Sommertörn 2008 Mit der Bontekoe nach England! - Scharendijke-Bruinisse-Vlissingen-Nieuwpoort Calais-Calais-Dover-Ramsgate ...
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Sommertörn 2008 Mit der Bontekoe nach England! Scharendijke-Bruinisse-Vlissingen-Nieuwpoort Calais-Calais-Dover-Ramsgate Ramsgate-Boulogne-Dünkirchen Roompot-Willemstad-Scharendijke 1
Törnbericht England/Frankreich 2008 Die Vorbereitungen Nach einem vergeblichen Anlauf im Jahr 2003, der nicht über Calais hinausging, sollte in diesem Jahr die Passage nach England erneut in Angriff genommen werden. Die „Bontekoe“ wurde im Winter gründlich überholt, die Innenausstattung teilweise erneuert, ein neuer Gaskocher eingebaut. Eine neue Rollreff-Anlage war bereits im vergangenen Jahr unter Sicherheitsaspekten einbaut worden, sie machte aber in diesem Jahr einige Probleme. Letztlich wurden kurz vor der Reise noch zwei Rüsteisen im Cockpit angebracht, um jederzeit für Steuermann und Crew sichere Befestigungsmöglichkeiten für den Lifebelt zu haben und ein neuer Satz Signalmittel wurde angeschafft. Wenige Wochen vor dem Start entschloss sich Bruder Björn, ansonsten Surfer, an der Reise teilzunehmen. Die Crew Tilo (Skipper, Autor), 33 Jahre, segelt seit seinem 8. Lebensjahr und macht seit seinem 12. Lebensjahr jährlich Törns, häufig mit Vater Jürgen. Jürgen (Bestmann, Navigator, Vater), 67 Jahre, segelt seit 40 Jahren. Björn, 28 (Moses, Bruder, Sohn), hat zwar ebenfalls eine Segelausbildung genossen, ist aber seit Jahren begeisterter Surfer. Das Schiff „Bontekoe“, 23 Jahre, ist -eine First 24- ein zuverlässiges, kleines Boot mit hervorragenden Segeleigenschaften, das dazu noch einen gutes Maß an Komfort für die Schiffsgröße bietet. Unser Vertrauen in unser Boot ist mit diesem Törn noch einmal gewachsen und wir sprechen Entwerfer Finot und Werft Beneteau unseren Respekt aus.
Der Törn Freitag, 15.08.08 ist unser Anreisetag. Ich muss noch arbeiten, Björn kommt aus Frankfurt. Am Nachmittag treffen wir in Scharendijke ein, räumen das Schiff ein, erledigen letzte Arbeiten und legen um 18.35 Uhr ab. Der Wind aus nordwestlichen Richtungen ist schwach, 2 – 3. Wir nutzen die Bedingungen, um Björn mit dem Boot vertraut zu machen. Eine Sicherheitseinweisung von A wie Absperrhahn (Gasleitung) bis S wie Signalmittel folgt, zumal Björn seit langer Zeit zum ersten Mal wieder mitfährt. Um kurz vor sieben steht der Spinnaker und zieht uns bis vor den Hafen von Bruinisse, das wir um 21.15 Uhr erreichen. Leider zu spät für die Schleuse, die bereits geschlossen hat. Am 2. Tag geht es mit der ersten Schleusung um 7.00 Uhr in den Krammer, um 7.30 Uhr stehen die Segel bei leichtem Wind aus Süd-Süd-Ost. Um 9 Uhr setzen wir den Spinnaker für eine Stunde bei bis der Wind auffrischt und wir uns vor der Seelandbrücke entscheiden müssen, wohin es gehen soll. Die Gezeitenberechnung ergibt, dass der geplante Weg nach Breskens „buitenom“ ungünstig ist und so entschließen wir uns durch das Veersemeer und den Kanal door Walcheren nach Vlissingen zu fahren. Wir kreuzen mit einigen Schlägen nach Süden zur Schleuse Zandkreek, die wir um 12.30 Uhr erreichen. Auf der Kreuz fällt uns ein wunderschöner Oldtimer, ein Gaffelkutter unter französischer Flagge auf, der bei dem leichten Wind mit Fock, Klüver und Gaffeltopsegel nicht nur ein wunderschönes Bild bietet, sondern auch recht schnell zu sein