SIEGFRIED LANDSHUT LECTURES-Hamburger Institut für Sozialforschung
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»Die empirische Forschung Inhalt steht grundsätzlich in einem komplementären Verhältnis zu so etwas wie Theorie – sie kann ihr Handwerk ohne Theorie nicht ausüben.«* Siegfried l andshut 3 Wolfgang Knöbl Siegfried Landshut – Ankunftsort Hamburg 11 Rainer Nicolaysen Siegfried Landshut redivivus 20 Zeittafel 27 Literaturhinweise * Siegfried Landshut: Empiri 29 sche Forschung und Grund Der Siegfried-Landshut-Preis lagenforschung in der Politi schen Wissenschaft (1959). In: Ders.: Politik. Grundbegriffe 30 und Analysen. Eine Auswahl Das Hamburger Institut aus dem Gesamtwerk in zwei für Sozialforschung Bänden. Hrsg. von R ainer Nicolaysen. Berlin 2004, Bd. 1, S. 297 – 319, hier S. 301. 32 Impressum
Siegfried Landshut — Ankunftsort Hamburg Wolfgang Knöbl Geboren 1897 in Straßburg, aufgewachsen in einer assimilierten jü- dischen Familie, Teilnahme am Ersten Weltkrieg, zunächst in Frank- reich, dann Russland, Verwundung 1916, im gleichen Jahr erneut eingezogen und zurück an die Front, Unteroffizier in Aleppo, Kriegs- ende, Sich-Durchschlagen nach Konstantinopel, von dort zurück per Schiffspassage nach Hamburg – im März 1919. Siegfried Landshuts Jugendjahre waren turbulent, aber nicht un- typisch für Männer seiner Generation, die in den Krieg ziehen muss- ten. Ahnen konnte Landshut damals noch nicht, dass ihn die unge- Siegfried Landshut bei einer Vorlesung an der Universität Hamburg, wollt abenteuerlichen Züge seines Lebens weiterhin begleiten würden, Sommersemester 1951 wissen konnte er nicht, wohin ihn die Flucht vor den Nationalsozia- listen und das Exil noch führen sollten. Vielleicht aber lässt sich im Rückblick auf seine akademische Karriere, die in der jungen Weima- rer Republik mit der Aufnahme eines Jurastudiums und dann des Stu- diums der Nationalökonomie in Freiburg begann, sein Weg so deuten, dass er im Denken jene Stabilität suchte, die ihm in seinem Leben ver- wehrt blieb. Jedenfalls bis zu seiner Rückkehr auf den Lehrstuhl für Politikwissenschaft an der Universität Hamburg im Jahre 1951. Denn was die intellektuelle Entwicklung Landshuts auszeichnet, ist ein von Anfang an erkennbares und vor allem kontinuierliches Hinterfragen sozial- und geisteswissenschaftlicher Positionen, also die grundsätz- liche und stetige Kritik an für weitgehend unproblematisch erachte- ten Theoremen und Begriffen. Dadurch wurde er zum wissenschaft 3
lichen Außenseiter, und genau deshalb sind seine Arbeiten auch heute noch interessant für all diejenigen, welche die Entwicklung einer oft drittmittelgetriebenen Forschung zunehmend kritisch sehen und de- ren Relevanz infrage stellen. Man liest Landshut heute als einen Klas- siker der Sozialwissenschaften, weil er Fragen aufwarf und Denkan- stöße lieferte, die nicht nur historisierend einzuordnen, sondern auch heute noch aktuell sind. Der wissenschaftliche Standort und intellektuelle Reibungspunkte Landshut war ein Intellektueller zwischen den Disziplinen, der in der Soziologie genauso beheimatet war wie in der Politik- oder Wirt- schaftswissenschaft. Wenn man Landshuts wissenschaftliche Position genauer charakterisieren will, so stößt man unmittelbar auf drei Spe- zifika seiner Argumentationsweise. Erstens, Landshut war ein zutiefst politischer Denker und Intel- lektueller in dem Sinn, dass er nie bereit war, Wissenschaft als eine Art Glasperlenspiel zu betreiben, das sich mit der Lösung beliebiger und damit eben austauschbarer Probleme beschäftigt. Sein wohl be- Verleihung des Hansischen Goethe-Preises im Hamburger Rathaus am 19. 11. 1959 Links: Theodor Heuss (Preisträger), Mitte: Siegfried Landshut (Vorsitzender des kanntestes Werk, die »Kritik der Soziologie – Freiheit und Gleichheit Preiskuratoriums) als Ursprungsproblem der Soziologie« aus dem Jahre 1929, beginnt deshalb mit einer scharfen Kritik an der Orientierungslosigkeit die- ser Disziplin hinsichtlich ihrer eigenen Fragestellung, einer Kritik, die So sehr Landshut auch Max Webers empirische Analysen ge- auch vor den Arbeiten eines Max Weber nicht haltmacht, dem er eine schätzt haben mag, er wirft ihm folglich vor, dass er dasjenige nicht allzu subjektivistische Wissenschaftsauffassung und diesbezüglich – ausreichend gewürdigt und zur Disziplinbestimmung genutzt habe, zumindest was dessen methodische Schriften betrifft – ein Selbstmiss- was etwa das Werk von Karl Marx unter anderem auszeichnete: näm- verständnis vorwirft. Wissenschaft, und dies gilt insbesondere für die lich das kontinuierliche Arbeiten an einer ganz bestimmten prakti- Soziologie, lässt sich Landshut zufolge nicht über Methoden (und The- schen Fragestellung, aus der heraus Marx (s)eine neue politische Öko- orien) definieren, die auf beliebige Gegenstände appliziert werden – nomie begründen wollte. Landshut selbst war nun mit Blick auf die ein Argument, das damals so wichtig war wie heute. Landshut war Soziologie der Meinung, dass diese sich (von Weber und vielen ande- diesbezüglich der Auffassung, dass