Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien - September 2020
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September 2020 Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Kompetenzgruppe Public Real Estate Management Das Arbeitspapier „Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisie- rung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien“ wurde von der Kompetenzgruppe Public Real Estate Management erarbeitet. Autoren: Dr. Eleonore Pöll unter der Leitung von ⁄ Dr. Eleonore Pöll, M C E P Management Consulting Beteiligte Mitglieder: ⁄ Daniel Barthold, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben ⁄ Giuseppe Battaglia, Ministerium der Justiz NRW ⁄ Julia Blume, Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen, BLB NRW ⁄ Berthold Dresel, Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement, SIB Sachsen ⁄ Matthias Jung, Bau- und Liegenschaftsbetrieb, BLB Brandenburg ⁄ Rachid Jaghou, Stadt Krefeld ⁄ Özgür Karadag, Stadt Dortmund ⁄ Frank Lemken, Stadt Krefeld ⁄ Thomas Pfaller, Stadt Ingolstadt ⁄ Dr. Eleonore Pöll, MCEP, Management Consulting ⁄ Sabine Steckelbach, Stadt Dortmund ⁄ Andreas Tschöpe, Stadt Münster ⁄ Thomas Zügel, Landeshauptstadt Stuttgart Rückfragen / Anregungen Dr. Eleonore Pöll, e.poell@mcep.de // www.mcep.de © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 2
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis ............................................................................. 4 1. Einführung ...................................................................................... 5 1.1 Ausgangslage................................................................................... 5 1.2 Methodisches Vorgehen ..................................................................... 6 1.3 Aufbau des Arbeitspapiers .................................................................. 7 2. Bisheriges Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien ............................ 8 3. Ziele des Screenings von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien ............................ 9 4. Aufbau des Screenings von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien .......................... 11 4.1 Verwendung und Durchführung der Nutzwertanalyse ............................ 11 4.2 Identifikation von Immobilienteilportfolios .......................................... 13 4.3 Unabdingbare Anforderungen und allgemeine Beurteilungskriterien ........ 14 4.4 Betrachtung der unabdingbaren Anforderungen auf Gebäudeebene ......... 17 4.5 Gesamtergebnis auf Gebäudeebene ................................................... 18 4.6 Gesamtergebnis auf Portfolioebene .................................................... 19 4.7 Ergebnis der Priorisierung des Beispielportfolios................................... 20 5. Zusammenfassung und Ausblick........................................................ 21 Literaturverzeichnis ............................................................................... 22 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird nachfolgend auf die Verwendung unterschiedlicher geschlechterspezifischer Sprachformen verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten genderneutral. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 3
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Abkürzungsverzeichnis AKNW Architektenkammer NRW ASR Arbeitsstätten-Richtlinie BauO Bauordnung BNB Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen BREEAM Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology DGNB Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen e. V. DIN Deutsches Institut für Normung ELA Elektroakustische Anlagen EnEV Energieeinsparverordnung GEG Gebäudeenergiegesetz IUEBA Ingenieurtechnische Überwachung baulicher Anlagen K. o.-Kriterien Knockout-Kriterium (decisive factor) LEED Leadership in Energy and Environmental Design NWA Nutzwertanalyse ÖPNV öffentlicher Personennahverkehr PrüfVO Prüfverordnung TGA Technische Gebäudeausrüstung TrinkwV Trinkwasserverordnung VDI Verein Deutscher Ingenieure e. V. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 4
Screening öffentlicher Immobilienportfolios 1. Einführung 1.1 Ausgangslage Die aus immobilienökonomischer Sicht notwendigen Bauunterhaltungs- und Investitions- bedarfe im vorhandenen Immobilienbestand der öffentlichen Hand waren und sind zum Teil aufgrund der jahrelangen angespannten Haushaltssituation von vielen Kommunen, Ländern und des Bundes und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts größer als das tatsächlich zur Verfügung stehende Budget. Auch bei einer verbesserten finanziellen Lage, wie sie sich in den letzten Jahren mancherorts darstellte, sind sowohl die baulichen als auch die nutzerspezifischen Bedarfe nicht umgehend zu decken, da personelle Kapazi- tätsengpässe sowohl bei der öffentlichen Hand als auch bei den Dienstleistern aufgrund der boomenden Bauwirtschaft dies erschweren. In der Regel sind 10-20 % des Verwal- tungshaushaltes immobilienbezogene Kosten 1. Dies stellt einen erheblichen finanziellen und gleichzeitig auch sehr hohen organisatorischen und personellen Aufwand von weitrei- chender Bedeutung dar. Diese Situation wird durch den bei vielen öffentlichen Stellen vor- herrschenden nachhaltigen Sanierungsstau verdeutlicht. Verschärfte gesetzliche Anforderungen z. B. bzgl. Brandschutz, Gebäudesicherheit, Ener- gieeinsparung, Betreiberverantwortung, Barrierefreiheit, wechselnde politische Vorgaben und Prioritäten sowie eine zunehmende Sensibilität der Nutzer für eine bedarfsgerechte Infrastruktur, verstärken den Handlungsbedarf. Demographische und bevölkerungsstruk- turelle Veränderungen 2 3 4 und damit verbundene immobilienbezogene Nutzungsänderun- gen sowie Digitalisierungs- 5 6 7 8 und Klimaschutzanforderungen 9 10 verändern nachhaltig 1 Vgl. Pöll, Eleonore: Organisation des Immobilienmanagements der öffentlichen Hand, in: Schulte, K.-W., Schäfers, W., Pöll, E., Amon, M. (Hrsg.): Handbuch Immobilienmanagement der öffentlichen Hand, 1. Aufl., Köln 2006; Pöll, Eleonore: Public Real Estate Management in: Just, Tobias, Maenning, Wolfgang (Hrsg.), Under- standing German Real Estate Markets. 2. Aufl., 2017. 2 Vgl. Just, Tobias: Demografie und Immobilien, 2. Aufl., Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2013. 