Wohnungsmarktbericht NRW 2018 - Bevölkerung und Haushalte Arbeitsmarkt und Einkommen Situation von Transferleistungs-empfängern, Flüchtlingen und ...
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Wohnungsmarktbericht NRW 2018 Bevölkerung und Haushalte Arbeitsmarkt und Einkommen Situation von Transferleistungs- empfängern, Flüchtlingen und Studierenden Marktanspannung, Mieten und Kaufpreise Bauland und Bautätigkeit Neubau und Neubaubedarf
Titelseite sowie Seite 11 (links u. rechts): Wohnprojekt „Pöstenhof“ in Lemgo (Kreis Lippe) Überall im Land nimmt die Zahl älterer Menschen zu – und damit auch der Bedarf an alters gerechtem Wohnraum. Viele wollen in ihrer gewohnten Umgebung bleiben, andere suchen neue Wohnmodelle wie den Lemgoer „Pöstenhof“. Die Genossenschaft „Wohnbau Lemgo eG“, der größte Vermieter im Kreis Lippe, hat dieses Wohnprojekt auf dem zentrumsnahen Gelände einer ehemaligen Konservenfabrik gebaut. Der Pöstenhof bietet älteren Menschen und jungen Familien ein nachbarschaftliches Miteinander sowie kurze Wege zu Einkaufsmöglichkeiten und weiteren Infrastrukturen. Im Jahr 2014 gewann das Projekt den Deutschen Bauherrenpreis. Neun der insgesamt 34 Wohnungen sowie ein Gemeinschaftsraum für soziale Aktivitäten entstanden mit Mitteln der Wohnraumförderung des Landes. Mit freundlicher Unterstützung von: Titel, Seite 1, 6, 7, 10, 11, 23, 29 oben, 39, 40, 41, 57, 64, 65, 75, 82: Susanne Schmidt-Dominé (Studio Schmidt-Dominé) Seite 3: MHKBG/Franklin Berger Seite 5: Christian Lord Otto Grafik Seite 8–9: vE&K Werbeagentur Seite 29 unten: WSG Dienstleister GmbH Düsseldorf Seite 53: Studierendenwerk Paderborn Alle Tabellen, Grafiken und Karten können als Datei angefordert werden. Diesbezüglich und bei weitergehenden Auswertungswünschen wenden Sie sich bitte an die NRW.BANK. Ansprechpartner/Kontaktinformationen: siehe Seite 95. Dieser Bericht ist als PDF-Datei unter www.nrwbank.de/wohnungsmarktbeobachtung als Download erhältlich.
Inhalt Themenüberblick 10 Kap. 1: Entwicklung der Wohnungsnachfrage Bevölkerungsentwicklung und Zuzug Haushalte und Familienstrukturen 12 21 40 Kap. 2: Preisentwicklung und Anspannung Arbeitsmarkt und Einkommen 25 auf den Miet- und Eigentumsmärkten Transferleistungsbezieher31 Anspannungsindikatoren42 Flüchtlinge36 Mietenniveau und -entwicklung 44 Wohnsituation von Studierenden 50 Preise und Erschwinglichkeit von Eigenheimen und Eigentumswohnungen 54 64 Kap. 3: Entwicklung des W ohnungsangebots Rahmenbedingungen des Wohnungsbaus66 Baulandmarkt und Wohnungsverkäufe Bautätigkeit und Bestandskäufe 69 72 Gegenüberstellung von Neubau und Bedarf 80 Abbildungsverzeichnis 86 Datengrundlagen 89 Aktuelle Veröffentlichungen der Wohnungsmarktbeobachtung 92 Kurzinformationen zu neuen Förderangeboten und wohnungspolitischen Instrumenten finden Sie auf Seite 35, 46, 49, 58/59, 69 und 78/79. Einen kompakten Überblick über die zentrale Marktdaten haben wir Ihnen im beigelegten Faltblatt „Wohnungsmarkt NRW auf einen Blick“ zusammengestellt. Wohnungsmarktbericht NRW 2018 1
Vorwort Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, Wohnen ist elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge für die Bürgerinnen und Bürger. Nur ein Mehr an Wohnungsbau in allen Segmenten wird dazu beitragen, Miet- und Eigentumspreise zu stabilisieren. Mehr Wohnraum schaffen, der für alle Menschen erschwinglich ist – das ist auch ein Ziel der öffentlichen Wohnraumförderung. Die Landesregierung legt hierfür jährlich ein Wohnraumförderungsprogramm auf, aus dem günstige Darlehen mit Tilgungsnachlass vergeben werden. Die Landesregierung hat die öffentliche Wohnraumförderung im Jahr 2018 von 800 Millionen Euro auf 1,1 Milliarden Euro (plus 300 Millionen) erhöht und beschlossen, dass diese erhöhte Summe bis 2022 jährlich zur Verfügung steht. Bereits für das Förderjahr 2018 haben wir die Förderkonditionen neu ausge- richtet. Gefördert werden unter anderem der Bau und der Erwerb von selbst genutztem Eigentum, Wohnungen und Einrichtungen mit umfassendem Leistungsangebot für Menschen mit Behinderungen sowie die Neuschaffung von Mietwohnungen. Darüber hinaus sind auch die Modernisierung von bestehenden Wohnungen und Eigenheimen, vor allem der Abbau von Barrieren und die energetische Erneuerung sowie die Aufbereitung von Brachflächen in diesem Zusammenhang, förderfähig. Damit der öffentliche Wohnungsbau mit dem frei finanzierten Wohnungsbau konkurrenzfähig bleibt, haben wir die Konditionen für das Förderjahr 2019 noch einmal deutlich verbessert. Nicht in Anspruch genommene Förder mittel aus 2018 übertragen wir dabei in das Jahr 2019. Damit stehen in Nordrhein-Westfalen erstmals rund 1,28 Milliarden Euro für den öffentlichen Wohnungsbau zur Verfügung. Am Geld wird somit kein gutes Projekt scheitern. 2 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Vorwort Ina Scharrenbach Ministerin für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Der Wohnungsmarktbericht der NRW.BANK gibt einen Ausblick, wie es um den Wohnungsmarkt in Nordrhein-Westfalen insgesamt bestellt ist. Es werden nicht nur die Herausforderungen deutlich, vor denen die Gesell- schaft derzeit steht, sondern auch die zahlreichen und vielfältigen Initiativen von Bund, Land und Kommunen in Nordrhein-Westfalen sichtbar gemacht. Ihre Ina Scharrenbach Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Wohnungsmarktbericht NRW 2018 3
Vorwort Vorwort Liebe Leserinnen und Leser, der Wohnungsbau gewinnt wieder an Fahrt und die Wohnraumförderung des Landes hat erneut ein sehr gutes Ergebnis vorgelegt. Die Bautätigkeit erreichte im Jahr 2017 mit 48.300 Wohnungen ein Niveau wie zuletzt vor zehn Jahren. Zugleich wurden 52.500 neue Wohnungen genehmigt, im Jahr 2018 waren es nach vorläufigen Zahlen sogar 55.500. Der Trend geht also in die richtige Richtung. Von den jährlich 80.000 neuen Wohnungen, die Nordrhein-Westfalen in den nächsten Jahren benötigt, sind wir allerdings noch ein gutes Stück entfernt. Die Folgen beleuchtet der vorliegende Wohnungsmarktbericht NRW: Die Marktlage ist in vielen Teilen des Landes so angespannt wie lange nicht, die Mieten und Kaufpreise sind auch im vergangenen Jahr fast flächendeckend stark angestiegen. Deutlich ist: Wir brauchen mehr Wohnungsneubau und dabei kommt es vor allem auf mehr bezahlbaren Wohnraum an. Was sind die Stellschrauben? Unsere Analysen zeigen: Wesentliche Hemm- nisse sind der Fachkräftemangel in der Bauwirtschaft und in den Kommunal verwaltungen, besonders aber der Baulandmangel. Gefragt sind hier in erster Linie die Städte und Gemeinden in den Bedarfsschwerpunkten, die sich verstärkt um die Flächenmobilisierung kümmern müssen. Die NRW.BANK unterstützt die Kommunen dabei – in Finanzierungsfragen und auch mit einem breiten Beratungsangebot. So haben im Jahr 2018 unsere Förderberater und Wohnungsmarktexperten über 12.000 Beratungsgespräche mit Investoren, Bewilligungsbehörden und Kommunen geführt. Neben dem Wohnraumförderungsprogramm des Landes ging es dabei vor allem um Analysen zur Wohnungsmarktlage, kommunale Handlungskonzepte Wohnen und die verstärkte Mobilisierung von Bauland vor allem für das bezahlbare Wohnen. 