Search-Theorie und angewandte Wirtschaftsforschung

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Search-Theorie und angewandte Wirtschaftsforschung
                       Marlene Amstad, Ressort Forschung, Schweizerische Nationalbank, Zürich
                       und Aleksander Berentsen, Universität Basel

                       Die Autoren danken Aline Chabloz, Samuel Reynard, Enzo Rossi und
                       Marcel Savioz für die wertvollen Kommentare und Anregungen.

                 SNB   76     Quartalsheft 4/2002
Einleitung                                              1      Search-Theorie
            Im Sommer 2002 fand bei der Schweizerischen             «Zuerst lebte der Mensch in einer Tauschwirt-
      Nationalbank (SNB) der «SNB-Fed Cleveland Work-         schaft und aufgrund der Arbeitsteilung entwickelte
      shop on Monetary Economics» statt. In den letzten       sich Geld». Mit dieser kurzen Begründung für das Ver-
      Jahren hat sich in der Geldtheorie ein neuer Ansatz     wenden von Geld geben sich viele Ökonomen zufrie-
      entwickelt, welcher als search-theoretischer Ansatz     den. Die Search-Theorie macht einen Schritt zurück in
      der Geldtheorie bekannt wurde. Dieser hat sich in       die Zukunft und unternimmt den Versuch, Geld nicht
      kürzester Zeit als wichtige Richtung in der Geldtheo-   einfach als gegeben hinzunehmen, indem es z. B. in
      rie etabliert. Er hatte aber bisher kaum Einfluss auf   die Nutzenfunktion eingefügt wird, sondern die Exis-
      die in der geldpolitischen Praxis üblicherweise ver-    tenz von Geld mikroökonomisch als Reaktion auf
      wendeten empirischen Modelle. Aus diesem Grunde         Informationsfriktionen zu begründen. Neil Wallace,
      legten die Organisatoren David Altig (Federal Reserve   einer der Pioniere der Search-Theorie, hat die Search-
      Bank of Cleveland), Aleksander Berentsen (Univer-       Theorie als Labor charakterisiert. Search-Ökonomen
      sität Basel) und Thomas Jordan (SNB) den Konferenz-     sind mit Biologen vergleichbar. Sie kontrollieren
      schwerpunkt auf die Verbindung der Search-Theorie       sämtliche Bedingungen in ihrem Labor. Sie interes-
      mit der angewandten Wirtschaftsforschung.               sieren sich für die Atome – die einzelnen Wirtschafts-
            Der vorliegende Übersichtsartikel ist wie folgt   subjekte – und ihren Umgang mit Geld. Sie beschäfti-
      aufgebaut. Zunächst wird kurz auf die Ziele und Pro-    gen sich damit, wann Geld verwendet wird, um Güter
      bleme der Search-Theorie eingegangen. Daran an-         zu tauschen und welche Friktionen den monetären
      schliessend werden die Beiträge der Konferenz vor-      Tausch erschweren oder gar verhindern. Ihr Ziel ist
      gestellt.                                               es, neue Grundlagenkenntnisse zu entwickeln. Tradi-
                                                              tionelle Makroökonomen wie auch Zentralbanker sind
                                                              dagegen eher mit Ärzten in einer Notfallstation zu
                                                              vergleichen. Die Aktivitäten der Laborforscher wer-
                                                              den im Allgemeinen eher selten ausserhalb des
                                                              Labors diskutiert. Nachfolgend wird deshalb zunächst
                                                              das Wesen der Search-Theorie kurz besprochen.

                                                              1.1 Das Wesen der Search-Theorie
                                                                    Die Search-Theorie1 ist ein vergleichsweise jun-
                                                              ger Forschungszweig. Sie beschäftigt sich mit den
                                                              Voraussetzungen zur Entstehung oder Scheitern von
                                                              Geld. Geld hat drei Funktionen. Es ist ein Tauschmit-
                                                              tel, dient als Rechnungseinheit sowie der Wertaufbe-
                                                              wahrung. Die beiden Letztgenannten lassen sich rela-
                                                              tiv einfach in ein Modell einfügen. Die Modellierung
                                                              der Transaktionsfunktion ist viel anspruchsvoller.
                                                              Bereits Karl Brunner und Alan Meltzer stellten fest:
                                                              «One of the oldest unresolved problems of monetary
                                                              theory is to explain the use and holding of money.»2
                                                              Die Schwierigkeit, den Nutzen von Geld zu modellie-
                                                              ren, rührt daher, dass Geld kein gewöhnliches Gut ist.
                                                              Der Nutzen aus Gütern erfolgt direkt, indem man sie
                                                              konsumiert. Der Nutzen aus der Geldhaltung entsteht
                                                              hingegen erst indirekt über den Kauf von Gütern. Ein
                                                              Modell, in dem Geld angemessen abgebildet ist, muss
                                                              folglich eine mikroökonomische Theorie des Tausches
                                                              beinhalten.

                                                              1 In der Arbeitsmarkttheorie        2 Zitat aus Nagatani
                                                              gibt es eine gleichnamige           (1978, S. 1).
                                                              Theorie. Diese steht mit dem hier
                                                              verwendeten Begriff in keinem
                                                              Zusammenhang.