3 Vgl. Demary, Markus, Voigtländer, Michael: Immobilien 2025, Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Wohn- und Büroimmobilienmärkte, Forschungsberichte aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 50, 2009. 4 Vgl. Plößl, Franziska, Just, Tobias: Pflegemarkt 2030: Wie lässt sich die Pflegekapazität nachfragegerecht aus- bauen? , IREBS International Real Estate Business School, Universität Regensburg, Regensburg, 2020. 5 Vgl. Vornholz, Günter: Digitalisierung der Immobilienwirtschaft, De Gruyter Oldenbourg, 2019. 6 Vgl. Steinbrecher, Johannes: Aufwind für Digitalisierung, in: www.kfw.de/stories/wirtschaft/innovation/kom- munalpanel-2020 (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020). 7 Vgl. Just, Tobias und Frank J., Matzen: Digitale Geschäftsmodelle in der Immobilienwirtschaft. in: Gündling, Heike und Schulz-Wulkow, Christian, Hrsg. Next Generation Real Estate: Innovationen und digitale Trends, Frankfurt am Main: Frankfurt School Verlag, 2018. 8 Vgl. gif-Kompetenzgruppe Datenmanagement: Datenraum-Richtlinie 2.0, © gif Gesellschaft für Immobilien- wirtschaftliche Forschung e. V., Februar 2020. 9 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Gebäudeenergiegesetz (GEG), Gesetz zur Vereinheitli- chung des Energieeinsparrechts für Gebäude, gemeinsamer Referentenentwurf von BMWi und BMI für das GEG, Bearbeitungsstand: 28.05.2019, in: www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/gesetz-zur- vereinheitlichung-des-energieeinsparrechts-fuer-gebaeude-gebaeudeenergiegesetz.html (zuletzt aufgerufen 29.6.2020). 10 Vgl. ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e. V.: Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft, Berlin Februar 2012. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 5
Screening öffentlicher Immobilienportfolios die Anforderungen und Bedarfe an Immobilien und sind kurz-, mittel- und langfristig in die Investitionsplanung mit einzubeziehen. Die oben beschriebene prekäre personelle und finanzielle Situation im öffentlichen Immo- bilienmanagement erlaubt in der Regel nicht, alle notwendigen Maßnahmen im Immobi- lienbestand zeitgleich durchzuführen, sodass Priorisierungen und dem vorausgehend, ein Screening des vorhandenen Immobilienbestandes notwendig sind. Die genannten vielfälti- gen Einflussfaktoren und komplexen Rahmenbedingungen mit verschiedenen Interessen- gruppen erfordern eine methodisch klar strukturierte und nachvollziehbare Festlegung ei- ner Rangfolge zur Abarbeitung des Bau- und Instandhaltungsbedarfs im Immobilienbe- stand der öffentlichen Hand. Ein Screening des Immobilienportfolios und ein Abwägungs- prozess über Bewertung und Gewichtung unterschiedlicher Einflussfaktoren liefert im Er- gebnis transparente Prioritätenlisten der erforderlichen Maßnahmen im Immobilienportfo- lio. Zur Priorisierung empfiehlt diese Unterlage die Anwendung der nachfolgend beschrie- benen Methodik, die größtenteils auf einer Nutzwertanalyse basiert. Die Priorisierung von Neubaumaßnahmen erfolgt in einem gesonderten Prozess und ist nicht Gegenstand dieses Arbeitspapiers. Dieses Arbeitspapier baut auf den von der Kompetenzgruppe Public Real Estate Manage- ment bereits erschienenen Publikationen zu dieser Themenstellung auf und beinhaltet ne- ben Aktualisierungen vor allem inhaltliche und methodische Weiterentwicklungen 11 12 . Im Rahmen eines ganzheitlichen Instandhaltungsmanagements finden in dieser Unterlage ver- änderte gesetzliche Anforderungen und Regularien, insbesondere Aspekte der Eigentümer- und Betreiberverantwortung 13, besondere Beachtung. 1.2 Methodisches Vorgehen Ziel der vorliegenden Ausarbeitung ist es, einen Leitfaden für das Screening von Immobi- lienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobi- lien anzubieten. Als Basis der methodischen Vorgehensweise wurden folgende Punkte festgelegt: ⁄ Die dargestellten Ergebnisse beruhen auf der Grundlage der Expertengespräche der Kompetenzgruppe 14. 11 Vgl. gif-Kompetenzgruppe Public Real Estate Management: Leitfaden Immobilien-Investitionspriorisierung im kommunalen Immobilienmanagement, gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., 2007. 12 Vgl. gif-Kompetenzgruppe Public Real Estate Management: Arbeitspapier - Vorschläge zur Priorisierung für den Einsatz von Haushaltsmittel der Bundesländer für bauliche Maßnahmen, gif Gesellschaft für Immobilienwirt- schaftliche Forschung e. V., 2010. 13 Vgl. Standards GEFMA 190 (Betreiberverantwortung), GEFMA, 2005 und Aktualisierungen. 14 Insbesondere die Erfahrungen und das Fachwissen von Experten folgender Institutionen gehen in den Bericht ein: Stadt Dortmund, Stadt Ingolstadt, Stadt Krefeld, Stadt Münster, Landeshauptstadt Stuttgart, Bau- und Lie- genschaftsbetrieb NRW, Bau- und Liegenschaftsbetrieb BLB Brandenburg, Sächsisches Immobilien- und Bauma- nagement, Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 6
Screening öffentlicher Immobilienportfolios ⁄ Auf eine empirisch fundierte Ausarbeitung wurde bewusst verzichtet. Ziel ist es, einen Leitfaden zu erstellen, der nicht den Anspruch auf eine umfangreiche empirische Ab- sicherung erhebt, sondern auf den Erfahrungen der Praxis beruht. ⁄ Im Sinne dieses Arbeitspapiers werden die Begriffe „Investitionen, Baumaßnahmen und Unterhaltsmaßnahmen“ als Baumaßnahmen im Bestand verstanden. Folgende Hinweise sind zu berücksichtigen: ⁄ Für die zu betrachtenden Immobilien ist eine grundlegende Datenbasis Vorausset- zung, z. B. sind die wesentlichen Objektdaten sowie die Kenntnis des Zustands der Gebäude elementar. ⁄ Das dargestellte Screening-/Priorisierungssystem ist als Vorschlag der Kompetenz- gruppe zu werten. ⁄ Das System kann auf die jeweiligen Rahmenbedingungen und Bedarfe der Anwender angepasst werden. Daher ist das Priorisierungssystem bewusst flexibel aufgebaut. ⁄ Kriterien, die für das Priorisierungssystem in diesem Arbeitspapier definiert werden, stellen Mindestanforderungen an ein solches System dar. ⁄ Dargestellte Gewichtungen und Beurteilungen der Einflussfaktoren sind beispielhaft genannt. Die Beurteilung und die Gewichtung der Kriterien sind individuell für die jeweilige Organisation vorzunehmen. ⁄ Aus Eigentümer-/Betreibersicht werden zunächst Leib und Leben bedrohende und haftungsrelevante Kriterien als unabdingbare Anforderungen (sog. K. o.-Kriterien 15) in erster Indikation geprüft. In einem weiteren Schritt werden allgemeine Beurtei- lungskriterien zur Priorisierung der Handlungsbedarfe betrachtet. 1.3 Aufbau des Arbeitspapiers Einleitend werden in Kapitel 1 die Rahmenbedingungen, Zielsetzungen und die methodi- sche Vorgehensweise für die Erstellung des Arbeitspapiers erläutert. In Kapitel 2 wird das bisherige Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien von in der Kompetenzgruppe vertretenen öffentlichen Organisationen zusammenfassend vorgestellt. Die verschiedenen 15 Stelzer, Dirk: TU Ilmenau Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Medien, Institut für Wirtschaftsinforma- tik, Fachgebiet Informations- und Wissensmanagement: Definition: K. o.-Kriterium (decisive factor) „ein Krite- rium, das eine als unabdingbar angesehene Anforderung mit einem limitierten Zielertrag beschreibt und zur Eli- minierung der Alternativen im Bewertungsprozess führt, welche diesen Zielertrag nicht erreichen“, in: www.in- formationsmanagement-buch.org/index.php/glossar/k-o-kriterium-decisive-factor# (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020). © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 7