4 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Vorwort Dietrich Suhlrie Mitglied des Vorstands der NRW.BANK Für mehr Wohnungsbau und bessere Quartiere ist außerdem eine verstärkte Zusammenarbeit von Wohnungswirtschaft und Kommunen ein wichtiger Erfolgsfaktor. Mit dem Projekt „Regionalen Ausgleich stärken“ unterstützen wir diese Kooperationsansätze. Dabei arbeiten Wohnungsunternehmen und Kommunen gemeinsam an der Frage, wie gleichwertige Lebensverhältnisse in wachsenden und schrumpfenden Regionen gesichert werden können. Konkreter: Wie muss das Wohnungsangebot im eher ländlichen Raum aus- sehen, damit junge Fachkräfte dort leben und arbeiten wollen? Wie muss ein Neubauquartier im Umland einer wachsenden Großstadt entwickelt werden, damit es von den städtischen Nachfragern angenommen, aber auch vor Ort akzeptiert wird? Über solche Projekte und mit vielfältigen Veranstaltungsformaten den Dialog zwischen den Marktakteuren zu befördern – auch das sehen wir als unsere Aufgabe als Förderbank des Landes. Ich wünsche eine interessante Lektüre. Dietrich Suhlrie Mitglied des Vorstands der NRW.BANK Wohnungsmarktbericht NRW 2018 5
Zusammenfassung und Fazit Zusammenfassung und Fazit Die Anspannung auf den nordrhein-westfälischen sind, schränken die Baulandknappheit sowie die hohe Wohnungsmärkten hat auch im Zeitraum 2017/2018 Auslastung von Bauwirtschaft und kommunalen Bauver- weiter zugenommen. Das zeigen sowohl die Entwicklung waltungen die Bautätigkeit nach wie vor ein (Kap. 3.1–3.2). der Mieten und Eigentumspreise als auch die Experten- Dennoch gelang es, mit 48.300 neuen Wohnungen im einschätzungen aus dem NRW.BANK-Wohnungsmarkt- Jahr 2017 das hohe Vorjahresergebnis noch einmal barometer. Die preisgünstigen Mietsegmente wurden in leicht zu übertreffen (+2,4%). Treibender Faktor war fast allen Landesteilen als „angespannt“ bis „sehr ange- der Geschosswohnungsbau mit 23.300 Wohnungen spannt“ eingestuft (Kap. 2.1). Die aktuelle Marktsituation (+11,1%), darunter 9.800 Eigentumswohnungen. Die wird am besten durch die Wiedervermietungsmieten Wohnraumförderung des Landes konnte ihren Anteil für Bestandswohnungen abgebildet. Diese sind erneut daran etwas ausbauen. Auch die Neuschaffung von stärker gestiegen als die Inflationsrate und die durch- Wohnraum im Bestand erreichte mit 5.800 Wohnungen schnittliche Kaufkraft der Haushalte. Am deutlichsten einen neuen Rekordwert (+3,1%). Rückläufig dagegen erhöhte sich das Mietenniveau in der Rheinschiene und war der Wohnheimbau mit 2.400 Plätzen (–23,5%) – den Universitätsstädten Aachen, Münster, Dortmund eine Folge des stark gesunkenen Flüchtlingszuzugs. und Siegen, aber auch in zahlreichen Gemeinden im Nahezu stabil (–1,7%) blieb mit 16.300 Wohnungen der Münsterland und in der Region zwischen Bielefeld, Pader- Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern (Kap. 3.3). born und Lippstadt. Zumindest in den Ballungsräumen wird diese Dynamik von der Preisentwicklung für Eigen- Allerdings reicht der Neubau quantitativ nach wie vor heime und Eigentumswohnungen noch übertroffen. nicht aus, um den aktuellen Bedarf von jährlich 80.000 In den teuren Regionen und in Teilen des Ruhrgebiets zusätzlichen Wohnungen in Nordrhein-Westfalen zu haben sowohl die Erschwinglichkeit der Eigenheime decken. Vor allem Großstädte, aber auch zahlreiche als auch die Renditemöglichkeiten für Kapitalanleger Kreise in deren Umland und in dynamischen ländlichen abgenommen (Kap. 2.3–2.4). Regionen hinken dem Bedarf deutlich hinterher. Kurz fristig wird sich daran nichts ändern, denn auch die Zahl Angesichts dessen arbeiten alle Ebenen von der der Baugenehmigungen ist noch zu niedrig. Für den Kommune bis zum Bund intensiv daran, den Neubau in Anfang wäre es ein wichtiger Schritt, die noch nicht den Bedarfsregionen weiter anzukurbeln. Während die umgesetzten Baugenehmigungen aus den Vorjahren Finanzierungsbedingungen nach wie vor sehr günstig zügig abzuarbeiten. Dieser Bauüberhang hat inzwischen ein Rekordniveau von über 100.000 Wohnungen erreicht. Offenbar verzögert in erster Linie die hohe Auslastung 6 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Zusammenfassung und Fazit der Bauwirtschaft eine schnellere Fertigstellung. Gleich- Der Zuzug aus dem Ausland hat seinen Schwerpunkt in zeitig – und das darf nicht übersehen werden – wird in den Altersgruppen bis 45 Jahre. Darunter waren viele einigen Regionen quantitativ betrachtet zu viel gebaut. Alleinlebende, aber auch Familien mit kleinen Kindern. Dort dürfte der Leerstand zunehmen (Kap. 3.4). Das hat zu einer Verjüngung der Bevölkerung geführt. Zum einen hat sich damit der vorhandene Trend zu Währenddessen ist die Nachfrage erneut gewachsen: kleinen Haushalten verstärkt. Zum anderen wurde der Zwar ist der Zuzug aus den Bürgerkriegsländern des langjährige Rückgang der Familienhaushalte verlang Nahen und Mittleren Ostens stark zurückgegangen, samt – in den Regionen mit starkem Zuzug aus dem doch die Wanderungsgewinne aus dem Süden, Osten In- und Ausland ist die Familienzahl sogar gewachsen. und Südosten der EU waren auch im Jahr 2017 groß genug, um das Geburtendefizit im Land mehr als aus Die Wohnungsnachfrage steigt jedoch nicht nur durch zugleichen (Kap. 1.1). Auch die neue Bevölkerungs Bevölkerungszuwachs, sondern auch infolge der guten prognose von IT.NRW geht für die nächsten Jahre von Wirtschaftsentwicklung. Arbeitsmarkt, Beschäftigung einem anhaltend hohen Bevölkerungswachstum durch und mittlere Einkommen sind erneut gewachsen, die Zuzug aus dem Ausland aus. Der Zuzug von Flüchtlingen Arbeitslosenzahl geht zurück. Während gut verdienende und Arbeitssuchenden aus der EU hat bereits jetzt Haushalte mit den steigenden Preisen auf dem Wohnungs- die Entwicklung im Land stark geprägt und verändert. markt daher ohne Schwierigkeiten mithalten können, Während die Binnenwanderung seit Beginn des Jahr- verschlechtern sich zugleich die Chancen von Beziehern zehnts Bevölkerung aus den kreisangehörigen Gemein- niedriger bis mittlerer Einkommen oder von Transfer den in die Wachstumsstädte umverteilt hat, richtet sich leistungen, eine bezahlbare Wohnung zu finden (Kap. 1.2). der Zuzug aus dem EU-Ausland neben den Großstädten Das stellen auch die im Wohnungsmarktbarometer auch auf die wirtschaftlich starken Kreise. In einigen befragten Marktexperten fest. Und so sind auch die eher ländlichen Regionen wurde die Schrumpfung Voraussetzungen dafür, die wachsende Zahl anerkannter dadurch gedämpft. Ausgleichend gewirkt haben auch Flüchtlinge und Asylberechtigter in den regulären die Flüchtlingsverteilung nach Gemeindeschlüssel und Wohnungsmarkt einzugliedern, denkbar schlecht – nicht die Wohnsitzauflage. Die meisten Großstädte sind so- nur in den Großstädten (Kap. 1.3). wohl aus dem In- als auch aus dem Ausland gewachsen. Hier finden sich nach wie vor die größten Herausforde- rungen bei der Wohnraumversorgung. Wohnungsmarktbericht NRW 2018 7