SNB   77     Quartalsheft 4/2002
Voraussetzung für die Verwendung eines Zah-                         Wirkung der Geldpolitik davon abhängt, ob Bonds
lungsmittels ist, dass die Beteiligten dasselbe Gut als                   als Zahlungsmittel akzeptiert werden oder nicht, oder
Geld akzeptieren. Dafür müssen bestimmte Bedingun-                        dass die Wohlfahrtsverluste der Inflation bedeutend
gen herrschen. Die meisten walrasianischen Makro-                         grösser sind, wenn man die mikroökonomischen
modelle vernachlässigen diese Bedingungen. Sie                            Effekte mitberücksichtigt.
unterstellen, dass Güter- und Dienstleistungen nur                              In einer Reihe von bahnbrechenden Artikeln
gegen Geld gehandelt werden («cash-in-advance»-                           haben Kyotaki und Wright (1989, 1991, 1993) aus
Modelle)3 oder dass es Geld gibt und einen direkten                       zahlreichen Vorarbeiten den noch heute gültigen
Nutzen stiftet («money in the utility function»-                          Rahmen für die search-theoretischen Gleichgewichts-
Modelle). Die Möglichkeit eines Vertrauensverlusts in                     modelle erarbeitet. In einem search-theoretischen
eine Währung (Währungskrisen) und deren Folgen für                        Modell treffen heterogene Tauschpartner zufällig auf-
den Tausch, das Entstehen oder Verschwinden von                           einander. Dabei entsteht das typische Tauschproblem
Parallelwährungen, die Voraussetzungen für die er-                        der fehlenden doppelten Koinzidenz der Wünsche
folgreiche Einführung einer neuen Währung (z. B.                          («double-coincidence of wants»). Im Search-Ansatz
Euro) lassen sich in diesen Modellen nicht untersu-                       wird gezeigt, dass ein allgemein akzeptiertes Tausch-
chen. Search-Ökonomen versuchen, diese Lücken der                         mittel dieses Problem lösen kann und dabei die Wohl-
traditionellen Theorie zu schliessen.                                     fahrt erhöht, indem es die Suchkosten für eine er-
      Ein zentrales Ziel des Search-Ansatzes ist es,                      folgreiche Transaktion verringert. Zentrale Elemente
diejenigen Friktionen zu ermitteln, die dafür verant-                     in Search-Modellen sind die Eigenschaften der ge-
wortlich sind, dass Geld essenziell («essential») ist.                    handelten Güter, die Anzahl der Agenten, ihre
Geld ist essenziell, wenn es Allokationen zulässt, die                    Lebensdauer und Interaktionen, ihre Suchintensität
ohne Geld nicht erreichbar wären, weil die Partizipa-                     und ihr Spezialisierungsgrad. Die vielleicht wichtigs-
tionsrestriktionen der Wirtschaftssubjekte verletzt                       ten Elemente sind die endogenen Erwartungen der
würden.4 In einer walrasianischen friktionslosen Öko-                     Agenten, welche entscheidend sind für die Akzeptanz
nomie gibt es keine Informationsprobleme; jeder                           eines Zahlungsmittels, und die Art der Informations-
Agent kann jederzeit mit allen anderen Verträge                           friktionen, welche den Tausch erschweren.
abschliessen und diese auch durchsetzen. In einer
solchen Ökonomie ist Geld nicht essenziell. Der Ver-
käufer übergibt die verlangte Ware, ohne Geld zu ver-
langen. Er ist sich aufgrund der vollständigen Infor-
mation gewiss, dass der Käufer gewillt und in der
Lage ist (durchsetzbare Verträge), ihn später mit
einem von ihm gewünschten Gut zu versorgen. In
einer solchen reibungslosen Ökonomie ist jede Güter-
allokation, welche die Partizipationsrestriktionen der
Wirtschaftssubjekte erfüllt, auch ohne die Verwen-
dung eines Zahlungsmittels erreichbar. Erst die Exi-
stenz von Friktionen macht Geld unentbehrlich.
      Die zweite Zielsetzung der Search-Theorie ist zu
untersuchen, inwieweit die «short cuts» der traditio-
nellen Makroökonomie (die vereinfachte Weise, wie
Geld in herkömmlichen Makromodellen modelliert
wird) zulässig sind. Insbesondere stellt sich die
Frage, inwieweit diese «short cuts» die Ergebnisse
empirischer Untersuchungen verzerren. Die zentrale
These der Search-Theorie ist, dass die mikroökonomi-
sche Struktur der Wirtschaft und speziell des Finanz-
sektors und die Art der Informationsfriktionen in der
Wirtschaft einen Einfluss auf den Transmissionsme-
chanismus und damit auf die Effektivität geldpoliti-
scher Massnahmen haben. In den weiter unten disku-
tierten Beiträgen zeigt sich beispielsweise, dass die

3 In «cash-in-advance»-Model-         4 Eine Partizipationsrestriktion
len sind Güter- und Geldmarkt         besagt im Wesentlichen, dass kein
räumlich und zeitlich getrennt.       Wirtschaftssubjekt gezwungen
Es wird zudem implizit unterstellt,   werden kann, einen Tausch zu
dass Geld auf dem Gütermarkt          akzeptieren. Jede Transaktion
notwendig ist.                        muss freiwillig erfolgen.