eine solche Vorgehensweise über ren übersehen oder fehlgedeutet) von Anfang an ganz zentral mit der kurz oder lang notwendig zu einer Auflösung und Fragmentierung des Problematik des oft widersprüchlichen Zusammenhangs von Freiheit Faches führen müsse. Am Beginn habe deshalb die Suche nach und die und Gleichheit beschäftigt habe, dass es genau dieses Thema war, das Beschäftigung mit einer zentralen Problematik der Soziologie zu ste- für die Gründung der Disziplin konstitutiv geworden sei. Unabhän- hen, zuallererst gelte es ihren »Sachcharakter« historisch aufzudecken, gig davon, ob man dieser Behauptung Landshuts vorbehaltlos zustim- aus dem sich erst alles Weitere ergebe. men wird, sein Argument verweist doch auf einen wichtigen Punkt: 4 Siegfried Landshut Lectures Siegfried Landshut – Ankunftsort Hamburg Wolfgang Knöbl 5
Die Sozialwissenschaften im Allgemeinen und die Soziologie im Be- sonderen haben sich stets nach der (gesellschaftspolitischen) Relevanz und dem Problemkern ihrer Fächer und Forschungen zu fragen. Zweitens, Landshuts Reflexionen über den historischen Sachcha- rakter von Disziplinen führen dazu, dass er von Anfang an sozialwis- senschaftliche Begriffe konsequent kontextualisiert und historisiert. Mit feinem Gespür für die Problematik in der Soziologie verbreite- ter Dichotomien, wie jener zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft (Ferdinand Tönnies), weist er auf deren historischen Ursprung hin und mithin dann darauf, dass sie Problemstellungen transportieren, die zeitgenössischen Konstellationen nicht mehr angemessen sind. Und mit ebenso feinem Gespür spießt er die Reifizierungsgefahr auf, die in Begriffen steckt: Wie er schon in einem seiner frühesten Texte (»Über einige Grundbegriffe der Politik«, 1925), aber auch in seiner Habilita- tionsschrift von 1933 (»Historisch-systematische Analyse des Begriffs des Ökonomischen«) betont, ist es wenig sinnvoll, das Politische oder die Politik bzw. das Ökonomische und die Ökonomie ein für alle Mal definieren zu wollen. Die Vorstellung, politisches bzw. ökonomisches Handeln sei stets gleich verstanden worden, weist er vehement zurück, wodurch er die Türen für eine Analyse historischer Semantiken weit öffnet. Landshuts Blick für »die eigentümliche Veränderung und Wan- delbarkeit« von Termini ist gerade heute wieder von so enormer Be- deutung, weil Sozialwissenschaftler_innen – belehrt von Einsichten der Globalgeschichte – nicht mehr so ohne Weiteres von der im »Wes- ten« lange Zeit für selbstverständlich gehaltenen Existenz abgegrenz- ter Wertsphären und Subsysteme ausgehen können, da also nicht wei- ter hinterfragte differenzierungstheoretische Annahmen nicht nur außerhalb des »Westens«, sondern auch gerade bei »uns« zunehmend an der Wirklichkeit vorbeigehen. Damit erlaubt die Lektüre der Texte von Landshut, neue theoretische Fragen zu stellen und die Sozialwis- senschaften zu öffnen für Wandlungs- und Prozessanalysen. Drittens, Landshut ist für die Sozialwissenschaften nicht nur des- halb von so großer Bedeutung, weil er Interdisziplinarität tatsächlich gelebt, gedacht und angewandt und wie wenige andere Intellektuelle seiner Generation dieses Wissenschaftsideal bis zum Ende seiner aka- demischen Karriere hochgehalten hat: Vom Soziologen, Politologen erste seite des Vorlesungsskripts »Das politische gemeinwesen«, handschriftlich von siegfried landshut, Wintersemester 1959/60 siegfried landshut – ankunftsort Hamburg Wolfgang Knöbl 7
Landshut heute und das Hamburger Institut für Sozialforschung Von Ende her betrachtet kann Siegfried Landshuts akademische Kar- riere dann doch als erfolgreich bezeichnet werden – berücksichtigt man seine Berufung auf eine Professur nach Hamburg und sein Wir- ken und seinen Einfluss in der deutschen Politikwissenschaft in den 1950er und 1960er Jahren. Sie könnte freilich anders bewertet wer- den, wenn man darüber nachzudenken beginnt, welche Hindernisse Landshut zu überwinden hatte, wie sehr ihn die unendlichen Schwie- rigkeiten seiner Exilzeit von der produktiven Arbeit abgehalten haben, welche Werke vielleicht hätten entstehen können, wenn ihm sehr viel früher der institutionelle Erfolg gegönnt worden wäre und ihn Ver- folgung, Vertreibung und Existenznot nicht Jahre seines Lebens ge- kostet hätten. Doch derartiges Nachdenken und Spekulieren ist letzt- lich m üßig. Landshut hat nicht wenige Werke hinterlassen, aber Vieles musste aufgrund der biografischen Umstände bruchstückhaft bleiben. Dennoch sind seine Vita und seine Schriften wahrlich beeindruckend genug, um am HIS eine Vorlesungsreihe zu etablieren, die seinen Na- men trägt. Siegfried Landshut 1966 und Nationalökonomen Landshut war ja schon die Rede, wobei man auch den Ideenhistoriker Landshut mit seinen Arbeiten insbesondere zu Marx und Tocqueville nicht vergessen sollte. Wichtig und bemerkenswert ist mit Sicherheit auch die Charakte- risierung von Landshut als einem Intellektuellen, der – obwohl aus der Theorie- und Ideengeschichte kommend – auch die Empirie nie aus dem Blick verliert, sondern in seinen im Exil entstandenen Arbeiten zu Palästina/Israel gerade auch die empirische Forschung in vorbild licher Weise, nämlich theoretisch und historisch gesättigt, vorange- trieben hat. Für ein Institut wie das Hamburger Institut für Sozialfor- schung (HIS) kann und sollte Landshuts praktizierte Verknüpfung von Theorie und Empirie ein Vorbild sein. 8 Siegfried Landshut Lectures Siegfried Landshut – Ankunftsort Hamburg Wolfgang Knöbl 9