Auf einen Blick Auf einen Blick 9 Wie viele Wohnungen gibt es in Nordrhein-Westfalen? Millionen Wie teilt sich der Wohnungsbestand auf? r se äu G e sc 3,7 4,9 weifamilienh Millionen hosswohnung nd Z Millionen -u en Ein Was wurde 2017 in Nordrhein-Westfalen gebaut? ng i. B e s t an d af f u u sch Woh n hei Ne me 5.300 48.300 * Ei n- 2.400 und fertiggestellte Wohnungen Zweifamilie hn un g e n 16.300 23.300 n hä wo os s us er ch es G * inklusive ca. 1.000 Wohnungen in Nichtwohngebäuden 8 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Auf einen Blick Wie viele Menschen leben in Nordrhein-Westfalen? 17,9 Millionen Wie leben die Menschen zusammen? Daten: IT.NRW (Wohnungen, Neubau und Bevölkerung), empirica-Preisdatenbank/empirica-systeme.de (Nettokaltmieten, Eigentumspreise) ilien mit Kinde Fam mit Kindern rn re P aa Al le in e rz ie he 2,2 Millionen nd 0,3 e Millionen 29 % hne Kinder 2,5 Millionen 3,5 Millionen 30 % 41 % re o A aa ll ei P nle b en de Wie viel Miete wird gezahlt? * 7,22 € 5,82 € pro m2 Was kostet das Eigenheim? * pro m2 2018 2008 207.600 € 293.700 € 2008 2018 * ohne Neubau Wohnungsmarktbericht NRW 2018 9
Entwicklung der Wohnungsnachfrage 1. Entwicklung der Wohnungsnachfrage Infolge des Zuzugs aus dem Ausland und der guten Beschäftigungslage nimmt die Wohnungsnachfrage in Nordrhein-Westfalen weiter zu. In den wirtschaftsstarken Stadt regionen und Kreisen wächst aufgrund zuziehender junger Menschen auch die Nachfrage nach familiengerechten Wohnungen. In allen Regionen steigt die Zahl älterer Haushalte und damit der Bedarf an altersgerechtem Wohnraum. Der aktuellen Vorausberechnung von IT.NRW zufolge könnte das Bevölkerungswachstum noch bis über das Jahr 2030 hinaus anhalten. Daher fördert das Land den Bau von barrierefreiem und damit generationengerechtem Wohnraum wie in Bonn und Lemgo (s. Bilder S. 11). Davon profitieren Ältere, Familien mit Kindern und Menschen mit Behinderungen. 10 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Zusammenfassung Die Einwohnerzahl Nordrhein-Westfalens ist im Jahr Aber auch der Anstieg der Alleinlebenden hat sich infolge 2017 erneut gestiegen. Trotz eines starken Rückgangs der Zuwanderung verstärkt: Zur steigenden Zahl Allein der Zu- und Fortzugsverflechtungen mit dem Ausland lebender aus der Babyboomer-Generation kommen nun reichte der Nettogewinn noch aus, um das Geburten auch wieder mehr jüngere Singles. So steigt insbesondere defizit mehr als auszugleichen. Das EU-Ausland, der Bedarf an kleinen, an altersgerechten und in einigen insbesondere Polen und Rumänien, ist wieder die Regionen auch an großen, familiengerechten Wohnungen wichtigste Herkunftsregion geworden. (Kap. 1.2). Die Trends der Binnenwanderung, von der zuvor fast Auch Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen ausschließlich die Großstadtregionen profitiert hatten, haben sich weiterhin positiv entwickelt. Mehr Beschäf haben sich seit 2015 stark verändert. Zuzug und Ver tigung und steigende Gehälter erhöhen auch die teilung der Flüchtlinge im Land haben die langjährigen Wohnungsnachfrage. Trotz des Flüchtlingszuzugs hat Trends von Wachstum und Schrumpfung zwar nicht sich die Arbeitslosenzahl reduziert. Zugleich gibt es aber aufheben können. Dennoch haben zuletzt nicht nur alle mehr Transferleistungsbezieher und die Einkommens- Großstädte, sondern auch die meisten ländlichen Räume schere öffnet sich weiter. So verschlechtert sich die Einwohner gewonnen. Ausnahmen bilden weite Teile des relative Position von Haushalten mit kleinen Einkommen Sauerlands und des östlichen Ostwestfalen-Lippe (Kap. 1.1). als Nachfrager auf dem Wohnungsmarkt. Große Schwie- rigkeiten bei der Wohnungssuche haben insbesondere Der Zuzug aus dem Ausland hat zudem für eine Ver Flüchtlinge, Transferleistungsempfänger, Geringverdiener, jüngung der Bevölkerung gesorgt. So stieg in den ver- ältere Personen, Rollstuhlnutzer, Alleinerziehende und gangenen Jahren die Geburtenzahl und der langjährige kinderreiche Familien. In den meisten Regionen ist trotz Rückgang von Familien mit Kindern scheint zuletzt vielfältiger kommunaler Bemühungen auch der Übergang gebremst. In vielen Großstädten und wirtschaftsstarken anerkannter Flüchtlinge in den regulären Wohnungsmarkt Kreisen nimmt die Familienzahl sogar wieder etwas zu. nach anfänglichen Erfolgen ins Stocken geraten (Kap. 1.3). Wohnungsmarktbericht NRW 2018 11
Entwicklung der Wohnungsnachfrage 1.1 Bevölkerung und Haushalte Nordrhein-Westfalen wächst nochmals leicht noch ein Geburtendefizit auf, konnten aber seither stark vom Zuzug junger Menschen profitieren, von denen Nordrhein-Westfalen ist im Jahr 20171 erneut ge inzwischen viele dort Familien gründen. wachsen – allerdings nur noch in geringem Maß: Im Saldo der Geburten und Sterbefälle, Zu- und Fortzüge ist die Einwohnerzahl auf 17,912 Millionen gestiegen Zu- und Fortzüge normalisieren sich (+0,12%, Abb. 1.1.1). wieder, Wanderungsgewinne gleichen den Sterbeüberschuss nur noch knapp aus Geburtendefizit geringer als vor zehn Jahren Das Geburtendefizit des Landes wurde wie in den Vorjahren von den Wanderungsgewinnen (+55.600 Aufgrund der alternden Bevölkerungsstruktur ist die Personen im Mittel der Jahre 2016/2017) mehr als aus- Bilanz der Geburten und Sterbefälle nach wie vor negativ geglichen (Abb. 1.1.2). Zwar verlor Nordrhein-Westfalen (–31.000 Personen im Mittel der Jahre 2016/2017). Doch im Saldo erneut Einwohner an das übrige Bundesgebiet vor allem infolge der hohen Zuwanderung auch jüngerer (2017: –15.300 Personen), vor allem nach Berlin, Bayern Menschen gibt es im