Search-Theorie und angewandte Wirtschaftsforschung
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Search-Theorie und angewandte Wirtschaftsforschung Marlene Amstad, Ressort Forschung, Schweizerische Nationalbank, Zürich und Aleksander Berentsen, Universität Basel Die Autoren danken Aline Chabloz, Samuel Reynard, Enzo Rossi und Marcel Savioz für die wertvollen Kommentare und Anregungen. SNB 76 Quartalsheft 4/2002
Einleitung 1 Search-Theorie Im Sommer 2002 fand bei der Schweizerischen «Zuerst lebte der Mensch in einer Tauschwirt- Nationalbank (SNB) der «SNB-Fed Cleveland Work- schaft und aufgrund der Arbeitsteilung entwickelte shop on Monetary Economics» statt. In den letzten sich Geld». Mit dieser kurzen Begründung für das Ver- Jahren hat sich in der Geldtheorie ein neuer Ansatz wenden von Geld geben sich viele Ökonomen zufrie- entwickelt, welcher als search-theoretischer Ansatz den. Die Search-Theorie macht einen Schritt zurück in der Geldtheorie bekannt wurde. Dieser hat sich in die Zukunft und unternimmt den Versuch, Geld nicht kürzester Zeit als wichtige Richtung in der Geldtheo- einfach als gegeben hinzunehmen, indem es z. B. in rie etabliert. Er hatte aber bisher kaum Einfluss auf die Nutzenfunktion eingefügt wird, sondern die Exis- die in der geldpolitischen Praxis üblicherweise ver- tenz von Geld mikroökonomisch als Reaktion auf wendeten empirischen Modelle. Aus diesem Grunde Informationsfriktionen zu begründen. Neil Wallace, legten die Organisatoren David Altig (Federal Reserve einer der Pioniere der Search-Theorie, hat die Search- Bank of Cleveland), Aleksander Berentsen (Univer- Theorie als Labor charakterisiert. Search-Ökonomen sität Basel) und Thomas Jordan (SNB) den Konferenz- sind mit Biologen vergleichbar. Sie kontrollieren schwerpunkt auf die Verbindung der Search-Theorie sämtliche Bedingungen in ihrem Labor. Sie interes- mit der angewandten Wirtschaftsforschung. sieren sich für die Atome – die einzelnen Wirtschafts- Der vorliegende Übersichtsartikel ist wie folgt subjekte – und ihren Umgang mit Geld. Sie beschäfti- aufgebaut. Zunächst wird kurz auf die Ziele und Pro- gen sich damit, wann Geld verwendet wird, um Güter bleme der Search-Theorie eingegangen. Daran an- zu tauschen und welche Friktionen den monetären schliessend werden die Beiträge der Konferenz vor- Tausch erschweren oder gar verhindern. Ihr Ziel ist gestellt. es, neue Grundlagenkenntnisse zu entwickeln. Tradi- tionelle Makroökonomen wie auch Zentralbanker sind dagegen eher mit Ärzten in einer Notfallstation zu vergleichen. Die Aktivitäten der Laborforscher wer- den im Allgemeinen eher selten ausserhalb des Labors diskutiert. Nachfolgend wird deshalb zunächst das Wesen der Search-Theorie kurz besprochen. 1.1 Das Wesen der Search-Theorie Die Search-Theorie1 ist ein vergleichsweise jun- ger Forschungszweig. Sie beschäftigt sich mit den Voraussetzungen zur Entstehung oder Scheitern von Geld. Geld hat drei Funktionen. Es ist ein Tauschmit- tel, dient als Rechnungseinheit sowie der Wertaufbe- wahrung. Die beiden Letztgenannten lassen sich rela- tiv einfach in ein Modell einfügen. Die Modellierung der Transaktionsfunktion ist viel anspruchsvoller. Bereits Karl Brunner und Alan Meltzer stellten fest: «One of the oldest unresolved problems of monetary theory is to explain the use and holding of money.»2 Die Schwierigkeit, den Nutzen von Geld zu modellie- ren, rührt daher, dass Geld kein gewöhnliches Gut ist. Der Nutzen aus Gütern erfolgt direkt, indem man sie konsumiert. Der Nutzen aus der Geldhaltung entsteht hingegen erst indirekt über den Kauf von Gütern. Ein Modell, in dem Geld angemessen abgebildet ist, muss folglich eine mikroökonomische Theorie des Tausches beinhalten. 1 In der Arbeitsmarkttheorie 2 Zitat aus Nagatani gibt es eine gleichnamige (1978, S. 1). Theorie. Diese steht mit dem hier verwendeten Begriff in keinem Zusammenhang. SNB 77 Quartalsheft 4/2002
