Selbst-Monitoring der Blutglukose - Richtlinien für die Schweiz

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Selbst-Monitoring der Blutglukose - Richtlinien für die Schweiz
EMPFEHLUNGEN

Selbst-Monitoring der Blutglukose –
Richtlinien für die Schweiz
Empfehlungen der Schweizerischen Gesellschaft für Endokrinologie und Diabetologie (SGED)

           Das Selbst-Monitoring der Blutglukose (SMBG) spielt eine      amerikanischen Leitlinien, ergänzt durch vierteljährliche
           wichtige Rolle in der Diabetestherapie. Es ist als unver-     HbA1c-Bestimmung und die Besprechung vorhandener
           zichtbares Hilfsmittel im täglichen Management des            SMBG-Daten. Die strukturierte SMBG-Anwendung um-
           Typ-1-Diabetes anerkannt [1, 2]. Auch bei Typ-2-Dia-          fasste darüber hinaus ein 7-Punkte-Tagesprofil (prä-/
           betes wird SMBG als wertvolles Werkzeug für das lang-         postprandial bei jeder Hauptmahlzeit und zur Nacht) an
           fristige Erreichen der glykämischen Ziele eingestuft          drei konsekutiven Tagen vor jeder Nachuntersuchung
           [3, 4]. In neueren Metaanalysen der Schweiz und des           (Monate 1, 3, 6, 9 und 12); diese Patienten sollten dar-
           deutschen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit       über hinaus ihre Mahlzeiten, körperlichen Aktivitäten
           im Gesundheitswesen (IQWIG) zeigt sich ein statistisch        und subjektiven SMBG-Erfahrungen protokollieren. Bei
           signifikanter Effekt auf den HbA1c-Wert [4, 5]. SMBG          den Patienten, die ein strukturiertes SMBG durchführten,
           unterstützt nachweislich die Prävention akuter und chro-      waren signifikant stärkere HbA1c-Verbesserungen zu ver-
           nischer diabetischer Komplikationen [3, 4, 6].                zeichnen [21]. Dies wird dadurch erklärt, dass die struk-
           Basierend auf einer grossen Kaiser-Permanente-Studie          turierte SMBG-Anwendung deutlich aggressivere und
           und Daten der NHANES-Studie wurde von Pollock et al.          zeitnähere Anpassungen der Therapie ermöglicht [21].
           für die Schweiz eine Kosten-Nutzen-Analyse des SMBG           Auch die Resultate der St.-Carlos-Studie zeigen, dass
           bei Typ-2-Diabetes unter Behandlung mit oralen Anti-          eine strukturierte SMBG-Anwendung Patienten und Ärzte
           diabetika erstellt [7–10]. SMBG war mit einer Reduktion       ermutigt, die Therapie zu optimieren [22]. In dieser
           des HbA1c, einer Verlängerung der Lebenserwartung und         12-monatigen Studie wurden 161 Patienten mit neu
           der qualitätsadjustierten Lebenserwartung sowie einer         diagnostiziertem Typ-2-Diabetes im Verhältnis 2:1 einer
           reduzierten Inzidenz von Diabeteskomplikationen asso-         Interventionsgruppe (n = 99) oder Kontrollgruppe
           ziiert. Über einen 30-jährigen Zeitraum nahmen die di-        (n = 66) zugeordnet. In der Interventionsgruppe wurde
           rekten medizinischen Kosten bei einmal täglichem SMBG         das SMBG zur Steuerung der medikamentösen Therapie
           um 528 Fr., bei zweimal täglichem SMBG um 1650 Fr.            und zur Unterstützung der Patienten bei der Lebens-
           und bei dreimal täglichem SMBG um 2899 Fr. zu. Die            stiländerung eingesetzt. SMBG wurde in Form von
           Kosten für ein gewonnenes «quality-adjusted life-year»        6-Punkte-Profilen angewendet, zunächst im dreitäg-
           (QALY) lagen bei 9177 Fr. für einmal tägliches SMBG, bei      lichen Rhythmus, dann alle ein bis zwei Wochen. In der
           12 928 Fr. für zweimal tägliches SMBG und bei 17 342 Fr.      Kontrollgruppe wurde die Therapie in drei- bis sechs-
