Corona-Pandemie - Fakten Pharmazie - Prof. Dr. Theo Dingermann Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung
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Corona-Pandemie - Fakten Pharmazie Prof. Dr. Theo Dingermann Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung T.Dingermann@avoxa.de 6. Mai 2020
Die Cornaviridae Die Coronavirus-Krankheit wurde erstmals in den 1930er Jahren beschrieben. Im Jahr 1965 wurde HCoV-229E als erstes humanes Coronavirus isoliert. HCoV-NL63, HCoV-OC43 und HCoV-HKU1 sind drei weitere derzeit zirkulierende HCoVs. Diese vier Coronaviren sind beim Menschen endemisch und stellen nach den Rhinoviren eine wichtige Ursache für Erkältungskrankheiten dar, die in gemäßigten Klimazonen gehäuft im Winter und Frühjahr auftreten. 6. Mai 2020
Die Cornaviridae Im November 2002 kam es zum Ausbruch einer Epidemie, die durch das schwere akute respiratorische Syndrom (SARS) gekennzeichnet war. Verursacht wurde diese Krankheit durch ein fünftes, hoch pathogenes Coronavirus, das SARS- Coronavirus (SARS-CoV-1). Zwischen ihrem ersten und letzten Auftreten wurden der WHO 8.096 Fälle mit 711 Todesfällen gemeldet. Das entspricht einer Fallsterblichkeitsrate (CFR = case fatality rate) von 9,6%. 6. Mai 2020
Die Cornaviridae Ein sechstes Coronavirus wurde 2012 im Vereinigten Königreich nach der Krankenhauseinweisung eines Patienten mit einer SARS-ähnlichen Krankheit identifiziert. Auslöser war das Middle East Respiratory Syndrome-Virus (MERS-CoV), das hauptsächlich in Saudi-Arabien und anderen Ländern des Nahen Ostens zirkulierte. Die CFR dieser Krankheit übersteigt 30%. 6. Mai 2020
Die virale Struktur Human-pathogene Coronaviren besitzen eine kugelförmige Struktur. Sie sind 120-160 nm in Durchmesser und besitzen typischerweise keulen- förmige Oberflächenprojektionen ("Peplomere" oder "Spikes"). Das Genom besteht aus einem 28-32 Kilobasen großen, positiv orientierten RNA-Einzelstrang, der die klassische Struktur einer mRNA besitzt. Die genomische RNA ist in einem Nukleokapsid (N-Protein + RNA) mit helikaler Symmetrie eingeschlossen. 6. Mai 2020
Die virale Struktur In die menschlichen Zellen dringen die Viren über ihr S (Spike)-Protein ein, das an Rezeptoren auf Wirtszellen bindet. Verschiedene Wirtsrezeptoren wurden für die verschiedenen menschlichen Coronaviren identifiziert: • HCoV-229E verwendet die Aminopeptidase N. • HCoV-OC43 verwendet 2,3- oder 2,6-Alpha- Sialinsäure-Rezeptoren (wie das Influenzavirus). • SARS CoV-1 und SARS-CoV-2 bindet an das Angiotensin-Converting-Enzym 2 (ACE2). • MERS CoV benutzt die Dipeptidylpeptidase 4 Quelle: NIAID, CC 2.0, Creative Commons (DPP4). 6. Mai 2020
Das Virus und die Infektion SARS-CoV-2 Aktivierung Anheftung und Virusfreisetzung Eintritt in die Zelle TMPRSS2 ACE2- Rezeptor Fusion Exozytose Freisetzung Nichtstruktur- Struktur- proteine (NSP) Genomische proteine (SP) RNA Vesikel Translation der RNA-Polymerase Golgi- Replikation der Apparat genomischen RNA Translation der Strukturproteine Raues endoplasmatisches Reticulum 6. Mai 2020
Die endosomale Aufnahme der Viren in die Zelle Nach der Rezeptorbindung wird das S-Protein durch durch membranständige Proteasen (Cathepsin, Type Two Transmembrane Serin Proteases/TTSP und andere) gespalten. Die Spaltung des S-Proteins erfolgt an zwei Stellen. Nach endosomaler Aufnahme erfolgt die Fusion der viralen und zellulären Membranen im sauren endosomalen Milieu. 6. Mai 2020