scheint. Wir schleusen gemeinsam und müssen im Veersemeer kreuzen. Der französische Skipper scheint allein an Bord zu sein, beherrscht sein Boot aber vollendet – ein kleines Race entspannt sich, bei dem Bontekoe nur auf Grund ihrer besseren Höhe zum Wind gleich auf bleiben kann. Nach einer Stunde trennen sich am Arneplaat unsere Wege. Jürgen ruft noch ein anerkennendes „beau bateau“ hinüber, der Franzose antwortet mit freundlichem Winken und einem höflichen „Danke schön“ auf deutsch. Der Nachmittag vergeht mit der unvermeidlichen Kanalfahrt bei der die Segel nur gelegentlich ziehen und wir fast eine Stunde vor der Bahnhofsbrücke in Middleburg warten müssen. Um 19.25 Uhr machen wir fest im Hafen Vlissingen und setzen die Bordküche in Gang. 3
Der Wetterbericht für den 3. Tag hört sich nicht vielversprechend an; Süd-Ost, 3 – 4, später Süd 4 – 5, mit Böen bis 60 km/h und Regen, Wellen 1 m bis 1,6 m. Wir legen um 7.20 Uhr ab, sind um 7.30 Uhr durch die Schleuse und setzen noch im Vorhafen Groß und Fock. Zunächst nehmen wir Kurs auf die gegenüberliegende Küste entlang der Tonnenreihe W 07 bis W 1, wo wir in Höhe Knokke zum ersten Mal die Gastlandflagge wechseln. Zeebrügge und Blankenberge ziehen vorbei, vor Ostende reffen wir bei Böen 5 ein und legen Rettungswesten und Sicherheitsgurte an. Um kurz nach 12 Uhr zieht eine schwarze Wand hoch, vor der wir Reff 2 einlegen. Bei leichtem Regen sinkt die Sicht auf ca. 2 – 3. Sm. Gegen 13.30 Uhr bemerkt Björn ein kleines Boot vor uns, auf dem mehrere Personen winkend Notsignale geben. Das belgische Boot „Champion“, Boots-Nr. B 53507, hat beim Wasserski einen Motorschaden erlitten, jedoch besteht wohl keine unmittelbare Gefahr. Mangels anderer Signalmittel ist per Handy Hilfe herbei beordert worden, jedoch ist keine aktuelle Position bekannt. Diese können wir aus dem mitlaufenden GPS gerne geben, sie wird sofort an den Gesprächspartner an Land durchgegeben. Hilfe ist für etwa 20 Minuten zugesagt, wir bleiben standby auf Position und kreuzen nur unter zweifach gerefftem Groß um den Havaristen. Auf Befragen erklärt die Crew, keinen Bedarf an Nahrungsmitteln zu haben, Originalton: „We still have enough beer.“ Um 14.18 Uhr trifft endlich das große Schlauchboot „Brandaris“ ein, das den Havaristen nach Nieuwpoort schleppt – leider ein „Hai“ - dies wird sicherlich eine teuere Angelegenheit für die Mobofahrer. Wir setzten wieder die Fock, können ausreffen und laufen Richtung Nieuwpoort. Leider wirkt sich unsere standby Aktion negativ aus – inzwischen ist der Strom gekentert und wir brauchen über 3 Stunden für die restlichen knapp 7 Sm. Kurz nach 17 Uhr rutschen wir auf chaotischen hohen Wellen in die Einfahrt nach Nieuwpoort hinein, im Surf bis über 7 Knoten schnell. Angesichts der steilen Brecher in der Einfahrt, wenden zwei große Motorboote direkt vor uns im Kanal und fahren wieder zurück. Um 17.42 Uhr machen wir fest im Hafen der königlichen Segelclubs Nieuwpoort. Am Montag ist wieder früh ausstehen angesagt, um die günstige Tide mitzunehmen. Die vorausgesagten 4 – 5, in Böen bis 60 km/h, stellen sich zwar erst später ein, jedoch haben wir schon früh um 6.30 Uhr guten Segelwind aus südlichen Richtungen im Kanal. Glücklicherweise noch gerade ein guter Anlieger, so dass wir zügig vorankommen und um 8.30 Uhr in Höhe der Tonne 4