           für dreimal tägliches SMBG, womit die Kosten des SMBG         monatlichen Intervallen anhand der HbA1c-Werte gesteu-
           in einem kosteneffizienten Rahmen liegen. Weiter verbes-      ert [22]. Alle Teilnehmer wurden mit Metformin behan-
           sert SMBG beim Patienten die Aufmerksamkeit gegen-            delt (850 mg täglich). Im Rahmen eines zweistündigen
           über hypoglykämischen Symptomen und ermöglicht da-            Beratungstermins erhielten sämtliche Teilnehmer indi-
           mit eine selbständige, aktive Prävention [11–13].             viduelle Lebensstilempfehlungen, die bei jedem Folge-
           Es gibt Hinweise darauf, dass unabhängig vom HbA1c-           termin aufgefrischt wurden. Unter SMBG war nach
           Wert auch Schwankungen der Blutglukose-Konzentra-             einem Jahr im Vergleich mit der Kontrollgruppe ein
           tion im Tagesverlauf – Stichwort glykämische Variabili-       deutlich stärkerer Rückgang des mittleren HbA1c (6,6
           tät – das Risiko für endotheliale Dysfunktion und kognitive   vs. 6,1%; p
EMPFEHLUNGEN

                    Internationale Leitlinien                                                                     Die aktualisierten Leitlinien der IDF zum Management
                                                                                                                  der postprandialen Glukose haben den vormaligen Grenz-
                    Die globale Leitlinie der International Diabetes Federa-                                      wert für die postprandiale Blutglukose von ≤7,8 mmol/l
                    tion (IDF) zum Typ-2-Diabetes unterscheidet abhängig                                          mit Blick auf das Hypoglykämie-Risiko nach oben kor-
                    von der Region, in der sie zur Anwendung kommt, drei                                          rigiert [25]. Demnach soll der ein bis zwei Stunden
                    Stufen der Diabetesbehandlung: minimale, Standard-                                            postprandial gemessene Wert nunmehr in einem Be-
                    und umfassende Therapie. Die IDF-Leitlinie betrachtet                                         reich
EMPFEHLUNGEN

tonen die Bedeutung des SMBG bei koexistierenden kar-        die Adhärenz an die Behandlung und die Änderung des
diovaskulären Erkrankungen [2]. Das SMBG wird als ein        Lebensstils zu verbessern. In diesem Stadium werden
Hauptbestandteil eines umfassenden Managements zur           für alle Patienten gepaarte Testungen (prä-/postprandial)
Reduktion des kardiovaskulären Risikos eingestuft. Die       in niedriger Frequenz empfohlen (drei bis fünf Testpaare
Leitlinien heben SMBG als unabdingbare Voraussetzung         pro Woche). Ist eine stabile glykämische Kontrolle er-
für ein erfolgreiches Management und eine erfolgreiche       reicht, werden zur langfristigen Kontrolle 6-Punkte-
Therapie des Diabetikers mit kardiovaskulärer Erkran-        Tagesprofile in drei- bis vierwöchigen Abständen emp-
kung hervor [2]. Die noch gültige, aber in Überarbeitung     fohlen.
befindliche evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Dia-     In dieser Phase des Diabetes kann SMBG als wichtiges
betes-Gesellschaft «Medikamentöse antihyperglykämi-          Element der Patientenschulung eingesetzt werden. Durch
sche Therapie des Diabetes mellitus Typ 2» betont, dass      «Studien mit n = 1» können Patienten selbst wichtige In-
jede Insulintherapie von einer Blutglukose-Selbstkon-        formationen über geeignetere und weniger geeignete
trolle begleitet sein sollte [26]. Auch bei Patienten ohne   Lebensmittel und Speisen erlangen.