                               SNB    78        Quartalsheft 4/2002
1.2 Gewinn der Mikrofundierung für                                    1.3 Verhältnis zwischen Search- und
          die monetäre Forschung                                                klassischer monetärer Makrotheorie
             Verstehen wir die Voraussetzungen, unter                             Search- und klassische monetäre Makrotheorie
      denen ein monetärer Tausch zustande kommt, dann                       ergänzen sich weitgehend. Wie sich ihr Verhältnis in
      erhalten wir auch ein konsistenteres und tieferes Ver-                Zukunft entwickeln wird, ist offen. Die Search-Theo-
      ständnis der Funktionsweise und Mängel eines Geld-                    rie verfolgt das Bottom-Up-Prinzip. Sie widmet sich
      systems. Der Nutzen einer Mikrofundierung ergibt                      der mikroökonomischen Zusammenhänge und Funk-
      sich vor allem aus den folgenden zwei Aspekten:                       tionsweise des monetären Systems. Sie nimmt nicht
      (a) In der traditionellen Geldtheorie wird Geld einfach               einfach reibungslose (walrasianische) Märkte an,
          in eine Nutzen- oder Produktionsfunktion einge-                   sondern beschäftigt sich explizit mit den verschiede-
          setzt. Geld stiftet definitionsgemäss Nutzen. Im                  nen Informationsfriktionen, welche das Wirtschafts-
          Falle vollständiger Informationen wäre Geld aber                  leben prägen. Das Verhalten von Individuen ist zen-
          gar nicht notwendig5. Ein Modell, das einen frik-                 tral. Demgegenüber beruht die Makroökonomie auf
          tionslosen (walrasianischen) Tausch unterstellt,                  dem Top-Down-Prinzip. Sie konzentriert sich (bei
          gleichzeitig aber die Verwendung von Geld                         definitorisch festgelegtem Nutzen des Geldes) auf die
          annimmt, ist daher inkonsistent. Die Mikrofundie-                 Simulation und Prognose aggregierter Daten. Beide
          rung erlaubt, solche Inkonsistenzen zu vermei-                    Forschungsrichtungen haben indessen dasselbe Ziel
          den6.                                                             vor Augen, nämlich ein funktionierendes volkswirt-
      (b) Eine mikrofundierte Geldtheorie kann weiter dazu                  schaftliches System. Der Blickwinkel ist jedoch sehr
          dienen, einen tieferen Einblick in Kernfragen des                 unterschiedlich. Während bei den Search-Ökonomen
          Geldwesens zu gewinnen. Zu diesen zählen die                      das «Warum?» (Begründung für die Existenz von
          Folgenden: Welche Wirkungen haben monetäre                        monetären Systemen) im Vordergrund steht, fragen
          Schocks auf die verschiedenen Wirtschaftssekto-                   die traditionellen Makroökonomen nach dem «Was ist
          ren einer Ökonomie? Welche Wirtschaftssubjekte                    zu tun?» (Wirtschaftspolitik). Die Antworten sind
          (z. B. Firmen/Haushalte oder reiche/arme Wirt-                    nicht unabhängig voneinander. Die Wirkung der Wirt-
          schaftssubjekte) tragen die Kosten einer Infla-                   schaftspolitik hängt unter anderem vom Aufbau und
          tion? Wie beeinflussen die mikroökonomischen                      der Funktionsweise des monetären Systems ab. Die-
          Strukturen des Finanzsektors (Transmissionsme-                    ses wiederum beeinflusst die wirtschaftspolitischen
          chanismus) die Wirkung der Geldpolitik (dazu                      Massnahmen.
          gehört etwa die Rolle von «Inside»- und «Outside-
          Money»7)? Wieso haben sich die neuen digitalen
          Zahlungsmittel (e-cash etc.) nur sehr beschränkt
          durchgesetzt? Wie führt man erfolgreich eine
          neue Währung ein? Was sind die wirtschaftlichen
          Konsequenzen einer gemeinsamen Währung oder
          der Dollarisierung, wie sie zurzeit in einigen
          lateinamerikanischen Ländern stattfindet?

      5 Bei vollständiger Information    schaftsring, die grösste Tausch-   7 «Inside-Money» ist Geld, das
      wüsste jeder, wer und wie viel     handelsorganisation der Schweiz.   mit Garantie in ein anderes Gut
      nachfragt und anbietet. Der Um-                                       getauscht werden kann (z.B.
      weg über Geld wäre nicht notwen-   6 Vgl. Wallace (2001).             Banknoten mit Golddeckung).
      dig. Reiner Tauschhandel würde                                        «Outside-Money» ist Geld, das
      das monetäre System ersetzen.                                         über keine solche Garantie ver-
      Vollständige Information auf                                          fügt (z.B. Schweizer Banknoten
      lokalen Märkten erlaubt die Ent-                                      seit der Aufgabe der Gold-
      stehung lokaler Tauschringe, wie                                      deckung).
      der 1934 gegründete WIR-Wirt-