Voraussetzung für die Verwendung eines Zah- Wirkung der Geldpolitik davon abhängt, ob Bonds lungsmittels ist, dass die Beteiligten dasselbe Gut als als Zahlungsmittel akzeptiert werden oder nicht, oder Geld akzeptieren. Dafür müssen bestimmte Bedingun- dass die Wohlfahrtsverluste der Inflation bedeutend gen herrschen. Die meisten walrasianischen Makro- grösser sind, wenn man die mikroökonomischen modelle vernachlässigen diese Bedingungen. Sie Effekte mitberücksichtigt. unterstellen, dass Güter- und Dienstleistungen nur In einer Reihe von bahnbrechenden Artikeln gegen Geld gehandelt werden («cash-in-advance»- haben Kyotaki und Wright (1989, 1991, 1993) aus Modelle)3 oder dass es Geld gibt und einen direkten zahlreichen Vorarbeiten den noch heute gültigen Nutzen stiftet («money in the utility function»- Rahmen für die search-theoretischen Gleichgewichts- Modelle). Die Möglichkeit eines Vertrauensverlusts in modelle erarbeitet. In einem search-theoretischen eine Währung (Währungskrisen) und deren Folgen für Modell treffen heterogene Tauschpartner zufällig auf- den Tausch, das Entstehen oder Verschwinden von einander. Dabei entsteht das typische Tauschproblem Parallelwährungen, die Voraussetzungen für die er- der fehlenden doppelten Koinzidenz der Wünsche folgreiche Einführung einer neuen Währung (z. B. («double-coincidence of wants»). Im Search-Ansatz Euro) lassen sich in diesen Modellen nicht untersu- wird gezeigt, dass ein allgemein akzeptiertes Tausch- chen. Search-Ökonomen versuchen, diese Lücken der mittel dieses Problem lösen kann und dabei die Wohl- traditionellen Theorie zu schliessen. fahrt erhöht, indem es die Suchkosten für eine er- Ein zentrales Ziel des Search-Ansatzes ist es, folgreiche Transaktion verringert. Zentrale Elemente diejenigen Friktionen zu ermitteln, die dafür verant- in Search-Modellen sind die Eigenschaften der ge- wortlich sind, dass Geld essenziell («essential») ist. handelten Güter, die Anzahl der Agenten, ihre Geld ist essenziell, wenn es Allokationen zulässt, die Lebensdauer und Interaktionen, ihre Suchintensität ohne Geld nicht erreichbar wären, weil die Partizipa- und ihr Spezialisierungsgrad. Die vielleicht wichtigs- tionsrestriktionen der Wirtschaftssubjekte verletzt ten Elemente sind die endogenen Erwartungen der würden.4 In einer walrasianischen friktionslosen Öko- Agenten, welche entscheidend sind für die Akzeptanz nomie gibt es keine Informationsprobleme; jeder eines Zahlungsmittels, und die Art der Informations- Agent kann jederzeit mit allen anderen Verträge friktionen, welche den Tausch erschweren. abschliessen und diese auch durchsetzen. In einer solchen Ökonomie ist Geld nicht essenziell. Der Ver- käufer übergibt die verlangte Ware, ohne Geld zu ver- langen. Er ist sich aufgrund der vollständigen Infor- mation gewiss, dass der Käufer gewillt und in der Lage ist (durchsetzbare Verträge), ihn später mit einem von ihm gewünschten Gut zu versorgen. In einer solchen reibungslosen Ökonomie ist jede Güter- allokation, welche die Partizipationsrestriktionen der Wirtschaftssubjekte erfüllt, auch ohne die Verwen- dung eines Zahlungsmittels erreichbar. Erst die Exi- stenz von Friktionen macht Geld unentbehrlich. Die zweite Zielsetzung der Search-Theorie ist zu untersuchen, inwieweit die «short cuts» der traditio- nellen Makroökonomie (die vereinfachte Weise, wie Geld in herkömmlichen Makromodellen modelliert wird) zulässig sind. Insbesondere stellt sich die Frage, inwieweit diese «short cuts» die Ergebnisse empirischer Untersuchungen verzerren. Die zentrale These der Search-Theorie ist, dass die mikroökonomi- sche Struktur der Wirtschaft und speziell des Finanz- sektors und die Art der Informationsfriktionen in der Wirtschaft einen Einfluss auf den Transmissionsme- chanismus und damit auf die Effektivität geldpoliti- scher Massnahmen haben. In den weiter unten disku- tierten Beiträgen zeigt sich beispielsweise, dass die 3 In «cash-in-advance»-Model- 4 Eine Partizipationsrestriktion len sind Güter- und Geldmarkt besagt im Wesentlichen, dass kein räumlich und zeitlich getrennt. Wirtschaftssubjekt gezwungen Es wird zudem implizit unterstellt, werden kann, einen Tausch zu dass Geld auf dem Gütermarkt akzeptieren. Jede Transaktion notwendig ist. muss freiwillig erfolgen. SNB 78 Quartalsheft 4/2002
1.2 Gewinn der Mikrofundierung für 1.3 Verhältnis zwischen Search- und die monetäre Forschung klassischer monetärer Makrotheorie Verstehen wir die Voraussetzungen, unter Search- und klassische monetäre Makrotheorie denen ein monetärer Tausch zustande kommt, dann ergänzen sich weitgehend. Wie sich ihr Verhältnis in erhalten wir auch ein konsistenteres und tieferes Ver- Zukunft entwickeln wird, ist offen. Die Search-Theo- ständnis der Funktionsweise und Mängel eines Geld- rie verfolgt das Bottom-Up-Prinzip. Sie widmet sich systems. Der Nutzen einer Mikrofundierung ergibt der mikroökonomischen Zusammenhänge und Funk- sich vor allem aus den folgenden zwei Aspekten: tionsweise