Siegfried Landshut redivivus Rainer Nicolaysen 1 Ausführliche biografische Als der Politikwissenschaftler Siegfried Landshut vor fünf- Daten finden sich in der diesem zig Jahren, im Dezember 1968, starb,1 hinterließ er ein weit Beitrag folgenden Zeittafel. verstreut erschienenes, zum Teil unter widrigsten Lebensum- ständen entstandenes Werk, das bis heute für die Politische Wissenschaft als ebenso grundlegend wie anregend gelten kann, das aber, sperrig gegenüber jedem Mainstream, schon zu Landshuts Lebzeiten nur begrenzt rezipiert wurde und 2 Wilhelm Hennis: Zu Sieg- nach seinem Tod weitgehend in Vergessenheit geriet. Be- fried Landshuts wissenschaft- reits in seiner Akademischen Gedächtnisrede auf den frühe- lichem Werk. In: Zeitschrift für Politik N.F. 17 (1970), S. 1–14, ren Hamburger Kollegen hat Wilhelm Hennis 1969 betont, er hier S. 1 f. wüsste kaum ein Werk eines deutschen Gelehrten zu nennen, dessen Wirksamkeit durch »die Ungunst der Zeit« so beein- 3 Politikwissenschaft als trächtigt worden wäre wie dasjenige Landshuts. Selbst engste Disziplin. Zum Weg der politi- Fachkollegen wüssten lediglich, dass Landshut der Heraus- schen Wissenschaft nach 1945. Wilhelm Hennis im Gespräch geber der Frühschriften von Karl Marx sei und eine ausge- mit Gangolf Hübinger [am zeichnete Tocqueville-Auswahl betreut habe.2 Knapp dreißig 11. 11. 1998]. In: Neue Politische Jahre später, aus dem Rückblick des Jahres 1998, hat Hen- Literatur 44 (1999), S. 365 – 379, hier S. 370. nis Landshut dann als den wohl unbekanntesten unter den »Gründervätern« seines Faches bezeichnet, zugleich aber als Siegfried Landshut im Gespräch mit Studierenden; Seminar für den »bedeutendste[n] Kopf« der ersten Generation der Poli- Sozialwissenschaften der Universität Hamburg, Mitte der 1950er Jahre tikwissenschaft nach 1945 .3 Siegfried Landshut redivivus Rainer Nicolaysen 11
4 Rainer nicolaysen: Trotz medialer Aufmerksamkeit für die 1997 erschienene siegfried landshut. Die Wieder- Biografie über Siegfried Landshut4 und die zweibändige Aus- entdeckung der Politik. eine biographie. frankfurt a. M. 1997. wahlausgabe seiner Schriften 2004 5 wird Landshut biswei- len auch heute noch und selbst in einschlägigen Zusammen- 5 siegfried landshut: Politik. hängen übergangen: Als sich Jürgen Habermas 2011 auf einer grundbegriffe und analysen. Tagung über »Jüdische Stimmen im Diskurs der sechziger eine auswahl aus dem gesamt- werk in zwei bänden. Hrsg. von Jahre« an die Bedeutung (r)emigrierter Philosophen und So- Rainer nicolaysen. berlin 2004. zialwissenschaftler für die politische Kultur der frühen Bun- desrepublik wie auch für ihn persönlich erinnerte, nannte er 6 Jürgen Habermas: gross- alle zu erwartenden Namen – außer denjenigen Landshuts. herzige Remigranten. Über Die Neue Zürcher Zeitung, die den ansonsten eindrückli- jüdische Philosophen in der frühen bundesrepublik. eine chen Habermas-Vortrag unter dem Titel »Grossherzige Re- persönliche erinnerung. migranten« in derselben Woche abdruckte,6 ergänzte dann in: neue Zürcher Zeitung, den Artikel – allerdings unbeabsichtigt – um den Vergesse- nr. 152 vom 2. 7. 2011, s. 21 f.; leicht verändert abgedruckt nen: Sie illustrierte den Text mit einem Foto vom Deutschen unter dem Titel »Jüdische Soziologentag in Heidelberg 1964 , das neben Max Horkhei- Philosophen und soziologen mer, Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas auch den in als Rückkehrer in der frühen bundesrepublik. eine erinne- der Bildunterschrift freilich ungenannten Siegfried Lands- rung«. in: Jürgen Habermas: hut zeigt. An diesem Kongress anlässlich des 100. Geburts- im sog der Technokratie tages von Max Weber, der Fachgeschichte schrieb und von (Kleine politische schriften Xii). berlin 2013, s.13 – 26. Habermas als intellektuelles Großereignis der 1960er Jahre geschildert wird, nahm Landshut als ausgewiesener Ken- 7 Vgl. Jürgen Habermas: ner des Weber’schen Werkes teil. Schon in seiner »Kritik der soziologie in der Weimarer Soziologie« von 1929 räumt er der Auseinandersetzung mit Republik. in: Wissenschafts- geschichte seit 1900. 75 Jahre Max Weber einen zentralen Platz ein – ein Buch, das Ha- Universität frankfurt. bermas selbst vor etlichen Jahren als einen der wichtigsten Mit beiträgen von Helmut coing, sozialwissenschaftlichen Beiträge in der zweiten Hälfte der lothar gall, Jürgen Habermas, notker Hammerstein, Hubert Weimarer Republik gewürdigt hat.7 Wenn gerade Landshut Markl, Wolfgang J. Mommsen. in dem Artikel so ungenannt wie unerkannt bleibt, ist dies frankfurt a. M. 1992, s. 29 – 53, weder vorsätzlich noch zufällig, sondern symptomatisch für hier s. 41– 43. eine schwierige Rezeption, die zumindest teilweise bis heute noch ihre Fortschreibung findet. Dass es für Landshuts Werk nicht einfach war, sich im fachwissenschaftlichen Diskurs durchzusetzen, hängt vor allem mit zwei Gründen zusammen: zum einen mit dem Bruch, den ein siebzehn Jahre währendes Exil für Landshuts Die bildunterschrift der NZZ lautet: »Während des Heidelberger Max-Weber-Kongresses im Jahr 1964: im Vordergrund Max Horkheimer und Theodor W. adorno, hinten rechts Jürgen Habermas« (NZZ, nr. 152 vom 2. 7. 2011, s. 22); unerwähnt: siegfried landshut (hinten links). 12 siegfried landshut lectures abdruck des originalfotos mit freundlicher genehmigung von Jeremy l. shapiro