Land rund 20.000 bis 30.000 Ge- und Niedersachsen. Der ausschlaggebende Faktor ist burten mehr als zu Beginn des Jahrzehnts (Abb. 1.1.2). aber nach wie vor der Zuzug aus dem Ausland (Saldo Geburtenüberschüsse verzeichnen jedoch nur wenige 2017: +66.900 Personen). Städte und Gemeinden mit junger Bevölkerungsstruktur – wie im Münsterland und in der Region Paderborn – Hinter dem Nettowanderungsgewinn für Nordrhein- oder die wachstumsstarken Metropolen Münster, Westfalen verbirgt sich allerdings ein deutlicher Rück- Düsseldorf, Köln und Bonn (Abb. 1.1.3). Gerade für die gang sowohl der Zu- als auch der Fortzüge (je –17%). Großstädte ist das ein relativ neues Phänomen: Vor Nach dem starken Flüchtlingszuzug der Jahre 2015/2016 10 bis 15 Jahren wiesen die meisten von ihnen ebenfalls und den anschließenden Weiter- oder Rückwanderungen Abb. 1.1.2: Bevölkerungsveränderung nach Abb. 1.1.1: Bevölkerungsentwicklung Komponenten Mio. Einwohner Einwohner 19,0 300.000 18,5 250.000 18,0 200.000 * Korrektur durch Zensus 2011 17,5 150.000 17,0 100.000 16,5 50.000 16,0 0 15,5 –50.000 15,0 –100.000 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 0 Saldo Geburten/Sterbefälle Saldo gesamt 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Saldo Zu- und Fortzüge Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 1 er letzte Wohnungsmarktbericht NRW 2017 stützte sich noch auf die Bevölkerungsdaten des Jahres 2015. Seither sind die Daten für die Jahre 2016 D und 2017 erschienen. Laut IT.NRW sind die Daten beider Jahre (vor allem für 2016) mit Vorsicht zu interpretieren, da sie aufgrund einer Umstellung der Meldeverfahren und zahlreicher Fehler bei der Erfassung ankommender und weiterverteilter Schutzsuchender nicht unbedeutende Fehler enthalten können. Neben einer hohen Zahl von Bereinigungen gibt es in beiden Jahren zudem eine beträchtliche Zahl von Fortzügen ins unbekannte Ausland. 12 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage nähert sich das Wanderungsvolumen offenbar wieder Südeuropa, in erster Linie Italien, Griechenland und dem Niveau der Vorjahre an – das durch den Zuzug aus Spanien: Hier ist der Anteil von Hochqualifizierten dem EU-Ausland bereits recht hoch war. besonders hoch. Nordrhein-Westfalen gewann aus diesen Ländern 2017 im Saldo 10.400, seit 2010 Wegen ihrer Bedeutung für die zukünftige Bevölke- insgesamt über 86.000 Personen (Abb. 1.1.4). rungsentwicklung werden die wichtigsten Wanderungs- verflechtungen Nordrhein-Westfalens im Folgenden Osteuropa, insbesondere Polen. Aus der östlichen näher analysiert. EU gewann Nordrhein-Westfalen zuletzt (2017) noch 10.300, seit 2010 insgesamt 130.000 Einwohner (Abb. 1.1.4), darunter allein über 100.000 aus Polen. EU-Länder sind wieder wichtigste Quelle Dahinter stehen hohe Zu- wie Abwanderungs- für Zuzug nach Nordrhein-Westfalen zahlen, die sich in den beiden vergangenen Jahren aber verringert haben (Abb. 1.1.5). Seit 2017 sind EU-Länder wieder die bedeutendste Zuzugsquelle. Zwar haben sich viele EU-Staaten nach Südosteuropa, vor allem Rumänien, Bulgarien den Krisen zu Beginn des Jahrzehnts wirtschaftlich und zuletzt auch Kroatien, ist seit dem Wegfall der erholt, doch scheint Nordrhein-Westfalen für viele nach letzten rechtlichen Einschränkungen im Jahr 2014 wie vor attraktive Arbeitsmärkte zu bieten. Seither die bedeutendste Herkunftsregion geworden. Auch haben sich die meisten dieser Wanderungsströme zwar hier haben sich sowohl Zu- als auch Rückwanderung im Gesamtvolumen reduziert. Der Nettozuzugsgewinn stark erhöht. Von den insgesamt knapp 70.000 Zu- für Nordrhein-Westfalen bleibt aber immer noch hoch. wanderern des Jahres 2017 blieben im Saldo 21.200 Die wichtigsten Quellregionen sind: Personen in Nordrhein-Westfalen (Abb. 1.1.6). In den vergangenen zehn Jahren hat das Land allein aus Rumänien im Saldo über 76.000 Einwohner gewonnen. Abb. 1.1.3: Geburtendefizite und -überschüsse 2017 Abb. 1.1.4: Zuzugsgewinn (Personen) für Nordrhein- (Effekt auf den Bevölkerungsstand 2016) Westfalen seit 2010 nach Herkunftsregion nur Verflechtungen mit Nettogewinnen 2010–2017 für NRW MI (d. h. ohne andere Bundesländer, Türkei) ST HF BOR 140.500 (18%) BI MS 130.000 (17%) 45.600 (6%) GT LIP COE WAF 12.400 (1%) KLE RE PB HX WES BOT HAM GE UN gesamt 171.700 (22%) OB HER DO 86.000 (11%) +643.000* DU BO SO E KR MH EN Personen VIE ME HA HSK 11.400 (1%) D W MK MG NE SG RS 38.500 (5%) OE HS LEV GL GM 84.000 (11%) 61.700 (8%) K BM SI DN AC SU BN EU West Maghreb EU Süd Bürgerkrieg EUS über 0,4% Rückgang (122) EU Ost sonstiger Naher/Mittlerer Osten bis 0,4% Rückgang (143) EU Südost Afrika (ohne Maghreb) bis 0,2% Rückgang (92) Balkan außerhalb EU ehemalige Sowjetunion (ohne EU) bis 0,2% Zuwachs (33) über 0,2% Zuwachs (6) * Summe der Gewinne (782.000 Personen) abzüglich Verluste in NRW: 0,2% Rückgang andere Regionen Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Wanderungsstatistik) NRW.BANK 2019 Wohnungsmarktbericht NRW 2018 13
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Entwicklung der Zu- und Fortzüge aus dem/ins EU-Ausland Abb. 1.1.5: Osteuropa (Polen, Ungarn, Tschechien, Abb. 1.1.6: Südosteuropa (EU, d. h. Rumänien, Bulgarien, Baltikum) Kroatien und Slowenien) Personen Personen 80.000 80.000 70.000 70.000 60.000 60.000 50.000 50.000 40.000 40.000 30.000 30.000 20.000 20.000 10.000 10.000 0 0 –10.000 –10.000 –20.000 –20.000 –30.000 –30.000 –40.000 –40.000 –50.000 –50.000 –60.000 –60.000 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Fortzüge Zuzüge Saldo Zu- und Fortzüge Fortzüge Zuzüge Saldo Zu- und Fortzüge Daten: IT.NRW (Wanderungsstatistik) NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Wanderungsstatistik) NRW.BANK 2019 Abb. 1.1.7: Entwicklung der Zu- und Fortzüge Im geringeren Umfang hat auch der Zuzug aus west aus/nach Syrien und dem Irak europäischen Ländern (Frankreich, Niederlande) zuge- nommen. Im Jahr 2017 verbuchte Nordrhein-Westfalen Personen erstmals seit Jahren einen Nettozuzug aus Groß 110.000 britannien – möglicherweise eine Reaktion auf den 100.000 angestrebten Brexit. In Abhängigkeit von der wirtschaft- 90.000 lichen und rechtlichen Situation ist es möglich, dass ab 80.000 2019 vermehrt EU-Arbeitsmigranten aus dem Vereinigten 70.000 Königreich auch nach Nordrhein-Westfalen zuziehen. 