des monetären Systems. Sie nimmt nicht (a) In der traditionellen Geldtheorie wird Geld einfach einfach reibungslose (walrasianische) Märkte an, in eine Nutzen- oder Produktionsfunktion einge- sondern beschäftigt sich explizit mit den verschiede- setzt. Geld stiftet definitionsgemäss Nutzen. Im nen Informationsfriktionen, welche das Wirtschafts- Falle vollständiger Informationen wäre Geld aber leben prägen. Das Verhalten von Individuen ist zen- gar nicht notwendig5. Ein Modell, das einen frik- tral. Demgegenüber beruht die Makroökonomie auf tionslosen (walrasianischen) Tausch unterstellt, dem Top-Down-Prinzip. Sie konzentriert sich (bei gleichzeitig aber die Verwendung von Geld definitorisch festgelegtem Nutzen des Geldes) auf die annimmt, ist daher inkonsistent. Die Mikrofundie- Simulation und Prognose aggregierter Daten. Beide rung erlaubt, solche Inkonsistenzen zu vermei- Forschungsrichtungen haben indessen dasselbe Ziel den6. vor Augen, nämlich ein funktionierendes volkswirt- (b) Eine mikrofundierte Geldtheorie kann weiter dazu schaftliches System. Der Blickwinkel ist jedoch sehr dienen, einen tieferen Einblick in Kernfragen des unterschiedlich. Während bei den Search-Ökonomen Geldwesens zu gewinnen. Zu diesen zählen die das «Warum?» (Begründung für die Existenz von Folgenden: Welche Wirkungen haben monetäre monetären Systemen) im Vordergrund steht, fragen Schocks auf die verschiedenen Wirtschaftssekto- die traditionellen Makroökonomen nach dem «Was ist ren einer Ökonomie? Welche Wirtschaftssubjekte zu tun?» (Wirtschaftspolitik). Die Antworten sind (z. B. Firmen/Haushalte oder reiche/arme Wirt- nicht unabhängig voneinander. Die Wirkung der Wirt- schaftssubjekte) tragen die Kosten einer Infla- schaftspolitik hängt unter anderem vom Aufbau und tion? Wie beeinflussen die mikroökonomischen der Funktionsweise des monetären Systems ab. Die- Strukturen des Finanzsektors (Transmissionsme- ses wiederum beeinflusst die wirtschaftspolitischen chanismus) die Wirkung der Geldpolitik (dazu Massnahmen. gehört etwa die Rolle von «Inside»- und «Outside- Money»7)? Wieso haben sich die neuen digitalen Zahlungsmittel (e-cash etc.) nur sehr beschränkt durchgesetzt? Wie führt man erfolgreich eine neue Währung ein? Was sind die wirtschaftlichen Konsequenzen einer gemeinsamen Währung oder der Dollarisierung, wie sie zurzeit in einigen lateinamerikanischen Ländern stattfindet? 5 Bei vollständiger Information schaftsring, die grösste Tausch- 7 «Inside-Money» ist Geld, das wüsste jeder, wer und wie viel handelsorganisation der Schweiz. mit Garantie in ein anderes Gut nachfragt und anbietet. Der Um- getauscht werden kann (z.B. weg über Geld wäre nicht notwen- 6 Vgl. Wallace (2001). Banknoten mit Golddeckung). dig. Reiner Tauschhandel würde «Outside-Money» ist Geld, das das monetäre System ersetzen. über keine solche Garantie ver- Vollständige Information auf fügt (z.B. Schweizer Banknoten lokalen Märkten erlaubt die Ent- seit der Aufgabe der Gold- stehung lokaler Tauschringe, wie deckung). der 1934 gegründete WIR-Wirt- SNB 79 Quartalsheft 4/2002
2 Konferenzbeiträge 2.1 Search-theoretische Beiträge In diesem Abschnitt werden die Konferenzbei- Die Zahl der mikrofundierten monetären Modelle träge näher besprochen8. Dabei werden diese nicht ist bereits gross und nimmt laufend zu. Ob dieser ausführlich zusammengefasst. Hierzu eignen sich die Vielfalt drängt sich ein Schema auf, anhand dessen «Abstracts» auf der Webpage www.moneyworkshop.ch die verschiedenen Modelle miteinander in Beziehung besser. Die Darstellungen sollen eher einen Überblick gesetzt und verglichen werden können. In «General über aktuelle Themen der monetären Wirtschaftsfor- Features of Monetary Models and their Significance» schung geben. entwirft Neil Wallace ein Schema für die Kategorisie- Zuerst werden die search-theoretischen Bei- rung von «schön mikrofundierten» Modellen. Zu- träge diskutiert. Diese können als Rechtfertigung für nächst definiert er zwei Bedingungen (Restriktionen) die Mikrofundierung der Geldtheorie und eine expli- für «nice models». Erstens muss die Art und Weise, zite Auseinandersetzung mit verschiedenen Infor- wie Agenten (Käufer und Verkäufer von Gütern) Geld mationsfriktionen aufgefasst werden9. Eine solche gebrauchen, explizit modelliert werden. Zweitens Mikrofundierung muss Geld essenziell sein, d. h. gewisse Güteralloka- – lässt Inkonsistenzen vermeiden und ermöglicht tionen dürfen ohne «fiat money» nicht