum Beispiel ein
           Welt           USA          Europa ex         UK         Schweiz         Japan              Asien     EMMA
                                       UK und CH                                                                             ­Übergewicht in Europa (billigste Region) zu Lasten Asiens
                                                                                                                              (teuerste Region) herstellen.
                               ■ Trendmodell                       ■ IBES-Gewinnschätzungen

                                                                                                                            Dynamischere Anpassungen der Asset Allocation
                                                                                                                            Diese Erkenntnisse sollten dazu führen, dass die Asset
Grafik 7: Kernanlagen und mögliche Satelliten in                                                                            ­Allocation einen recht stabilen Kern aus CHF-Obligationen,
der strategischen und taktischen Asset Allocation                                                                            ­gegen CHF abgesicherten Fremdwährungsobligationen,
                                                                                                                              ­Aktien Schweiz und Ausland, Immobilien Schweiz und alter-
                                                                                                                               nativen Anlagen enthält (Grafik 7). Dieser Kern wird
                                                         EMMA
                                                                                                                           ­ergänzt durch Satelliten, die mit einer aktiven tak­ti­schen
                                                          Debt
                                      Infrastructure
                                                                                                                               ­ sset Allocation bewirtschaftet werden. Derzeit müsste
                                                                                                                               A
                                                                               High Yield
                                                                                                                               man sich strategisch die Frage stellen, welche dieser Satel­
                                           Debt

                          Inflation
                                              Obligationen
                                                                     Staats-
                                                                      obli-
                                                                                                                               liten am besten gegen einen möglichen weiteren Zins­
                           Linked
                           Bonds                  CHF              gationen/                CoCos
                                                                                                                               anstieg schützen.
                                                                   Corporates
                     Insurance
                     Linked                   AI
                           ge
                      Hed s
                       Fund                                                                Nach-                           Um die zukünftige Performance und auch die Risiken zu
                                  e                Immo-
                           i va t                                   Aktien                haltigkeit
                         r
                        P uit y
                         Eq
                                      fo
                                        ds
                                         n
                                          ,         bilien                                                                 ­optimieren, sind deshalb Timingfähigkeiten notwendig.
                                   mo
                               Im mo and
                                 I m usl
                                    A                                      Regionen/
                                                                                                                            Diese sollen auf fundierten Bewertungsmodellen basieren.
                                           Schweiz direkt/
                                           Anlagestiftungen    Themen-
                                                                fonds
                                                                            EMMA
                                                                                                                            Insbesondere extreme Unter- oder Überbewertungen in
                                                               Wasser
                                                                                                                            ­einzelnen Märkten oder Marktsegmenten sollten zu dyna­
                                                                                                                             mischen Anpassungen im Portfolio führen. "Buy and Hold"
                                                                                                                             wird in Zukunft wahrscheinlich nicht mehr ausreichen.

                                                                                                                           Das Ausnützen der Freiheitsgrade bedingt einerseits einen
                                                                                                                           genügenden Deckungsgrad. Andererseits müssen die
                                                                                                                           ­Stiftungsräte respektive die jeweiligen Entscheidgremien be-
                                                                                                                            reit sein, proaktiv vom Meinungskonsens abzuweichen.
                                                                                                                            Wenn diese Voraussetzungen nicht vorhanden sind, dürfte
                                                                                                                            eine ­Rebalancingstrategie oder eine Target-Risiko-Strategie
                                                                                                                            sinnvoll sein. Ein Stiftungsrat sollte den eigenen Risikoappetit
                                                                                                                            nicht zu stark von vergangenen Marktbewegungen und aus-
                                                                                                                            schliesslich vom eigenen Deckungsgrad abhängig machen.

16                                                                                                                                                  Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013
Finanzierungssysteme der öffentlichen Kassen