SNB   79        Quartalsheft 4/2002
2      Konferenzbeiträge                                             2.1 Search-theoretische Beiträge
      In diesem Abschnitt werden die Konferenzbei-                          Die Zahl der mikrofundierten monetären Modelle
träge näher besprochen8. Dabei werden diese nicht                    ist bereits gross und nimmt laufend zu. Ob dieser
ausführlich zusammengefasst. Hierzu eignen sich die                  Vielfalt drängt sich ein Schema auf, anhand dessen
«Abstracts» auf der Webpage www.moneyworkshop.ch                     die verschiedenen Modelle miteinander in Beziehung
besser. Die Darstellungen sollen eher einen Überblick                gesetzt und verglichen werden können. In «General
über aktuelle Themen der monetären Wirtschaftsfor-                   Features of Monetary Models and their Significance»
schung geben.                                                        entwirft Neil Wallace ein Schema für die Kategorisie-
      Zuerst werden die search-theoretischen Bei-                    rung von «schön mikrofundierten» Modellen. Zu-
träge diskutiert. Diese können als Rechtfertigung für                nächst definiert er zwei Bedingungen (Restriktionen)
die Mikrofundierung der Geldtheorie und eine expli-                  für «nice models». Erstens muss die Art und Weise,
zite Auseinandersetzung mit verschiedenen Infor-                     wie Agenten (Käufer und Verkäufer von Gütern) Geld
mationsfriktionen aufgefasst werden9. Eine solche                    gebrauchen, explizit modelliert werden. Zweitens
Mikrofundierung                                                      muss Geld essenziell sein, d. h. gewisse Güteralloka-
– lässt Inkonsistenzen vermeiden und ermöglicht                      tionen dürfen ohne «fiat money» nicht zustande
    einen tieferen Einblick in die Geldtheorie (Wal-                 kommen. An der ersten Restriktion scheitern «cash-
    lace);                                                           in-advance»-Modelle und solche, welche die reale
– erklärt, wann gutes Geld schlechtes Geld ver-                      Geldhaltung als Argumente in die Produktions- oder
    drängt und umgekehrt (Camera, Craig, Waller);                    Nutzenfunktion einbauen. Modelle, die einen der vie-
– ermöglicht, die Wirkung geldpolitischer Massnah-                   len anderen denkbaren Wege zum Gütertausch ohne
    men in Abhängigkeit davon zu untersuchen, ob                     Geld beschreiben, verletzen die zweite Restriktion.
    nur «fiat money»10 oder auch Bonds als Tauschmit-                Der Grund, weshalb nur Modelle, die diese beiden
    tel akzeptiert werden (Shi);                                     Bedingungen erfüllen, als «schön» gelten, ist, dass
– erlaubt die Entwicklung eines Rahmens für ein                      sie implizite Inkonsistenzen vermeiden helfen. Über-
    mikrofundiertes Search-Modell, das auch Politik-                 dies ermöglichen sie neue Einsichten. In einem
    analysen erlaubt (Lagos und Wright).                             monetären Modell, in dem Geld essenziell ist, können
Die Konferenzbeiträge, die der traditionellen mo-                    z. B. nicht gleichzeitig vollkommene Kreditmärkte
netären Makroökonomie zuzuordnen sind, haben sich                    unterstellt werden, da diese perfekte und vollstän-
mit folgenden Themen befasst:                                        dige Informationen voraussetzen. Deshalb ist man
– Beeinflussung der Geldpolitik durch eine unge-                     gezwungen, in einem Modell mit Geld auch die in der
    naue Schätzung des Potenzialoutputs (Jordan,                     Realität beobachtbare Unvollkommenheit der Kredit-
    Kugler, Lenz, Savioz);                                           märkte zu modellieren. Dies gewährt neue Einsichten
– Inflation und Ungleichheit (Albanesi);                             in die Abläufe des monetären Handels. So wird die
– Interpretation verschiedener Typen von Schocks                     Fiskalpolitik unter der Annahme fehlender Transpa-
    in einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell (Altig,                renz (Monitoring) einen schweren Stand haben, weil
    Christiano, Eichenbaum, Linde);                                  das Eintreiben von Steuern erheblich erschwert ist.
– Aktienpreise und Geldpolitik (Carlstrom, Fuerst);                  Mit anderen Worten bestimmen die Eigenschaften,
– Warum ist eine Währungsunion erfolgreich, eine                     die Geld essenziell machen, auch die Funktionsweise
    andere nicht? (Chari, Kehoe).                                    der Kreditmärkte und die Machbarkeit wirtschaftspo-
                                                                     litischer Massnahmen.
                                                                            «Schön mikrofundierte» Modelle lassen sich
                                                                     anhand von drei Eigenschaften klassieren:
                                                                     (a) dem Ausmass und der Art der idiosynkratischen
                                                                         Unsicherheit. Search-Modelle untersuchen oft
                                                                         Situationen, in denen die Agenten über unter-
                                                                         schiedliche Geld- oder Güterbestände verfügen.
                                                                         Die Ungleichheit der Wirtschaftssubjekte in Geld-
                                                                         und Güterbeständen gründet auf ihren unter-
                                                                         schiedlichen Handelsmöglichkeiten. Diese lassen
                                                                         sich ihrerseits auf verschiedene Formen von Unsi-
                                                                         cherheit zurückführen. Diese Unsicherheiten wer-

8 Bei allen Beiträgen handelt es   10 «Fiat money» ist ein
sich um Entwürfe.                  Zahlungsmittel, das intrinsisch
                                   wertlos ist.
9 Für eine generelle Übersicht     Es hat keine Deckung.
über die Argumente zugunsten
einer Mikrofundierung siehe
Wallace (2001).