zustande einen tieferen Einblick in die Geldtheorie (Wal- kommen. An der ersten Restriktion scheitern «cash- lace); in-advance»-Modelle und solche, welche die reale – erklärt, wann gutes Geld schlechtes Geld ver- Geldhaltung als Argumente in die Produktions- oder drängt und umgekehrt (Camera, Craig, Waller); Nutzenfunktion einbauen. Modelle, die einen der vie- – ermöglicht, die Wirkung geldpolitischer Massnah- len anderen denkbaren Wege zum Gütertausch ohne men in Abhängigkeit davon zu untersuchen, ob Geld beschreiben, verletzen die zweite Restriktion. nur «fiat money»10 oder auch Bonds als Tauschmit- Der Grund, weshalb nur Modelle, die diese beiden tel akzeptiert werden (Shi); Bedingungen erfüllen, als «schön» gelten, ist, dass – erlaubt die Entwicklung eines Rahmens für ein sie implizite Inkonsistenzen vermeiden helfen. Über- mikrofundiertes Search-Modell, das auch Politik- dies ermöglichen sie neue Einsichten. In einem analysen erlaubt (Lagos und Wright). monetären Modell, in dem Geld essenziell ist, können Die Konferenzbeiträge, die der traditionellen mo- z. B. nicht gleichzeitig vollkommene Kreditmärkte netären Makroökonomie zuzuordnen sind, haben sich unterstellt werden, da diese perfekte und vollstän- mit folgenden Themen befasst: dige Informationen voraussetzen. Deshalb ist man – Beeinflussung der Geldpolitik durch eine unge- gezwungen, in einem Modell mit Geld auch die in der naue Schätzung des Potenzialoutputs (Jordan, Realität beobachtbare Unvollkommenheit der Kredit- Kugler, Lenz, Savioz); märkte zu modellieren. Dies gewährt neue Einsichten – Inflation und Ungleichheit (Albanesi); in die Abläufe des monetären Handels. So wird die – Interpretation verschiedener Typen von Schocks Fiskalpolitik unter der Annahme fehlender Transpa- in einem allgemeinen Gleichgewichtsmodell (Altig, renz (Monitoring) einen schweren Stand haben, weil Christiano, Eichenbaum, Linde); das Eintreiben von Steuern erheblich erschwert ist. – Aktienpreise und Geldpolitik (Carlstrom, Fuerst); Mit anderen Worten bestimmen die Eigenschaften, – Warum ist eine Währungsunion erfolgreich, eine die Geld essenziell machen, auch die Funktionsweise andere nicht? (Chari, Kehoe). der Kreditmärkte und die Machbarkeit wirtschaftspo- litischer Massnahmen. «Schön mikrofundierte» Modelle lassen sich anhand von drei Eigenschaften klassieren: (a) dem Ausmass und der Art der idiosynkratischen Unsicherheit. Search-Modelle untersuchen oft Situationen, in denen die Agenten über unter- schiedliche Geld- oder Güterbestände verfügen. Die Ungleichheit der Wirtschaftssubjekte in Geld- und Güterbeständen gründet auf ihren unter- schiedlichen Handelsmöglichkeiten. Diese lassen sich ihrerseits auf verschiedene Formen von Unsi- cherheit zurückführen. Diese Unsicherheiten wer- 8 Bei allen Beiträgen handelt es 10 «Fiat money» ist ein sich um Entwürfe. Zahlungsmittel, das intrinsisch wertlos ist. 9 Für eine generelle Übersicht Es hat keine Deckung. über die Argumente zugunsten einer Mikrofundierung siehe Wallace (2001). SNB 80 Quartalsheft 4/2002
den als zufällige Treffen der Agenten oder Schocks langt dafür einen höheren Preis. Dies führt zu einem in den Präferenzen modelliert. Konsumverlust beim Käufer. Je nachdem wie hoch (b) dem Grad des Monitorings (Grad der Transparenz), dieser ist, hat der Käufer einen Anreiz, zuerst das der davon abhängt, ob vergangene Aktionen weniger riskante (gute) Geld zu benutzen. Zwar ist beobachtbar sind und daher als allgemein bekannt dieses Modell relativ abstrakt. Trotzdem gewährt es betrachtet werden können. Der Grad des Monito- konkrete Einblicke in Ausmass und zeitlichen Verlauf rings entscheidet über den Grad der Friktionen des der Dollarisierung in Entwicklungsländern. Es zeigt Kreditmarktes. Ohne Monitoring würde niemand numerisch, wie die Umlaufgeschwindigkeit der Heim- einen Kredit gewähren wollen, während bei per- währung erst dann sinkt, wenn das mit ihr verbun- fektem Monitoring Geld nicht essenziell sein kann. dene Risiko markant zunimmt oder die Märkte unter Weil in der Realität Kredit und Geld zu beobachten zunehmenden Friktionen leiden. sind, muss für ein «schönes Modell» ein konsis- Nebst Fremd- und Heimwährungen stehen tentes, mittleres Monitoring gefunden werden. manchmal auch Staatsanleihen im Wettbewerb als (c) der Grösse der Tradinggruppe, wie z. B. paarweiser Tauschmittel. In «Nominal Bonds and Interest Rates Handel oder zentralisierter Handel. Diese Eigen- in Search