Insulintherapie könne SMBG nützlich sein [26]. Im Fol-
genden sollen Empfehlungen zur Anwendung des SMBG
in der Schweiz formuliert werden.                            Alleinige Ernährungs- und Lebensstiländerung
                                                             Beim Typ-2-Diabetes ohne medikamentöse Therapie
                                                             werden in der Startphase der Therapie für maximal
Empfehlungen zur SMGB bei Typ-1-Diabetes                     acht Wochen sechs bis acht SMBG-Messungen pro Woche
                                                             empfohlen, zu gleichen Teilen prä- und postprandial. In
Zur Behandlung des Typ-1-Diabetes ist die intensivierte      dieser Phase dient SMBG vor allem der Schulung der
Insulintherapie (ICT) übereinstimmend als Standard an-       Patienten im Selbstmanagement ihrer Erkrankung.
erkannt [27–32]. Patienten mit einer ICT oder einer In-      Sobald sich die Stoffwechsellage stabilisiert hat, werden
sulinpumpentherapie werden täglich 7–8 Messungen             monatliche Kontrollen mit gepaarten Testungen empfoh-
empfohlen – vor und nach den drei Hauptmahlzeiten,           len (Abb. 1 , gelb). Die Qualität der Diabetesbehand-
vor der Bettruhe und einmal wöchentlich auch nachts.         lung wird in dieser Phase primär anhand der HbA1c-
Zusätzliche SMBG-Messungen können in unterschied-            Werte beurteilt.
lichen Situationen angezeigt sein, die von der täglichen
Routine beziehungsweise dem Lebensrhythmus abwei-
chen [32].                                                   Orale Therapien ohne oder mit geringem
                                                             Hypoglykämierisiko
                                                             Geht von der Medikation kein oder nur ein geringes
Empfehlungen zur SMBG bei Typ-2-Diabetes                     Hypoglykämierisiko aus, werden zu Beginn der Therapie
                                                             (d.h. für die ersten 6–8 Wochen) sechs bis acht SMBG-
Voraussetzung für eine erfolgreiche SMBG sind die indi-      Messungen pro Woche empfohlen, zu gleichen Teilen prä-
viduelle Instruktion (technische Instruktion, Handhabung     und postprandial (Abb. 1). Dies gilt für die Therapie mit
der Geräte, Blutentnahmetechnik) und die geeignete Do-       GLP-1-Analoga, DPP-4-Hemmern, Metformin, Glitazo-
kumentation. Besonderes Gewicht ist auf eine struktu-        nen und Acarbose [34–36]. Sobald sich die glykämische
rierte Durchführung, auf die regelmässige Interpretation     Kontrolle stabilisiert hat, sind monatliche Kontrollen
der Werte durch Patient und Arzt sowie die Therapiean-       mit gepaarten Testungen empfohlen. Vor Arztkontrollen
passung bei erhöhten oder erniedrigten Werten zu legen.      können zusätzliche 4- oder idealerweise 7-Punkte-
Traditionellerweise wurden Bestimmungen vor den drei         Profile während dreier Tage zur Festlegung allfälliger
Hauptmahlzeiten und vor der Bettruhe empfohlen. Im-          Therapieänderungen eine zusätzliche Hilfe darstellen
mer häufiger werden auch beim Typ-2-Diabetes gepaarte        (Abb. 1, blau). Ist aufgrund der HbA1c-Werte eine Inten-
Testungen (prä-/postprandial) empfohlen. Dabei sollten       sivierung der Therapie angezeigt und sind die Blut-
die Werte eine Stunde nach Beendigung einer Mahlzeit         zuckerwerte vor allem nüchtern erhöht, ist zum Beispiel
idealerweise nicht über 9 mmol/l und möglichst nie über      an den Einsatz eines Bedtime-Insulins zu denken. Sind
10 mmol/l liegen. In welcher Frequenz und über welche        die Blutzuckerwerte vor allem postprandial erhöht,
Zeiträume SMBG im Einzelfall zu empfehlen ist, wird          kann eine Sulfonylharnstofftherapie oder der gezielte
von einer Reihe von Faktoren beeinflusst [3]. In der Folge   Einsatz eines Essensinsulins erwogen werden.