                            SNB    80        Quartalsheft 4/2002
den als zufällige Treffen der Agenten oder Schocks    langt dafür einen höheren Preis. Dies führt zu einem
          in den Präferenzen modelliert.                        Konsumverlust beim Käufer. Je nachdem wie hoch
      (b) dem Grad des Monitorings (Grad der Transparenz),      dieser ist, hat der Käufer einen Anreiz, zuerst das
          der davon abhängt, ob vergangene Aktionen             weniger riskante (gute) Geld zu benutzen. Zwar ist
          beobachtbar sind und daher als allgemein bekannt      dieses Modell relativ abstrakt. Trotzdem gewährt es
          betrachtet werden können. Der Grad des Monito-        konkrete Einblicke in Ausmass und zeitlichen Verlauf
          rings entscheidet über den Grad der Friktionen des    der Dollarisierung in Entwicklungsländern. Es zeigt
          Kreditmarktes. Ohne Monitoring würde niemand          numerisch, wie die Umlaufgeschwindigkeit der Heim-
          einen Kredit gewähren wollen, während bei per-        währung erst dann sinkt, wenn das mit ihr verbun-
          fektem Monitoring Geld nicht essenziell sein kann.    dene Risiko markant zunimmt oder die Märkte unter
          Weil in der Realität Kredit und Geld zu beobachten    zunehmenden Friktionen leiden.
          sind, muss für ein «schönes Modell» ein konsis-             Nebst Fremd- und Heimwährungen stehen
          tentes, mittleres Monitoring gefunden werden.         manchmal auch Staatsanleihen im Wettbewerb als
      (c) der Grösse der Tradinggruppe, wie z. B. paarweiser    Tauschmittel. In «Nominal Bonds and Interest Rates
          Handel oder zentralisierter Handel. Diese Eigen-      in Search Economy» untersucht Shouyong Shi die
          schaft entscheidet über die Vielfalt der möglichen    Rolle von zinstragenden, risikofreien Staatsanleihen.
          Handelsergebnisse.                                    In der traditionellen Geldtheorie werden solche
             Um die Entstehung von Geld zu verstehen, muss      Bonds nicht mit Geld gleichgesetzt, weil unterstellt
      geklärt werden, was passiert, wenn zwei Güter mitein-     wird, dass nur «fiat money» im Gütermarkt als Zah-
      ander um den Status von Geld konkurrenzieren. Die         lungsmittel akzeptiert wird. Diese Annahme ist nur so
      Kosten der Geldhaltung entscheiden darüber, welches       lange unproblematisch, als die Wirksamkeit geldpoli-
      Geld als schlecht und welches als gut betrachtet wird.    tischer Massnahmen nicht davon abhängt. Um dies zu
      Gutes Geld birgt ein kleineres Abwertungsrisiko als       überprüfen, stellt Shi zwei Modelle vor, in denen «fiat
      schlechtes Geld. Unbestritten im Wettbewerb der           money» im Gleichgewicht mit zinstragenden risi-
      Gelder ist die Grundannahme einer rationalen Geld-        kofreien Staatsanleihen existiert. Im ersten Modell
      haltung. Danach versuchen die Marktteilnehmer,            werden «matured bonds» als perfektes Substitut für
      schlechtes Geld loszuwerden. Weil alle versuchen,         Geld genutzt. Ein solches Modell zeichnet sich durch
      schlechtes Geld loszuwerden, zirkuliert mehr davon.       ein Kontinuum an Gleichgewichten aus. Im zweiten
      Das gute Geld wird dagegen für zukünftigen Konsum         Modell zirkulieren keine «matured bonds» auf dem
      aufbewahrt. Greshams Gesetz besagt, dass schlechtes       Gütermarkt, und es gibt nur ein stationäres Gleichge-
      Geld das gute ersetzt. Dieses steht im Widerspruch zur    wicht. Auch im zweiten Modell gibt es keine Restrik-
      Beobachtung, dass in vielen Entwicklungsländern           tionen, welche verhindern, dass «matured bonds»
      mehr Dollar zirkulieren als die eigene schwache           analog zu Geld im Gütermarkt als Zahlungsmittel zir-
      Währung. Dies hat zu Hayeks (1976) Hypothese              kulieren. Weiter werden in beiden Modellen im
      geführt, dass gutes Geld das schlechte verdrängt.         Gleichgewicht neu emittierte zinstragende Bonds mit
             In «Gresham’s Law versus Currency Competi-         einem Abschlag in Höhe des Zinses gehandelt.
      tion» versuchen Gabriele Camera, Ben Craig und                  Shi untersucht den Effekt verschiedener geld-
      Chris J. Waller den Widerspruch zu erklären. Dazu         politischer Massnahmen. Besonders grosse Unter-
      stellen sie ein search-theoretisches Modell für ein       schiede ergeben sich bei Offenmarkttransaktionen.
      Land mit zwei unterschiedlich risikoreichen Währun-       Im ersten Modell erhöht ein permanentes Anheben
      gen auf. Die Autoren untersuchen, unter welchen           der Verkäufe von Bonds am Offenmarkt die Inflation.
      Bedingungen entweder Greshams Gesetz oder Hayeks          Die reale Produktion oder der Konsum bleiben unver-
      Wettbewerb der Währungen als Modellgleichgewicht          ändert. Umgekehrt hat im zweiten Modell ein Verkauf
      resultiert. Es zeigt sich, dass es schwieriger ist, das   von Bonds reale Auswirkungen. Indem der Volkswirt-
      Geldausgabemuster gemäss Gresham als Gleichge-            schaft Geld entzogen wird, sinkt die Inflation und
      wicht herbeizuführen. Dies gelingt nur unter der          erhöht den realen Output. Damit zeigt Shi, dass Geld-
      Annahme, dass der relative Kostennachteil des             politik unterschiedliche Effekte hervorruft, je nach-
      schlechten Geldes gering ist. Die Begründung für          dem, ob Geld alleine als Zahlungsmittel verwendet
      einen relativen Kostennachteil von schlechtem Geld        wird oder auch Bonds auf dem Gütermarkt akzeptiert
      liegt darin, dass der Käufer von Gütern mit der Stra-     werden. Daraus folgt, dass die Rolle von Bonds als
      tegie, riskantes Geld zuerst auszugeben, das Risiko       Zahlungsmittel nicht exogen fixiert, sondern modell-
      zum Verkäufer hin transferiert. Letztgenannter ver-       endogen bestimmt werden muss.