wissenschaftliche Laufbahn bedeutete, in seinem Fall ver- stärkt noch dadurch, dass er nicht wie viele andere von den Nationalsozialisten vertriebene Sozialwissenschaftler in die USA emigrierte, sondern im nahöstlichen Exil, in Ägypten und Palästina, von wissenschaftlicher Arbeit und entspre- chendem Austausch weitgehend abgeschnitten war, und zum anderen mit dem Werk selbst, das, orientiert am aristoteli- schen Politikverständnis, auch nach der Remigration in einer sich erst etablierenden westdeutschen Politikwissenschaft eher randständig blieb. Konsequent wie kaum ein anderer Politikwissenschaft- ler im 20. Jahrhundert hat Siegfried Landshut die Politische Wissenschaft aus ihrer eigenen, mehr als zweitausendjähri- gen Tradition heraus wieder zu begründen versucht. Politik war für Landshut nicht nur eine der ältesten Wissenschaf- ten, sie war für ihn auch die im aristotelischen Sinne könig- liche Disziplin, diejenige, die die bestimmenden Fragen des menschlichen Miteinanderlebens zum Thema hat und die sich als praktische Wissenschaft an einem Zweck orientiert: am Gemeinwohl, am guten Leben. Landshuts gesamtes Werk zielt darauf, den Verlust eines solchen Politikverständnisses, das nichts mit Kampf um Macht oder bloßer Verwaltung und Sicherung des Lebens zu tun hat, durch rückwärts aufklä- rende Untersuchungen kenntlich zu machen und damit wie- der stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. 8 Siegfried Landshut: Kritik Insofern war es ein programmatischer und hinsichtlich der Soziologie. Freiheit und seiner akademischen Karriere auch mutiger Akt, als Lands- Gleichheit als Ursprungs problem der Soziologie. Mün- hut 1928 an der Hamburgischen Universität als erster deut- chen/Leipzig 1929; wieder scher Wissenschaftler im 20. Jahrhundert um Zulassung zur abgedruckt in: Ders.: Kritik der Habilitation für »das Fach der Politik« bat: ein Fach, das es Soziologie und andere Schrif- zu jenem Zeitpunkt an keiner Universität in Deutschland ten zur Politik (Politica, Bd. 27), Neuwied am Rhein / Berlin 1969, gab. Seine Habilitationsschrift »Untersuchungen über die ur- S. 11–117 sowie in der Werk- sprüngliche Fragestellung zur sozialen und politischen Prob- ausgabe (wie Anm. 5), Bd. 1, lematik«, deren Annahme am Veto des Soziologen Andreas S. 43 – 188. Das Buch erschien zudem in japanischer und Walther scheiterte, erschien 1929 unter besagtem Verlagstitel italienischer Übersetzung. »Kritik der Soziologie«8 – »Apologie der Politik« wäre tref- 14 Siegfried Landshut Lectures Siegfried Landshut: Antrag auf Zulassung zur Habilitation für das Fach der Politik, 2. 5. 1928
fender gewesen. Als grundlegende Methodenkritik der Sozi- alwissenschaft wurde der Band zeitgenössisch in der Zunft breit und kontrovers diskutiert. Nach dem Wiederabdruck in der Auswahlausgabe von Landshuts Schriften 2004 ur- teilte Michael Th. Greven, die »Kritik der Soziologie« müsse »als ein Gründungsdokument des politikwissenschaftlichen Neo-Aristotelismus gelesen und Landshut selbst zeitlebens als einer seiner tiefgründigsten Vertreter anerkannt wer- 9 Michael Th. Greven: Sieg- den«.9 fried Landshut. Ein Gründungs- Im Nachkriegsdeutschland gehörte Landshut zu den vater des politikwissenschaft lichen Neo-Aristotelismus. »Gründervätern« der Politikwissenschaft. Dafür kehrte er In: Neue Politische Literatur 49 1950 an jene Universität zurück, von der er 1933 als Jude ver- (2004), S. 216 – 219, hier S. 217. trieben worden war. 1951 erhielt der knapp 54-jährige Re- migrant den neu eingerichteten Hamburger Lehrstuhl für die »Wissenschaft von der Politik«, einen der ersten in der Bun- desrepublik. Vierzehn Jahre lang vertrat Landshut die Politik- wissenschaft in Hamburg, über zehn Jahre lang als einziger Professor in diesem Fach. Entgegen der verbreiteten Ansicht, es handele sich um eine neue, erst nach 1945 aus den USA »importierte« Wissenschaft, insistierte er erneut, Politik sei eine der ältesten Disziplinen überhaupt: »[…] der Begriff Po- litik ist ja nicht von gestern. Er ist neben Physik, Metaphy- 10 Siegfried Landshut: sik und Ethik einer der ältesten Begriffe zur Bezeichnung Politik. In: Heinz Brunotte/ einer Wissenschaft, der Wissenschaft von der Polis, der poli- Otto Weber (Hg.): Evange lisches Kirchenlexikon. Kirch- tischen Gemeinschaft, der res publica.