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Priorisierungssysteme lassen die Notwendigkeit einer einheitlichen Vorgehensweise erken- nen. In Kapitel 3 werden die mit dem Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien verbundenen Ziele dargestellt. Kapitel 4 beschreibt den methodischen Aufbau des Screenings von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien. Das Prio- risierungssystem setzt sich aus mehreren Bausteinen (I Unabdingbare Anforderungen, II Allgemeine Beurteilungskriterien) zusammen. Die praktische Anwendung des Screenings zur Priorisierung von Handlungsmaßnahmen wird beispielhaft aufgezeigt. Der Priorisierungsprozess für ein fiktives Immobilienteilport- folio wird textlich und tabellarisch dargestellt. Die Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick sind Kapitel 5 zu entnehmen. 2. Bisheriges Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien Wie verschiedene Publikationen bereits aufgreifen, steht bei der überwiegenden Anzahl der öffentlichen Organisationen reaktives Handeln im Vordergrund. Ein professionelles Be- standsmanagement mit aktiver strategischer Ausrichtung bzgl. der Baumaßnahmen im Be- stand ist in unterschiedlich ausgeprägter Form vorhanden 16. Auf der Bundesebene gibt es verschiedene Anstrengungen zur Systematisierung und Ope- rationalisierung der Baumaßnahmen im Bestand, beginnend mit der Bauzustandserfassung als Grundlage für ein Priorisierungssystem, wie beispielsweise nachfolgend dargestellt. Bei den Ländern gibt es unterschiedliche Ansätze. Vereinzelt werden Konzepte zur Priori- sierung der Instandhaltungsbedarfe und zur strategischen Portfoliosteuerung entwickelt. Im kommunalen Bereich ist die Situation bundesweit unterschiedlich. Die Zustandserfas- sung ist im Aufbau und in unterschiedlichen Stadien der Umsetzung. Bei bestimmten Nut- zungsarten z. B. Schulen und Kindergärten sind die Entwicklungen politisch bedingt weiter vorangeschritten und entsprechend monetär hinterlegt. Beispielsweise war bei der Stadt Dortmund zunächst die Beseitigung der gesundheitsge- fährdenden PCB-Belastung der städtischen Gebäude, insbesondere der Schulen, vordring- lichste Aufgabe. Diesem Problem wurde durch Einsatz erheblicher Investitionsmittel be- gegnet. In einem zweiten Investitionsschub mussten die Gebäude entsprechend den neuen brandsicherheitstechnischen Auflagen nachgerüstet werden, um eine Nutzung weiterhin 16 Vgl. Pöll, Eleonore: Öffentliche Immobilien: Managen nicht verwalten!, in: vhw Bundesverband für Wohnei- gentum, Forum Wohneigentum, Zeitschrift für Wohneigentum in der Stadtentwicklung und Immobilienwirt- schaft, Heft 2, Berlin März/April 2007, S. 58. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 8
Screening öffentlicher Immobilienportfolios garantieren zu können. Allein aus diesen Anforderungen war der Investitionsbedarf mit jeweils nur einem Bewertungskriterium relativ einfach zu steuern. Die Erkenntnisse über die unterschiedlichen Vorgehensweisen verdeutlichten die Notwen- digkeit, dass eine systematische und organisationseinheitliche Verfahrensweise unabding- bar ist. Anschließend wurden verschiedenste Beurteilungs- und Bewertungskriterien und Priorisie- rungssysteme betrachtet. Erkannt wurde, dass die Kenntnis des Zustands der Immobilien unerlässlich ist. Diese wichtige Aufgabe der Transparenzschaffung bzgl. des Zustands des Bestandes ist als grundlegende Voraussetzung für eine erfolgreiche Priorisierung und Steu- erung der notwendigen Maßnahmen im Bestand zu erledigen. 3. Ziele des Screenings von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien Ein Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maß- nahmen an Bestandsimmobilien ermöglicht nicht nur eine zielorientierte Steuerung des im Haushalt für Investitions- bzw. Aufwandsmaßnahmen vorgesehenen Budgets, sondern vor allem auch ein Management von Haftungsrisiken. Es dient dazu, sowohl immobilienökono- mischen wie auch politischen und nutzerspezifischen sowie eigentümer- und betreiberspe- zifischen Belangen weitgehend gerecht werden zu können. Das innerhalb der Immobilien- verwaltungen immer wiederkehrende „Spannungsfeld“ zwischen den verschiedenen Inte- ressensfeldern fordert eine Versachlichung der Argumentation gegenüber den Interessen- vertretern. Die Ergebnisse des Screenings von Immobilienportfolios können zudem als eine Grundlage für ein umfassendes und übergeordnetes Immobilienportfoliomanagement dienen. Das Pri- orisierungssystem ist ein Unterstützungsinstrument, mit dessen Hilfe ein Rahmen für we- sentliche Betrachtungsschwerpunkte aufgezeigt werden kann. Zur Schaffung möglicher vergleichbarer Strukturen ist es dabei notwendig, Immobilien- portfolios/Immobilienteilportfolios zu definieren, die korrespondierende immobilienökono- mische Aspekte aufzeigen. Wesentliche Zielsetzung des Priorisierungssystems für Immobilieninvestitionen ist die Un- terstützung bei der: ⁄ Gewährleistung des Gesetzeskonformität ⁄ Wahrnehmung der Eigentümer- und Betreiberverantwortung ⁄ zielorientierten Steuerung der finanziellen und personellen Ressourcen ⁄ Versachlichung der Argumentation unter den beteiligten Interessensgruppen © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 9