SNB   81     Quartalsheft 4/2002
Die Analyse der Wirkungen geldpolitischer Mass-                       2.2 Dem Search-Ansatz nicht
nahmen in einem search-theoretischen Modell stellt                              zuzuordnende Beiträge
eine grosse Herausforderung dar. «A Unified Frame-
work for Monetary Theory and Policy Analysis» von                                  Im neuen Konzept der SNB sind die Inflations-
Ricardo Lagos und Randall Wright hat zum Ziel, einen                        prognosen der wichtigste Indikator für die Geldpoli-
einheitlichen Modellrahmen zu entwickeln, in dem                            tik. Jede Prognose leidet indessen unter demselben
Geld essenziell ist und der zugleich erlaubt, geldpoli-                     Dilemma. Die Ergebnisse können nur so zuverlässig
tische Fragen wie in klassischen Makromodellen zu                           sein wie die dafür verwendeten Daten. Ein wichtiger
untersuchen. Die Schwierigkeit besteht darin, Geld                          Test auf Tauglichkeit von Modellen und den aus ihnen
als vollständig teilbar zu modellieren.11 Die bisheri-                      abgeleiteten Verhaltensregeln besteht darin, die
gen Search-Modelle mit vollständig teilbarem Geld                           Reaktion der Modellergebnisse auf eine Änderung von
ergaben sehr komplexe Geldnachfragefunktionen,                              Inputdaten zu untersuchen. In «Measurement Errors
welche nur numerisch berechnet werden konnten. Die                          in GDP and Forward-Looking Monetary Policy: The
einzige Ausnahme ist Shi (1997), der das Problem                            Swiss Case» untersuchen Thomas J. Jordan, Peter
über eine Strukturierung der Agenten löst, indem er                         Kugler, Carlos Lenz und Marcel Savioz, wie der gesamt-
«grosse Haushalte» einführt. Um dies einfacher zu                           wirtschaftliche Output in vorausschauenden geld-
lösen, bedienen sich Lagos und Wright eines anderen                         politischen Regeln zu gewichten sei, unter der An-
Tricks. Im Gegensatz zu herkömmlichen search-theo-                          nahme, dass der Output Messfehlern unterliegt. Als
retischen Modellen nehmen sie an, dass zwischen den                         Messfehler fallen in der Praxis vor allem Datenrevisio-
dezentral stattfindenden Verhandlungsrunden ein                             nen und Fehleinschätzungen am aktuellen Rand
zentralisierter Handel eingeschaltet wird. Nach dem                         infolge eines kleinen Erhebungsrhythmus ins Ge-
dezentralen Handel sind die Geldbestände unter-                             wicht. Messfehler im Konsumentenpreis-Index sind
schiedlich über die Agenten verteilt. Der zentrali-                         daher weniger wichtig, da Teuerungsdaten häufiger
sierte Handel sorgt dafür, dass alle Agenten wieder                         erhoben und weniger stark revidiert werden. Zur
über denselben Geldbetrag verfügen. Damit erhalten                          Klärung dieser Frage verwenden die Autoren ein klei-
die Autoren wieder ein Modell mit einem repräsenta-                         nes strukturelles VAR-Modell. Ohne Messfehler stellt
tiven Agenten, wie es in den meisten klassischen                            sich ein Trade-Off zwischen Inflations- und Outputvo-
Makromodellen üblich ist. Diese Rückführung in eine                         latilität ein. Wenn die Geldpolitik der Outputstabili-
Situation mit einem repräsentativen Agenten ist zwar                        sierung ein hohes Gewicht beimisst, dann ergibt sich
einschränkend. Sie hat aber den grossen Vorteil, dass                       eine hohe Volatilität der Inflation. Wenn hingegen
sich die Analyse der Geldpolitik wesentlich verein-                         das Inflationsziel stark gewichtet wird, dann resul-
facht. Ihr Modell basiert weiterhin auf mikroökono-                         tiert eine hohe Outputvolatilität. Sobald aber die
mischen Friktionen, erlaubt aber gleichzeitig interes-                      Outputbestimmung fehlerhaft ist, gilt dieser Trade-
sante geldpolitische Analysen durchzuführen.                                Off nicht mehr für alle Outputgewichte. Vielmehr gilt,
      Um zu zeigen, dass ihr Modell geeignet ist, auch                      dass bei einer starken Outputgewichtung die erhöhte
empirische Fragen der Geldpolitik zu untersuchen,                           Outputvolatilität die Inflationsvolatilität nicht redu-
kalibrieren die beiden Autoren ihr Modell, um die                           ziert, sondern erhöht. Im Weiteren wird gezeigt, dass
(negativen) Wohlfahrtseffekte der Inflation zu schät-                       sich eine Fehlbeurteilung des Potenzialoutputs gleich
zen12. Zu ihrer Überraschung finden sie, dass diese                         auswirkt wie eine fehlerhafte Outputschätzung. Die
bedeutend grösser sind, als walrasianische Makromo-                         Geldpolitik reagiert auf ein falsches Signal und
delle prognostizieren. Die Autoren zeigen, dass auf                         erhöht dadurch die Volatilität sowohl des Outputs als
der Ebene des Tausches Inflation bedeutend grössere                         auch der Inflation.
Verzerrungen verursacht als bisher angenommen.                                     In «Inflation and Inequality» führt Stefania
Somit kann eine mikrofundierte, auf expliziten Infor-                       Albanesi unterschiedliche Inflationsniveaus auf den
mationsfriktionen basierte Geldtheorie zu ganz ande-                        einkommensabhängigen Gebrauch von Zahlungstech-
ren quantitativen Aussagen kommen als die traditio-                         nologien zurück. Eine Vielzahl von Studien findet,
nelle Makroökonomie.                                                        dass die Geldhaltung bei höheren Einkommensschich-
                                                                            ten weniger Kosten verursacht als bei tieferen Ein-
                                                                            kommen. Als Gründe gelten v. a. mit der Geldsumme
                                                                            steigende Grenzerträge im Cash Management sowie
                                                                            ein erleichterter Zugang zu finanztechnischen Inno-
                                                                            vationen. Diese ermöglichen, sich gegen das Infla-