E 8 auf die französische Gastlandflagge wechseln können. Den kniffligen Passe de Zuydcoote passieren wir noch mit Mitstrom, dann kommt Gegenstrom und auffrischender Wind aus Südwest um 5 – keine guten Bedingungen für die Weiterfahrt. Kurz vor 13 Uhr haben wir die Ansteuerung Calais erreicht, passieren um 14. Uhr die Brücke in den „Port de Plaisance“ von Calais. Um 14.30 Uhr sind wir fest neben der etwa 16 Meter langen „Talofa lee“ aus Hamburg, die uns mit ihren Aufbauten und einem Cockpitzelt Windschutz gegen den weiter auffrischenden Südwest bietet. Der Skipper unserer Nachbarn warnt uns, dass am Dienstag Starkwind um 6 mit Böen um 8 angesagt sind. Dies bestätigen auch die Voraussagen, die wir im Hafenbüro erhalten und aus dem Internet holen. Wir beobachten die Wetterentwicklung weiter und nutzen unsere frühe Ankunft, um uns Calais anzusehen, das leider nach Zerstörungen im 2.Weltkrieg nur wenige sehenswerte Bauten zu bieten hat. Dienstag ist erwartungsgemäß Hafentag. Wir krängen selbst neben der „Talofa lee“ am Steg, sie misst Böen bis 9. Wir nutzen die Pause zu weiteren Besichtigungen und einigen kulinarischen Experimenten (Ergebnis: Omelette mit Krabben, Zwiebeln und Käse). Gegen 17 Uhr werden wir von einer estnischen Bavaria 39 touchiert, die den plötzlichen Seitenwind beim Anlegen nicht richtig eingeschätzt hat. Björn kann geistesgegenwärtig noch ein wenig abbremsen, „Talofa Lee“ ist schlimmer betroffen, ihre Windfahnensteuerung ist beschädigt, bei uns gibt es kleine Gelcoat-Schäden. Wir einigen uns an Ort und Stelle mit dem Skipper über eine Entschädigung, die hoffentlich ausreichen wird, die Schäden zu beseitigen. Provisorisch decken wir sie mit Rotabond ab. Am Abend entschädigen wir uns für den ausgefallenen Segeltag mit einem schönen Muschelessen – richtig französisch. Die Wettervorhersage für den nächsten Tag hört sich nicht viel freundlicher an – Wind SW 5, später 5 – 6, Böen 7, Seegang 1,8, später 2,5 m. Wir entschließen uns dennoch, die erste Brückenöffnung wahrzunehmen, das heißt aufstehen um 5, ablegen um 5.45 Uhr, Brücke passiert um 6.15 Uhr. 5
Zunächst müssen wir noch einmal im unruhigen Vorhafen warten und gehen dazu rückwärts an eine Boje. Bravo, Björn, hat er gut gemacht. Um 6.40 Uhr setzen wir vor dem Hafenausfahrt die Segel. Leider lässt die Fock sich nicht durchsetzen, sie ist in ihrer Nut verklemmt. Ein Reparaturversuch scheitert, wir setzen die Sturmfock fliegend mit dem Spifall. Damit haben wir die richtige Besegelung, denn mit ihrem kleinen Tuch läuft Bontekoe 5 – 6 Knoten hoch am Wind trotz Welle schräg von vorn. Der Wetterbericht stimmt auch sonst – viel Bewölkung, ab und zu Regen und auch einmal Sonnenschein. Wir laufen nicht direkt auf Dover zu, sondern versuchen zunächst etwas weiter West zu machen, um das Verkehrstrennungsgebiet möglichst rechtwinklig zu passieren, außerdem legen wir unseren Kurs so an, dass wir etwa 1,5 Meilen westlich von Dover unter Land kommen, um ungestört vom dichten Fährverkehr die Segel bergen und uns beim Port Control anmelden zu können. Diese Distanz ist nur unter gerefftem Groß vor etwa 2,5 m hohen Wellen schnell zurückgelegt. Port Control: Green light for you, come in“ und um 11.56 Uhr passieren wir die Hafeneinfahrt, legen zunächst am Besucherponton an und klären die Formalitäten. Um 13.10 Uhr liegen wir fest im Wellington Dock, Tagesweg rund 28 Sm. Der Nachmittag gehört den touristischen Aktivitäten. Wir chartern