Harte Entscheide für die Kantone

                                                                Charakteristika der Voll- und Teilkapitalisierung
                                                                Bei der Vollkapitalisierung müssen die eingegangenen
                                                                ­Verpflichtungen (Passiven) durch Vermögen (Aktiven)
                                                                 ­gedeckt sein. Das heisst, dass der Deckungsgrad mindestens
                          Stephan Wyss, lic. oec. HSG,            100 Prozent betragen sollte. Dieses System gilt für sämt­
                          eidg. dipl. Finanzanalytiker, eidg.     liche privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen. Es wird insbe-
                          dipl. Pensionsversicherungsexperte;     sondere damit begründet, dass bei einer Abspaltung von
                          Swisscanto Vorsorge AG Zürich           ­Firmen oder Firmenteilen oder bei einer Restrukturierung die
                                                                   ausscheidenden Versicherten die volle Freizügigkeitsleistung
                                                                   ­erhalten sollen. Ebenso ist eine Rentnerkasse mit einem
                                                                    ­Deckungsgrad von 100 Prozent grundsätzlich überlebens­
                                                                     fähig, weil zur Finanzierung der Leistungen das Kapital
                                                                     ­bereits vorhanden ist.
                           Andreas Müller, eidg. dipl.
                          ­Pensionsversicherungsexperte;        Bei Pensionskassen mit Staatsgarantie hingegen sorgt die
                           Swisscanto Vorsorge AG Zürich        Garantie des Gemeinwesens dafür, dass bei einer Teil­
                                                                liquidation auch im Unterdeckungsfall keine Freizügigkeits-
2012 sind die die Vorschriften zur Finanzierung                 leistungen gekürzt werden müssen. Zudem ist bei Ge­
der öffentlich-rechtlichen Pensionskassen in Kraft              meinwesen der Fortbestand der Vorsorgeeinrichtungen und
getreten. Sie haben für die Kantone und Gemein­                 der versicherten Personen in aller Regel gewährleistet.
den, aber auch für die Versicherten erhebliche                  D
                                                                ­ eshalb lässt sich für öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrich-
finan­zielle Konsequenzen. Unter anderem ist bis                tungen auch das System der Teilkapitalisierung recht­
Ende 2013 der Entscheid, ob Voll- oder Teilkapi­                fertigen. Eine öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtung mit
talisierung, zu fällen. Wenig überraschend werden               einem Deckungsgrad von beispielsweise 80 Prozent er-
die Kassen in der Deutschschweiz überwiegend                    bringt ihre Leis­tungen zu 80 Prozent aus angespartem Ver-
die Vollkapitalisierung, in der Westschweiz und im              mögen und zu 20 Prozent aus laufenden Einnahmen,
Tessin die T­ eilkapitalisierung anwenden. Den Aus­             also zu 20 Prozent nach dem Umlageverfahren. Im Gegen-
schlag gibt meist der aktuelle Deckungsgrad.                    satz zur vollkapitalisierten Vorsorgeeinrichtung ist die teil­
                                                                kapitalisierte Vorsorge­einrichtung von demo­grafischen Ver-
Der erweiterte Art. 65 BVG sowie der neue Art. 72a–g ver-       änderungen ähnlich wie die AHV direkt betroffen. Für
langen von den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen     teilkapita­lisierte Vor­sorgeeinrichtungen schreibt das Bundes-
  die rechtliche, organisatorische und finanzielle Verselb­     recht neu einen Mindestdeckungsgrad von 80 Prozent bis
  ständigung. Diese eher formellen Änderungen werden von        spätestens im Jahr 2052 vor.
  der Öffentlichkeit nur am Rande wahrgenommen. ­Anders
 ­verhält es sich beim Finanzierungssystem: Die Frage, ob        Welches ist das bessere System?
die Pensionskassen dem System der Voll- oder Teilkapitali-       Sowohl das Umlageverfahren (1. Säule) als auch das Kapi­
sierung unterstellt werden sollen, schlägt aufgrund der          taldeckungsverfahren (2. Säule) weisen Vor- und Nachteile
­finanziellen Konsequenzen weit höhere Wellen.                   auf. Während im Umlageverfahren ein gesundes Verhältnis
                                                                 von Beitragszahlern zu Leistungsempfängern sowie die
                                                                 ­Lohnentwicklung zentral sind, benötigt das Kapitaldeckungs-
                                                                  verfahren vor allem eine genügende Anlagerendite. Das
                                                                  eine System ist dem anderen nicht grundsätzlich überlegen.
                                                                Beiden Systemen ist jedoch gemeinsam, dass sie nur
                                                                ­funk­tionieren, wenn ihre Parameter realistisch gesetzt und
                                                                 periodisch an veränderte demografische und ökonomische
                                                                 Rahmenbedingungen angepasst werden.

