Management der endokrinen Orbitopathie - Consensus statement der European Group on Graves' Orbitopathy (EUGOGO) 1 - Basedow-Hashimoto ...

 
WEITER LESEN
Management der endokrinen Orbitopathie - Consensus statement der European Group on Graves' Orbitopathy (EUGOGO) 1 - Basedow-Hashimoto ...
EmpfEhlungEn

Management der endokrinen Orbitopathie
Consensus statement der European Group on Graves’ Orbitopathy (EUGOGO) [1]

Nicole Fichtera, Georg von Arxa, Matthias Stahlb, Jürg Lareidac
a   Admedico Augenzentrum, Olten, b Medizinische Klinik Olten, c FA FMH für Endokrinologie und Diabetologie, Aarau

                     EUGOGO ist ein multidisziplinäres Konsortium von Endo-           pie, Exophthalmus und/oder Lidretraktion. Die schwer-
                     krinologen, Ophthalmologen, Epidemiologen und Ra-                wiegendsten Komplikationen stellen sowohl in der
                     diologen mit insgesamt 13 europäischen Zentren, dar-             aktiven als auch in der inaktiven Phase die Exposi-
                     unter die Schweizerische Basedow.ch-Gruppe. EUGOGO               tionskeratopathie und die Kompressionsneuropathie dar.
                     hat das Ziel, mittels multizentrischer Studien evidenz-
                     basierte Diagnose- und Behandlungsrichtlinien zu er-
                     arbeiten. Das hier vorgestellte Consensus statement lie-         Wann sollte ein(e) Patient(in) an ein
                     fert praktische Informationen und Anleitungen zur                spezialisiertes interdisziplinäres Zentrum
                     Abklärung und Behandlung von Patienten mit endokri-              zugewiesen werden?
                     ner Orbitopathie.
                     Im vorliegenden Artikel sollen die wichtigsten Aspekte           Patienten mit einer Autoimmunthyreopathie, welche
                     für Endokrinologen und Nichtendokrinologen zusam-                weder Zeichen noch Symptome einer EO aufweisen, be-
                     mengefasst werden. Für ausführliche Hintergründe und             nötigen keine zwingende augenärztliche Vorstellung und
                     die vollständige Referenzliste möchten wir auf die On-           müssen nicht einem interdisziplinären Zentrum zuge-
                     line-Version des Artikels verweisen (auf www.medical             wiesen werden. Dahingegen sollten alle Patienten mit
                     forum.ch als Anhang an den Artikel).                             einer EO – mit Ausnahme sehr milder Verlaufsformen –
                                                                                      zur Mitbeurteilung und strategischen Festlegung des
                                                                                      Therapiekonzeptes einem interdisziplinären Zentrum
                     Epidemiologie                                                    vorgestellt werden. Dies gilt auch für Patienten mit atypi-
                                                                                      schen Verlaufsformen (unilaterale EO oder euthyreote
                     Die endokrine Orbitopathie (EO) ist eine extrathyroidale         EO), unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung.
                     Manifestation der autoimmmun bedingten Dysthyreose.              Eine detaillierte Einteilung anhand definierter klinischer
                     Sie tritt in ca. 90% der Fälle in zeitlich engem Zusam-          Kriterien findet sich in der Online-Version des Artikels.