«10 lich-theologisches Hand In eben diesem Sinne hat Landshut die Politikwissen- wörterbuch, Bd. 3. Göttingen schaft wieder zu beleben versucht und zugleich die neuzeit- 1959, S. 248 – 250, hier S. 248; liche Entwicklung, die zum Traditionsabbruch geführt hatte, wieder abgedruckt in: Werk- ausgabe (wie Anm. 5), Bd. 1, einer grundlegenden Kritik unterzogen. Als Diagnostiker der S. 293 – 296, hier S. 293 f. Moderne bezog er sich insbesondere auf Tocqueville, Marx und Max Weber. Landshuts »erfolgreichste und folgen- 11 Jürgen Dennert: Siegfried reichste Arbeit«11 war seine Marx-Interpretation, die das phi- Landshut – in memoriam. losophische Frühwerk von Marx und damit dessen Begriff In: Hamburger Jahrbuch für Neben der Herausgabe der Frühschriften Wirtschafts- und Gesellschafts- der »Selbstentfremdung des Menschen« in den Mittelpunkt veröffentlichte Landshut kurz vor der Emigra- politik 14 (1969), S. 209 – 220, rückte. Die beiden blauen Bände der Frühschriften von Karl tion zwei kleinere Broschüren über Marx hier S. 212. Marx in der Kröner-Taschenausgabe machten Landshut 1932 (1932 und 1933). 16 Siegfried Landshut Lectures Siegfried Landshut redivivus Rainer Nicolaysen 17
12 Karl Marx: Der Histori- auf einen Schlag international bekannt;12 seine einbändige sche Materialismus. Die Früh- Ausgabe von 1953 ist noch heute in siebter Auflage erhält- schriften. 2 Bde. Hrsg. von Siegfried Landshut und Jacob lich.13 Vor allem die Veröffentlichung der von Landshut auf- Peter Mayer, unter Mitwirkung gespürten »Ökonomisch-philosophischen Manuskripte aus von Friedrich Salomon (Kröners dem Jahre 1844«, der sogenannten »Pariser Manuskripte«, Taschenausgaben, Bd. 91 und 92). Leipzig 1932. war eine Sensation und bedeutete eine Zäsur vor allem für die westliche Marx-Forschung. 13 Karl Marx: Die Frühschrif- Angesichts der hier nur angedeuteten Dimension von ten. Hrsg. von Siegfried Lands- Landshuts Arbeiten, seiner wissenschaftsgeschichtlich be- hut (Kröners Taschenausgabe, Bd. 209). Stuttgart 1953 [zuletzt deutsamen Rolle und seiner Lebensgeschichte als einer der 7. Aufl. 2004]. wenigen jüdischen Remigranten in der Bundesrepublik er- staunt trotz der genannten Gründe eben doch, wie sehr Landshut nach seinem Tod in Vergessenheit geraten konnte, und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass gerade der- jenige Politikwissenschaftler, der in besonderem Maße Tra- dition und Gewichtigkeit des Faches zu akzentuieren suchte, später selbst Opfer der von ihm kritisierten Geschichtsver- gessenheit auch und gerade in der eigenen Wissenschaftsdis- ziplin geworden ist. Siegfried Landshut war ein origineller, ein eigenstän- diger, für manche auch unbequemer Denker, kritisch, aber nicht resignativ, historisch arbeitend, aber stets gegenwarts- bezogen. Sich an seinen Thesen und Argumentationen ab- zuarbeiten, lohnt noch immer. Dass in seinem Werk Frag- lichkeiten und Probleme aufgetan, nicht jedoch schnelle Lösungen geboten werden, kann kaum verwundern. Manche von Landshuts Deutungen waren zeitverhaftet und erschei- nen heute überholt, aber durch die Grundsätzlichkeit fast al- ler Schriften ist Landshuts Werk von mitunter erstaunlicher Aktualität und eine intellektuelle Herausforderung, die noch immer vielfältig zu inspirieren vermag. 18 Siegfried Landshut Lectures Siegfried Landshut, 1950er Jahre 19
Zeittafel 1919 Ende März kehrt Landshut 1921– 1925 nach Deutschland zurück. 1897 Studium bei Edmund H usserl 1919 – 1921 1927 und Martin Heidegger in Siegfried Landshut wird am Freiburg i. Br., bei Max Scheler 7. August als drittes Kind des in Köln, bei Alfred Weber und Im September Wechsel an die Architekten Samuel Landshut Karl Jaspers in Heidelberg Hamburgische Universität; Edith und Siegfried Landshut auf einer Wanderung mit und seiner Ehefrau Suzette in Assistent des Sozialökonomen den Kindern Susanne und Arnold, Hopfenbach 1929 Zunächst juristisches, dann Straßburg im Elsass geboren. Eduard Heimann nationalökonomisches Studium in Freiburg i. Br. und Frankfurt am Main, vor allem bei Robert Liefmann und Franz 1930 Oppenheimer 1922 1928 Geburt des Sohnes Thomas 1914 Geburt der Tochter Susanne Landshut reicht seine Habili Vorzeitiges Ablegen des Abiturs tationsschrift Untersuchungen am Protestantischen Gymna- über die ursprüngliche Frage sium, Straßburg; am 5. August 1929 1921 stellung zur sozialen und politi tritt der knapp Siebzehnjährige sche Problematik ein und bittet als Kriegsfreiwilliger in das 1925 als erster deutscher Wissen- Die zwangsweise zurück deutsche Heer ein. Im April reicht Landshut seine schaftler im 20. Jahrhundert gezogene Habilitationsschrift Dissertation über den »Homo Veröffentlichung des grund um Zulassung zur Habilitation erscheint unter dem Titel oeconomicus« bei Robert legenden Aufsatzes Über einige für das Fach der Politik. Das Kritik der Soziologie und löst Liefmann in Freiburg i. Br. ein: Grundbegriffe der Politik im Veto des Soziologen Andreas eine heftige Kontroverse aus. Betrachtungen über eine abs Archiv für Sozialwissenschaft Walther verhindert die An- trakte und formale Auffassung und Sozialpolitik; nahme der Arbeit. des Wirtschaftlichen und seine Beziehung zum Gesellschaft der Plan einer Habilitation lichen (unveröffentlicht); bei Alfred Weber wird aufgege- im Mai Heirat mit Edith ben, wegen »Schwierigkeiten Rosalie Heß; der Habilitation eines zweiten im Dezember Abschluss jüdischen Privatdozenten der Promotion zum Dr. rer. pol. im selben Fach (neben Karl Mannheim)«; Geburt des Sohnes Arnold; Alfred Weber vermittelt Landshut einen zweijährigen Forschungsauftrag an dem von Albrecht Mendelssohn Siegfried Landshut mit Bartholdy geleiteten Institut für Vorgesetztem, vermutlich 1915 Auswärtige Politik, Hamburg. 20 Siegfried Landshut Lectures Zeittafel 21