Swisscanto   Schweizer Pensionskassen 2013                                                                                  17
Weiter darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass ein           1. Grundsatz: Die 1. Säule ist umlagefinanziert. Die Ver-
Deckungsgrad von 100 Prozent alleine noch kein Garant                pflichtungen der 2. Säule sind kapitalgedeckt. ­Daran soll
für ein reines Kapitaldeckungsverfahren ist. Sind nämlich            nicht gerüttelt werden. Das System der Voll­kapitalisie­
bei­spielweise die Umwandlungssätze zu hoch, findet auch             rung hat sich bewährt, während das neue ­System der Teil-
bei einer vollkapitalisierten Vorsorgeeinrichtung eine sys­          kapitalisierung mit vielen rechtlichen Unwägbarkeiten
temfremde Umlage von Jung zu Alt statt.                              ­behaftet ist. Zudem soll die bestehende ­Unterdeckung be-
                                                                      hoben und nicht einfach den nächsten Generationen
Systemwahl bei kantonalen Kassen                                      ­angelastet werden. Nicht zuletzt aus d­ iesem Grund hat
der ­Deutschschweiz                                                    der Gesetzgeber das System der Teilkapitalisierung als
Der Grossteil der kantonalen Vorsorgeeinrichtungen in der              Ausnahmeregelung vorgesehen.
Deutschschweiz musste sich gar nicht im Detail mit der            2. Garantie: Die Teilkapitalisierung setzt eine Staatsgarantie
­Teilkapitalisierung auseinandersetzen. Entweder waren die           nach Artikel 72c BVG voraus. In der Deutschschweiz
 Bedingungen – insbesondere das Vorliegen einer Unter­               stellt nur noch etwa die Hälfte der Kantone eine Garantie
 deckung per 1. Januar 2012 – nicht gegeben (beispielsweise          zugunsten der kantonalen Vorsorgeeinrichtung. Die Wie-
AI, AR, OW) oder das Erreichen der vollen Deckung lag                dereinführung einer Staatsgarantie steht im Widerspruch
in Reichweite (GL, GR, LU, UR).                                      zur verlangten Verselbständigung und könnte am poli­
                                                                     tischen Widerstand scheitern.
 Schwieriger ist die Lage bei Pensionskassen mit einem            3. Demografie: Ein Ausbau des Umlageverfahrens (Jung
­Deckungsgrad von 90 Prozent und tiefer. Gemäss Weisung              zahlt für Alt) ist angesichts der demografischen Entwick-
 des ­Bundesrats muss eine Vorsorgeeinrichtung eine Unter­           lung nicht einfach zu begründen.
 deckung innert fünf bis sieben Jahren beheben, wobei             4. Rendite: Im Kapitaldeckungsverfahren kann im lang­
 die "Frist von zehn Jahren nicht überschritten werden sollte".      fristigen Durchschnitt eine positive Rendite erwirtschaftet
 Wird bei einem Deckungs­grad von 90 Prozent die Höchst-             werden. Dies reduziert bei gleichem Vorsorgeziel
 dauer von zehn Jahren ausgeschöpft, muss der Deckungs-              die Vorsorgekosten. Zudem sind Renditen einfacher zu
 grad pro Jahr um 1 Prozentpunkt verbessert werden. Dies             importieren als die Lohnentwicklung.
 entspricht bei einer durchschnitt­lichen kantonalen Vorsorge­
 einrichtung einem Sanierungsbeitrag von rund fünf Lohn­          An dieser Stelle sind insbesondere die kantonalen Vorsorge­
 prozenten. Falls der Arbeitgeber nicht mehr als die gesetzlich   einrichtungen von SO und BL zu nennen: Sie wiesen mit
 vorgeschriebene Hälfte beisteuert, müssen die Versicherten       70,8 Prozent beziehungsweise 76,8 Prozent per 1. Januar
 während zehn Jahren eine AHV-Lohneinbusse von zirka              2012 die tiefsten Deckungsgrade in der Deutschschweiz
 2 Prozent gewärtigen. Bei einem Deckungsgrad unter 90 Pro-       auf, streben aber dennoch beide die Vollkapitalisierung an.
zent wird die Zumutbarkeitsgrenze rasch überschritten.            Dabei soll die Unterdeckung mit einer Schuldanerkennung
                                                                  durch den Kanton und die angeschlossenen Arbeitgeber be-
Kurzfristig verlockende Teilkapitalisierung                       hoben werden.
Weshalb sollen die Versicherten und das Gemeinwesen
schmerzliche Sanierungsopfer erbringen, wenn mit der                Teils hohe Beteiligungen der Gemeinwesen
­Teilkapitalisierung die Möglichkeit besteht, den Deckungsgrad    Die Gemeinwesen beteiligen sich oftmals bis zu 75 Prozent
 bei lediglich 80 Prozent zu stabilisieren? In der Tat wäre die   an den Sanierungsmassnahmen, weil die Sanierungs­pakete
 Teilkapitalisierung für manchen Kanton, ja auch für manchen      sonst für die Versicherten unzumutbar wären. Das starke
 Politiker kurzfristig die deutlich bequemere Alternative. Nach   ­Engagement der Gemeinwesen wird oft mit frü­heren Ver-
 unseren Erfahrungen haben jedoch nachstehende Gründe              säumnissen bei der Finanzierung begründet, beispielsweise
 zahlreiche Kantone dazu bewogen, die "Sanierungskröte"            der Aufhebung der Staatsgarantie, bevor ge­nügend Wert-
 zu schlucken, um eine Teilkapitalisierung abzuwenden:             schwankungsreserven vorhanden waren, oder mit der Pflicht
                                                                   zur Übernahme der anteilsmässigen Unter­deckung der
                                                                   ­Rentner, da das Gemeinwesen bislang Leistungen und Fi-
                                                                    nanzierung festgelegt hat.

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