Screening öffentlicher Immobilienportfolios ⁄ Erstellung von nachvollziehbaren, sachlich fundierten Prioritätenlisten ⁄ Transparenzschaffung gegenüber Nutzern und Politik ⁄ Abwägung von Synergieeffekten (z. B. durch Maßnahmenbündelung) Im Ergebnis des Screenings ergibt sich eine Bewertungsmatrix, die wesentliche Zielgrößen und damit Einflussfaktoren öffentlicher Immobilien umfasst und je Einflussfaktor eine Be- wertung aufzeigt. Daraus resultieren nachvollziehbare, sachlich fundierte Prioritätenlisten, in denen dargestellt wird, welche Immobilienobjekte am dringlichsten zu bearbeiten sind, und wo sich der größte Nutzen zeigt. Simulationen werden durch Veränderung der Bewer- tungsvariablen ebenso möglich, wie das Hinzufügen weiterer Einflussgrößen. 4. Aufbau des Screenings von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien Für das Screening werden sowohl unabdingbare Anforderungen (Teil I) als auch allgemeine Beurteilungskriterien (Teil II) herangezogen. Zur Vermeidung von Fehlentscheidungen sind unabdingbare Anforderungen zu definieren. Aus Risikoabwägungen heraus z. B. aus Eigentümer-/Betreibersicht sind diese Anforderun- gen voranzustellen. Als wesentlich sind hier Themen zu nennen, die Leib und Leben bedro- hen und hohe Haftungsrelevanz besitzen. Beispielhaft hierfür sind folgende Fragestellungen: ⁄ Ist die Verkehrssicherheit gegeben? ⁄ Liegen wesentliche statische Mängel vor? ⁄ Sind alle brandschutzrechtlichen Mängel bekannt und beseitigt? ⁄ Liegen für alle Anlagen im Bau die jeweiligen Baugenehmigungen vor? Diese und weitere Fragestellungen sind individuell zusammenzustellen. 4.1 Verwendung und Durchführung der Nutzwertanalyse Für die allgemeinen Beurteilungskriterien wird die klassische Nutzwertanalyse herangezo- gen. Die Nutzwertanalyse wurde unter der Bezeichnung „utility analysis“ in den USA ent- wickelt. In Deutschland wurde sie in den 1970er Jahren durch Christof Zangemeister 17 bekannt. Folgende Schritte sind zu bearbeiten: 17 Vgl. Zangemeister, Christof: Nutzwertanalyse in der Systemtechnik, Verlag Zangemeister & Partner, Nor- derstedt, 1. Aufl., 1970, 5. Aufl., 2014 (erweitert). © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 10
Screening öffentlicher Immobilienportfolios 1. Definition der Kriterien 2. Gewichtung der Kriterien 3. Bewertung der Kriterien 4. Ergebnisermittlung zu 1. Definition der Kriterien: 18 Zunächst müssen die allgemeinen Beurteilungskriterien definiert werden. Diese gliedern sich, wie in Kapitel 4.3 dieser Unterlage ausführlich dargestellt, in die Kategorien: gesetz- liche Anforderungen, bautechnischer Zustand, wirtschaftliche Kenndaten und Nutzeranfor- derung/Zweckerfüllung. zu 2. Gewichtung der Kriterien Die allgemeinen Beurteilungskriterien sind zu gewichten. In der Regel erfolgt eine prozen- tuale Gewichtung in Summe zu 100 %. Die Gewichtung hängt von den baupolitischen und unternehmensspezifischen wirtschaftlichen Zielgrößen ab. Sie kann je nach Situation und Zweck variieren 19. zu 3. Bewertung der Kriterien 20 Die Beurteilung der Kriterien wird analog der Schulnotensystematik vorgenommen. Dabei werden beispielsweise die Note 1 bei „kein Handlungsbedarf“ und die Note 6 bei „starker Handlungsbedarf“ vergeben. zu 4. Ergebnisermittlung Die Ergebnisermittlung für die allgemeinen Beurteilungskriterien erfolgt aus der Multiplika- tion der Gewichtung mit der Bewertung der Kriterien. Es errechnen sich Teilnutzwerte. Die Summe der Teilnutzwerte wiederum ergibt den Gesamtnutzen (Gesamtnote) für das ein- zelne Objekt. Die Nutzwertanalyse erweist sich für die Priorisierung von Immobilieninvestitionen als vor- teilhaft, da auch Kriterien berücksichtigt werden, die nicht oder nur schwierig monetär, wie beispielsweise die Nutzer-/ Kundenzufriedenheit, erfasst werden können. Sie stellt somit eine Entscheidungshilfe auf qualitativer und quantitativer Ebene dar. Ein weiterer Vorteil der Nutzwertanalyse liegt in ihrer Anwendungsflexibilität. Sie erlaubt die Anpassung an eine große Anzahl von Kriterien sowie die direkte Vergleichbarkeit einzelner Alternativen. Durch den Einsatz von Sensitivitätsanalysen lässt sich zudem darstellen, welche Auswir- kung eine Veränderung der Eingangsgrößen auf das Ergebnis der Nutzwertbetrachtung hat. 18 Siehe hierzu: Kapitel 4.3 dieser Unterlage. 19 Siehe hierzu: Kapitel 1.2 dieser Unterlage. 20 Siehe hierzu: Kapitel 4.4 dieser Unterlage. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 11
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Der für die erstmalige Erstellung aufzubringende Aufwand amortisiert und überkompen- siert sich schnell durch die mehrfache Nutzung. Ein Augenmerk ist auf die Objektivität sowohl bei der Auswahl als auch bei der Gewichtung und Bewertung der Kriterien zu legen. Klare Definitionen sind zu erarbeiten und zu dokumentieren. 4.2 Identifikation von Immobilienteilportfolios Das facettenreiche Aufgabenspektrum der öffentlichen Hand erfordert ein heterogenes Im- mobilienportfolio. Die Basis für eine Identifikation „vergleichbarer“ Immobilien setzt vo- raus, dass den zur Beurteilung angewandten Parametern in einem überwiegenden Maße vergleichbare Ausgangsgrößen zugeordnet werden. Die Voraussetzung hierfür sind mög- lichst vergleichbare Gebäudestrukturen (d. h. baulich, in der technischen Ausstattung etc.) sowie vergleichbare Nutzungen. Wichtige Teilportfolios im kommunalen Bereich sind beispielsweise nach Nutzung zusam- mengefasst: ⁄ Schulen ⁄ Verwaltungsgebäude ⁄ Sport- und Freizeitgebäude ⁄ Jugendgebäude (Kita, Jugendfreizeitstätte) ⁄ Feuerwehrgebäude ⁄ Kulturgebäude Diese sechs Immobilienteilportfolios nehmen erfahrungsgemäß über 80 % der Fläche und der Bewirtschaftungskosten ein 21. Eine Konzentration auf diese Immobilienportfolios er- scheint empfehlenswert. Im Länderbereich sind wesentliche Teilportfolios beispielsweise ⁄ Hochschulen und Bildungseinrichtungen ⁄ Verwaltungsgebäude ⁄ Justiz- und Polizeigebäude ⁄ Kultureinrichtungen 21 Erfahrungswerte der Experten in der Kompetenzgruppe. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 12