Intrazelluläre Replikation Nach der Aufnahme folgt zunächst die Translation des Bereichs, der die Information für die virale Replikase enthält. Die zwei resultierenden Polyproteine enthalten sämtliche Nichtstrukturproteine (nsp) des Virus, die für die intrazelluläre Replikation wesentlich sind. Die Polyproteine werden durch Proteasen zu einzelnen nsp gespalten. 6. Mai 2020
Intrazelluläre Replikation Viele dieser nsp setzen sich dann zum Replikase-/Tran- skriptase-Komplex (RTC) zusammen, der die virale RNA repliziert. Nach der Replikation werden die viralen Strukturproteine S, E und M translatiert und in das endoplasmatische Retikulum (ER) eingefügt. 6. Mai 2020
Virus-Assemblierung SARS-CoV-2 Die Strukturproteine wandern dann in das Aktivierung Anheftung und endoplasmatische Retikulum-Golgi- Eintritt in die Zelle Virusfreisetzung Zwischenkompartiment (ERGIC). TMPRSS2 ACE2- Rezeptor Fusion Exozytose Dort werden virale Genome, die durch N-Protein- Freisetzung Knospen ebenfalls in Membranen des ERGIC Nichtstruktur- Struktur- eingekapselt sind, mit den Strukturproteinen zu proteine (NSP) Genomische RNA proteine (SP) Vesikel reifen Virionen assembliert. Translation der RNA-Polymerase Golgi- Replikation der Apparat genomischen RNA Translation der Strukturproteine Raues endoplasmatisches Reticulum 6. Mai 2020
Tests 6. Mai 2020
Tests PCR-Tests Antikörper-Tests 6. Mai 2020
Tests 6. Mai 2020
Tests Vom BMG empfohlene Teststrategie Einrichtung Regelmäßig Akut In • Krankenhäusern • Mitarbeiter in • Symptomatische Personen, • Pflegeeirichtungen Krankenhäusern und deren asymptomatischen • Altenheimen Pflegeeinrichtungen, die Kontaktpersonen sowie jeder • Behinderteneinrichtungen Covid-19-Patienten betreuen begründete Verdachtsfall. • Sonstigen Einrichtungen für besonders vulnerable Regelmäßige In Epidemie-Risikoregionen Gruppen Selbsttestung durch Rachenabstrich Weitestmögliche Vor (Wieder-)Aufnahme Selbstisolation der gesamten Nach Aufnahme Bevölkerung sowie Testung Während der binnen weniger Tage Inkubationszeit an den Tagen 3, 5 und 8 6. Mai 2020
Pathologie 6. Mai 2020
Übertragbarkeit Die Übertragbarkeit von Infektionen und Krankheiten ist ein kritischer Bestandteil von Epidemieprognosen und der Planung von Maßnahmen zur Eindämmung einer Epidemie. Wichtige Parameter Die Basisreproduktionszahl R0 beschreibt die durchschnittliche Anzahl von Neuinfektionen, die eine infizierte Person in einer völlig immun-naiven Bevölkerung verursacht. Für SARS-CoV-2 wurde ein von R0-Wert von 1,4 bis 3 berechnet. Die Latenzzeit umfasst den Zeitraum zwischen dem Tag der Exposition/Infektion bis zum Zeitpunkt, an dem der Angesteckte infektiös wird. Das Robert Koch-Institut (RKI) nimmt eine Latenzzeit von 3 Tagen an. 6. Mai 2020
Übertragbarkeit Die Inkubationszeit umfasst den Zeitraum vom Tag der Ansteckung bis zum Tag des ersten Auftretens von Symptomen: Im Mittel 5 bis 6 Tage. Die Zeitspanne der Infektiosität umfasst den Zeitraum, in dem ein Infizierter ansteckend ist. Der Startpunkt der Infektiosität wird bei circa 2,5 Tagen vor Symptombeginn angenommen. Das RKI geht im Schnitt von 10 Tagen infektiöser Phase aus. Das serielle Intervall beschreibt die Zeitspanne von Symptombeginn eines Infizierten (Primärfall) bis zum Symptombeginn eines von ihm Angesteckten (Sekundärfall): im Mittel knapp unter 4 bis über 7 Tage. 6. Mai 2020
Übertragbarkeit Relativer Anteil verschiedener Übertragungswege an der Epidemie: • Präsymptomatische Übertragung: 45 % • Symptomatische Übertragung: 40 % • Übertragung in der Umwelt (Schmier-/Kontaktinfekion): 10 % • Asymptomatische Übertragung: 5% 6. Mai 2020