60.000 50.000 40.000 Auch Nicht-EU-Länder nach wie vor wichtig 30.000 20.000 Neben dem Zuzug aus der EU spielt nach wie vor der 10.000 Zuzug aus Syrien und dem Irak (2017: +16.900 Personen) 0 eine bedeutende Rolle (Abb. 1.1.7). Hier dürfte sich –10.000 bereits der Familiennachzug zu anerkannten Schutz –20.000 berechtigten auswirken. Auch der Wanderungsgewinn –30.000 Nordrhein-Westfalens aus der Türkei, Russland und 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 anderen Ex-Sowjetrepubliken ist infolge der dortigen Fortzüge Zuzüge Saldo Zu- und Fortzüge politischen und wirtschaftlichen Entwicklung zuletzt deutlich gestiegen (2017: +9.100 Personen netto). Daten: IT.NRW (Wanderungsstatistik) NRW.BANK 2019 14 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Dagegen haben sich die Zuzüge vom Westbalkan (außer- 145.000 Personen zu und 157.000 fort. Der Saldo war halb der EU) und aus dem Maghreb drastisch reduziert. mit einem Verlust von jährlich 11.000 Personen zwar Im Verhältnis zu diesen Regionen, aus denen 2015/2016 klein. Doch insgesamt hat das Land seit 2010 knapp viele Menschen zugezogen sind, verzeichnete Nord 90.000 Personen an das übrige Bundesgebiet verloren, rhein-Westfalen in den Jahren 2016 und 2017 mehr vor allem nach Berlin, Bayern und Hamburg. Die einzigen A b- als Zuwanderer – vermutlich infolge der schlechten Städte, die im vergangenen Jahrzehnt im Saldo Ein Anerkennungschancen im Asylverfahren und der Rück- wohner aus anderen Bundesländern gewonnen haben, kehrprogramme der Bundesregierung. sind Düsseldorf und Köln sowie in geringerem Maß auch Bonn, Münster, Gelsenkirchen und Herne. Auslandszuzug ist die einzige landesweit positive Komponente der Bevölkerungs Zuwanderung sorgt für Verjüngung entwicklung der Bevölkerungsstruktur Insgesamt hat Nordrhein-Westfalen seit dem Beginn der Die Zuwanderung hat in den vergangenen Jahren aber starken Zuzüge im Jahr 2010 rund 730.000 Einwohner nicht nur die Einwohnerzahl anwachsen lassen, sondern aus dem Ausland gewonnen. Damit ist der Zuzug aus dem auch für eine Verjüngung der Bevölkerung gesorgt: Die Ausland die entscheidende Komponente der Bevölkerungs- Wanderungssalden sind besonders in den Altersgruppen entwicklung geworden. Die meisten Kreise und kreis- bis 45 Jahre sehr positiv, dagegen bei Personen im freien Städte verzeichneten in dieser Zeit einen Auslands- Rentenalter sogar negativ (Abb. 1.1.8). Deutlich ist der gewinn zwischen 1,5 und 5,5 Prozent ihrer Einwohner. Effekt auf die Altersstruktur im Land zu erkennen Keine Region hat im Saldo an das Ausland verloren. (Abb. 1.1.9): Der Flüchtlingszuzug 2015 hat die über Jahre negative Entwicklung der Bevölkerung unter 45 Jahren – vor allem der potenziellen Familiengründer und ihrer Fast in allen Regionen Verluste ins Kinder – gebremst und leicht umgekehrt. Ob dieses übrige Bundesgebiet Phänomen ein Strohfeuer war oder in den nächsten Jahren anhält, lässt sich auf der Basis dreier Jahres- Sehr stark sind auch die Wanderungsverflechtungen mit zahlen noch nicht beantworten. Der Effekt wirkt den übrigen Bundesländern. Im Durchschnitt der ver- sich bereits jetzt auf die Berechnung der zukünftigen gangenen zehn Jahre zogen recht konstant jährlich rund Bevölkerungsentwicklung aus (S. 19 ff.). Abb. 1.1.8: Wanderungssalden (Außenwanderung) nach Altersgruppen Personen 120.000 100.000 80.000 60.000 40.000 20.000 0 –20.000 –40.000 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 unter 18 Jahre 25 bis unter 45 Jahre 6 5 Jahre und älter 18 bis unter 25 Jahre 4 5 bis unter 65 Jahre Daten: IT.NRW (Wanderungsstatistik) NRW.BANK 2019 Wohnungsmarktbericht NRW 2018 15
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Abb. 1.1.9: Bevölkerungsentwicklung nach Altersgruppen Abb. 1.1.10: Binnenwanderung im Vergleich mit anderen (seit Statistikkorrektur durch Zensus) demografischen Komponenten Index (2011 = 100) Personen 100,2 800.000 700.000 Binnenwanderungen in NRW 100,1 600.000 100,0 500.000 Zuzüge nach NRW 400.000 99,9 Fortzüge aus NRW 300.000 Sterbefälle 99,8 200.000 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Geburten Kinder/Jugendliche 100.000 Studium/Ausbildung (18–25 Jahre) Familiengründer (25–45 Jahre) 0 „Mittelalte“ Personen (45–65 Jahre) 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 jüngeres Rentenalter (65–75 Jahre) Betagte (+75 Jahre) alle Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 Nahezu unverändert – und unbeeinflusst von der Binnenwanderungstrends zuletzt Zuwanderung – hat sich dagegen der Zuwachs der stark verändert – vor allem in den hochbetagten Altersgruppe über 75 Jahre fortgesetzt, ländlichen Regionen und zwar flächendeckend im ganzen Land. In den vergangenen zehn Jahren haben Binnenwande- rungen über Gemeindegrenzen entscheidend zum Binnenwanderung als Umverteilungsfaktor Wachstum der Großstädte und zu den Bevölkerungs zwischen den Regionen verlusten vieler ländlich geprägter Regionen beigetragen. Das betraf wirtschaftlich starke wie weniger starke Auch wenn sich die Außenwanderung etwas reduziert Kreise. In der ersten Hälfte des Jahrzehnts haben hat und der Einwohnerzuwachs nur mehr gering aus- davon nicht ausschließlich, aber in allererster Linie fällt, ist die Fluktuation der Bevölkerung immer noch die Kernstädte der Rheinschiene (und deren Umland), massiv. Neben Wanderungen über die Landesgrenzen die Universitätsstädte Aachen, Münster, Bielefeld und kommt der Binnenwanderung, das heißt Umzügen Paderborn, aber auch Ruhrgebietsstädte wie Essen, z wischen nordrhein-westfälischen Gemeinden, eine ent- Dortmund und Mülheim an der Ruhr profitiert (Abb. scheidende Bedeutung zu. In den vergangenen zehn Jahren 1.1.11). In der z weiten Hälfte des Jahrzehnts hat sich das machte sie landesweit zwischen 50 und 60 Prozent aller Muster stark verändert: Zwar gewannen die meisten der Zu- und Fortzüge aus – in den Großstädten eher weniger, bis dahin wachsenden Großstädte weiterhin Einwohner in den Kreisen deutlich mehr. Ihr Gesamtvolumen ist dazu. Doch infolge des Flüchtlingszuzugs und seiner Um- seit Beginn des Jahrzehnts ebenfalls angestiegen und verteilung im Land, aber auch aufgrund zunehmender hatte infolge der Umverteilung der Flüchtlinge und Asyl- Umlandwanderung verbuchten nun auch die meisten bewerber einen neuen Höchststand erreicht, zuletzt Kreise wieder positive Binnenwanderungssalden. Doch aber wieder etwas abgenommen (Abb. 1.1.10). in den peripheren Regionen Ost- und Südwestfalens gibt es noch nennenswerte negative Salden. Bemerkenswert ist dabei die positive Trendwende in den Hochschul städten Siegen und Kleve, aber auch die umgekehrte Entwicklung in Aachen, Bielefeld, Essen, Bonn und Düsseldorf, die nun Binnenwanderungsverlierer geworden sind. 16 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Abb. 1.1.11: Gewinne und Verluste