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Auf Bundesebene dominieren im Inland die Teilportfolios der ⁄ Verwaltungsgebäude ⁄ Unterkunftsgebäude ⁄ Labor- und Technikgebäude ⁄ Bildungseinrichtungen und Sporthallen 4.3 Unabdingbare Anforderungen und allgemeine Beurteilungskriterien Einem Screening-System müssen Beurteilungskriterien zu Grunde gelegt werden, die ei- nerseits ein möglichst prägnantes Bild des dargestellten Immobilienportfolios wiedergeben und anderseits die Vielschichtigkeit der Einflussgrößen berücksichtigen. In diesem Zusam- menhang müssen Kriterien unterschiedlicher Sichtweisen wie beispielsweise die ⁄ Eigentümer-spezifische ⁄ Kunden-/ Nutzer-spezifische ⁄ immobilienökonomische und ⁄ politische Perspektive Berücksichtigung finden. Aufgrund der Heterogenität des Immobilienportfolios der öffentlichen Hand sowie zur Er- leichterung der Umsetzung der Priorisierung von Maßnahmen erweist es sich als sinnvoll, die Beurteilung in folgende Bausteine aufzuteilen: I Unabdingbare Anforderungen II Allgemeine Beurteilungskriterien 1. Gesetzliche Anforderungen 2. Bautechnischer Zustand 3. Wirtschaftliche Kenndaten 4. Nutzeranforderung/Zweckerfüllung Die als unabdingbar anzusehenden Anforderungen (Teil I) umfassen Kriterien, die Leib und Leben bedrohen und erhebliche Haftungsrisiken 22 darstellen, z. B.: 22 „Die Betreiberverantwortung beruht auf der Vermutung des Gesetzgebers, dass das koordinierte Abstimmen der mit dem Gebäudebetrieb verbundenen Anforderungen möglich und für alle Beteiligten hilfreich und zielführend ist. Die Verantwortlichkeit für Schadensquellen und deren Schadensfolgen obliegt ohne Zweifel dem Betreiber. Die Betreiberverantwortung beruht auf gesetzlichen und vertraglichen Pflichten sowie dem Maß an Sorgfalt in der tatsächlichen Erfüllung einer Aufgabe. Haftung bedeutet hierbei, dass die Verantwortlichkeit für einen Schaden- eintritt festgestellt wird und dass die sich insoweit ergebenen Rechtsfolgen den/die Verantwortlichen treffen.“ © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 13
Screening öffentlicher Immobilienportfolios ⁄ Standsicherheit (z. B. Statik) 23 ⁄ Verkehrssicherheit (innerhalb und außerhalb des Gebäudes) 24 ⁄ Brandschutz 25 ⁄ Trinkwasserhygiene 26 ⁄ Freigesetzte Schadstoffe ⁄ Baurechtliche Auflagen ⁄ Einhaltung PrüfVO TGA, ELA 27 Die unabdingbaren Anforderungen werden häufig auch als K. o.-Kriterien 28 bezeichnet. Im Folgenden wird dieser Begriff analog verwendet. Als allgemeine Beurteilungskriterien (Teil II) werden in den einzelnen Bausteinen folgende definiert: 29 1. Gesetzliche Anforderungen (alphabetisch dargestellt) ⁄ Arbeits- und Gesundheitsschutz 30 ⁄ Bauliche Barrierefreiheit 31 ⁄ Denkmalschutz 32 Vgl. Hartmut, Hardt: Betreiben und Instandhalten VDI-Richtlinienreihe 3810, in: https://ra-hardt.de/betreiben- und-instandhalten-vdi-richtlinienreihe-3810/ (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020). 23 z. B. Durchführung von Hauptprüfungen (Anlehnung an DIN 1076) zur Ingenieurtechnischen Überwachung baulicher Anlagen (IUEBA) von Gebäudefassaden. 24 Vgl. ASR A2.1 Schutz vor Absturz und herabfallenden Gegenständen, Betreten von Gefahrenbereichen, Ge- meinsames Ministerialblatt 2018, S.473. 25 U. a. die Erfüllung des Brandschutzes gemäß den Bauordnungen der einzelnen Länder wie z.B. die BauO NRW 26 Vgl. Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung - TrinkwV). 27 Beispiel NRW: Gemäß Verordnung über die Prüfung technischer Anlagen und wiederkehrende Prüfungen von Sonderbauten (Prüfverordnung - PrüfVO NRW). 28 www.welt-der-bwl.de/Nutzwertanalyse (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020); www.business-wis- sen.de/hb/beispiel-fuer-eine-nutzwertanalyse (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020); L. Lillich, Nutzwertverfah- ren. Schriften zur Quantitativen Betriebswirtschaftslehre 3 (Heidelberg 1992); siehe auch Ausführungen Litera- turzitat, Stelzer, Dirk, siehe auch Ausführungen Literaturzitat 15 dieser Unterlage. 29 Die hier definierten Kriterien sind aus Sicht der Kompetenzgruppe Mindestanforderung an ein Priorisierungs- system; siehe auch Kapitel 1.2 dieser Unterlage. 30 Unter vorgenanntem Beurteilungskriterium könnten beispielsweise meldepflichtige Mängel sowie Feststellun- gen bezüglich zu niedriger Geländer- oder Brüstungshöhen gemäß ASR A2.1 dargestellt sein. 31 Beispielhaft können folgende normative Grundlagen für die Bewertung der baulichen Barrierefreiheit zu Grunde gelegt werden. Die Auflistung ist nicht abschließend: - DIN 18040: Barrierefreies Bauen, - DIN 18041: Hörsamkeit in Räumen – Anforderungen, Empfehlungen und Hinweise für die Planung, - DIN 32976: Blindenschrift – Anforderungen und Maße - DIN 32984: Bodenindikatoren im öffentlichen Raum. 32 […] „Das „Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler“ in NRW datiert aus dem Jahr 1980 und ist das jüngste Denkmalschutzgesetz in den alten Bundesländern. Es legt fest, dass nicht nur Bauwerke von hohem künstlerischen Rang und überregionaler Bedeutung als Denkmäler zu schützen und zu pflegen sind, sondern auch Objekte, die regionale oder lokale Bedeutung haben. Laut Gesetz besteht ein öffentliches Interesse am © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 14
Screening öffentlicher Immobilienportfolios ⁄ Energetische Anforderungen 33 ⁄ Klimaschutz Anforderungen 34 2. Bautechnischer Zustand ⁄ Hochbau ⁄ TGA (Technische Gebäudeausrüstung) 35 3. Wirtschaftliche Kenndaten ⁄ Laufende Instandhaltungs-, Wartungs- und Störbeseitigungskosten ⁄ Instandhaltungsbedarf (unterlassene Instandhaltung, Instandhaltungsstau) ⁄ Betriebskosten ⁄ Erträge ⁄ derzeitiger und zukünftiger Auslastungsgrad 4. Nutzeranforderungen/Zweckerfüllung Die Nutzer-/nutzungsspezifischen Beurteilungskriterien (Nutzeranforderungen/Zwecker- füllung) spiegeln die individuellen Bedarfe von Nutzern wider. Hier werden beispielhaft nutzungsspezifische Kriterien für Verwaltungsgebäude definiert: ⁄ Nutzungsfunktionalität (Normen und Richtlinien), Ausstattungsstandards ⁄ Nutzungsflexibilität ⁄ Drittverwendungsfähigkeit ⁄ Erreichbarkeit, ÖPNV-Dichte 36 und -Entfernung Erhalt eines Objektes, „wenn die Sachen bedeutend für die Geschichte des Menschen, für Städte und Siedlun- gen oder für die Entwicklung der Arbeits- und Produktionsverhältnisse sind und für die Erhaltung und Nutzung künstlerische, wissenschaftliche, volkskundliche oder städtebauliche Gründe vorliegen.“ Architektenkammer Nordrhein-Westfalen 2020 in: www.aknw.de/bauherren/denkmalschutz/ (zuletzt aufgerufen am 25.05.2020). 33 Z. B. Verordnung über energiesparenden Wärmeschutz und energiesparende Anlagentechnik bei Gebäuden (Energieeinsparverordnung - EnEV), Gebäudeenergiegesetz (GEG). 34 Z. B. durch Zertifizierungssysteme DGNB, BNB, LEED oder BREEAM. 35 „TGA“ ist die Abkürzung für Technische Gebäudeausrüstung: www.itga-bw.de/die-branche/was-ist-tga (zu- letzt aufgerufen am 09.06.2020). 36 Definition ÖPNV: i. w. S. der öffentliche Verkehr ; i. e. S. der räumliche Bereich zur Beförderung von Perso- nen im Berufs-, Ausbildungs-, Einkaufs- und sonstigen alltäglichen Verkehr mit Fahrzeugen des Straßen-, Schienen- und Schiffsverkehrs (Fähren) im Linienverkehr, in: wirtschaftslexikon.gabler.de/definition (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020). © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 15