                     menhang mit der Schilddrüsendysfunktion auf.
                     Eine multizentrische epidemiologische Studie ergab ge-
                     schlechtsunabhängig ein durchschnittliches Patienten-            Therapeutisches Management
                     alter von 49 Jahren. In dieser Studie präsentierten sich         von Patienten mit EO
                     etwa 40% der Patienten mit vorwiegend milden Ver-
                     änderungen entsprechend der NOSPECS-Klassifikation               Die individuelle Therapie der EO umfasst unter Be-
                     (Tab. 2 p), während sich eine moderate Orbitopathie              rücksichtigung des Aktivitäts- und Schweregrades so-
                     in 33% und eine schwere Orbitopathie in 28% der Fälle            wohl konservative als auch chirurgische Massnahmen
                     fanden [2]. Die Häufigkeit der schwersten, visusbedro-           (Abb. 1 x). Die folgenden Ausführungen beruhen auf
                     henden Komplikation der EO, der Kompressionsneuro-               dem 2008 veröffentlichten Consensus statement der
                     pathie, wird in der Literatur mit ca. 5% angegeben.              EUGOGO [1] zur Standardisierung der stadienabhängi-
                                                                                      gen Vorgehensweise. Die angegebenen Empfehlungen
                                                                                      sind weniger als Richtlinien, sondern eher als Consen-
                     Klinisches Bild und Verlauf                                      sus statement der Arbeitsgruppe aufzufassen, da die
                                                                                      zugrunde liegenden Studien nur zu einem kleineren Teil
                     Die EO verläuft phasenabhängig, wobei in jeder Phase             kontrollierten randomisierten Studien entsprechen.
                     ein Aktivitäts- und Schweregrad definiert werden kann.           In zunehmendem Masse wird auch der persönliche Lei-
                     Die aktive Phase wird geprägt durch das Vorhanden-               densdruck des Patienten den Therapieentscheid mit-
                     sein entzündlicher Veränderungen der präseptalen und             beeinflussen. Diesbezüglich hat sich im klinischen Alltag
                     orbitalen Weichteilgewebe: retrobulbärer Druck- bzw.             der krankheitsspezifische Quality of life Questionnaire
Die Autoren sind     Bewegungsschmerz, Lid-/Bindehautrötung, Lid-/Binde-              (Go-QoL) als Entscheidungshilfe bewährt [3].
Mitglieder der       hautödeme, Exophthalmus und Motilitätsstörungen mit
interdisziplinären
                     Diplopie.                                                        Allgemeine Behandlungsrichtlinien für Spezialisten
European Group
on Graves’           In der inaktiven Phase können residuelle funktionelle            und Nichtspezialisten
orbitopathy sowie    Störungen und äusserliche Veränderungen persistie-
der Schweizeri-      ren. Diese sind bedingt durch die fibrotische Umwand-            Rauchen und EO
schen Gruppe
                     lung bzw. fettige Degeneration der Weichteilgewebe und           Jeder Patient mit einer autoimmunen Dysthyreose muss
basedow.ch.
                     äussern sich klinisch in Motilitätsstörungen mit Diplo-          über die Risikokonstellation Rauchen und EO infor-