1933 Am 21. Januar legt Landshut eine zweite Habilitationsschrift unter dem Titel Historisch- systematische Analyse des Be 1938 griffs des Ökonomischen vor. Die im Fach Nationalökonomie 1933 – 1936 eingereichte Studie wird an Trotz intensiver Bemühungen genommen; die für April vorge- namhafter Persönlichkeiten – 1932 sehene Probevorlesung findet wie Martin Buber, Ernst Simon nicht mehr statt. Am 13. Mai teilt und Arthur Ruppin – erfolgt Kriegsgefangenenlager in Ägypten Die von Landshut gemeinsam ihm die Rechts- und Staats keine Weiterbeschäftigung mit J. P. Mayer unter dem T itel wissenschaftliche Fakultät offi- Aufenthalt in Kairo; unermüd- Landshuts an der U niversität. Der historische Materialismus ziell mit, dass »mit Rücksicht liche Stellensuche; ständige Die Familie steht erneut vor herausgegebenen Frühschrif- auf die veränderten Verhält- Existenznot für die fünfköpfige dem Nichts. ten von Karl Marx erregen nisse« von der Weiterverfol- Familie; kaum Möglichkeiten zu Aufsehen. Die Entdeckung des gung seiner Habilitationsange wissenschaftlicher Arbeit 1942 – 1945 »philosophischen Marx« be- legenheit abzusehen sei. deutet eine tiefe Zäsur für die Am 23. Juni verlässt Landshut Marx-Forschung. Hamburg, um Gastvorlesungen 1945 – 1948 in Ägypten zu halten. Am glei- 1936 1939 chen Tag erfährt er von seiner Entlassung. Als »Nichtarier« Leiter der deutschen Abteilung wird ihm zum 31. August seine Übersiedlung nach Palästina. Das Economic Research des Britischen Mittelmeer Assistentenstelle an der Verschiedene Institutionen und Institute, Jerusalem, beauftragt senders in Jerusalem Hamburgischen Universität Hilfsorganisationen finanzieren Landshut mit einer Studie Leiter der »Educational Sec- gekündigt. gemeinsam eine auf zwei Jahre über die soziologischen tion« des »German Prisoners befristete Stelle als Research Grundlagen der Gemeinschafts of War Directorate« in Kairo; Fellow an der Hebräischen Uni- siedlung in Palästina. dieser Unterabteilung des versität Jerusalem. British Foreign Office obliegt die »Re-education« von etwa 1944 100 000 deutschen Kriegs gefangenen in Ägypten. Die Gemeinschafts-Siedlung 1940/41 Der Präsident der Hebräischen in Palästina erscheint in Universität Jerusalem, hebräischer Sprache. Judah L. Magnes, im Kreise 1948 der aus Deutschland emigrier- ten Gelehrten, 1938. Von links Aufenthalt im Kibbuz nach rechts sitzend: Richard Givat Brenner Übersiedlung nach London; Koebner, Julius Guttmann, Harry Forschungsauftrag der Torczyner, Judah L. Magnes, »Anglo-Jewish-Association« Hugo Bergmann, Gotthold Weil, zum Thema Jewish Communi Martin Buber; hinter Buber ties in the Muslim Countries stehend: Siegfried Landshut of the Middle East. 22 Siegfried Landshut Lectures Zeittafel 23
1952 – 1959 1950 Im Januar und Juli Gastvorlesungen an der Universität Hamburg Neben der Universitätspro fessur Lehrauftrag an der 1968 Akademie für Gemeinwirtschaft, Hamburg Am 8. Dezember stirbt 1958 1951 Siegfried Landshut in Hamburg. Im Wintersemester 1950/51 Grundlegender Vortrag über 1953 und Sommersemester 1951 das Wesen der Politikwissen- »Lehrauftrag für Soziologie und schaft: Empirische Forschung politische Wissenschaften« und Grundlagenforschung in Herausgeber von in Hamburg; am 28. April erfolgt der Politischen Wissenschaft, Karl Marx, Die Frühschriften der Ruf auf den ersten Ham Tagung der Vereinigung für die burger Lehrstuhl für die »Wis- Wissenschaft von der Politik senschaft von der Politik«, in Tutzing am 18. Juli die Ernennung zum Ordentlichen Professor. Landshut etabliert die Politi- sche Wissenschaft in Hamburg und engagiert sich maßgeblich bei der Wiederbegründung des Exkursion mit Studierenden nach Paris, 1952; Faches in der Bundesrepublik. rechts sitzend: Siegfried Landshut 1964/65 Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für 1952 – 1958 Politische Wissenschaft 1954 Vorstandsmitglied der Vereini Herausgeber und Übersetzer 1965 gung für die Wissenschaft der Tocqueville-Auswahl von der Politik (seit 1959 Deut Das Zeitalter der Gleichheit sche Vereinigung für Politische Emeritierung; Fortsetzung Wissenschaft) der Lehrtätigkeit in beschränk- Exkursion mit Studierenden nach Oxford, Anfang/Mitte der tem Umfang; 1950er Jahre; v ierter von links: Siegfried Landshut am 26. Juni stirbt Edith Landshut. 24 Siegfried Landshut Lectures Zeittafel 25