Screening öffentlicher Immobilienportfolios ⁄ Parkplätze ⁄ Standort/Umfeld ⁄ Nutzerspezifische Dringlichkeit der Baumaßnahme ⁄ Flächenverbrauch pro Beschäftigten 4.4 Betrachtung der unabdingbaren Anforderungen auf Gebäudeebene Am Beispiel eines fiktiven Verwaltungsgebäudes soll die Bewertung der unabdingbaren An- forderungen und der allgemeinen Beurteilungskriterien nachfolgend verdeutlicht werden. Zunächst sind die unabdingbaren Anforderungen und anschließend die allgemeinen Beur- teilungskriterien mit Bewertung und Gewichtung zu definieren. Für jede unabdingbare Anforderung sind entsprechende Fragestellungen zu formulieren und die Daten zu erfassen. In der folgenden Abbildung (Tabelle 1) ist die Erfassung unabdingbar anzusehender Anfor- derungen beispielhaft bezogen auf Brandschutzaspekte ausgeführt. Die Fragestellung für die unabdingbare Anforderung lautet „Beseitigung und Dokumentation von Brandschutz- mängeln“. Im Beispiel sind somit die Fragen zu beantworten, ob alle wesentlichen Brand- schutzmängel beseitigt und deren Beseitigung dokumentiert wurde. Die Antwortmöglich- keiten sind in unterschiedlichen Erfüllungsgraden vorgegeben. Die Tabelle zeigt, in welchen Fällen eine unabdingbare Anforderung nicht erfüllt wird und sich somit ein Haftungsrisiko 37 aus Eigentümersicht d. h. ein K. o.-Kriterium ergibt. Durch die im Beispiel in Tabelle 1 dargestellten differenzierten Antwortmöglichkeiten wird dokumentiert, ob Mängel vorhanden sind oder nicht und in welchem Stadium sich die Be- seitigung bereits festgestellter vorhandener Mängel befindet bzw., ob bei der betrachteten Immobilie bereits in der Vergangenheit Haftungsrisiken bestanden. Letzteres ergibt sich beispielsweise durch die Antwortmöglichkeit „ja, es wurden alle wesentlichen Brandschutz- mängel beseitigt“. Ob ein Mangel wesentlich ist, hängt von seiner Art, seinem Umfang und seinen Auswirkun- gen ab und ist unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu beur- teilen. Wesentliche Mängel können z. B. fehlende oder beschädigte Brandschutztüren sein. Die Überprüfung der Mängelbeseitigung erfolgt durch Sachkundige 38, die entsprechende Dokumentation durch den Eigentümer z. B. durch den Objektmanager. Bei der Mängelbe- seitigung sind die baurechtlichen Zeitvorgaben zu berücksichtigen. Hierbei ist vor allem auf die Geltungsdauer der Baugenehmigung in den jeweiligen Landesbauordnungen zu achten. In Nordrhein-Westfalen kann beispielsweise eine Bauunterbrechung von mehr als einem Jahr das Erlöschen der Baugenehmigung nach sich ziehen. Beim Eigentümer kann dies zu 37 Siehe zu Risiken und Risikokennzahlen: gif-Kompetenzgruppe Immobilienrisikomanagement, Kennzahlenka- talog Immobilien-Risikomanagement, Juni 2020. 38 Sachkundiger z. B. ausgebildeter Schlosser mit Eignungsnachweis. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 16
Screening öffentlicher Immobilienportfolios erheblichen Haftungsrisiken führen. Daher wird ein K. o.-Kriterium erfüllt, falls die Mängel- beseitigung nicht innerhalb der baurechtlichen Zeitvorgaben möglich sein sollte. Sind alle wesentlichen Brandschutzmängel beseitigt und wurde de- Beurteilung ren Beseitigung dokumentiert? K. o.-Kriterium Antwortmöglichkeiten in unterschiedlichen Erfüllungsgraden 5. entfällt, es sind keine wesentlichen Brandschutzmängel vor- handen unkritisch Erläuterung: Es wurden keine wesentlichen Mängel festgestellt. ja Erläuterung: Es wurden alle festgestellten wesentlichen Brandschutz- unkritisch mängel beseitigt. in Teilen (Realisierung innerhalb der baurechtlichen Zeitvorga- ben möglich) Erläuterung: Die festgestellten Brandschutzmängel wurden zum Teil unkritisch behoben. Die noch ausstehende Mängelbeseitigung (= Bauaktivität) ist im Rahmen der gesetzten Zeitvorgabe durchgängig möglich. in Teilen (Realisierung nicht innerhalb der baurechtlichen Zeit- vorgaben möglich) Haftungsrisiken Erläuterung: Die Brandschutzmängel wurden zum Teil behoben. Die für noch ausstehende Mängelbeseitigung (= Bauaktivität) ist nicht im Eigentümer Rahmen der gesetzten Zeitvorgabe durchgängig möglich. in Planung Erläuterung: Es wurden Brandschutzmängel festgestellt. Die Mängelbe- Haftungsrisiken seitigung ist „nur“ in Planung. Die Ausführung steht aus. Da keine für Bauaktivität bezüglich der Mängelbeseitigung vorhanden ist, stellt Eigentümer dies ein Risiko für den Eigentümer dar und ist somit haftungsrelevant. nein Haftungsrisiken Erläuterung: Es wurden wesentliche Brandschutzmängel festgestellt für und (noch) nicht beseitigt. Eigentümer keine Angabe Haftungsrisiken Erläuterung: Die Information liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht für vor. Dies stellt ein Risiko für den Eigentümer dar und ist somit haf- Eigentümer tungsrelevant. Tabelle 1: Beispiel unabdingbare Anforderung/K. o.-Kriterium mit Antwortmöglichkeiten in unterschiedlichen Erfüllungsgraden. Bei Vorhandensein bereits eines Haftungsrisikos ist eine unabdingbare Anforderung nicht erfüllt, also ein K. o.-Kriterium, und damit akuter Handlungsbedarf gegeben. Bei fehlenden Daten empfiehlt sich grundsätzlich eine negative Annahme. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 17
Screening öffentlicher Immobilienportfolios 4.5 Gesamtergebnis auf Gebäudeebene Die Zusammenführung der Betrachtung der unabdingbaren Anforderungen und der allge- meinen Beurteilungskriterien erfolgt in einem Erfassungsbogen auf Gebäudeebene. Im Folgenden ist exemplarisch ein Erfassungsbogen mit Betrachtung der unabdingbaren Anforderungen sowie Benotung und prozentualer Gewichtung der allgemeinen Beurtei- lungskriterien für ein fiktives Verwaltungsgebäude dargestellt. Das Bewertungsergebnis des Objekts errechnet sich aus der Summe der Einzelergebnisse (Teilnutzwerte) der allgemeinen Beurteilungskriterien dividiert durch 100 (Gesamtsumme der Gewichtung entspricht 100 %), sodass sich für das jeweilige Objekt eine Gesamtnote ergibt. Im dargestellten Beispiel wird für das Gebäude A „Verwaltungsgebäude“ eine Ge- samtbewertung von 2,9 ermittelt (siehe Bewertungsmatrix in Tabelle 2). Beispiel Erfassungsbogen: GEBÄUDE A „VERWALTUNGSGEBÄUDE“ Bewertung Anzahl UNABDINGBARE ANFORDERUNGEN K. o.-Kriterien nicht erfüllte unabdingbare Anforderungen (K. o.