                                                                                                    Schweiz Med Forum 2012;12(10):225–229   225
EmpfEhlungEn

Abbildung 1
Management der endokrinen Orbitopathie. Rehabilitative chirurgische Massnahmen umfassen die Orbitadekompression bei Exophthalmus,
Schieloperation bei restriktiver Motilitätsstörung mit Diplopie und lidverlängernde Eingriffe bei Lidretraktion bzw. Blepharoplastik.
(IVCG = Intravenöse Glukokortikoide; OR = Orbitabestrahlung [orbital radiotherapy]).

miert werden. Es konnte gezeigt werden, dass Raucher                       oder totale Thyroidektomie) vorteilhaft ist hinsicht-
gegenüber Nichtrauchern ein höheres Risiko aufweisen                       lich der Prognose und des Endergebnisses der EO.
hinsichtlich                                                          –    Randomisierte klinische Studien konnten aufzeigen,
– der Entwicklung einer EO, und dies dosisabhängig in                      dass eine Radiojodtherapie bei ca. 15% der Patien-
    Abhängigkeit der Anzahl der gerauchten Zigaretten;                     ten zu einem Neuauftreten oder zu einer Ver-
– der Verschlechterung einer vorbestehenden EO;                            schlechterung einer vorbestehenden EO führt [4, 5].
– der Entwicklung schwerer Verlaufsformen der EO;                          Dies kann postinterventionell durch das Vermeiden
– des schlechteren und verzögerten Ansprechens auf                         einer hypothyreoten Stoffwechsellage sowie durch
    die therapeutischen Massnahmen;                                        die Gabe von peroralen Steroiden (0,3–0,5 mg/
– der Progression der EO nach Radiojodtherapie.                            kgKG/d), beginnend 1–3 Tage nach Radiojodthera-
Demgegenüber hat sich in retrospektiven Studien ge-                        pie und über 1–3 Monate ausschleichend, vermieden
zeigt, dass eine vollständige Nikotinkarenz im Verlauf                     werden. Bei vorbestehender EO ist das Risiko einer
mit einer besseren Prognose der EO verbunden war.                          Exazerbation bei Patienten mit inaktiver EO ohne
                                                                           Risikofaktoren minimal. Deshalb sehen die aktuellen
Hyperthyreose und EO                                                       Empfehlungen eine perorale Steroidgabe bei Patien-
Die Wahrscheinlichkeit schwerer Verlaufsformen der EO                      ten mit aktiver EO bzw. bei inaktiver EO mit Risiko-
ist bei Patienten mit unkontrollierter Schilddrüsenfunk-                   faktoren wie Nikotinabusus und/oder hohen TSH-
tion höher als bei Patienten mit stabil euthyreoter Stoff-                 Rezeptor-Antikörper-Titern (TRAK >7,5 IU/l) und/
wechsellage. Das Ziel sollte deshalb sein, schnellstmög-                   oder hohen initialen T3-Spiegeln (>5 nmol/l) vor.
lichst eine stabile Euthyreose mit einem TSH im
therapeutischen Bereich zwischen 0,5 und 1,5 mU/l zu                  Spezielle Behandlungsrichtlinien
erreichen.                                                            für spezialisierte Zentren
Folgende Aussagen zu den verschiedenen Therapie-                      Um die erforderlichen therapeutischen Massnahmen
modalitäten und deren Einfluss auf die EO können ge-                  unter Berücksichtigung des individuellen Leidensdrucks
macht werden:                                                         abzuleiten, ist die Graduierung von Aktivität und Schwe-
– Eine thyreostatische Therapie wie auch eine Thyro-                  regrad der EO von wesentlicher Bedeutung. Als klini-
     idektomie zeigen keinen Einfluss auf den Verlauf der             sches Mass zur Beurteilung des Aktivitätsgrades hat
     EO eo ipso.                                                      sich im europäischen Raum der von Mourits entwickelte
– Die bisherigen Studien lassen keine Aussage zu, ob                  Clinical Activity Score (CAS) etabliert [6], während der
     überhaupt und, wenn ja, welches Thyreostatikum                   Schweregrad nach dem erstmals von Werner beschriebe-
     und welches Therapieregime (Dauer der Therapie)                  nen modifizierten NOSPECS-Score beurteilt wird [7]
     bzw. welche operative Vorgehensweise (subtotale                  (Tab. 1, 2 p).

                                                                                     Schweiz Med Forum 2012;12(10):225–229         226
EmpfEhlungEn

Tabelle 1. Clinical Activity Score nach Mourits [6]. Zu berücksichtigen ist, dass bei der Erstvorstellung ein Gesamtscore von 7 zu
erreichen ist, bei Folgeuntersuchungen von 10. Weitere Untersuchungen mittels Ultraschall oder MRI der Orbitae geben zusätzliche
Informationen zur Beurteilung des Aktivitätsgrades.

Symptome/Befunde                                                                                                     CAS-Einzelscore
Subjektive Entzündungszeichen
    Spontaner Retrobulbärschmerz                                                                                      1
    Bulbusbewegungsschmerz                                                                                            1
Objektive Entzündungszeichen
    Rötung der Lidhaut                                                                                                1
    Rötung der Bindehaut                                                                                              1
    Lidödeme                                                                                                          1
    Bindehautödem (Chemosis)                                                                                          1
    Ödem von Karunkel u/o Plica semilunaris                                                                           1
Zeichen der Progredienz (bei Verlaufsuntersuchungen)
    Zunahme des Exophthalmus um >2 mm innerhalb 1–3 Monate                                                            1
    Abnahme der Augenbeweglichkeit um >8° innerhalb 1–3 Monate                                                        1
    Abnahme des Visus >1 Visusstufe innerhalb 1–3 Monate                                                              1
Gesamtscore                                                                                                          10

Tabelle 2. Die nach Werner modifizierte NOSPECS-Klassifikation [7]. Den Subklassen a, b und c wird ein Punktescore
von a = 1, b = 2 und c = 3 zugeordnet. Die Summe der Einzelscores entspicht dem Gesamtscore
(5 = schwere Orbitopathie).