Extrapulmonare Manifestationen Hepatische Dysfunktion (erhöhte Transaminasen) wurde bisher bei 14% bis 53% der Patienten in Fallstudien berichtet, häufiger bei Patienten mit schwerer Erkrankung. Eine klinisch signifikante Leberschädigung tritt selten auf. Über Herzkomplikationen wird bei 7% bis 13% der Patienten in Fallstudien berichtet. Myokardschädigungen wurden bei > 25% der kritisch kranken Patienten beobachtet. Diese zeigen sich entweder als akute Myokardschädigung und Dysfunktion bei der Präsentation oder sie entwickeln sich mit zunehmendem Schweregrad der Erkrankung. Bei 16% der Patienten in Fallstudien wurden Arrhythmien beobachtet. Eine fulminante Myokarditis ist selten. Dagegen wurde bei 33% der kritisch kranken Patienten eine Kardiomyopathie festgestellt. 6. Mai 2020
Extrapulmonare Manifestationen Über eine akutes Nierenversagen (AKI = acute kidney injury) wurde in 3-8% der Fälle berichtet, zumeist im Zusammenhang mit anderen Komplikationen, die eine Intervention auf der Intensivstation erfordern. Bei 71% der Patienten, die an Covid-19 sterben, lässt sich eine disseminierte intravaskuläre Koagulation diagnostizieren. Sie ist häufig mit anderen komplizierten Erkrankungen auf der Intensivstation assoziiert. Wie bei jeder Virusinfektion, die die Lunge befällt, können bakterielle Sekundärinfektionen und Sepsis den Krankheitsverlauf weiter komplizieren. Ein erhöhter Procalcitonin-Wert könnte ein früher Marker für diese Komplikation sein. 6. Mai 2020
Impfen 6. Mai 2020
Impfen: Dauer der Impfstoffinduzierten Immunität Mehrere Fragen müssen noch geklärt werden: • Treffen Hinweise zu, dass die Immunität möglicherweise nur drei Monate oder weniger anhält? • Oder ist Langzeitstudien über die antikörpervermittelte Immunität zu trauen, die nahelegen, dass die Immunität nach der Infektion für 1-2 Jahre fortbestehen kann? • Wie sind Hinweise zu bewerten, dass zelluläre Immunität lange anhält und bei Reexposition eine schnelle T-Zell-Aktivierung erfolgt? 6. Mai 2020
Impfen: Antikörper-abhängige Verstärkung der Immunreaktion Auch die Möglichkeit für eine Antikörper-abhängige Immunverstärkung (antibody dependent enhancement; ADE) gibt Anlass zur Sorge: • ADE ist das Ergebnis von nicht neutralisierenden Antikörpern, die dem Virus das Eindringen in die Viren werden durch heterotypische Antikörper aus einer Impfung erkannt. Die Komplexe binden an den Zellen erleichtern. Fcγ Rezeptor auf der Oberfläche von Makro-phagen und werden internalisiert. Es resultiert eine erhöhte Viruslast und ein funktioneller Wechsel der • Das Phänomen wurde bei einigen anderen Makrophagen von einem regenerativen hin zu einem Virusinfektionen, vor allem bei Dengue, beobachtet. inflammatorischen Zytokin-Sekretionsprofil. 6. Mai 2020
Faszinierende Impfstofftechnologie 6. Mai 2020
Impfstoff-Technologien: Abgeschwächte oder inaktivierte Virusimpfstoffe Abgeschwächtes Virus Inaktiviertes Virus Vorteil: Vorteil: Schnelle Entwicklung; Einfach herzustellen; induziert eine hohe Sicherheit; hoher Titer Immunantwort (humoral neutralisierender und mukosal) Antikörper Nachteil: Nachteil: Pheno-/genotypisches Begrenzte Immun-Ant- Reversionspotential; wort bei immunsuppri- kann (leichte) Erkran- mierten oder älteren kung verursachen Personen 6. Mai 2020