ein Taxi und machen eine Rundfahrt zu den Sehenswürdigkeiten, insbesondere zu den berühmten White Cliffs. Abends bietet die Bordküche ein interessantes indonesisches Gericht, in der Hauptsache viel frische Krabben, Zwiebeln, Knoblauch und ähnliche Spezereien. Der Donnerstag bringt erstmals wieder Aussicht auf Wetterbesserung mit längeren sonnigen Abschnitten, allerdings weiterhin SW 5, Böen 6 und Wellen um 2 m. Die Gezeiten geben einen späten Start voraus, so dass wir morgens noch eine kurze Sightseeing-Tour mit Besuch des Dovermuseums machen. Dort ist als große Attraktion der archäologische Fund eines bronzezeitlichen Schiffs zu sehen. Präsentation und Erläuterungen, aber auch die didaktische Einbeziehung, insbesondere jugendlicher Besucher, sind durchaus bemerkenswert. Um kurz vor 1 Uhr melden wir uns bei Port Control ab, werden aber entgegen unserem Wunsch gebeten, die westliche Ausfahrt zu benutzen, so dass wir die stark von Fähren benutzte Ostausfahrt auf See passieren müssen. Prompt kreuzen mindestens 3 Fähren unseren Weg und die chaotische See vor 6
der Hafeneinfahrt macht die Sache auch nicht besser. Dann entbrennt ein heißer Wettkampf um den höchsten Speed im Surf auf der Welle. Jürgen legt zunächst 8,5 Knoten vor, ich 8,6, Björn 8,3. Als wir hinter South Foreland leicht anluven, wird diese Marke noch mehrmals „geknackt“, letztlich wird und unser Surfer mit 9,5 Knoten auf dem Speedometer „Speedking des Tages“ und muss abends einen ausgeben. Durch unsere hohe Geschwindigkeit sind wir zu früh an der Tonne „Gull“ und müssen die letzten zwei Seemeilen hoch am Wind bei starkem Querstrom in der Fahrrinne aufkreuzen. Um 16.10 Uhr passieren wir die Hafenmole, bergen die Segel im ruhigen Wasser und finden einen halbwegs windgeschützten Liegeplatz. Den Abend nutzen wir für eine kurze Erkundung von Ramsgate und für die berühmten fish’n’chips, dazu probieren wir einige englische Biere. Björn, der einen Teil seines Studiums in England verbracht hat, berät uns sachkundig, dennoch sind wir nicht böse, abends an Bord die letzten Veltinsdosen zu lenzen. Zu dem gebackenen Fisch bekommen wir eine Auswahl von einem halben Dutzend Saucen und natürlich ein Fläschchen. Letzteres findet wenig Beifall. Unsere Favoriten werden Tartarsauce und eine schwer definierbare dunkle Sauce, die ein wenig ostasiatisch schmeckt. Am Freitag, 22.08.08, ist Hafentag angesagt, das Wetter ist sonnig, aber auch windarm. Björn muss leider heim, er hat einen Flug ab London Gatwick gebucht. Wir fahren mit der Eisenbahn nach Greenwich und besuchen das Herzstück der britischen Marinegeschichte mit der nautischen Akademie, dem britischem Nationalen Marinemuseum und dem berühmten Observatorium auf dessen Gelände der Null- Meridian die Welt in West und Ost teilt. Eine wunderschöne Anlage, ein hervorragendes Museum, in dem man als Freund 7
maritimer Historie Tage verbringen könnte. Das Museum ist aber nicht nur den glorreichen Zeiten der Entdecker, königlich legitimierten Piraten und Ostindien- Fahrer gewidmet, sondern ist durchaus up to date: Unter der Decke hängt ein 49- footer mit Mylar-Besegelung. Die alten Instrumente, Karten und Schiffsreliquien fesseln uns einige Stunden, dann ist das Aufnahmevermögen für diesen Tag erschöpft. Wir wandern durch den herrlichen Park, in dem viele Leute dem britischen Hobby Picknick im Grünen nachgehen, besuchen noch