                                          0            a                           b                           c

Keine Zeichen oder Symptome          0
Klinische Zeichen, keine Symptome    1
Weichteilbeteiligung                 2    Nein         Gering                      Mittelgradig                Schwer
Exophthalmus (Hertel)                     25 mm
                                     3
Seitendifferenz                           4 mm
Motilitätsstörungen                  4    Keine        Intermittierend (unter      Inkonstant                  Konstant (in allen
                                                       bestimmten Bedingungen)     (blickrichtungsabhängig)    Blickrichtungen)
Keratopathie                         5    Nein         Hornhautstippung            Ulzeration                  Nekrose/Perforation

Kompressionsneuropathie (DON)        6    Nein         Visus 0,63–0,5              Visus 0,4–0,1               Visus
EmpfEhlungEn

Glukokortikoide                                             Bezüglich des Endergebnisses scheint die operative De-
Glukokortikoide haben ihre Wirksamkeit vor allem in Be-     kompression als Therapie der ersten Wahl gegenüber ei-
zug auf entzündliche Weichteilveränderungen ein-            ner primär medikamentösen Dekompression nicht über-
schliesslich florid-entzündlicher Augenmuskelbeteili-       legen, auch reduziert sie nicht die Erfordernis einer
gung wie auch auf eine bestehende Kompressionsneu-          zusätzlichen systemischen Steroidtherapie [12]. Letz-
ropathie (dysthyroid optic neuropathy, DON) gezeigt.        tere ist in pulsatiler, hochdosiert intravenöser Gabe
Als Darreichungsform ist die intravenöse Applikation        hinsichtlich Effizienz und Nebenwirkungsprofil einer
(intravenous glucocorticoids, IVGC) gegenüber der per-      peroralen oder retrobulbären Applikation überlegen.
oralen oder lokalen (subkonjunktivale oder retrobul-        Eine klinische Besserung sollte innerhalb der ersten ein
bäre Injektion) Applikation hinsichtlich Wirkungs- als      bis maximal zwei Wochen nach Beginn der Steroidthe-
auch Nebenwirkungsrate deutlich überlegen.                  rapie auftreten. Ist dies nicht der Fall, so ist die opera-
Entsprechend den Richtlinien der EUGOGO sind IVGC           tive Dekompression unumgänglich.
klar indiziert bei Vorliegen einer aktiven EO von mode-
rater bis schwerer Ausprägung. Da trotz unterschied-        Expositionskeratopathie
lich hoher IVGC-Dosen die Ansprechraten ähnlich sind,       Das Risiko einer Expositionskeratopathie besteht ins-
wird aktuell eine intravenöse Pulstherapie mit einer        besondere bei einem inkompletten Lidschluss mit redu-
wöchentlich einmaligen Gabe von 500 mg Methylpred-          ziertem Bellphänomen bei gleichzeitig ausgeprägtem
nisolon über sechs Wochen und anschliessender Dosis-        Exophthalmus und/oder Lidretraktion.
reduktion auf wöchentlich 250 mg über weitere sechs         Bei schweren Verlaufsformen mit Ulzeration der Horn-
Wochen empfohlen [9]. Auch wenn die intravenöse im          haut (Ulcus corneae) besteht die Gefahr der Hornhaut-
Vergleich zur peroralen Steroidgabe ein niedrigeres         perforation, so dass diese Fälle eine absolute Notfallsitu-
Nebenwirkungsprofil aufweist, sollte aufgrund des Risi-     ation darstellen und einer sofortigen Therapie bedürfen.
kos eines lebensbedrohlichen Leberversagens die Kumu-       Eine intensiv befeuchtende Therapie mit stündlicher
lativdosis eines Therapiezyklus von 8 g nicht über-         Applikation von Tränenersatzmitteln in Kombination
schritten werden. Des Weiteren ist im Einzelfall die        mit einem Uhrglasverband zur Schaffung einer feuch-