werden dementsprechend prototypische Situationen be-
sprochen. Zusätzlich ist zu beachten, dass in der Schweiz
die Mittel- und Gegenständeliste bei nicht insulin-          Orale Therapien mit erhöhtem Hypoglykämierisiko
abhängigem Diabetes die durch die Krankenkassen              Bei der Therapie mit Sulfonylharnstoffen und Gliniden
vergütete Anzahl von Teststreifen auf maximal 400 pro        ist von einem erhöhten Risiko für hypoglykämische Epi-
Jahr limitiert [33].                                         soden auszugehen [34–36]. Eine Behandlung mit diesen
                                                             Substanzen sollte zu Beginn für bis zu acht Wochen von
                                                             zwei bis drei täglichen Messungen begleitet werden –
Neu entdeckter Typ-2-Diabetes                                idealerweise ergänzt durch ein 7-Punkte-Profil pro
SMBG wird zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eines           Woche. Sobald sich der Glukosestoffwechsel stabilisiert
Typ-2-Diabetes empfohlen, um das Bewusstsein der             hat, werden zur weiteren Kontrolle 7-Punkte-Profile in
Patienten für ihre Erkrankung zu stärken und dadurch         grösseren (z.B. monatlichen) Abständen empfohlen. Be-

                                                                         Schweiz Med Forum 2013;13(39):776–780   778
EMPFEHLUNGEN

sonderes Augenmerk ist der Verhinderung von Hypo-             bis zweimonatlichen Abständen anhand einer Kontroll-
glykämien zu schenken, was beispielsweise vor Autofahr-       lösung validiert werden [37].
ten zusätzliche Bestimmungen nötig machen kann. Unter
Therapie mit Sulfonylharnstoffen werden zusätzlich auch
Bestimmungen am späteren Nachmittag empfohlen, da             Empfehlungen zum SMGB
zu diesem Zeitpunkt Hypoglykämien besonders häufig            bei Gestationsdiabetes
auftreten. Bei diesen Therapieformen ist deshalb beson-
ders auf die Einschränkung auf maximal 400 Teststrei-         Nach der Diagnose eines Gestationsdiabetes werden
fen pro Jahr zu achten. Gegebenenfalls muss sogar ein         zunächst tägliche 4-Punkte-Profile empfohlen: morgens
Therapiewechsel erwogen werden.                               nüchtern und eine oder zwei Stunden nach Beginn der
                                                              Hauptmahlzeiten. Liegen innerhalb der ersten zwei Wo-
                                                              chen unter einer Ernährungstherapie alle SMBG-Mess-
Konventionelle Insulintherapie (CT)
                                                              werte im Zielbereich und ist der Sonographiebefund
Bei Typ-2-Diabetikern, die mit Basal- oder Mischinsu-
                                                              unauffällig, wird im weiteren Verlauf eine tägliche Mes-
linen behandelt werden, sind zu Beginn der Therapie für
                                                              sung zu alternierenden Zeitpunkten empfohlen – gege-
maximal acht Wochen zwei bis vier tägliche SMBG-Mes-
                                                              benenfalls ergänzt durch ein 4- oder 6-Punkte-Profil in
sungen empfohlen, zusätzlich ein bis zwei 7-Punkte-Pro-
                                                              ein- bis zweiwöchentlichen Abständen. Für die Überwa-
file pro Woche. Es wird empfohlen, die Blutglukose primär
                                                              chung einer Insulintherapie werden tägliche 4-, 6- oder
präprandial zu bestimmen (Abb. 1, rot) und zusätzlich
                                                              7-Punkte-Profile empfohlen; Frequenz und Zeitpunkte
ein bis zwei postprandiale Messungen nach unterschied-
                                                              der SMBG-Messungen können im Einzelfall anhand der
lichen Mahlzeiten durchzuführen. Eine nächtliche Mes-
                                                              ermittelten Blutglukosewerte angepasst werden.