das Observatorium, machen das unvermeidliche Foto auf dem Null-Meridian und bummeln durch Greenwich zurück, wo wir uns noch eine Stärkung in einer chinesischen Garküche gönnen, bevor Björn seinen Zug nach Gatwick besteigt und wir nach Ramsgate zurückkehren. Dort sehen wir uns noch ein wenig die Stadt an und ich fröne meinem Hobby, Leuchttürme und Sonnenuntergänge zu fotografieren. Am Samstagmorgen informieren wir uns im Internet eingehend über das Wetter, weil an diesem Tag die Entscheidung über den weiteren Verlauf des Törns für die Restcrew fallen muss. Unser Wunschziel ist der Solent, das Mekka des britischen Yachtsports. Unsere Erfahrungen im Gezeitenrevier haben uns aber gelehrt, dass größere Entfernungen nur mit gutem Wind und unter Nutzung der Tidenströme zu schaffen sind. Dazu ist „Bontekoes“ Batteriekapazität zu klein für eine Nachtfahrt. Drei verschiedene Stationen geben verschiedene Auskünfte, tendenziell wird aber zunächst mit NW später SW- drehendem Wind, zunächst 4, später 5 – 6 und mäßiger Welle bei guter Sicht zu rechnen sein. Wir nutzen den ersten Mitstrom, legen um 8.20 Uhr ab und müssen uns wieder mit der klemmenden Rollfock auseinander setzen. Um 8.30 Uhr beginnt ein zügiger Schlag unter Fock und gerefftem Groß an der Kentküste entlang, bei dem wir noch einmal die Dover Cliffs aus nächster Nähe sehen. Um 11.00 Uhr passieren wir Dover, begegnen natürlich mehreren Fährschiffen und versuchen, wie gut wir bei inzwischen westlich bis südwestlichem Wind um 4 in Richtung Westen vorankommen. Nach einer Stunde müssen wir feststellen, dass die erreichbaren Geschwindigkeiten über Grund unser Wunschziel nicht zulassen, zumal für die nächsten Tage weiter SW 5 – 6 angekündigt ist. Wir fallen ab auf das Feuerschiff Varne, queren das VTG wieder rechtwinklig bei strahlendem Sonnenschein, passieren das Cap Gris Nez 8
mit Abstand und nehmen Kurs auf Boulogne. Um 16.50 Uhr haben wir die Leinen fest im Yachthafen, 50,2 Sm auf der Logge. Eine freundliche junge Französin im Hafenbüro empfiehlt ein gutes Fischrestaurant: „Les Pecheurs d’Etaples“, in dem wir hervorragende Fischspezialitäten probieren – welch ein Unterschied zur britischen Küche. Schon während des Essens hören wir aus der gegenüberliegenden Kirche, einem beeindruckenden spätromanischen Kalksteinbau die Übertragung kirchlicher Gesänge. Als wir die Kirche ansehen wollen, erfahren wir, dass das Fischerfest in Boulogne mit einem Umzug der Schutzheiligen St. Maria durch die Stadt zum Hafen und zurück gefeiert wird. Wir sehen die Prozession mit Flaggen, historischen Trachten der Fischer und -frauen und dem großen Marienstandbild an, das von kräftigen jungen Männern auf den Schultern getragen wird. Das Ganze erinnert uns an die „Semana Santa“ in Andalusien. Danach besichtigen wir in der beginnenden Dämmerung noch den historischen Stadtkern mit einer hohen Festungsmauer und riesigen Toren und Türmen. Die Wettervoraussage ist wenig sonntäglich. Meteofrance kündigt SW - SSW, 4 – 5, Böen bis 70 km/h, Regen und mäßige Sicht an. Wir diskutieren kurz und können angesichts der Wetterentwicklung nicht, wie geplant weiter nach Südwesten segeln, erst recht, als wir um 12.10 Uhr den Liegeplatz verlassen und uns im Hafenkanal Fischer und Segler vor hohen Wellen warnen. Wir sehen uns die Sache an der Hafeneinfahrt an und stellen fest, dass der Wind schon mit 5 – 6 weht und