Notwendigkeit einer antiresorptiven Therapie mit Bis-       ten Kammer sollte sofort begonnen werden. Bei aus-
phosphonaten in Abhängigkeit des Osteoporoserisikos         bleibender Besserung ist eine chirurgische Vorgehens-
zu prüfen.                                                  weise erforderlich. Zum sofortigen Schutz der Hornhaut
                                                            kann ein temporärer Verschluss der Lidspalte (Tarsor-
Orbitabestrahlung                                           rhaphie) erfolgen und somit unter zusätzlicher pflegen-
Die Bestrahlung der Orbitae ist indiziert bei aktiver       der Therapie das Abheilen des trophisch bedingten Ul-
EO und zeigt eine Wirkungsrate von ca. 60%, wobei           kus abgewartet werden. Letztlich sollte in jedem Fall
ein vorwiegender Effekt auf die Augenmotilität bzw.         eine «kausale» Therapie mittels knöcherner Orbitade-
Diplopie nachgewiesen wurde. Somit wird die Orbita-         kompression bei Exophthalmus und/oder chirurgischer
bestrahlung besonders bei Patienten mit aktiver EO mit      Oberlidverlängerung bei Lidretraktion das Ziel sein.
klinisch vordergründiger restriktiver Motiliätsstörung
empfohlen [10].                                             Chirurgische Therapie
In der Regel werden Kumulativdosen von 20 Gy fraktio-       Die rehabilitative Chirurgie umfasst die Reduktion des
niert über zehn Sitzungen innerhalb von zwei Wochen         Exophthalmus mittels knöcherner Orbitaerweiterung,
verabreicht. Höhere Dosen haben sich nicht als wirk-        gegebenenfalls in Kombination mit einer Entfernung
samer erwiesen, während sich für geringere Gesamt-          orbitalen Fettgewebes bei entstellendem Exophthalmus.
dosen von 10 Gy eine vergleichbare Wirksamkeit zu der       Des Weiteren können eine Stellungskorrektur bei res-
genannten Standarddosis von 20 Gy zeigte [11].              triktivem Schielbild sowie lidchirurgische Massnahmen
                                                            zur Lidverlängerung bei Oberlidretraktion, bzw. bei re-
Neue immunsuppressive Therapieansätze                       sidueller Lidfülle und Blepharochalase, erforderlich
Für Patienten mit einer Steroid-Nonresponse oder Kon-       werden. Sind mehr als einer der genannten Eingriffe
traindikationen hinsichtlich einer Steroidtherapie stehen   nötig, so sollte die Reihenfolge aus biomechanischen
alternative immunsuppressive Therapiemodalitäten zur        Überlegungen wie aufgeführt eingehalten werden. Vor-
Verfügung. Zu berücksichtigen ist neben den höheren         aussetzung für jeglichen rehabilitativen Eingriff ist das
Kosten der Behandlung, dass es sich hierbei um nicht-       Vorliegen einer inaktiven EO und Befundstabilität für
etablierte Therapien mit teilweise hohem Nebenwir-          mindestens sechs Monate bei stabil euthyreoter Stoff-
kungsprofil handelt (Off-Label Use). Weitere Informa-       wechsellage.
tionen finden sich in der Online-Version dieses Artikels.   Wie bereits erwähnt, machen in seltenen Fällen visus-
                                                            bedrohende Komplikationen die rasche operative Inter-
Schwere, visusbedrohende endokrine Orbitopathie             vention zu einem früheren Zeitpunkt erforderlich.

Dysthyreote Optikusneuropathie (DON)
Die Kompressionsneuropathie ist ein visusbedrohendes        Zusammenfassung
Ereignis und erfordert eine rasche Entlastung des Seh-
nervs, entweder durch eine hochdosierte Gabe systemi-       Patienten mit einer endokrinen Orbitopathie (EO) soll-
scher Steroide, eine chirurgische Orbitadekompression       ten einem spezialisierten Zentrum zur Beurteilung und
oder eine Kombination beider Verfahren.                     weiteren Behandlung zugewiesen werden. Jeder Patient