11 In einem search-theoreti-          beständen der aufeinander tref-       zwar ausgezeichnet das Wesen ei-    12 Dies ist eine klassische Frage
schen Modell mit vollständig teil-    fenden Wirtschaftssubjekte ab-        ner Geldwirtschaft erklären konn-   der empirischen Geldtheorie.
barem Geld tauchen folgende           hängt. Um diese Problematik zu        ten, aber nur beschränkt geeignet   Eine Übersicht der bisherigen
analytische Schwierigkeiten auf:      umgehen, haben die frühen             waren, um geldpolitische Mass-      Forschung findet man in Lucas
Erstens entsteht eine nichtdege-      search-theoretischen Modelle der      nahmen zu untersuchen. Lagos        (2000).
nerierte Geldverteilung, welche       Geldtheorie angenommen, dass          und Wright (2002) versuchen,
schwierig zu ermitteln ist. Zwei-     Geld nicht teilbar ist. Zusätzlich    diesen Schwierigkeiten auszuwei-
tens gilt das Gesetz des einheitli-   waren die Annahmen über die           chen und gleichzeitig das Wesent-
chen Preises («the law of one         erlaubte Geldhaltung der Wirt-        liche der Search-Modelle beizube-
price») nicht mehr, da die Ver-       schaftssubjekte restriktiv. Das hat   halten.
handlungslösung von den Geld-         dazu geführt, dass diese Modelle

                               SNB    82        Quartalsheft 4/2002
tionsrisiko abzusichern. Tiefere Einkommensschich-               Ausserdem finden die Autoren, dass im Unter-
      ten halten in der Regel mehr Bargeld im Verhältnis zu     schied zum klassischen «Real Business Cycle»-Bild ein
      ihrem Vermögen. Deshalb sind sie der Inflation            positiver Technologieschock zu einem Anstieg des
      unmittelbar ausgesetzt. Eine hohe Inflation fördert       Outputs, der Kapitalauslastung, der Investitionen
      diese Einkommensungleichheit zusätzlich.                  und der Beschäftigung führt. Dies ist vor allem eine
            In Querschnittsvergleichen über verschiedene        Folge der Modellannahme, dass die Notenbanken bei
      Länder kommt die positive Korrelation zwischen            einem positiven Technologieschock die Geldmenge
      Inflation und Einkommensungleichheit deutlich zum         erhöhen. Ein solcher expansiver politikinduzierter
      Ausdruck. Dies gilt für verschiedene Masse der Ein-       Geldmengenschock führt zu einem vorübergehenden
      kommensungleichheit. Nach Albanesi gründet diese          Anstieg im Konsum, der Investitionen, der Beschäfti-
      Korrelation im Verteilungskonflikt über die Finanzie-     gung und der Kapazitätsauslastung. Die Zinsen bilden
      rung von Staatsausgaben. Der Staat kann diese ent-        sich zurück. Nach einem kurzfristigen Rückgang
      weder über Steuern oder über die Inflation finanzie-      steigt die Inflationsrate langsam an und erreicht
      ren. Welche Fiskalpolitik angewendet und damit            ihren Höhepunkt rund zwei Jahre nach dem Schock.
      indirekt wie viel Inflation letztlich akzeptiert wird,    Bei einem positiven Technologieschock überwiegt der
      entscheidet sich im politischen Prozess. Dieser ist als   über die Geldpolitik ausgelöste positive Beschäfti-
      sequentielles Verhandlungsspiel modelliert, wobei         gungseffekt den negativen Effekt steigender Arbeits-
      der politische Einfluss als Funktion der ökonomischen     produktivität.
      Stärke dargestellt wird. Tiefere Einkommensschichten             Die Frage, ob eine Notenbank auf Aktienpreise
      haben mehr Anreize, gegen die Inflation zu stimmen,       reagieren sollte, gewann in jüngster Zeit an Aktua-
      befinden sich aber in einer schwächeren Verhand-          lität. Bernanke und Gertler (2001) untersuchten die
      lungsposition. Der Umstand, dass in Ländern mit           Wirkungsweise verschiedener geldpolitischer Regeln
      grosser Einkommensungleichheit oft auch hohe In-          mit und ohne Berücksichtigung von Aktienbewertun-
      flation herrscht, wird somit auf Unterschiede in der      gen. Sie kommen zum Schluss, dass eine Notenbank
      Bargeldhaltung und in der Einflussnahme auf den           nicht direkt auf Aktienpreise reagieren sollte. Erhöhte
      politischen Entscheidungsprozess zurückgeführt.           Aktienpreise heben die Nachfrage und wirken schliess-
            In «An Estimated Dynamic, General Equilibri-        lich inflationär. In einer traditionellen Taylorregel
      um Model for Monetary Policy Analysis» entwickeln         werden die Aktienpreise daher bereits in dem Mass
      David Altig, Larry J. Christiano, Martin Eichenbaum       berücksichtigt, wie sie sich auf die Inflation aus-
      und Jesper Linde ein dynamisches generelles Gleich-       wirken. Eine zusätzliche Berücksichtigung erscheint
      gewichtsmodell mit einer Vielzahl von Friktionen wie      ihnen nicht notwendig. In «Imperfect Capital Mar-
      Preis- und Lohnrigiditäten13. Das Modell erlaubt          kets and Nominal Wage Rigidities» untersuchen
      Finanzmarktschocks (v. a. geldpolitische Schocks)         Charles T. Carlstrom und Timothey S. Fuerst dieselbe
      und andere Schocks (transitorische und permanente         Frage anhand eines allgemeinen Gleichgewichtsmo-
      Technologieschocks sowie Schocks in der Marktmacht        dells. In diesem wird der Kapitalmarkt als unvollkom-
      von Unternehmen oder von Arbeitnehmern) zu unter-         men angenommen, d. h. nicht jeder Nachfrager erhält
      suchen. Dabei wird die Reaktion auf die verschiede-       genügend Kredit. Zudem sind die Löhne gemäss Calvo
      nen Schockarten durch VAR modelliert. Anschlies-          nominal rigide. Unter diesen Annahmen finden die
      send wird ein dynamisches Gleichgewichtsmodell so         Autoren, dass es wohlstandsfördernd ist, wenn eine
      parametrisiert, dass es die aus dem VAR-Modell stam-      Zentralbank die Aktienkurse mitberücksichtigt. Der
      menden dynamischen Reaktionen möglichst genau             Grund ist, dass in unvollkommenen Märkten die Ak-
      reproduziert.                                             tienpreise die Fähigkeit zur Unternehmensfinanzie-
            Die Modellresultate zeigen, dass geldpolitische     rung beeinflussen und infolgedessen reale Wirkungen
      Schocks nur einen kleinen Teil der Output-Varianz in      zeitigen können. Diese wiederum können eine Noten-
      den Daten erklären können. Im Gegensatz dazu              bank zu Interventionen veranlassen.
      erklären technologische Schocks rund die Hälfte der              Warum ist eine Währungsunion erfolgreich und
      Output-Varianz. Allerdings stehen die Technologie-        eine andere nicht? In «Time Inconsistency and the
      schocks in Zusammenhang mit langfristigen Frequen-        Incentives for Free-Riding in a Monetary Union»
      zen und erklären somit nicht die kürzerfristige, dem      argumentieren V. V. Chari und Patrick J. Kehoe, dass
      Konjunkturzyklus zuzuschreibende Dynamik.                 ein wichtiges Element zur Beantwortung dieser Frage
                                                                in der Zeitkonsistenz der Geldpolitik liegt. Ist diese
                                                                nicht gegeben, so entsteht ein Freerider-Problem.