die Wellenhöhe 2 m weit überschreitet. Da die Wetterentwicklung für die nächsten Tage keine wesentlichen Änderungen verspricht, entschließen wir uns, unter Minimalbesegelung = nur zweifach gerefftes Großsegel, loszufahren. An diesem Tag wird Cap Gris Nez zu unserem kleinen Kap Hoorn. SW 6, Böen 7 und Wellen bis 3,5 m fordern vollste Konzentration. Wir surfen ständig die Wellenberge hinab und erreichen mit 9,8 Kn die höchste Geschwindigkeit dieser Reise. Mehrfach wechseln wir uns an der Pinne ab, Rudergehen ist hier Schwerarbeit. Schon um 14.10 Uhr haben wir das Cap Gris Nez querab, versuchen die beeindruckenden Wellen fotografisch zu dokumentieren. Angesichts später nachlassender Wellen entschließen wir uns, die Sände vor Calais weiträumig zu umfahren. Kurz hinter Calais lässt auch der 9
Wind auf 4 – 5 nach und wir rollen die Fock aus, später können wir ausreffen und passieren nach 47,6 Sm um 19.10 Uhr die Hafeneinfahrt von Dünkirchen. Im Hafenkanal segeln wir noch bis zum Steg. Kurz hinter Calais haben wir im Kielwasser eine große blaue Yacht, wie wir später sehen, eine Standfast 41, die allmählich aufholt und nach über drei Stunden Verfolgung in der Hafeneinfahrt zu uns aufschließt. Die Holländer aus unserem Nachbarort Brouwershaven motoren zum Liegeplatz und nehmen dort höflich unsere Leinen an. Wir unterhalten uns sehr nett mit der jungen Skipperin und ihrem Mitsegler, die uns recht ungläubig ansehen, als wir ihnen von unserem Törn ab Boulogne berichten. Unsere Nachbarn schlagen vor, gemeinsam Essen zu gehen und meinen – das habt Ihr Euch doch verdient, aber wir sind recht müde, machen ein kurzes Gericht in der Bordküche und beschließen den ereignisreichen Tag mit einer Flasche Rotwein und einem Zigärrchen. Für Montag wird Wetterbesserung, teils Sonnenschein und Wind 4 – 5 mit Böen 60 km/h vorausgesagt – natürlich aus SW, diesmal willkommen. Wir legen um 6.15 Uhr leise ab und segeln in die Morgendämmerung, die Lichter von Dünkirchen hinter uns lassend. Mit auffrischendem Wind und zunächst mitlaufender Tide geht es zügig an der französischen und belgischen Küste entlang. Vor Zeebrügge entschließen wir uns, weder dorthin (zu nah) noch nach Breskens (inzwischen im Gegenstrom) zu gehen, sondern außen um die vor Walcheren liegenden Sände herum direkt zur Roompotsluis zu laufen. Der Wind steigert sich auf rund 5, später 5 – 6, und treibt uns zügig voran, ebenfalls die gegen den Strom laufende Welle. Um 15.30 Uhr haben wir die Tonne Botkil erreicht und laufen raumschots mit Kurs Ost in das Roompot-Fahrwasser ein. Um 17.56 Uhr liegen wir nach fast 72 Sm vor der Schleuse Roompot fest und essen schnell eine Portion Pommes mit hollandse Frikandel an der Bude vor der Schleuse, die unmittelbar danach ihre Türen schließt. Durch unsere großen Etmale sind wir nur noch eine halbe Tagesreise von unserem Heimathafen entfernt, möchten aber unseren Törn aber noch nicht beenden. Nach Kontrolle der Tiden für den nächsten Tag beschließen wir, vor der Schleuse liegen zu bleiben – Marina-Komfort brauchen wir heute nicht, können aber am nächsten Morgen ungehindert auslaufen. In der Nacht weht es mit gemessenen 7 Bft. und die Boote am Steg schwanken im Wellengang. Wir sind froh, im relativ geschützten Hafen zu liegen Die Wettermeldung für Dienstag ist zwar positiver, 3 – 4, Böen bis 50 km/h, weiter aus SW, leider kein Sonnenschein mehr, sondern dichte Bewölkung und gelegentlich Regen. Wir machen um 9.00 Uhr den Fischern Platz, die vor der Schleuse anlegen möchten und nehmen noch im Hafen die Segel hoch. Im Fahrwasser Alde Roompot haben wir eine schöne Begegnung mit zwei Seehunden, die aber immer dann abtauchen, wenn wir fotografieren wollen. Wir nehmen Kurs auf die Tonnenstraße durch die Untiefen von Banjaard, segeln ein wenig um die Wette mit einer X 79, die sich aber stundenlang nicht 10