Economy» untersucht Shouyong Shi die schaft entscheidet über die Vielfalt der möglichen Rolle von zinstragenden, risikofreien Staatsanleihen. Handelsergebnisse. In der traditionellen Geldtheorie werden solche Um die Entstehung von Geld zu verstehen, muss Bonds nicht mit Geld gleichgesetzt, weil unterstellt geklärt werden, was passiert, wenn zwei Güter mitein- wird, dass nur «fiat money» im Gütermarkt als Zah- ander um den Status von Geld konkurrenzieren. Die lungsmittel akzeptiert wird. Diese Annahme ist nur so Kosten der Geldhaltung entscheiden darüber, welches lange unproblematisch, als die Wirksamkeit geldpoli- Geld als schlecht und welches als gut betrachtet wird. tischer Massnahmen nicht davon abhängt. Um dies zu Gutes Geld birgt ein kleineres Abwertungsrisiko als überprüfen, stellt Shi zwei Modelle vor, in denen «fiat schlechtes Geld. Unbestritten im Wettbewerb der money» im Gleichgewicht mit zinstragenden risi- Gelder ist die Grundannahme einer rationalen Geld- kofreien Staatsanleihen existiert. Im ersten Modell haltung. Danach versuchen die Marktteilnehmer, werden «matured bonds» als perfektes Substitut für schlechtes Geld loszuwerden. Weil alle versuchen, Geld genutzt. Ein solches Modell zeichnet sich durch schlechtes Geld loszuwerden, zirkuliert mehr davon. ein Kontinuum an Gleichgewichten aus. Im zweiten Das gute Geld wird dagegen für zukünftigen Konsum Modell zirkulieren keine «matured bonds» auf dem aufbewahrt. Greshams Gesetz besagt, dass schlechtes Gütermarkt, und es gibt nur ein stationäres Gleichge- Geld das gute ersetzt. Dieses steht im Widerspruch zur wicht. Auch im zweiten Modell gibt es keine Restrik- Beobachtung, dass in vielen Entwicklungsländern tionen, welche verhindern, dass «matured bonds» mehr Dollar zirkulieren als die eigene schwache analog zu Geld im Gütermarkt als Zahlungsmittel zir- Währung. Dies hat zu Hayeks (1976) Hypothese kulieren. Weiter werden in beiden Modellen im geführt, dass gutes Geld das schlechte verdrängt. Gleichgewicht neu emittierte zinstragende Bonds mit In «Gresham’s Law versus Currency Competi- einem Abschlag in Höhe des Zinses gehandelt. tion» versuchen Gabriele Camera, Ben Craig und Shi untersucht den Effekt verschiedener geld- Chris J. Waller den Widerspruch zu erklären. Dazu politischer Massnahmen. Besonders grosse Unter- stellen sie ein search-theoretisches Modell für ein schiede ergeben sich bei Offenmarkttransaktionen. Land mit zwei unterschiedlich risikoreichen Währun- Im ersten Modell erhöht ein permanentes Anheben gen auf. Die Autoren untersuchen, unter welchen der Verkäufe von Bonds am Offenmarkt die Inflation. Bedingungen entweder Greshams Gesetz oder Hayeks Die reale Produktion oder der Konsum bleiben unver- Wettbewerb der Währungen als Modellgleichgewicht ändert. Umgekehrt hat im zweiten Modell ein Verkauf resultiert. Es zeigt sich, dass es schwieriger ist, das von Bonds reale Auswirkungen. Indem der Volkswirt- Geldausgabemuster gemäss Gresham als Gleichge- schaft Geld entzogen wird, sinkt die Inflation und wicht herbeizuführen. Dies gelingt nur unter der erhöht den realen Output. Damit zeigt Shi, dass Geld- Annahme, dass der relative Kostennachteil des politik unterschiedliche Effekte hervorruft, je nach- schlechten Geldes gering ist. Die Begründung für dem, ob Geld alleine als Zahlungsmittel verwendet einen relativen Kostennachteil von schlechtem Geld wird oder auch Bonds auf dem Gütermarkt akzeptiert liegt darin, dass der Käufer von Gütern mit der Stra- werden. Daraus folgt, dass die Rolle von Bonds als tegie, riskantes Geld zuerst auszugeben, das Risiko Zahlungsmittel nicht exogen fixiert, sondern modell- zum Verkäufer hin transferiert. Letztgenannter ver- endogen bestimmt werden muss. SNB 81 Quartalsheft 4/2002
Die Analyse der Wirkungen geldpolitischer Mass- 2.2 Dem Search-Ansatz nicht nahmen in einem search-theoretischen Modell stellt zuzuordnende Beiträge eine grosse Herausforderung dar. «A Unified Frame- work for Monetary Theory and Policy Analysis» von Im neuen Konzept der SNB sind die Inflations- Ricardo Lagos und Randall Wright hat zum Ziel, einen prognosen der wichtigste Indikator für die Geldpoli- einheitlichen Modellrahmen zu entwickeln, in dem tik. Jede Prognose leidet indessen unter demselben Geld essenziell ist und der zugleich erlaubt, geldpoli- Dilemma. Die Ergebnisse können nur so zuverlässig tische Fragen wie in klassischen Makromodellen zu sein wie die dafür verwendeten Daten. Ein