sung der Blutglukose zur Identifizierung allfälliger nächt-
licher Hypoglykämien sollte in ein- bis zweiwöchigem
Rhythmus erfolgen. Für die langfristige Kontrolle bei sta-
                                                              Weitere situationsbezogene Empfehlungen
bilisierter Stoffwechsellage eignen sich zum Beispiel eine
gepaarte SMBG-Testung pro Tag oder ein wöchentliches          zum SMBG
7-Punkte-Profil. Vor Arztkontrollen können auch hier zu-
                                                              Bei allen Therapieformen können in verschiedenen
sätzliche 7-Punkte-Profile während dreier Tage zur
                                                              Situationen, die den Patienten körperlich oder psychisch
Festlegung allfälliger Therapieänderungen eine zusätz-
                                                              aussergewöhnlich belasten oder die vom alltäglichen
liche Hilfe darstellen.
                                                              Rhythmus deutlich abweichen [23, 32], zusätzliche
                                                              SMBG-Messungen angezeigt sein:
Intensivierte Insulintherapie (ICT)                           – Vor, während und nach intensiver körperlicher Be-
Bei der Behandlung des Typ-2-Diabetes mit einer inten-           wegung (bzw. Sport) zur Vermeidung von Hypoglyk-
sivierten Insulintherapie sind zu Beginn der Therapie vier       ämien
bis sechs Tests pro Tag zu empfehlen, bevorzugt präpran-      – Nach allfälligen Hypoglykämien
dial und vor der Bettruhe (Abb. 1, grün). Darüber hinaus      – Im Rahmen akuter Erkrankungen
werden pro Woche sieben bis zehn postprandiale und            – Bei temporärer Medikation mit Auswirkungen auf den
eine nächtliche SMBG-Messung empfohlen. Für die Lang-            Glukosestoffwechsel (z.B. Kortikosteroide)
zeitkontrolle sollte auch bei stabiler glykämischer Lage      – Bei Schichtarbeit
ein Minimum von täglich drei präprandialen Tests nicht        – Im Strassenverkehr: vor Autofahrten, bei längeren
unterschritten werden.                                           Fahrten auch unterwegs. Dies gilt besonders bei The-
                                                                 rapien mit Sulfonylharnstoffen, Gliniden oder Insulin.
                                                              – Auf längeren Reisen (Zeitverschiebung beachten)
Empfehlungen zum SMGB bei Schwangeren                         – Bei Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt (neuer
mit präkonzeptionell bekanntem Diabetes                          Arbeitsplatz, geänderte Arbeitszeiten, geänderte kör-
                                                                 perliche Aktivität etc.).
Schwangerschaften bei Frauen mit präkonzeptionell be-
kanntem Diabetes gelten als Hochrisiko-Schwanger-             Wie lange und in welcher Frequenz diese zusätzlichen
schaften [37]. Die Behandlung mit Insulin ist hier die am     SMBG-Messungen durchgeführt werden, ist im Einzel-
besten untersuchte Pharmakotherapie. Sofern der Glu-          fall unter Berücksichtigung des Risikos einer Stoffwech-
kosestoffwechsel durch eine Ernährung ohne schnell-           selentgleisung zu entscheiden.