entscheidend absetzen kann. Der Wind weht weiter mit rund 5 und Böen, so dass wir bei der steilen Welle wieder ins Surfen kommen, einmal sogar die 9 Knoten überschreiten. Um 14.30 Uhr passieren wir die Schleuse Stellendam und segeln bei abnehmendem Wind und glattem Wasser das Haringvliet entlang, passieren die Haringvliet-Brücke und liegen um 19.30 Uhr nach rund 53 Sm im Hafen Willemstadt fest. Dort suchen wir ein gutes Chinarestaurant auf und planen den letzten Tag des Törns, denn ich möchte gern die beiden restlichen Urlaubstage für spätere Aktivitäten einsparen und wir haben auch keine verlockenden Ziele mehr vor uns. Der Rest ist schnell erzählt. Am Mittwoch, 27.08.08, laufen wir zunächst unter Motor zur Volkerak-Schleuse, kreuzen ab 10.30 bei SW 4 das Volkerak auf, passieren die Schleusen Krammer und Bruinisse und haben bei auffrischendem Wind um 5 noch eine stramme Kreuz auf dem Grevelingen, bevor wir um 17.32 Uhr nach rund 31 Sm im Heimathafen Scharendijke anlegen. Nach dem üblichen Törn-Ende-Getüdel machen wir Bontekoe wieder hafenfein und versprechen ihr, bald wiederzukommen. Am späten Abend kommen wir in Krefeld an und ich fahre noch nach Geldern. Ein wunderschöner Törn über 410 Sm mit vielen Eindrücken und Erlebnissen ist zu Ende. Wir sind dankbar, dass alles, auch die Harmonie in der Crew, gut gestimmt hat und freuen uns auf einen nächsten Törn, gerne wieder zu dritt. Surferbruder Björn hatte seine Heuer für die kommende Saison schon vor Abmusterung in Greenich bekannt gegeben. Nachbetrachtung und Statistik Die kartenmäßige Nachbetrachtung unseres Törns bringt doch einige Überraschungen: Hatten wir nach Logge 409,5 Seemeilen (Sm) zurückgelegt, so ergibt die Kartenanalyse 442,4 Sm Gesamtstrecke. Da unsere Logge mehrfach mit Hilfe des GPS kontrolliert wurde, können wir also davon ausgehen, dass die konsequente Nutzung des Mitstroms uns runde 33 Sm „geschenkt“ hat. Wir waren an 13 Tagen unterwegs, haben an diesen Tagen durchschnittlich 33,3 Sm zurückgelegt. Nimmt man den Anfahrttag, der erst um 18.35 Uhr begann, aus, sind es sogar rund 36 Sm, ohne Hafentage 43,1 Sm pro Tag. Die Durchschnittsgeschwindigkeiten sind sicherlich nicht repräsentativ, da wir Mitstrom genutzt haben, geben aber Auskunft über die Möglichkeiten auch eines kleinen Schiffs, größere Distanzen im Gezeitenrevier zurückzulegen. Dabei lag die Durchschnittsgeschwindigkeit an allen Tagen, ausgenommen die Passage durch den Kanal von Walcheren immer über 4,1 Knoten (Kn), an 5 Tagen über 5 Kn und an 3 Tagen über 6 Kn, absoluter Spitzenwert 6,7 Kn Tagesdurchschnitt. Die Strecken Richtung Südwest waren natürlich geringer, da es fast immer am-Wind-Kurse oder Kreuzstrecken waren. Bei der Rückreise ab Boulogne mit starkem Raumschotswind und Wellenunterstützung wurde die 50 Sm-Marke fast täglich überschritten. Unser Spitzentag mit 76,6 Sm erforderte allerdings fast 12 Stunden konzentriertes Segeln. 11