wichtiger untersuchen. Die Schwierigkeit besteht darin, Geld Test auf Tauglichkeit von Modellen und den aus ihnen als vollständig teilbar zu modellieren.11 Die bisheri- abgeleiteten Verhaltensregeln besteht darin, die gen Search-Modelle mit vollständig teilbarem Geld Reaktion der Modellergebnisse auf eine Änderung von ergaben sehr komplexe Geldnachfragefunktionen, Inputdaten zu untersuchen. In «Measurement Errors welche nur numerisch berechnet werden konnten. Die in GDP and Forward-Looking Monetary Policy: The einzige Ausnahme ist Shi (1997), der das Problem Swiss Case» untersuchen Thomas J. Jordan, Peter über eine Strukturierung der Agenten löst, indem er Kugler, Carlos Lenz und Marcel Savioz, wie der gesamt- «grosse Haushalte» einführt. Um dies einfacher zu wirtschaftliche Output in vorausschauenden geld- lösen, bedienen sich Lagos und Wright eines anderen politischen Regeln zu gewichten sei, unter der An- Tricks. Im Gegensatz zu herkömmlichen search-theo- nahme, dass der Output Messfehlern unterliegt. Als retischen Modellen nehmen sie an, dass zwischen den Messfehler fallen in der Praxis vor allem Datenrevisio- dezentral stattfindenden Verhandlungsrunden ein nen und Fehleinschätzungen am aktuellen Rand zentralisierter Handel eingeschaltet wird. Nach dem infolge eines kleinen Erhebungsrhythmus ins Ge- dezentralen Handel sind die Geldbestände unter- wicht. Messfehler im Konsumentenpreis-Index sind schiedlich über die Agenten verteilt. Der zentrali- daher weniger wichtig, da Teuerungsdaten häufiger sierte Handel sorgt dafür, dass alle Agenten wieder erhoben und weniger stark revidiert werden. Zur über denselben Geldbetrag verfügen. Damit erhalten Klärung dieser Frage verwenden die Autoren ein klei- die Autoren wieder ein Modell mit einem repräsenta- nes strukturelles VAR-Modell. Ohne Messfehler stellt tiven Agenten, wie es in den meisten klassischen sich ein Trade-Off zwischen Inflations- und Outputvo- Makromodellen üblich ist. Diese Rückführung in eine latilität ein. Wenn die Geldpolitik der Outputstabili- Situation mit einem repräsentativen Agenten ist zwar sierung ein hohes Gewicht beimisst, dann ergibt sich einschränkend. Sie hat aber den grossen Vorteil, dass eine hohe Volatilität der Inflation. Wenn hingegen sich die Analyse der Geldpolitik wesentlich verein- das Inflationsziel stark gewichtet wird, dann resul- facht. Ihr Modell basiert weiterhin auf mikroökono- tiert eine hohe Outputvolatilität. Sobald aber die mischen Friktionen, erlaubt aber gleichzeitig interes- Outputbestimmung fehlerhaft ist, gilt dieser Trade- sante geldpolitische Analysen durchzuführen. Off nicht mehr für alle Outputgewichte. Vielmehr gilt, Um zu zeigen, dass ihr Modell geeignet ist, auch dass bei einer starken Outputgewichtung die erhöhte empirische Fragen der Geldpolitik zu untersuchen, Outputvolatilität die Inflationsvolatilität nicht redu- kalibrieren die beiden Autoren ihr Modell, um die ziert, sondern erhöht. Im Weiteren wird gezeigt, dass (negativen) Wohlfahrtseffekte der Inflation zu schät- sich eine Fehlbeurteilung des Potenzialoutputs gleich zen12. Zu ihrer Überraschung finden sie, dass diese auswirkt wie eine fehlerhafte Outputschätzung. Die bedeutend grösser sind, als walrasianische Makromo- Geldpolitik reagiert auf ein falsches Signal und delle prognostizieren. Die Autoren zeigen, dass auf erhöht dadurch die Volatilität sowohl des Outputs als der Ebene des Tausches Inflation bedeutend grössere auch der Inflation. Verzerrungen verursacht als bisher angenommen. In «Inflation and Inequality» führt Stefania Somit kann eine mikrofundierte, auf expliziten Infor- Albanesi unterschiedliche Inflationsniveaus auf den mationsfriktionen basierte Geldtheorie zu ganz ande- einkommensabhängigen Gebrauch von Zahlungstech- ren quantitativen Aussagen kommen als die traditio- nologien zurück. Eine Vielzahl von Studien findet, nelle Makroökonomie. dass die Geldhaltung bei höheren Einkommensschich- ten weniger Kosten verursacht als bei tieferen Ein- kommen. Als Gründe gelten v. a. mit der Geldsumme steigende Grenzerträge im Cash Management sowie ein erleichterter Zugang zu finanztechnischen Inno- vationen. Diese ermöglichen, sich gegen das Infla- 11 In einem search-theoreti- beständen der aufeinander tref- zwar ausgezeichnet das Wesen ei- 12 Dies ist eine klassische Frage schen Modell mit vollständig teil- fenden Wirtschaftssubjekte ab- ner Geldwirtschaft erklären konn- der empirischen