im Rahmen der Binnenwanderung: Vergleich zweier 5-Jahres-Zeiträume 2008–2012 p. a. 2013–2017 p. a. MI MI ST ST HF HF BOR BI BI LIP MS MS BOR WAF GT LIP GT COE COE WAF KLE KLE WES RE PB HX PB HAM WES RE HX BOT HAM BOT OB GE HER UN OB GEHER UN SO DO DO BO SO BO E DU MH DU MH E KR EN HA KR EN HA VIE ME VIE ME D W MK D W MG SG RS MG HSK SG RS HSK NE NE OE MK OE HS LEV HS LEV GL K GL BM GM GM K BM SI DN SI DN AC AC SU SU BN BN EUS Verlust über 50 Personen EUS Verlust bis 50 Personen ausgeglichen (+/–10 Personen) Gewinn bis 50 Personen Gewinn bis 150 Personen Gewinn bis 250 Personen Gewinn über 250 Personen Daten: IT.NRW (Wanderungsstatistik) NRW.BANK 2019 Mehr Umzüge sorgen für schnellere Zuzug und Verteilung der Flüchtlinge Durchsetzung aktueller Preise im Bestand haben regionale Trends unterschiedlich stark verändert Die Auswirkungen dieser Migrationsströme auf den Wohnungsmarkt sind in ihren Facetten schwer einzu- In der Summe aller Einflussfaktoren – Außen- und schätzen. Neben dem wichtigsten Aspekt, dem Netto Binnenwanderung, Geburten-Sterbefall-Bilanz – zeigt gewinn und der daraus entstehenden zusätzlichen sich, dass der Flüchtlingszuzug die regionalen Entwick- Wohnungsnachfrage, ist auch das Gesamtvolumen der lungsmuster kurzfristig stark beeinflusst, aber nicht völlig Zu-, Fort- und Umzüge wohnungsmarktrelevant. Im verändert hat. Im Saldo der Jahre 2014–2017 nämlich Jahr 2017 summierten sich allein die Zuzüge auf fast haben bei Weitem nicht alle Regionen gleichmäßig vom 1,035 Millionen. Außen- und Binnenwanderer und die Flüchtlingszuzug profitiert (Abb. 1.1.12). Einen klaren der Fortgezogenen auf 984.000 Personen. Dazu kommen Trendbruch gibt es nur bei einigen Großstädten, die zuvor die innerstädtischen Umzüge, über die es keine landes- mit Einwohnerverlusten zu kämpfen hatten und nun weiten Statistiken gibt, die aber in einer ähnlichen wieder Gewinne verzeichnen – etwa im Ruhrgebiet und Größenordnung liegen dürften. 2 im bergischen Städtedreieck. Dazu hat aber auch die leerstandsgetriebene Armutszuwanderung aus Südost- Auch wenn ein Teil dieser Umzüge in bestehende Haus- europa beigetragen. In den bis dato schrumpfenden halte erfolgt und dabei nicht immer ein ganzer Haushalt ländlichen Regionen – der Eifel, dem östlichen Ostwest- umzieht, kann man davon ausgehen, dass in den ver falen-Lippe und weiten Teilen des Oberbergischen gangenen Jahren auch die Zahl der Wohnungswechsel Kreises, des Sauerlandes und des Wittgensteiner Landes zugenommen hat – zumindest in bestimmten Gebieten. – hat die Flüchtlingszuweisung die Einwohnerverluste Auf diese Weise setzt sich das aktuelle Marktniveau der zwar bremsen, aber nicht umkehren können. Mieten und Kaufpreise im Bestand schneller durch. 2 ür eine Reihe von Groß- und Mittelstädten erhebt die NRW.BANK die Zahl der innerstädtischen Umzüge. Sie liegt – je nach Stadt bzw. F Bevölkerungsstruktur – zwischen 5 und 8 Prozent der Einwohnerzahl. Übertragen auf die Gesamtbevölkerung des Landes ergäbe das einen Wert zwischen 0,9 und 1,4 Mio. Umzügen. Wohnungsmarktbericht NRW 2018 17
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Abb. 1.1.12: Bevölkerungsentwicklung insgesamt Abb. 1.1.13: Bevölkerungsentwicklung nach 2014–2017 (seit Beginn des Flüchtlingszuzugs) Gemeindegröße Index (2011 = 100) 104 MI ST HF BOR 103 GT BI MS LIP COE WAF KLE PB 102 RE HX HAM WES BOT OB GEHER UN DO BO SO DU MH E KR EN HA 101 VIE ME W MK D MG NE SG RS HSK HS OE LEV GL GM 100 K BM SI AC DN SU BN 99 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 EUS Rückgang (49) konstant +/– 50 Personen (52) Nordrhein-Westfalen Gewinn bis 200 Personen (79) Großstädte über 200.000 Einwohner Gewinn bis 500 Personen (105) Großstädte bis 200.000 Einwohner Gewinn bis 2.000 Personen (87) Gewinn über 2.000 Personen (24) Mittelstädte (20.000–100.000 Einwohner) NRW: +1,6% Gemeinden unter 20.000 Einwohnern Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Bevölkerungsstatistik) NRW.BANK 2019 Auch wenn die Einwohnerstatistiken für diesen Zeitraum Im Saldo haben Großstädte mit über 200.000 Einwoh- nicht ganz verlässlich sind, lässt sich doch ein Muster nern am stärksten gewonnen, die kleineren Kommunen erkennen: Während im Jahr 2015 fast alle Gemeinden nur im Jahr des Flüchtlingszuzugs selbst. Dass die mehr Einwohner durch Zuweisungen verbuchen konnten, Wohnsitzauflage, die Ende 2016 in Kraft trat, durchaus war bereits das Jahr 2016 von einer Rückkehr zu den eine Wirkung erzielt hat, lässt die regionale Bevölke- vorigen Trends gekennzeichnet. Dass in diesem Jahr rungsentwicklung 2017 vermuten, die für Kommunen insbesondere die kreisangehörigen Gemeinden wieder unter 20.000 Einwohnern keine Änderung mehr zeigt Bevölkerung verloren haben, deutet darauf hin, dass (Abb. 1.1.13). viele Schutzsuchende von dort in Richtung der Groß- städte umgezogen sind. Diese haben wohl zusätzlich noch den Großteil des unkontrollierten Zuzugs von Flüchtlingen aus anderen Bundesländern aufgenommen. 18 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Zukünftige Perspektiven der Bevölkerungsentwicklung Ende 2018 hat die Landesregierung die neue „Bevölke- rungsvorausberechnung 2018–2040/60“ veröffentlicht. Abb. 1.1.14: (Zukünftige) Entwicklung der Einwohnerzahl Das Grundmuster bleibt ähnlich wie in der Vorgänger- im Vergleich verschiedener Prognosen rechnung von 2014, allerdings hält die Phase des B19,0 evölkerungswachstums länger an. Nach den alten Mio. Einwohner Mio. (Zukünftige) Entwicklung der Einwohnerzahl ZEWahlen hätteder im Vergleich der Wendepunkt, ab dem die Einwohner- Modellrechnungen 19,0 zahl wieder zurückgeht, im Jahr 2026 gelegen. Den aktuellen 18,5 Daten zufolge beginnt der R ückgang erst 18,5 2033 (Abb. 1.1.14); der derzeitige Bevölkerungsstand Vorausberechnung IT.NRW 2018-2040/60 tatsächliche Entwicklung von 17,912 Mio. Einwohnern würde aber erst mit dem inkl. Korrektur durch Vorausberechnung IT.NRW 2018–2040/2060 Jahr 2049 wieder erreicht. Für die nächsten Prognose- 18,0 Zensus 2011 Prognose IW 2016-2035 18,5 zeiträume liegt die Bevölkerung gut 330.000 Einwohner tatsächl. Entwicklung inkl. Korrektur (im Jahr 2025) durch Zensus 2011 bzw. knapp 430.000 Einwohner IT.NRW 2014-2040/60(im Jahr Vorausberechnung 17,5 2030) über der alten Vorausberechnung. Vorausberechnung 17,5 Vorausberechnung IT.NRW 2014–2040/2060 IT.NRW 2011-2030 Für das höhere Ergebnis der neuen Vorausberechnung 17,0 gibt es verschiedene Gründe: 17,0 Vorausberechnung IT.NRW 2011–2030 Der wichtigste Faktor ist die um knapp 16,5 240.000 Daten: IT.NRW, IW Köln Einwohner