Literaturhinweise 1997 Im Jüdischen Verlag bei Suhrkamp erscheint Rainer Nicolaysens Biografie Siegfried Landshut. Die Wieder entdeckung der Politik. Anlässlich des 100. Geburts tages von Landshut veran staltet die Universität Hamburg Auswahlausgaben — Die Kwuza [hebräisch] (Zionistische ein Symposium und einen — Kritik der Soziologie und andere Schrif- Bibliothek, Bd. 4). Jerusalem 1944 [he- 1969 Vortragszyklus. ten zur Politik (Politica, Bd. 27). Neuwied bräische Neuausgabe Ramat Efal 2000; Im Frühjahr erscheint der am Rhein/ Berlin 1969. deutschsprachige Originalfassung: Sammelband Kritik der Sozio — Politik. Grundbegriffe und Analysen. Die Gemeinschafts-Siedlung in Paläs- logie und andere Schriften zur Politik. Eine Auswahl aus dem Gesamtwerk in tina; erstmals vollständig veröffentlicht zwei Bänden. Hrsg. von Rainer Nicolaysen. in: Politik. Grundbegriffe und Analysen 2004 Berlin 2004 [mit vollständiger Biblio (2004), Bd. 2, S. 770 – 977]. graphie, ebd., Bd. 2, S. 995-1014]. Die zweibändige Auswahlaus- Herausgeberschaften gabe Politik – Grundbegriffe und GröSSere Schriften (Auswahl) Analysen macht den Großteil von Landshuts Schriften wieder — Kritik der Soziologie. Freiheit und Gleich- — Karl Marx: Die Frühschriften (Kröners zugänglich. heit als Ursprungsproblem der Soziolo- Taschenausgabe, Bd. 209). Stuttgart 1953 gie. München/Leipzig 1929 [= erste ab- [basierend auf der Ausgabe von 1932; © Rainer Nicolaysen gewiesene Habilitationsschrift, Hamburg zuletzt 7. Aufl. 2004]. 1928; wieder abgedruckt in: Kritik der — Alexis de Tocqueville: Das Zeitalter der Soziologie und andere Schriften zur Po- Gleichheit. Eine Auswahl aus dem Ge- litik (1969), S. 11 – 117; erneut abgedruckt samtwerk (Kröners Taschenausgabe, in: Politik. Grundbegriffe und Analysen Bd. 221). Stuttgart 1954 [2. neubearbei- (2004), Bd. 1, S. 43 – 188; japanische Aus- tete und erweiterte Aufl. unter dem T itel: gabe 1963; italienische Ausgabe 2009]. Alexis de Tocqueville: Das Zeitalter — Historisch-systematische Analyse des der Gleichheit. Auswahl aus Werken und Begriffs des Ökonomischen [=zweite Briefen (Klassiker der Politik, Bd. 4). Habilitationsschrift, Hamburg 1933; erst- Köln/Opladen 1967]. mals vollständig veröffentlicht in: Politik. Grundbegriffe und Analysen (2004), Bd. 1, S. 189 – 290]. 26 Siegfried Landshut Lectures Literaturhinweise 27
Über Siegfried Landshut — Ders.: Zur Kontinuität politischen Der Siegfried-Landshut-Preis (Auswahl) Denkens. Siegfried Landshuts Beitrag — Jürgen Dennert: Siegfried Landshut – zur Etablierung westdeutscher Politik in memoriam. In: Hamburger Jahrbuch für wissenschaft als Einlösung seines Pro- Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 14 gramms aus Weimarer Zeit. In: Alexander (1969), S. 209 – 220. Gallus /Axel Schildt (Hg.): Rückblickend — Michael Th. Greven: Siegfried Landshut. in die Zukunft. Politische Öffentlichkeit Ein Gründungsvater des politikwissen- und intellektuelle Positionen in Deutsch- schaftlichen Neo-Aristotelismus. In: land um 1950 und um 1930 (Hamburger Neue Politische Literatur 49 (2004), Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte, S. 216 – 219. Bd. 48). Göttingen 2011, S. 275 – 293. Der 2018 ins Leben gerufene Siegfried-Landshut-Preis wird — Wilhelm Hennis: Zu Siegfried Landshuts — Ders.: Siegfried Landshut (1897 – 1968). in jedem Jahr an Wissenschaftler_innen verliehen, die mit ih- wissenschaftlichem Werk. In: Zeitschrift In: Eckhard Jesse / Sebastian Liebold ren Analysen wichtige Impulse für die Erforschung von The- für Politik N. F. 17 (1970), H. 1, S. 1–14. (Hg.): Deutsche Politikwissenschaftler – men und Problemen geliefert haben, mit denen sich auch — Dietrich Hilger: Nekrolog Siegfried Werk und Wirkung. Von Abendroth bis das Hamburger Institut für Sozialforschung beschäftigt. Mit Landshut. In: Kölner Zeitschrift für Sozio- Zellentin. Baden-Baden 2014, S. 463 – 476. Nähere Informationen Siegfried Landshut teilen die Preisträger_innen nicht nur die zum Preis selbst und zu logie und Sozialpsychologie 22 (1970), — Ders.: Ein (Wieder-)Begründer der Überzeugung von der Notwendigkeit einer historisch infor- den Vergabekriterien: S. 835 – 839. –– Politikwissenschaft: Siegfried Landshut. siegfried-landshut-preis.de mierten präzisen Begriffsarbeit oder von der Fruchtbarkeit — Rainer Nicolaysen: Siegfried Landshut. In: Margrit Seckelmann /Johannes Platz des sozialwissenschaftlichen Vergleichs; mit ihrem Oeuvre Die Wiederentdeckung der Politik. (Hg.): Remigration und Demokratie in der verkörpern sie auch eine über theoretische Fragestellungen Eine Biographie. Frankfurt a. M. 1997. Bundesrepublik nach 1945. Ordnungs vermittelte Zugangsweise zur empirischen Wirklichkeit, die — Ders. (Hg.): Polis und Moderne. Siegfried vorstellungen zu Staat und Verwaltung im es ihnen erlaubt, aktiv den Kontakt zu den jeweiligen Nach- Landshut in heutiger Sicht. Mit aus- transatlantischen Transfer. Bielefeld 2017, bardisziplinen zu suchen. Die Resultate der solchermaßen gewählten Dokumenten zur Biographie S. 221 – 237. entstandenen und an »großen« Fragen interessierten For- (Hamburger Beiträge zur Wissenschafts- — Dolf Sternberger: Siegfried Landshut schungen der Preisträger_innen werden dann in der Regel geschichte, Bd. 16). Berlin/Hamburg 2000. sechzigjährig. In: Zeitschrift für Politik durchaus kontrovers diskutiert, wodurch sie auch von einer — Ders.: Landshut, Siegfried Salomon. In: N. F. 4 (1957), S. 201. breiteren Öffentlichkeit wahrgenommen werden. Franklin Kopitzsch / Dirk Brietzke (Hg.): Hamburgische Biografie. Personenlexikon, Bd. 1. Hamburg 2001, S. 173 f. 28 Siegfried Landshut Lectures Der Siegfried-Landshut-Preis 29