Geldtheorie. barem Geld tauchen folgende hängt. Um diese Problematik zu ten, aber nur beschränkt geeignet Eine Übersicht der bisherigen analytische Schwierigkeiten auf: umgehen, haben die frühen waren, um geldpolitische Mass- Forschung findet man in Lucas Erstens entsteht eine nichtdege- search-theoretischen Modelle der nahmen zu untersuchen. Lagos (2000). nerierte Geldverteilung, welche Geldtheorie angenommen, dass und Wright (2002) versuchen, schwierig zu ermitteln ist. Zwei- Geld nicht teilbar ist. Zusätzlich diesen Schwierigkeiten auszuwei- tens gilt das Gesetz des einheitli- waren die Annahmen über die chen und gleichzeitig das Wesent- chen Preises («the law of one erlaubte Geldhaltung der Wirt- liche der Search-Modelle beizube- price») nicht mehr, da die Ver- schaftssubjekte restriktiv. Das hat halten. handlungslösung von den Geld- dazu geführt, dass diese Modelle SNB 82 Quartalsheft 4/2002
tionsrisiko abzusichern. Tiefere Einkommensschich- Ausserdem finden die Autoren, dass im Unter- ten halten in der Regel mehr Bargeld im Verhältnis zu schied zum klassischen «Real Business Cycle»-Bild ein ihrem Vermögen. Deshalb sind sie der Inflation positiver Technologieschock zu einem Anstieg des unmittelbar ausgesetzt. Eine hohe Inflation fördert Outputs, der Kapitalauslastung, der Investitionen diese Einkommensungleichheit zusätzlich. und der Beschäftigung führt. Dies ist vor allem eine In Querschnittsvergleichen über verschiedene Folge der Modellannahme, dass die Notenbanken bei Länder kommt die positive Korrelation zwischen einem positiven Technologieschock die Geldmenge Inflation und Einkommensungleichheit deutlich zum erhöhen. Ein solcher expansiver politikinduzierter Ausdruck. Dies gilt für verschiedene Masse der Ein- Geldmengenschock führt zu einem vorübergehenden kommensungleichheit. Nach Albanesi gründet diese Anstieg im Konsum, der Investitionen, der Beschäfti- Korrelation im Verteilungskonflikt über die Finanzie- gung und der Kapazitätsauslastung. Die Zinsen bilden rung von Staatsausgaben. Der Staat kann diese ent- sich zurück. Nach einem kurzfristigen Rückgang weder über Steuern oder über die Inflation finanzie- steigt die Inflationsrate langsam an und erreicht ren. Welche Fiskalpolitik angewendet und damit ihren Höhepunkt rund zwei Jahre nach dem Schock. indirekt wie viel Inflation letztlich akzeptiert wird, Bei einem positiven Technologieschock überwiegt der entscheidet sich im politischen Prozess. Dieser ist als über die Geldpolitik ausgelöste positive Beschäfti- sequentielles Verhandlungsspiel modelliert, wobei gungseffekt den negativen Effekt steigender Arbeits- der politische Einfluss als Funktion der ökonomischen produktivität. Stärke dargestellt wird. Tiefere Einkommensschichten Die Frage, ob eine Notenbank auf Aktienpreise haben mehr Anreize, gegen die Inflation zu stimmen, reagieren sollte, gewann in jüngster Zeit an Aktua- befinden sich aber in einer schwächeren Verhand- lität. Bernanke und Gertler (2001) untersuchten die lungsposition. Der Umstand, dass in Ländern mit Wirkungsweise verschiedener geldpolitischer Regeln grosser Einkommensungleichheit oft auch hohe In- mit und ohne Berücksichtigung von Aktienbewertun- flation herrscht, wird somit auf Unterschiede in der gen. Sie kommen zum Schluss, dass eine Notenbank Bargeldhaltung und in der Einflussnahme auf den nicht direkt auf Aktienpreise reagieren sollte. Erhöhte politischen Entscheidungsprozess zurückgeführt. Aktienpreise heben die Nachfrage und wirken schliess- In «An Estimated Dynamic, General Equilibri- lich inflationär. In einer traditionellen Taylorregel um Model for Monetary Policy Analysis» entwickeln werden die Aktienpreise daher bereits in dem Mass David Altig, Larry J. Christiano, Martin Eichenbaum berücksichtigt, wie sie sich auf die Inflation aus- und Jesper Linde ein dynamisches generelles Gleich- wirken. Eine zusätzliche Berücksichtigung erscheint gewichtsmodell mit einer Vielzahl von Friktionen wie ihnen nicht notwendig. In «Imperfect Capital Mar- Preis- und Lohnrigiditäten13. Das Modell erlaubt kets and Nominal Wage Rigidities» untersuchen Finanzmarktschocks (v. a. geldpolitische Schocks) Charles T. Carlstrom und Timothey S. Fuerst dieselbe und andere Schocks (transitorische und permanente Frage anhand eines allgemeinen Gleichgewichtsmo- Technologieschocks sowie Schocks in der Marktmacht dells. In diesem wird der Kapitalmarkt als unvollkom- von Unternehmen oder von Arbeitnehmern) zu