resorbierbare Kohlenhydrate nicht ausreichend kontrol-
lierbar ist, werden Schwangere mit Typ-2-Diabetes meist
bereits präkonzeptionell oder sofort nach Feststellung        Modifikation der Therapie
der Schwangerschaft von oralen Antidiabetika auf Insu-
lin umgestellt. Die ICT oder auch die kontinuierliche sub-    Jede Eskalation der medikamentösen Diabetestherapie ist
kutane Insulininfusion mittels Insulinpumpe (CSII) gilt       als potentiell instabile glykämische Phase zu interpretie-
als gleichwertige Strategie der Wahl [37]. Bei diesen         ren. Deshalb wird eine vorübergehende Intensivierung der
Hochrisiko-Schwangerschaften werden täglich sieben bis        SMBG-Kontrolle empfohlen. Auch wenn eine längerfristig
acht SMBG empfohlen – vor und nach den Hauptmahl-             stabile Stoffwechselsituation den Versuch einer Therapie-
zeiten, vor der Bettruhe und gelegentlich auch nachts. Die    Deeskalation nahelegt, wird begleitend eine vorüberge-
mit dem SMBG-Gerät gemessenen Werte sollten in ein-           hende Intensivierung der SMBG empfohlen [3, 38].

                                                                          Schweiz Med Forum 2013;13(39):776–780    779
EMPFEHLUNGEN

                       Beispiele für SMBG-Anwendung                                – SMBG kann helfen, das HbA1c zu senken. Dies gilt
                                                                                     sowohl für Typ-1-Diabetes als auch für Typ-2-Diabe-
                       Die Intensität der SMBG-Anwendung kann sehr unter-            tes unter alleiniger Diät, unter oralen Antidiabetika
                       schiedlich sein. Tägliche 7-Punkte-Profile sind ein Bei-      oder mit Insulintherapie.
                       spiel für hohe SMBG-Intensität, während ein gepaarter       – Aufgrund der Reduktion des HbA1c, der Verlänge-
                       Test prä- und postprandial pro Tag ein Beispiel für nied-     rung der Lebenserwartung und der qualitätsadjus-
                       rige Intensität ist (Abb. 1). Bei der Entscheidung über       tierten Lebenserwartung sowie der reduzierten Inzi-
                       Intensität und Frequenz der SMBG sind individuelle so-        denz von Diabeteskomplikationen liegen die direkten
                       wie situationsspezifische Faktoren zu berücksichtigen,        medizinischen Kosten über einen Zeitraum von 30 Jah-
                       unter anderem die Medikation und die Qualität der             ren selbst für Patienten mit Behandlung durch orale
                       glykämischen Kontrolle [3].                                   Antidiabetika unter 3000 Fr. Die Kosten für ein ge-
                                                                                     wonnenes QALY liegen unter 20 000 Fr.
                                                                                   – In der Schweiz ist bei nicht insulinabhängigem Dia-
                       Fazit                                                         betes die Anzahl der Teststreifen, die durch die Kran-
P.D. war Berater für
                                                                                     kenkassen vergütet werden, auf maximal 400 pro
Roche Diagnostics      – SMBG soll helfen, die Diabetestherapie zu steuern und       Jahr limitiert.
sowie Bayer und          die Eigenverantwortung zu fördern. Voraussetzungen
erhielt Speaker-Ho-
                         sind eine ausreichende Schulung und die geeignete
norare von Bayer                                                                   Korrespondenz:
und Roche                Dokumentation der Resultate.                              Prof. Dr. Peter Diem
Diagnostics sowie      – Besonderes Gewicht ist auf eine strukturierte Durch-      Universitätspoliklinik für Endokrinologie, Diabetologie
Forschungsunter-         führung, auf die regelmässige Interpretation der Werte    und Klinische Ernährung
stützung von
                         durch Patient und Arzt sowie auf Therapieanpassun-        Inselspital
Roche Diagnostics
                         gen bei erhöhten oder erniedrigten Werten zu legen.       CH-3010 Bern
und der FASMED-
Arbeitsgruppe            Die Resultate des SMBG sollen Fragen beantworten.         peter.diem[at]insel.ch
Diabetes               – Die Häufigkeit des sinnvollen SMBG richtet sich nach
Selbstmanage-
                         Diabetestyp, Therapieform und individuellen Ge-           Literatur
ment.
                         gebenheiten.                                              Die vollständige Literaturliste finden Sie unter www.medicalforum.ch.

                                                                                                  Schweiz Med Forum 2013;13(39):776–780            780
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