Impfstoff-Technologien: Virale Vektorimpfstoffe Replizierender Virusvektor Nichtreplizierender Virusvektor Vorteil: Sicherheit: starke Reaktion (humoral und zellulär) Nachteil: erfordert die Identifizie- rung von Antigenen mit neutralisierenden Epitopen 6. Mai 2020
Impfstoff-Technologien: Nukleinsäure-Impfstoffe: DNA- und RNA-Impfstoffe Vorteil: Vorteil: Einfach zu entwerfen; hohe Einfach zu entwerfen; Sicherheit; Antikörper mit anpassungsfähig; induzieren hohem Titer eine starke Immunantwort Nachteil: Nachteil: Kein derzeit zugelassener Kein derzeit zugelassener Impfstoff im menschlichen Impfstoff für Mensch/Tier im Gebrauch; Verabreichungs- Einsatz; geringe Stabilität; probleme; Toxizitätsrisiko Einschränkungen beim (DNA-Insertion in das Scale-up; unbeabsichtigte menschliche Genom; Anti- Immunogenität vs. Impfstoff DNA-Antikörper-Stimulation) 6. Mai 2020
Impfstoff-Technologien: Subunit-Impfstoffe Vorteil: Sicherheit: Antikörper mit hohem Titer; zelluläre und humorale Reaktion; konsistente Produktion Nachteil: Hohe Kosten; Antikörper mit niedrigerem Titer, die Adju- vantien oder wiederholte Dosen erfordern; 6. Mai 2020
Impfstoffe in der klinischen Testung 6. Mai 2020
Impfstoff der Firma Sinovac aus Peking Abgeschwächtes Virus Inaktiviertes Virus PiCoVacc ist ein klassischer SARS-CoV-2-Totimpfstoff plus Adjuvanz. Die Viren wurden in Vero-Zellen gezüchtet. Starke Bildung neutralisierender Antikörper bei Mäusen, Ratten und Primaten. Keine Hinweise auf eine Th2-Response als Hinweis für einen Zytokinsturm oder auf ein „Antibody dependent Enhancement (ADE)“ Zurzeit wird die Vakzine in einer randomisierten, doppelblinden, Placebo-kontrollierten Phase I- Studie mit 144 Erwachsenen getestet. Der große Vorteil dieses Impfstoffs: Er kann in Anlagen produziert werden, die auch in Entwicklungsländern stehen. 6. Mai 2020
Impfstoff der Firma Moderna Moderna startete im März als erster Impfstoffentwickler die klinische Testphase eines mRNA-SARS-CoV-2- Impfstoffs (mRNA-1273), der in Lipid-Nanopartikeln (LNPs) verkapselt ist. Der Impfstoff wird zweimal verabreicht (Tag 1 und 28). Drei Konzentrationen (25 µg, 100 µg und 250 µg) werden getestet. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Phase I auf sechs weitere Kohorten mit älteren und hochbetagten Erwachsenen ausgedehnt. 6. Mai 2020
Impfstoff der Firma BioNTech Erste klinische Phase-I/II-Prüfung eines Impfstoffs gegen Covid-19 in Deutschland. Seit dem 23. April werden die RNA-Impfstoffvarianten BNT162a1, BNT162b1, BNT162b2 und BNT162c2 an Probanden getestet. Die vier verschiedenen Impfstoffvarianten enthalten uridinhaltige mRNA (uRNA), nukleosidmodifizierte mRNA (modRNA) sowie selbstamplifizierende mRNA (saRNA) . Insgesamt sollen ca. 200 Probanden im Alter von 18 bis 55 Jahren geimpft werden. Der Dosisbereich umfasst 1 bis 100 µg. 6. Mai 2020
Impfstoff des Jenner-Instituts der Universität Oxford Replizierender Virusvektor Nichtreplizierender Virusvektor Die Vakzine ChAdOx1 nCoV-19 basiert auf einem abgeschwächten, nicht replikationskompetenten Adenovirus aus Schimpansen (ChAd), das die Information für das Spike-Protein des SARS-CoV-2 enthält. Eine Phase-I/II-Studie wird mit etwa 1.100 gesunden Freiwilligen im Alter von 18 bis 55 Jahren erfolgen. Die Kontrollgruppe wird eine zugelassene Meningitis-Vakzine (MenACWY) enthalten. Bis September diesen Jahres sollen eine Million Dosen des Impfstoffs hergestellt werden. Dazu soll die Produktion bereits an sieben Produktionsorten weltweit begonnen haben – in der Hoffnung auf eine spätere Zulassung. 6. Mai 2020