unter- men angenommen, d. h. nicht jeder Nachfrager erhält suchen. Dabei wird die Reaktion auf die verschiede- genügend Kredit. Zudem sind die Löhne gemäss Calvo nen Schockarten durch VAR modelliert. Anschlies- nominal rigide. Unter diesen Annahmen finden die send wird ein dynamisches Gleichgewichtsmodell so Autoren, dass es wohlstandsfördernd ist, wenn eine parametrisiert, dass es die aus dem VAR-Modell stam- Zentralbank die Aktienkurse mitberücksichtigt. Der menden dynamischen Reaktionen möglichst genau Grund ist, dass in unvollkommenen Märkten die Ak- reproduziert. tienpreise die Fähigkeit zur Unternehmensfinanzie- Die Modellresultate zeigen, dass geldpolitische rung beeinflussen und infolgedessen reale Wirkungen Schocks nur einen kleinen Teil der Output-Varianz in zeitigen können. Diese wiederum können eine Noten- den Daten erklären können. Im Gegensatz dazu bank zu Interventionen veranlassen. erklären technologische Schocks rund die Hälfte der Warum ist eine Währungsunion erfolgreich und Output-Varianz. Allerdings stehen die Technologie- eine andere nicht? In «Time Inconsistency and the schocks in Zusammenhang mit langfristigen Frequen- Incentives for Free-Riding in a Monetary Union» zen und erklären somit nicht die kürzerfristige, dem argumentieren V. V. Chari und Patrick J. Kehoe, dass Konjunkturzyklus zuzuschreibende Dynamik. ein wichtiges Element zur Beantwortung dieser Frage in der Zeitkonsistenz der Geldpolitik liegt. Ist diese nicht gegeben, so entsteht ein Freerider-Problem. 13 Die Rigidität der Löhne wird wie in Calvo (1983) modelliert. Dies bedeutet, dass nur ein bestimmter Anteil von Arbeitneh- mern die Löhne zu jedem Zeit- punkt verändern kann. Die übri- gen Löhne entwickeln sich parallel zur Inflation. SNB 83 Quartalsheft 4/2002
Entscheidet nämlich jeder Staat in einer Währungs- 3 Schlussbemerkungen union autonom über die Fiskalpolitik, die Regulie- rung der unionsweit tätigen Banken oder die Arbeits- Die Konferenz umfasste ein breites Spektrum marktpolitik, so entsteht ein Anreiz, diese nicht- von aktuellen Forschungsbeiträgen. Für die Zukunft monetären Politikbereiche so zu wählen, dass daraus wäre es verdienstvoll, wenn versucht würde, «Labor» eine höhere Inflation resultiert als unter Koopera- und «Notfallstation» näher zueinander zu rücken. tion. Einige akute «Notfälle» drängen sich als Studienob- Während die Vorteile einer laschen Wirtschafts- jekt geradezu auf. Das Instrumentarium der Search- politik auf Ebene der Einzelstaaten anfallen, sind die Theorie würde sich etwa eignen, den Transmissions- späteren Kosten in Form einer höheren Inflation von mechanismus der Geldpolitik zu überdenken und der Union zu tragen. Diese Zeitinkonsistenz kann ver- vermehrt die mikroökonomischen Informationsfrik- hindert werden, wenn der nichtmonetären Politik tionen zu analysieren, die zu einer asymmetrischen Restriktionen auferlegt werden, z. B. eine Verschul- Wirkung der Geldpolitik führen. Auch liessen sich dungsgrenze. Solche Auflagen sind aber nicht immer aktuelle Fragen im Zusammenhang mit dem Euro sinnvoll. Gelingt es einer Währungsunion, eine zeit- untersuchen. Wie ändert sich beispielsweise das Ver- konsistente Geldpolitik zu führen (entweder über trauen in den Euro und somit dessen Stabilität, wenn eine unabhängige Zentralbank oder durch die Koordi- die Osterweiterung realisiert ist? Wie entwickelt sich nation der Finanzpolitik usw.), sind Verschuldungs- der Wettbewerb um die Weltwährung zwischen dem limiten nicht zweckmässig bzw. bewirken zusätzliche Euro und dem Dollar? Schliesslich liessen sich die Kosten. Die richtige Strategie zur Sicherung einer Hintergründe für Erfolg oder Misserfolg neuer Zah- Währungsunion wird damit direkt vom Umfang und lungsmittel (z. B. e-cash) eruieren. Für die Zukunft der Stärke der Kooperation der Mitgliedstaaten in wäre es wünschenswert, die theoretischen Konzepte nichtmonetären Politikfragen abhängig gemacht. Der der Search-Theorie noch mehr auf praktische Fra- offensichtlichste Anwendungsfall dieses Modells ist gestellungen anzuwenden, um so dem Ziel eines bes- die europäische Wirtschafts- und Währungsunion seren Verständnisses eines monetären Systems näher (EWWU). Daneben wurden andere Anwendungen dis- zu kommen. kutiert. Mit Hilfe dieses Modells könnte etwa das Moral-Hazard-Problem beim Internationalen Wäh- rungsfonds (IWF) analysiert werden. SNB 84 Quartalsheft 4/2002
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