                                                                         Schweiz Med Forum 2012;12(10):225–229    228
EmpfEhlungEn

muss auf den Risikofaktor Rauchen hingewiesen wer-          Literatur
                                                             1 Bartalena L, et al. Consensus statement of the European group on
den mit dringender Empfehlung zur absoluten Nikotin-
                                                               Graves’ orbitopathy (EUGOGO) on management of Graves’ orbitopa-
karenz. Die Wiederherstellung einer stabilen Euthyre-          thy. Thyroid. 2008;18(3):333–46.
ose ist aus medizinischer Sicht das primäre Therapieziel.    2 Prummel MF, et al. Multi-center study on the characteristics and
                                                               treatment strategies of patients with Graves’ orbitopathy: the first
Das TSH sollte dabei in einen therapeutischen Bereich
                                                               European Group on Graves’ Orbitopathy experience. Eur J Endocri-
zwischen 0,5 und 1,5 mU/l eingestellt werden.                  nol. 2003;148(5):491–5.
Therapie der Wahl bei schwerer visusbedrohender Kom-         3 Terwee CB, et al. Development of a disease specific quality of life
pressionsneuropathie (DON) ist die hochdosierte intra-         questionnaire for patients with Graves’ ophthalmopathy: the GO-
                                                               QOL. Br J Ophthalmol. 1998;82(7):773–9.
venöse Methylprednisolontherapie. Bei unzureichen-           4 Tallstedt L, et al. Occurrence of ophthalmopathy after treatment for
dem Ansprechen innerhalb von 1 bis 2 Wochen ist eine           Graves’ hyperthyroidism. The Thyroid Study Group. N Engl J Med.
chirurgische Orbitadekompression indiziert. In der ak-         1992;326(26):1733–8.
                                                             5 Bartalena L, et al. Relation between therapy for hyperthyroidism
tiven Phase steht bei moderater bis schwerer EO die im-        and the course of Graves’ ophthalmopathy. N Engl J Med. 1998;
munsuppressive intravenöse Steroidpulstherapie, bei            338(2):73–8.
milder EO neuerdings die antioxidative Therapie mit          6 Mourits MP, et al. Clinical activity score as a guide in the manage-
                                                               ment of patients with Graves’ ophthalmopathy. Clin Endocrinol
Selenase im Vordergrund, während in der inaktiven              (Oxf). 1997;47(1):9–14.
Phase in Abhängigkeit des klinischen Bildes rehabilita-      7 Werner S. Modification of the classification of the eye changes of
tiv-chirurgische Massnahmen möglich sind. Supportiv            Graves’ disease. Am J Ophthalmol. 1977;83(5):725–7.
                                                             8 Marcocci C, et al. Selenium and the Course of Mild Graves’ Orbito-
symptomatische Massnahmen sind bei allen Schwere-              pathy. N Engl J Med. 2011;364(20):1920–31.
graden unterstützend möglich und bei milder EO in den        9 Kahaly GJ. Management of moderately severe Graves’ Orbitopathy.,
meisten Fällen ausreichend.                                    in Graves’ Orbitopathy – a multidisciplinary approach., W.M.K.
                                                               Wiersinga, G.J., Editor. 2010, Karger: Amsterdam.
                                                            10 Prummel MF, et al. A randomized controlled trial of orbital radiothe-
Korrespondenz:                                                 rapy versus sham irradiation in patients with mild Graves’ ophthal-
Dr. med. Nicole Fichter                                        mopathy. J Clin Endocrinol Metab. 2004;89(1):15–20.
Admedico Augenzentrum                                       11 Kahaly GJ, et al. Low-versus high-dose radiotherapy for Graves’
Fährweg 10                                                     ophthalmopathy: a randomized, single blind trial. J Clin Endocrinol
CH-4600 Olten                                                  Metab. 2000;85(1):102–8.
                                                            12 Wakelkamp IM, et al. Surgical or medical decompression as a first-
nicole.fichter[at]admedico.ch
                                                               line treatment of optic neuropathy in Graves’ ophthalmopathy? A
                                                               randomized controlled trial. Clin Endocrinol (Oxf). 2005;
                                                               63(3):323–8.

                                                            Die ausführliche Version dieses Artikels finden Sie auf
                                                            www.medicalforum.ch als Anhang an den Artikel.

                                                                            Schweiz Med Forum 2012;12(10):225–229             229
Sie können auch lesen