Impfstoff der Firma CanSino Biological Replizierender Virusvektor Nichtreplizierender Virusvektor Das Impfstoffunternehmen CanSino Biological testet in Zusammenarbeit mit dem Pekinger Institut für Biotechnologie seinen Corona-Impfstoff (Ad5-nCoV) bereits in einer Phase II. Der Impfstoff basiert auf einem replikationsdefizienten Adenovirus-Typ 5-Vektor, der das Spike-Protein kodiert. 375 gesunden Erwachsenen sollen getestet werden. Innerhalb von 14 Tagen sollen die Nebenwirkungen untersucht und am 28. Tag soll der Gehalt an neutralisierenden Antikörpern bestimmt werden. Die Teilnehmer werden bis zu sechs Monate lang nachbeobachtet. Obwohl die Phase II schon läuft sind die Ergebnisse der Phase I-Studie noch nicht veröffentlicht. 6. Mai 2020
Impfstoff der Firma Inovio Seit April testet das in Pennsylvania (USA) ansässige Unternehmen Inovio Pharmaceuticals seinen DNA- Plattform-Impfstoff INO-4800. Der Impfstoff wird durch Elektroporation verabreicht. Man hofft diesen Impfstoff in 12 bis 18 Monaten zu entwickeln, da sich die Technologie-Plattform bereits als sicher erwiesen hat. Bis Ende des Jahres sollen eine Million Dosen des Impfstoffs produziert werden. 6. Mai 2020
Antivirale Therapien 6. Mai 2020
Favipiravir (Avigan ) ® Favipiravir, ein Guanin-Analogon, wurde in der Liste möglicher Therapien in China aufgenommen. Es handelt sich um ein Breitbandvirustatikum gegen eine Reihe von Viren, einschließlich Influenza, West-Nil-Virus und Gelbfiebervirus. In einer kleinen offenen Studie wurde Favipiravir mit einer Lopinavir/Retonavir-Therapie verglichen. Es wurde eine signifikant erhöhten Rate der Virus-Clearance und eine Verbesserung der Lungenkonsolidierung in CT-Scans beobachtet. Allerdings ist Favipiravir teratogen, weshalb besonders sorgfältig zwischen Nutzen und Risiko abzuwägen ist. Favipiravir gehört zu den Arzneimitteln, für die das Bundesministerium für Gesundheit im April 2020 die zentrale Beschaffung zur Behandlung infizierter und schwer erkrankter COVID-19- Patienten in Deutschland eingeleitet hat. 6. Mai 2020
Ribavirin Ribavirin ist ein Guanosin-Analogon, das sowohl die RNA-Synthese als auch das mRNA-Capping inhibiert. Es zeigt virustatische Wirkung gegen eine Reihe von DNA- und RNA-Viren wie beispielsweise das Hepatitis-C-Virus (HCV), das Respiratory-Syncytial- Virus (RSV), Influenza-Viren, Herpes-Viren, Arenaviren, Hantaviren und Adenoviren. SARS-CoV, MERS-CoV und HCoV-OC43 reagieren zwar in vitro auf Ribavirin empfindlich. Jedoch überstiegen die Dosen, die die CoV-Replikation signifikant hemmen, die Ribavirinkonzentrationen, die bei typischen Humantherapien erreicht werden können. 6. Mai 2020
Remdesivir Remdesivir ist ein Adenosin-Nukleosid-Analogon, das ursprünglich zur Behandlung von Ebola entwickelt wurde. Remdesivir wird im Rahmen der im März 2020 begonnenen „Solidarity“- Studie der WHO und der „Discovery“-Großstudie untersucht, in der auch Chloroquin/Hydroxychloroquin und Lopinavir/Ritonavir (teils in Kombination mit Beta-Interferon) getestet werden. Am 29. April 2020 wurden (Zwischen-)Ergebnisse von gleich drei Studien veröffentlicht. Eine zeigt keine signifikante Wirksamkeit, die anderen beiden aber schon. Vor allem Patienten im Frühstadium der durch SARS-CoV-2 verursachten Erkrankung scheinen zu profitieren. 6. Mai 2020