höhere Ausgangsbasis infolge2030 2005 2010 2015 2020 2025 des 2035 16,5 Flüchtlingszuzugs 2015/2016. Bis auf Düsseldorf, Dortmund, Aachen und Leverkusen hatten alle Kreise und kreisfreien Städte den Bevölkerungs- 0 stand, den die alte Vorausberechnung für 2017 2005 2010 2015 2020 2025 2030 2035 prognostiziert hat, bereits um 1 bis 3 Prozent überschritten. Daten: IT.NRW NRW.BANK 2019 Infolge der zuzugsbedingten Verjüngung werden in den nächsten Jahren auch mehr Menschen geboren als in der alten Rechnung. Ab 2020 soll das der zeitige Geburtendefizit von 31.000 Einwohnern p. a. Die höheren Wanderungsannahmen basieren wie in aber wieder größer werden und bis 2030 dann auf der Vorgängerrechnung auf der Überlegung, dass die 52.000 Personen anwachsen. Kurz danach über- Wirtschaft aufgrund des Fachkräftemangels auf Zu schreitet das Geburtendefizit den Zuwanderungs- wanderung angewiesen ist. So erleichtert das Gesetz gewinn und führt zum Rückgang der Gesamt zur Fachkräfteeinwanderung, das Ende 2018 vom bevölkerung wie in den 2000er-Jahren. Bundeskabinett beschlossen wurde, nun auch den Zuzug qualifizierter Nicht-EU-Bürger. Dabei ist es aber Zudem geht IT.NRW von einem nochmals leicht wichtig festzuhalten, dass gerade die Zuwanderung aus höheren Wanderungsgewinn aus. Fast bis 2030 dem Ausland langfristig kaum zu prognostizieren ist, da rechnet IT.NRW mit jährlich 70.000 Personen Zu- sie nicht nur von politischen Rahmensetzungen, sondern wachs aus dem Ausland (bisher +65.000 ab 2025). auch von der wirtschaftlichen Entwicklung im In- und Saldiert mit dem Verlust ins übrige Bundesgebiet, Ausland abhängt. der leicht zurückgehen soll, gewinnt Nordrhein- Westfalen jährlich 60.000 Einwohner. Wohnungsmarktbericht NRW 2018 19
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Für die folgende Darstellung der Regionalergebnisse Das grundsätzliche Muster ändert sich jedoch nicht: wird nur die mittelfristige Perspektive bis 2030 Auch wenn der Rückgang etwas schwächer ausfällt, betrachtet. Im Vergleich der Entwicklung von 2018 bis würde nach der Berechnung bis 2030 fast die Hälfte der 2030 zeigt sich erwartungsgemäß, dass in der neuen Städte und Kreise Bevölkerung verlieren (Abb. 1.1.16). Vorausberechnung fast alle Kreise und kreisfreien Das Wachstum konzentriert sich immer noch auf die Städte höhere Zuwächse verbuchen als nach den alten Rheinschiene und ihr Umland, die Städte Aachen, Daten (Abb. 1.1.15): Entweder fällt das Wachstum Münster und Bielefeld, Dortmund und Essen und wenige stärker oder der Rückgang geringer aus. Für einige wirtschaftsstarke Kreise. Jedoch erwarten zahlreiche Regionen (Bielefeld, Gütersloh, Warendorf, Bottrop, Kreise und Städte im Rheinland, Ruhrgebiet und Oberhausen und Viersen) verändert sich das Ergebnis Münsterland nun statt Schrumpfung eine stabile bis kaum. Nur für Hamm, Duisburg, den Rhein-Erft-Kreis leicht positive Bevölkerungsentwicklung. und den Kreis Kleve ist der Zuwachs kleiner als nach den bisherigen Schätzungen. Die für die Wohnungsnachfrage entscheidendere Haus- halteprognose war bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. Doch zeigt schon die Bevölkerungsvoraus- berechnung, dass der Neubaubedarf gegenüber der heutigen Situation in vielen Regionen so bald nicht zu- rückgehen, sondern mittelfristig weiter wachsen wird. Abb. 1.1.15: Vergleich der Entwicklung 2018–2030 Abb. 1.1.16: Berechnete Bevölkerungsentwicklung nach der aktuellen und der vorigen Vorausberechnung in den Regionen bis 2030 (%) MI MI ST ST HF HF BOR BI BOR BI MS LIP MS LIP GT GT COE WAF COE WAF KLE KLE RE HAM RE PB HX BOT HAM PB HX WES BOT WES OB GE HER UN OB GEHER UN SO SO DU DO DO E BO BO MH DU MH E KR EN HA KR EN HA VIE ME HSK VIE MK HSK D W D ME W MK MG NE SG RS MG NE SG RS HS LEV OE HS LEV OE GL GM GL GM K K BM SI BM SI DN AC DN AC SU SU BN BN EUS EUS Rückgang über 4% (3) Rückgang bis 4% (10) mehr als 1.000 Einwohner weniger (4) Rückgang bis 2% (9) kaum verändert (+/–1.000 Einwohner) (6) kaum Veränderung (+/–1%) (10) bis 4.000 Einwohner mehr (22) Zuwachs bis 2% (7) bis 8.000 Einwohner mehr (17) Zuwachs bis 4% (8) über 8.000 Einwohner mehr (4) Zuwachs über 4% (6) Daten: IT.NRW (Bevölkerungs- NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Bevölkerungs- NRW.BANK 2019 vorausberechnungen 2014 und 2018) vorausberechnungen 2014 und 2018) 20 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage 1.2 Entwicklung der Haushalte und Familienstrukturen Zahl der Haushalte nimmt weiter zu Zuwanderung bremst den Rückgang der Familienhaushalte Im Jahr 2017 hat die Zahl der Privathaushalte in Nord rhein-Westfalen nochmals leicht auf 8.761.000 zuge- Infolge der demografischen Alterung verändern sich nommen (+0,7%). Die (noch) aktuelle Modellrechnung auch die Haushalts- und Familienstrukturen. Dabei von IT.NRW 3 aus dem Jahr 2014 geht davon aus, dass zeigt sich jedoch eine wichtige Neuerung: Der in den die Zahl der Haushalte in Nordrhein-Westfalen bis 2040 vergangenen Jahren beobachtete Trend zum Rückgang sehr langsam, aber kontinuierlich wachsen und im Jahr der Familienhaushalte hat sich in den aktuellen Mikro- 2040 die 9-Millionen-Grenze überschreiten wird. Zu- zensusdaten5 nicht weiter fortgesetzt (Abb. 1.2.1). Das sätzlich erwartete eine gemeinsame Modellrechnung ist mit hoher Wahrscheinlichkeit6 auf die verjüngende von Bauministerium und NRW.BANK aus dem Jahr 2016 Wirkung der Zuwanderung – den Zuzug junger Arbeit- infolge des Flüchtlingszuzugs einen Zuwachs von nehmer aus dem EU-Ausland, aber auch von Flücht- 200.000 Haushalten bis zum Jahr 2020.4 lingsfamilien mit Kindern – zurückzuführen. Die neue Haushaltemodellrechnung von IT.NRW, die den Flüchtlingszuzug und seine Folgen mitberücksichtigt, war bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht. 3 Wie in der bisherigen Berechnung dürfte die Zahl der Haushalte in der Landessumme nicht vor dem Jahr 2040 wieder abnehmen. Abb. 1.2.1: Entwicklung der Familientypen in Abb. 1.2.2: Anteil der Familienhaushalte an allen Nordrhein-Westfalen Privathaushalten 2017 Tsd. Familien/Haushalte 4.000 MI ST Alleinlebende HF BOR BI MS LIP 3.000 GT COE WAF KLE Paare ohne Kinder (inkl. Empty Nester) RE HAM PB HX WES BOT Familien mit Kindern (gesamt) OB GEHER UN SO DO BO E 2.000 DU MH KR EN HA VIE ME D W MK HSK darunter Familien mit Kindern < 18 Jahren MG NE SG RS HS LEV OE GL GM K 1.000 BM SI DN AC SU BN weniger als 19% (8) bis 21% (16) EUS bis 23% (17) darunter Alleinerziehende mit Kindern < 18 Jahren 0 bis 25% (8) über 25% (4) 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 NRW: 21% Daten: IT.NRW (Mikrozensus 2015–2017) NRW.BANK 2019 Daten: IT.NRW (Mikrozensus) NRW.BANK 2019 3 ie bisherigen Modellrechnungen des Landes hat die NRW.BANK in früheren Publikationen dargestellt. Die neue Modellrechnung (2018–2040/2060) D war bis Redaktionsschluss noch nicht veröffentlicht und wird ab Februar 2019 erscheinen. 4 Die Flüchtlingsmodellrechnung wurde im Wohnungsmarktbericht NRW 2016 vorgestellt und wird im Anhang (Kap. „Datengrundlagen“) erläutert. 5 Jährliche Befragung von 1 Prozent aller Haushalte in ganz Deutschland, darunter auch Nordrhein-Westfalen. 6 A llerdings ist auch nicht völlig auszuschließen, dass hier eine Änderung im Mikrozensusverfahren hineinspielt, die zur Folge hat, dass seit 2016 Neubaugebiete (und damit junge Familien) besser erfasst werden als zuvor. Erst die Erhebungen der nächsten Jahre werden dazu Klarheit schaffen. Wohnungsmarktbericht NRW 2018 21