      13 Die Rigidität der Löhne wird
      wie in Calvo (1983) modelliert.
      Dies bedeutet, dass nur ein
      bestimmter Anteil von Arbeitneh-
      mern die Löhne zu jedem Zeit-
      punkt verändern kann. Die übri-
      gen Löhne entwickeln sich
      parallel zur Inflation.

SNB   83        Quartalsheft 4/2002
Entscheidet nämlich jeder Staat in einer Währungs-        3    Schlussbemerkungen
union autonom über die Fiskalpolitik, die Regulie-
rung der unionsweit tätigen Banken oder die Arbeits-            Die Konferenz umfasste ein breites Spektrum
marktpolitik, so entsteht ein Anreiz, diese nicht-        von aktuellen Forschungsbeiträgen. Für die Zukunft
monetären Politikbereiche so zu wählen, dass daraus       wäre es verdienstvoll, wenn versucht würde, «Labor»
eine höhere Inflation resultiert als unter Koopera-       und «Notfallstation» näher zueinander zu rücken.
tion.                                                     Einige akute «Notfälle» drängen sich als Studienob-
      Während die Vorteile einer laschen Wirtschafts-     jekt geradezu auf. Das Instrumentarium der Search-
politik auf Ebene der Einzelstaaten anfallen, sind die    Theorie würde sich etwa eignen, den Transmissions-
späteren Kosten in Form einer höheren Inflation von       mechanismus der Geldpolitik zu überdenken und
der Union zu tragen. Diese Zeitinkonsistenz kann ver-     vermehrt die mikroökonomischen Informationsfrik-
hindert werden, wenn der nichtmonetären Politik           tionen zu analysieren, die zu einer asymmetrischen
Restriktionen auferlegt werden, z. B. eine Verschul-      Wirkung der Geldpolitik führen. Auch liessen sich
dungsgrenze. Solche Auflagen sind aber nicht immer        aktuelle Fragen im Zusammenhang mit dem Euro
sinnvoll. Gelingt es einer Währungsunion, eine zeit-      untersuchen. Wie ändert sich beispielsweise das Ver-
konsistente Geldpolitik zu führen (entweder über          trauen in den Euro und somit dessen Stabilität, wenn
eine unabhängige Zentralbank oder durch die Koordi-       die Osterweiterung realisiert ist? Wie entwickelt sich
nation der Finanzpolitik usw.), sind Verschuldungs-       der Wettbewerb um die Weltwährung zwischen dem
limiten nicht zweckmässig bzw. bewirken zusätzliche       Euro und dem Dollar? Schliesslich liessen sich die
Kosten. Die richtige Strategie zur Sicherung einer        Hintergründe für Erfolg oder Misserfolg neuer Zah-
Währungsunion wird damit direkt vom Umfang und            lungsmittel (z. B. e-cash) eruieren. Für die Zukunft
der Stärke der Kooperation der Mitgliedstaaten in         wäre es wünschenswert, die theoretischen Konzepte
nichtmonetären Politikfragen abhängig gemacht. Der        der Search-Theorie noch mehr auf praktische Fra-
offensichtlichste Anwendungsfall dieses Modells ist       gestellungen anzuwenden, um so dem Ziel eines bes-
die europäische Wirtschafts- und Währungsunion            seren Verständnisses eines monetären Systems näher
(EWWU). Daneben wurden andere Anwendungen dis-            zu kommen.
kutiert. Mit Hilfe dieses Modells könnte etwa das
Moral-Hazard-Problem beim Internationalen Wäh-
rungsfonds (IWF) analysiert werden.

                      SNB   84      Quartalsheft 4/2002
Literaturverzeichnis                                      Vorgestellte Konferenzbeiträge
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SNB   85     Quartalsheft 4/2002
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