Galidesivir Galidesivir ist ein Adenosin-Nukleosid-Analogon der Firma BioCryst Pharmaceuticals, das ursprünglich zur Behandlung der Hepatitis C entwickelt wurde. Es zeigt ein breites Spektrum an antiviraler Wirksamkeit gegen eine Reihe anderer RNA-Virusfamilien. Eine Phase-I-Studie zur klinischen Sicherheit und Pharmakokinetik an gesunden Probanden wurde abgeschlossen. Wie bei Remdesivir wird dieses Produkt intravenös verabreicht. 6. Mai 2020
Lopinavir/Ritonavir (Kaletra ) ® Lopinavir/Ritonavir, eine Protease-Inhibitor- Kombination zur Behandlung von HIV/AIDS, blockiert in vitro die COVID-19-Infektion bei niedriger mikro-molarer Konzentration mit einer halbmaximalen wirksamen Konzentration (EC50) von 8,5 μM. Im Gegensatz dazu liegen in vitro hemmende Konzentrationen für HIV im niedrigen nM-Bereich (~6 nM). In einer ersten randomisierten Studie wurde in der intention-to-treat-Population kein signifikanter Effekt beobachtet. Weitere Studien mit dieser Wirkstoffkombination sind geplant, wobei höhere Dosen und ein früherer Beginn der Behandlung getestet werden. 6. Mai 2020
Chloroquin/Hydroxychloroquin In vitro hat Chloroquin antivirale Eigenschaften gegen verschiedene RNA-Viren. Es blockiert die Virusinfektion, indem es u.a. den endosomalen pH-Wert erhöht. Niedriger pH-Werte sind dagegen für die Virus-Zell-Fusion erforderlich. Zusätzlich zu seiner antiviralen Aktivität hat Chloroquin eine immunmodulierende Wirkung, die seine antivirale Wirkung in vivo synergistisch verstärken könnte. Die Wirksamkeit dieser extrem kontrovers diskutierten Substanzen wird derzeit in der „Solidaritry“-Studie der WHO getestet. Ein großes Problem liegt darin, dass die beiden Wirkstoffe das QT-Intervall signifikant verlängern. 6. Mai 2020
Rekombinante Antikörper Antagonisten-Antikörper, die IL-1 (Anakinra, Rilonacept und Canakinumab), IL-6 (Tocilizumab, Sarilumab) und IFN-γ (Emapalumab) hemmen, sind für die Behandlung von Entzündungsstörungen, die durch proinflammatorische Zytokine vermittelt werden, zugelassen. Sie könnten zur Kontrolle eines Zytokinsturms eingesetzt werden, der bei schweren Verläufen von COVID-19 immer wieder beobachtet wird. Mehrere klinische Studien sind im Gange oder sind geplant, um die Wirksamkeit dieser Antikörper zu untersuchen. 6. Mai 2020
JAK-STAT Inhibitoren Baricitinib (Oluminat®) ist ein oraler JAK1 und JAK2-Inhibitor. Der Wirkstoff verhindert, dass Zytokine wie IL-6, INF-α/β und GM- CSF eine komplexe Signalkaskade in Gang setzen, die im Zellkern die Produktion jener Proteine ankurbelt, die für eine verstärkte Immun- und Entzündungsantwort verantwortlich sind. Baricitinib Ruxolitinib Ein anderer JAK-Inhibitor ist Ruxolitinib (Jakavi®). Der Hersteller Novartis plant eine Studie mit Covid-19-Patienten mit Zytokinfreisetzungssyndrom. 6. Mai 2020
Inhibitoren des Komplementsystems Die Komplementaktivierung ist ein wichtiger Teil des angeborenen Immunsystems und kann sowohl durch bakterielle als auch durch virale Infektionen ausgelöst werden. Studien mit dem Anti-C5-Antikörper Eculizumab wurden bei Patienten mit Zytokin-Sturm- Symptomen im Zusammenhang mit COVID-19-Pneumonie initiiert. Ein rekombinanter Proteininhibitor von C5a und LTB4, Nomacopan, wird ebenfalls untersucht. Der Wirkstoff könnte nicht nur die Inflammation positiv beeinflussen, sondern auch dazu beitragen, intravaskuläre Gerinnungen zu stoppen, die bei COVID-19-Patienten immer häufiger beobachtet werden. 6. Mai 2020
Corona-Pandemie - Fakten Pharmazie Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Prof. Dr. Theo Dingermann Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung T.Dingermann@avoxa.de 6. Mai 2020
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