Der Törn in Zahlen Reisedauer Distanzen in Sm Tag von über nach von bis in Std. unter mit Tages- Segeln Motor weg Fr. 15.08.08 Scharendijke Grevelingenmer Bruinisse 1835 2115 02.40 11 0,9 11,9 Sa. 16.08.08 Bruinisse Veersemeer Vlissingen 0705 1925 12.20 22,6 6 28,6 So. 17.08.08 Vlissingen Nordsee Nieuwpoort 0720 1742 10.22 39,7 1,9 41,6 Mo. 18.08.08 Nieuwpoort Nordsee Calais 0637 1435 07.58 45,2 2,0 47,2 Die. 19.08.08 Calais Hafentag Calais Mi. 20.08.08 Calais Nordsee/Kanal Dover 0547 1240 06.53 28,9 1,2 30,1 Do. 21.08.08 Dover Nordsee Ramsgate 1245 1650 04.05 19,1 1 20,1 Fr. 22.08.08 Ramsgate Hafentag/Greenwich Ramsgate Sa. 23.08.08 Ramsgate Nordsee/Kanal Boulogne 0820 1650 08.30 49,1 1,1 50,2 So. 24.08.08 Boulogne Cap Gris Nez/Calais Dünkirchen 1110 1930 08.20 49,4 0,9 50,3 Mo. 25.08.08 Dünkirchen Nordsee/Zeebrügge Roompot 0615 1756 11.41 75,4 1,2 76,6 Die. 26.08.08 Roompot Nordsee/Stellendam Willemstad 0910 1930 10.20 52,8 0,9 53,7 Mi. 27.08.08 Willemstad Volkerak/Krammer Scharendijke 1005 1732 07.27 29,0 3,1 32,1 422,2 20,2 Gesamt 442,4 Route des Törns 2008 „Mit der Bontekoe nach England“ rot = Hinreise gelb = Rückreise 12
Ausrüstungsliste Bontekoe (VII), 2006 • Seereling • 2 Anker mit Kettenvorlauf und je 30 m Tau • Bordelektrik, Beleuchtung, Sumlog und Echolot (Nav-Tex) • Fest eingebauter Kompass BEN • Handpeilkompass Silva • Handwindmesser • 2 Ferngläser • 1 ESB Radio • 1 Marineradio mit gespreiztem SW Bereich • Signalmittel. Raketen, Handfackeln, Signalstift, etc. • 4 Automaticwesten Secumar • 4 Sicherheitsgurte • 1 Feststoff-Rettungskragen mit Speed-Abroller für Sicherheitsleine • Schlauchboot mit Zubehör • Radarreflektor • 2 Paddel • (Navigation terrestrisch und Kontrolle mit GPS) • Karten und Navi-Material siehe besondere Aufstellung • Außenbordmotor 8 PS Yamaha PS Mariner, 2 Zündkerzen • l Tank 15 l + 5 l Reserve mit bleifreiem Gemisch 1:100, Öl, Spritzen • Allgem. Bootszubehör, Reparaturmaterial etc. • Werkzeug • 1 Großsegel durchgelattet • 1 Fock • 1 Sturmfock • 1 Spinnaker • Segelgarn, Nadeln, Ahle, Segelmacherhandschuh • Schleppleine und diverse Taue, Festmacher, Leinen • 6 Fender • Badeleiter klappbar • Dichtungsmittel • 1 Batterie wartungsfrei • 1 Ladegerät • 1x 10m Kabel +Adapter • D2 Handy +Ladekabel • 1 Handscheinwerfer • 2 Taschenlampen “Maglite” • 2 flammiger Kocher, TÜV –geprüfte Gasanlage • 60l Wassertank, 10l Wassertank Reserve 13
Ausrüstungsliste “Bontekoe” (VII), 2008, Navigationsmaterial Verwendete Karten Sportbootkarten Niederlande - Nr. 1801 – Nordzeekust - Nr. 1803 – Westerschelde - Nr. 1805 – Oosterschelde, Veerse Meer en Grevelingen - Nr. 1807 – Krammer, Volkerak, Haringvliet, Hollandsch Diep Imray-Karten - C 1 Thames Estuary - C 8 Dover Strait - C 9 Beachy Head to Isle of Wight - C 30 Harwich to Hoek van Holland and Dover Strait BSH – Karten - INT 1480 Dunkerque bis Oostende - 261 Beachy Head bis Dungeness, Fécamp bis Gris Nez -Sonstiges Navigationsmaterial - Heft HP 33 des KNMI - Waterstanden en Stromen met stromatlassen - und Gezeitentabellen - Niederländischer „Almanak voor de watersport, Teil 1 und 2 - Hafenhandbuch Nordsee - Handbuch Nordsee - Reeds Nautical Almanach - Weitere Fachliteratur seglerischer und navigatorischer Art, Navigations-Hardware Zirkel, Dreieck, Jürgens-Navi-Lineal GPS Magellan 2000 GPS Magellan 310 14
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