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Mehr Familien in vielen Großstädten und im Ruhrgebiet – nehmen an dieser Entwicklung teil wachsenden Kreisen (Abb. 1.2.3 rechts). Dadurch steigt in diesen Regionen auch wieder der Bedarf an familientauglichen, großen Dabei tritt diese Entwicklung nicht gleichmäßig in allen Wohnungen und Häusern sowie der entsprechenden Regionen auf. Zunächst ist festzustellen, dass die eher Infrastruktur. ländlich geprägten Kreise sowie das Umland vieler Groß- städte immer noch die höchsten Anteile von Familien mit Kindern unter 18 Jahren haben (Abb. 1.2.2). Nur Zunahme der Alleinlebendenzahl hat sich wenige Kreise (Lippe, Höxter, Wesel, Viersen und Düren) nochmals verstärkt sind schon so gealtert, dass der Anteil eher mit Groß- städten vergleichbar ist. Andererseits ist die Familien- Die zunehmende Lebenserwartung und eine bessere zahl in der langfristigen Betrachtung (2007–2017) nur Lebensqualität im Alter führen ebenso wie eine spätere in – wenigen – Großstädten gestiegen, nämlich in Köln, Familiengründung und höhere Trennungsraten zu einer Düsseldorf, Münster und Bielefeld (Abb. 1.2.3 links). Zunahme der Alleinlebenden und 2-Personen-Haushalte. Doch in den vergangenen Jahren (2012–2017) hat sich In Großstädten wie Köln oder Düsseldorf stellen beide dieser Trend in einigen Regionen geändert: Aufgrund Typen zusammen inzwischen etwa 80 Prozent aller des Wanderungsdrucks in den wachsenden Kernstädten Haushalte. Die Gruppe der Alleinlebenden setzt sich zu nehmen nun die Familienhaushalte vielerorts auch in je etwa einem Drittel aus jüngeren Singles (15–44 Jahre), deren Umland zu (Rheinschiene, Münsterland). Aber Personen im Rentenalter (65 Jahre und mehr) sowie auch wirtschaftsstarke Kreise sowie Kernstädte mit bis aus „mittelalten“ Personen (45–64 Jahre) zusammen. dato nicht sehr ausgeprägten Wachstumsraten – etwa Zwar ist auch die Zahl jüngerer Singles infolge der Abb. 1.2.3: Regionale Entwicklung der Familienhaushalte mit Kindern unter 18 Jahren im lang- und kurzfristigen Mittel 2007–2017 2012–2017 MI MI ST ST HF HF BOR BI BOR BI MS LIP MS LIP GT GT COE WAF COE WAF KLE KLE WES RE HX RE HAM BOT HAM PB BOT PB HX WES OB GE HER UN OB GE SO HER UN SO DO DO DU BO BO E DU MH E MH KR EN HA KR EN HA VIE ME VIE ME HSK D W HSK D W MK MK MG NE MG NE SG RS SG RS HS OE HS OE LEV LEV GL GL GM GM K K BM SI BM SI DN DN AC SU AC SU BN BN EUS EUS NRW: –0,8% p. a. NRW: –0,1% p. a. Mittlere jährliche Entwicklung Rückgang über 2,0% p. a. Rückgang bis 1,5% p. a. konstant (+/–0,3% p. a.) Zunahme über 1,0% p. a. Rückgang bis 2,0% p. a. Rückgang bis 1,0% p. a. Zunahme bis 1,0% p. a. Daten: IT.NRW (Mikrozensus 2007–2017) NRW.BANK 2019 22 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
Entwicklung der Wohnungsnachfrage Bezahlbarer Wohnraum in Hochpreisregionen Gerade in teuren Regionen wie der Rheinschiene fällt es vielen Mietern schwer, bezahlbare Wohnungen zu finden. Das größte Wohnungsunternehmen in Bonn, die kommunale Vereinigte Bonner Wohnungs- bau AG (VEBOWAG), engagiert sich schon lange im geförderten Wohnungsbau. Im Stadtteil Lengsdorf hat sie mit Wohnraumfördermitteln des Landes 49 Wohnungen errichtet. Die 1- bis 4-Zimmer- Wohnungen sind alle barrierefrei und mit Balkonen oder Terrassen ausgestattet. Damit zukünftig auch andere Investoren mehr Neubau im preisgünstigen Segment errichten, hat die Stadt Bonn Anfang 2017 bei Neubauprojekten eine Mindestquote für ge förderten Wohnraum beschlosssen (derzeit 40%). Wohnungsmarktbericht NRW 2018 23
Entwicklung der Wohnungsnachfrage uwanderung und wachsender Studierendenzahlen Z Abb. 1.2.4: Entwicklung der Alleinlebenden nach zuletzt wieder spürbar gewachsen. Vor allem war aber Altersgruppen die mittlere Altersgruppe, in der sich momentan die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge der 1950er- Tsd. Personen und 1960er-Jahre befinden, für den spürbaren Anstieg 1.600 der Alleinlebenden in den vergangenen Jahren verant- wortlich (Abb. 1.2.4). alleinlebende Rentner (über 65 Jahre) 1.200 Vor allem Babyboomer-Generation lässt jüngere Singles (15–44 Jahre) A lleinlebendenzahl steigen „mittelalte“ Alleinlebende (45–65 Jahre) Was bedeutet diese Entwicklung für die Wohnungs 800 nachfrage? IT.NRW hat vor Kurzem sozioökonomische Merkmale „mittelalter“ Alleinlebender analysiert7 und stellt dabei starke Unterschiede zwischen Männern und Frauen fest. Am meisten hat in dieser Gruppe die Zahl 400 der Männer zugenommen. Der Großteil (58%) von ihnen war nie verheiratet, während von den alleinlebenden Frauen in dieser Altersgruppe nur 43% unverheiratet waren. Rund ein Drittel ist geschieden, ein kleiner Teil 0 verwitwet (Frauen zu 15%, Männer zu 3%). Männer 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 wie Frauen haben eine deutlich überdurchschnittliche SGB-II-Quote (13–17%), auch ihr Armutsrisiko ist dop- Daten: IT.NRW (Mikrozensus 2015–2017) NRW.BANK 2019 pelt so hoch wie bei Personen in Mehrpersonenhaus halten. Frauen sind allerdings überdurchschnittlich häufig in Führungspositionen und in Vollzeit tätig. Fazit: Die Altersgruppe ist zu heterogen, um einen spezifischen Wohnungsbedarf abzuleiten. Ihre Zunahme ist zum Teil, aber auf keinen Fall eins zu eins mit einer steigenden Nachfrage nach kleinen Wohnungen gleich- zusetzen. 7 I T.NRW (2017): Alleinlebende in Nordrhein-Westfalen. Ergebnisse des Mikrozensus. Statistik kompakt 11/2017. Hier wurde die Altersgrenze für die „mittelalte“ Bevölkerungsgruppe zwar anders gezogen (35–64 Jahre), die Strukturen dürften jedoch ähnlich sein. 24 Wohnungsmarktbericht NRW 2018
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