- (ja = 1; 6 Kriterien) nein = 0) 1.1 Standsicherheit (z. B. Statik) 1 1 1 Verkehrssicherheit 1.2 1 1 1 (innerhalb und außerhalb des Gebäudes) 1.3 Brandschutz 1 1 1 1.4 Freigesetzte Schadstoffe 1 1 1 1.5 Trinkwasserhygiene 1 1 1 1.6 Baurechtliche Auflagen 0 0 0 1.7 Einhaltung PrüfVO TGA, ELA 1 1 1 Gewich- Bewertung Ergebnis ALLGEMEINE BEURTEILUNGSKRITERIEN tung in % (Note 1-6) (Gewicht x Note) GESAMTNOTE 2,9 Gesamtpunkte 100 287 2. Gesetzliche Anforderungen 40 112 2.1 Arbeits- und Gesundheitsschutz 8 3 24 2.2 Bauliche Barrierefreiheit 8 2 16 2.3 Denkmalschutz 8 3 24 2.4 Energetische Anforderungen 8 3 24 2.5 Klimaschutz Anforderungen 8 3 24 3. Bautechnischer Zustand 12 30 3.1 Hochbau 6 3 18 3.2 TGA 6 2 12 4. Wirtschaftliche Kenndaten 23 62 4.1 lfd. Instandhaltungs-/Wartungs-/Störbeseitigungskosten 5 3 15 4.2 Instandhaltungsbedarf (Instandhaltungsstau) 5 2 10 4.3 Betriebskosten 6 3 18 4.4 Erträge (z. B. Mieten) 2 2 4 4.5 Derzeitiger und zukünftiger Auslastungsgrad 5 3 15 5. Nutzeranforderungen / Zweckerfüllung 25 83 5.1 Nutzungsfunktionalität, Ausstattung 3 4 12 5.2 Nutzungsflexibilität 3 2 6 5.3 Erreichbarkeit, ÖPNV-Dichte u. -Entfernung 3 3 9 5.4 Drittverwendungsfähigkeit 2 3 6 5.5 Parkplätze 2 2 4 5.6 Standort / Umfeld (Qualität) 4 3 12 5.7 Nutzerspezifische Dringlichkeit der Baumaßnahme 3 3 9 5.8 Flächenverbrauch pro Beschäftigten 5 5 25 Tabelle 2: Erfassungsbogen Gebäude A „Verwaltungsgebäude“, (Bewertungsmatrix). © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 18
Screening öffentlicher Immobilienportfolios 4.6 Gesamtergebnis auf Portfolioebene Zur Findung eines Gesamtergebnisses auf Portfolioebene muss für alle Objekte eines Im- mobilienportfolios ein Erfassungsbogen erstellt werden. Die Zusammenführung der Erfas- sungsbögen ermöglicht die Erstellung einer Priorisierungsliste auf Portfolioebene. Im nachfolgenden Beispiel werden die Erfassungsbögen in einer objektübergreifenden Dar- stellung für ein gesamtes Portfolio – hier beispielhaft für drei Objekte/Verwaltungsgebäude – zusammengestellt. Die Systematik ist in nachfolgender Tabellendarstellung (Tabelle 3) illustriert. Portfoliobetrachtung Gebäude A Gebäude B Gebäude C Bewertung Anzahl Bewertung Anzahl Bewertung Anzahl UNABDINGBARE ANFORDERUNGEN K. o.- K. o.- K. o.- Kriterien Kriterien Kriterien (ja = 1; (ja = 1; (ja = 1; nicht erfüllte unabdingbare Anforderungen 6 2 2 nein = 0) nein = 0) nein = 0) Standsicherheit (z. B. Statik) 1 1 1 0 0 1 1 Verkehrssicherheit 1 1 1 1 1 0 0 (innerhalb u. außerhalb des Gebäudes) Brandschutz 1 1 1 0 0 0 0 Freigesetzte Schadstoffe 1 1 1 0 0 0 0 Trinkwasserhygiene 1 1 1 0 0 1 1 Baurechtliche Auflagen 0 0 0 0 0 0 0 Einhaltung PrüfVO TGA, ELA 1 1 1 1 1 0 0 ALLGEMEINE BEURTEILUNGSKRITERIEN Gewich- Ergebnis Ergebnis Ergebnis Bewertung Bewertung Bewertung tung in (Gewicht (Gewicht (Gewicht (Note 1-6) (Note 1-6) (Note 1-6) % x Note) x Note) x Note) Gesetzliche Anforderungen 40 112 104 144 Arbeits- und Gesundheitsschutz 8 3 24 4 32 5 40 Bauliche Barrierefreiheit 8 2 16 4 32 3 24 Denkmalschutz 8 3 24 2 16 3 24 Energetische Anforderungen 8 3 24 2 16 5 40 Klimaschutz Anforderungen 8 3 24 1 8 2 16 Bautechnischer Zustand 12 30 42 36 Hochbau 6 3 18 3 18 3 18 TGA 6 2 12 4 24 3 18 Wirtschaftliche Kenndaten 23 62 64 92 Lfd. Instandhaltungs-/Wartungs-/ 5 3 15 2 10 4 20 Störbeseitigungskosten Instandhaltungsbedarf 5 2 10 3 15 4 20 (Instandhaltungsstau) Betriebskosten 6 3 18 3 18 4 24 Erträge (z. B. Mieten) 2 2 4 3 6 4 8 Derzeitiger u. zukünftiger 5 3 15 3 15 4 20 Auslastungsgrad Nutzeranforderungen / 25 83 34 98 Zweckerfüllung Nutzungsfunktionalität, Ausstattung 3 4 12 2 6 2 6 Nutzungsflexibilität 3 2 6 1 3 4 12 Erreichbarkeit, ÖPNV 3 3 9 3 9 4 12 Drittverwendungsfähigkeit 2 3 6 1 2 6 12 Parkplätze 2 2 4 1 2 4 8 Standort / Umfeld (Qualität) 4 3 12 1 4 4 16 Nutzerspezifische Dringlichkeit 3 3 9 1 3 4 12 der Baumaßnahme Flächenverbrauch / Beschäftigten 5 5 25 1 5 4 20 Gesamtpunkte Gebäude A 287 Gebäude B 244 Gebäude C 370 GESAMTNOTE 2,9 2,4 3,7 Tabelle 3: Betrachtung auf Portfolioebene: Zusammenführung der Erfassungsbögen für ein gesamtes Portfolio - hier für drei Objekte. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 19
Screening öffentlicher Immobilienportfolios 4.7 Ergebnis der Priorisierung des Beispielportfolios Führt man die Ergebnisse der Einzelobjekte zu einer Gesamtportfoliobetrachtung zusam- men, ist zunächst die Anzahl der unabdingbaren Anforderungen je Objekt zu berücksichti- gen und anschließend zur Verfeinerung der Priorisierung die Ergebnisse der Nutzwertana- lyse der allgemeinen Kriterien je Objekt heranzuziehen. Daraus resultiert eine Priorisie- rungsliste für die Immobilieninvestitionen des untersuchten Portfolios. Die Priorisierungsliste orientiert sich also zunächst an der Erfüllung der unabdingbaren An- forderungen (Teil I, K. o.-Kriterien). Dabei wird unter der Annahme, dass alle K. o.-Krite- rien einen vergleichbaren dringenden Handlungsbedarf für Investitionen aufweisen, nach der Anzahl der nichterfüllten unabdingbaren Anforderungen priorisiert. Die Priorisierungs- liste beginnt somit mit den Objekten mit der höchsten Anzahl nichterfüllter unabdingbarer Anforderungen. Im ersten Schritt werden somit die Gebäude A, B und C nach der Anzahl der nichterfüllten unabdingbaren Anforderungen priorisiert. Im dargestellten Beispiel der Tabelle 3 birgt das Gebäude A rein aus der Anzahl der gegebenen K. o.-Kriterien die meisten Risiken für Leib und Leben und die Eigentümer-/Betreiber-Haftung. Es ergibt sich also für Gebäude A die oberste Priorität für die Durchführung der notwendigen Maßnahmen. So ergibt sich für Gebäude A mit sechs gegebenen nicht erfüllten unabdingbaren Anforderungen eine höhere Priorität der Durchführung der Maßnahmen als für Gebäude B und C mit jeweils zwei nicht erfüllten unabdingbaren Anforderungen. Im zweiten Schritt (Teil II, Allgemeine Beurteilungskriterien) werden im Rahmen der wei- teren Priorisierung die Gebäude mit der gleichen Anzahl an K. o.-Kriterien (Gebäude B und C) nach der jeweiligen Gesamtnote gerankt. Im dargestellten Beispiel zeigt sich für Ge- bäude C mit der Gesamtnote 3,7 eine höhere Priorität für die Durchführung der notwendi- gen Maßnahmen als für Gebäude B mit einer Gesamtnote 2,4. Im Ergebnis ergibt sich somit nach den Werten aus Tabelle 3 die in nachfolgender Tabelle dargestellte Priorisierung: Anzahl nicht erfüllte unab- Gesamtnote allgemeine Be- Priorität dingbare Anforderungen urteilungskriterien Gebäude A 1 6 2,9 Gebäude C 2 2 3,7 Gebäude B 3 2 2,4 Tabelle 4: Ergebnis der Priorisierung des Beispielportfolios aus Tabelle 3. Die Priorisierung über die Anzahl der unabdingbaren Anforderungen ist als erster Indikator für vorhandene Risikopotenziale anzusehen. Für eine weitergehende Beurteilung im Be- reich der unabdingbaren Anforderungen empfiehlt sich eine individuelle, detaillierte Be- trachtung des Einzelobjektes und ggf. ergänzend die Durchführung einer Risikoanalyse. Es kann beispielsweise eine Risikobewertung über Risikoklassen erfolgen, die in Verknüpfung mit der Gesamtnote der allgemeinen Beurteilungskriterien eine verfeinerte Priorisierung über das gesamte Portfolio ergibt. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 20