Das Hamburger Institut Das Institut zeichnet sich außerdem durch seine öffentlich zu- gängliche Präsenzbibliothek aus, mit ihren Arbeitsplätzen und dem für Sozialforschung Onlinezugriff auf eine große Anzahl lizenzierter Zeitschriften und Datenbanken, sowie ein Archiv, das u. a. Graue Literatur, Flugblätter, Plakate und Fotos zu verschiedenen Themen der Zeitgeschichte, ins- besondere zum Thema Protestbewegungen, sammelt. Mit Soziopolis hat das HIS in Kooperation mit H-Soz-Kult unter dem Dach des Vereins Clio-Online e. V. ein sozialwissenschaftliches Nachrichtenportal eingerichtet, das unterschiedliche Weisen, Gesell schaft zu beobachten, präsentiert und miteinander ins Gespräch bringt. Vor über 20 Jahren wurde der Verlag Hamburger Edition gegrün- det sowie die Zeitschrift Mittelweg 36, die sich beide inhaltlich eng an der Forschungsausrichtung des HIS orientieren. Dort werden viele der Forschungsergebnisse veröffentlicht, aber auch kultur- und zeit- kritische Debatten, u. a. durch Beiträge aus anderen deutschsprachi- gen und internationalen Forschungskontexten, initiiert. Kontakt: Das Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) wurde Jürgen Determann 1984 von Jan Philipp Reemtsma gegründet. Seit April 2015 Referent für Kommunikation ist der Soziologe Wolfgang Knöbl Direktor des HIS . Das Tel. +49 40 - 41 40 97-34 juergen.determann@ Institut, unweit der Universität Hamburg gelegen, hat sich his-online.de von Anfang an mit Phänomenen der Makrogewalt beschäf- tigt und hierzu theoretisch fundierte und weithin rezipierte Analysebeiträge geliefert. Das Thema Gewalt wird das Insti- tut auch in Zukunft beschäftigen, doch in jüngster Zeit ha- ben sich weitere Themenschwerpunkte herausgebildet, so- dass auch das Verhältnis von Staatlichkeit und Demokratie bzw. die Strukturmerkmale des gegenwärtigen Kapitalismus im Mittelpunkt der international vergleichend angelegten Forschung des HIS stehen. Grundlage des wissenschaftlichen Arbeitens im HIS ist der intensive intellektuelle Austausch, auf der Basis gesell- schaftspolitisch wie theoretisch relevanter Themen. Ver- schiedene Forschungsvorhaben, Konferenzen und Vortrags- veranstaltungen werden in Kooperation mit anderen in- wie ausländischen Institutionen durchgeführt. 30 Das Hamburger Institut für Sozialforschung Das Hamburger Institut für Sozialforschung 31
»Das ist auch gar nicht zu bestreiten, um so weniger, als ja betont wurde, daß das Sach gebiet soziologischer Forschung seinem ganzen Umfang nach geschichtlich ist.«* Hamburger Institut für Sozialforschung Mittelweg 36, 20148 Hamburg Tel. +49 40 - 41 40 97-0 www. his-online.de Siegfried l andshut Dank an Siegfried Landshuts Familie, insbesondere an Susanne Geis, und an Prof. Dr. Rainer Nicolaysen, Leiter der Arbeitsstelle für Univer sitätsgeschichte an der Universität Hamburg, Biograf von Landshut, für seine großzügige Unterstützung, ohne die diese Broschüre nicht zustande gekommen wäre. Wir danken Jeremy L. Shapiro für die Abdruckgenehmigung des Fotos auf Seite 13. Die Vorlagen aller anderen Lands hut-Fotos und -Dokumente be finden sich in der Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte. © Fotos des HIS: Fabian Hammerl Konzeption | Redaktion: * Siegfried Landshut: K ritik Dr. Sabine Lammers | Hamburger der Soziologie. Freiheit und Edition Gleichheit als Ursprungspro Konzeption Layout: blem der Soziologie (1929). www.lichten.com, Hamburg In: Ders.: Politik. Grundbegriffe Satz, Herstellung: Angelika Sagner | und Analysen. Eine Auswahl Hamburger Edition aus dem Gesamtwerk in zwei Litho: Frische Grafik, Hamburg Bänden. Hrsg. von R ainer Druck und Bindung: Kösel GmbH, Nicolaysen. Berlin 2004, Bd. 1, Altusried-Krugzell S. 43 – 188, hier S. 73. 4
Die im Herbst 2018 erstmals statt findenden Siegfried Landshut Lectures am Hamburger Institut für Sozial forschung und die daran gekoppelte Verleihung des Siegfried-Landshut- Preises erinnern an den vor 50 Jahren verstorbenen deutsch-jüdischen Politikwissenschaftler und politischen Soziologen Siegfried Landshut, der nach der Vertreibung durch die Natio nalsozialisten 1951 an die Universität Hamburg zurückkehrte und maßgeb lich zum Aufbau einer historisch und interdisziplinär orientierten Sozial wissenschaft in Deutschland beitrug. Dem liberal-demokratischen Geist und der Forschungstradition des Namens gebers verpflichtet, greifen die Sieg fried Landshut Lectures gesellschafts politisch relevante Themen auf, um die akademische wie intellektuelle Debatte voranzubringen. www.siegfried-landshut-lectures.de
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