Screening öffentlicher Immobilienportfolios 5. Zusammenfassung und Ausblick Ziel dieser Publikation ist es, ein Screening von Immobilienportfolios der öffentlichen Hand zur Priorisierung von Maßnahmen an Bestandsimmobilien schematisch darzustellen. Die Notwendigkeit eines Priorisierungssystem ergibt sich aus verschiedenen Aspekten wie bei- spielsweise der Eigentümer- und Betreiberverantwortung der öffentlichen Hand sowie auch aus der Forderung, mit den zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zur Verfügung stehen- den Ressourcen ökonomisch und gegenüber dem Bürger verantwortlich umzugehen. Daher ist eine methodisch strukturierte und nachvollziehbare Festlegung einer Rangfolge zur Ab- arbeitung des Investitionsbedarfs dringend erforderlich. Durch ein Priorisierungssystem für Immobilieninvestitionen wird eine zielgerichtete Steuerung der Ressourcen und Aktivitäten gewährleistet. Zudem wird die Argumentation, in welche Bestandsobjekte investiert wer- den soll, versachlicht. Das in der Unterlage beschriebene Priorisierungssystem basiert auf einem Screening des Immobilienportfolios mit einem Abwägungsprozess über Bewertung und Gewichtung un- terschiedlicher Einflussfaktoren. Dazu werden investitionsbezogene Bewertungsmatrizen je Gebäude, die wesentliche Anforderungen und Einflussfaktoren öffentlicher Immobilien umfassen, erstellt. Die beurteilten Immobilien werden zunächst über unabdingbare Anfor- derungen und anschließend über allgemeine Beurteilungskriterien priorisiert. Im Rahmen eines ganzheitlichen Instandhaltungsmanagements finden insbesondere Aspekte der Ei- gentümer- und Betreiberverantwortung besondere Beachtung. Im Ergebnis liefert das Pri- orisierungssystem nachvollziehbare und sachlich fundierte Priorisierungslisten für ein ge- samtes Portfolio, aus denen ersichtlich ist, in welche Objekte am dringlichsten investiert werden sollte und der Nutzen der Investitionen am größten ist. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es sich um einen kontinuierlich durchzufüh- renden Vorgang, der mit der entsprechenden Organisation mit geklärten Zuständigkeiten und Kompetenzen sowie der geeigneten IT-Unterstützung unterlegt sein muss, handelt. Aufbauend auf den Screening- Ergebnissen können Entscheidungen zur Steuerung getrof- fen werden. Das dargestellte Priorisierungsverfahren stellt einen ersten Baustein zur Ent- scheidungsfindung dar. Insbesondere im Bereich unabdingbarer Anforderungen ist diese erste Beurteilung durch weitere individuelle Betrachtungen der Objekte und ggf. entspre- chende Risikoanalysen zu ergänzen. Die Methodik erhebt nicht den Anspruch, ein aktives und strategisches Portfoliomanage- ment mit einem individuellen und zielgerichteten System zu ersetzen. Die in diesem Ar- beitspapier beschriebene Vorgehensweise stellt jedoch einen wesentlichen Schritt hin zu einer aktiveren Steuerung der Immobilieninvestitionen in den Immobilienbestand des öf- fentlichen Bereichs dar und liefert somit einen Beitrag zur Professionalisierung des Immo- bilienmanagements bei der öffentlichen Hand. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 21
Screening öffentlicher Immobilienportfolios Literaturverzeichnis Bundesministerium für Wirtschaft und Energie: Gebäudeenergiegesetz (GEG), Gesetz zur Vereinheitlichung des Energieeinsparrechts für Gebäude in: www.bmwi.de/Redak- tion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/gesetz-zur-vereinheitlichung-des-ener- gieeinsparrechts-fuer-gebaeude-gebaeudeenergiegesetz.html (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020). Demary, Markus, Voigtländer, Michael: Immobilien 2025, Auswirkungen des demografi- schen Wandels auf die Wohn- und Büroimmobilienmärkte, Forschungsberichte aus dem Institut der deutschen Wirtschaft Köln Nr. 50, 2009. Gabler Wirtschaftslexikon, https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition (zuletzt aufgeru- fen am 09.06.2020). gif-Kompetenzgruppe Datenmanagement: Datenraum-Richtlinie 2.0, © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., Februar 2020. gif-Kompetenzgruppe Public Real Estate Management: Leitfaden Immobilien-Investitions- priorisierung im kommunalen Immobilienmanagement, gif Gesellschaft für Immobi- lienwirtschaftliche Forschung e. V., 2007. gif-Kompetenzgruppe Public Real Estate Management: Arbeitspapier - Vorschläge zur Pri- orisierung für den Einsatz von Haushaltsmittel der Bundesländer für bauliche Maß- nahmen, gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., 2010. Gleißner, Werner, Lausberg, Carsten, Schultheiß, Tobias, Stallbohm, Henrik, gif-Kompe- tenzgruppe Immobilienrisikomanagement: Kennzahlenkatalog Immobilien-Risikoma- nagement, © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V., Juni 2020. Hartmut, Hardt: Betreiben und Instandhalten VDI-Richtlinienreihe 3810, in: https://ra- hardt.de/betreiben-und-instandhalten-vdi-richtlinienreihe-3810/ (zuletzt aufgerufen am 29.06.2020). Just, Tobias: Demografie und Immobilien, 2. Aufl., Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2013. Just, Tobias, Matzen Frank J.: Digitale Geschäftsmodelle in der Immobilienwirtschaft. in: Gündling, Heike und Schulz-Wulkow, Christian, Hrsg. Next Generation Real Estate: Innovationen und digitale Trends, Frankfurt am Main: Frankfurt School Verlag, 2018. Plößl, Franziska, Just, Tobias: Pflegemarkt 2030: Wie lässt sich die Pflegekapazität nach- fragegerecht ausbauen?, IREBS International Real Estate Business School, Universi- tät Regensburg, Regensburg, 2020. Lifka, Stefan: Entscheidungsanalysen in der Immobilienwirtschaft, in: Wirtschaft & Raum, Herbert Utz Verlag WF, Bd. 18, S. 82ff, 2009. © gif Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. 22
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