Sophie-rahel-Jansen-straße - Hamburg.de

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BiograPhien von A bis Z

   Sophie-Rahel-Jansen-Straße
   (Nienstedten (2021): Sophie Rahel Jansen,
   geb. Schlossmann (26.3.1862 Hamburg -
   Freitod am 17.7.1942), Schriftstellerin, Armen-
   pflegerin, bürgerliche Frauenbewegung.

   Zuvor hieß die Straße Georg-Bonne-Straße.
   Georg Bonne (12.8.1859 Hamburg - 1.5.1945
   Hamburg), Arzt in den Elbgemeinden,
   Sanitätsrat. Bereits 1996/97 wurden wegen
   Bonnes NS-Belastung Teile dieser Straße
   umbenannt; ein Teil in „Am Internationalen
   Gerichtshof“, ein weiterer Teil in
   „Christian-F.-Hansen-Straße“

   Im April 1913 konnte die Gemeinde Blan-           Sophie Rahel Jansen
   kenese zwei neue Bürger begrüßen: den             Quelle: Jonas Koch/Verein zur Erforschung
                                                     der Geschichte der Juden in Blankenese
   Hamburger Rechtsanwalt Dr. Cäsar Max
   Jansen und seine Ehefrau Sophie. Die Neu-
   ankömmlinge hatten sich am Elbhang – Im           sechs Kinder reichten ihr nicht aus: Sie be-
   Busch 7 – vom damaligen Stararchitekten           wog 1895 ihren Mann, in Grande bei Trittau
   Baedeker eine prächtige Klinkervilla bauen        einen Gutshof zu erwerben und dorthin zu
   lassen. Jansen war als Sozius einer renom-        ziehen. Während er selbst täglich in seine
   mierten Anwaltskanzlei zu beträchtlichem          Hamburger Kanzlei fuhr, machte sie sich da-
   Wohlstand gekommen und gehörte, wie               ran, den 400 Morgen großen Hof zu bewirt-
   seine langjährige Tätigkeit im Vorstand des       schaften – als Autodidaktin. Sie verschaffte
   Yacht Clubs zeigte, zu den feinen Kreisen der     sich durch eigene Lektüre und Austausch mit
   Hamburger Gesellschaft. Seine Frau Sophie         Fachleuten nicht nur die notwendigen Kennt-
   dürfte bei den Soiréen und in den Salons          nisse in Rinderhaltung und Milchwirtschaft,
   für steten Gesprächstoff gesorgt haben: Ihr       sondern versuchte auch in der Praxis, die
   Leben war alles andere als üblich.                damaligen Reformen in der Viehhaltung zu
                                                     unterstützen. Aber diese Experimente waren
   Als Tochter des wohlhabenden Spediteurs           teuer, und eine Serie von Seuchen verur-
   Carl Ezechiel Schlossmann in Hamburg              sachte zusätzliche Kosten. 1901 entschloss
   geboren und in Breslau bzw. Dresden groß          sich das Ehepaar, das Gut zu verkaufen und
   geworden, hatte sie als Zwanzigjährige 1882       nach Hamburg zurückzukehren.
   Cäsar Max Josephson, den Sohn eines
   Altonaer Arztes, geheiratet. Doch das gesell-     Die Niederlage wurde nicht einfach abgehakt
   schaftliche Leben und die Erziehung ihrer         und vergessen: Sophie veröffentlichte 1905
BiograPhien von A bis Z

   ein Buch über ihre Erfahrungen: „Sofiensruh.       Rolle der Frauen im öffentlichen Leben ein-
   Wie ich mir das Landleben dachte und wie           setzte. In Blankenese setzte sie diese Aktivi-
   ich es fand“. Der mit feinem Humor und dras-       tät fort: 1915 wurde sie die erste Vorsitzende
   tischer Selbstironie verfasste Bericht wurde       der dortigen Ortsgruppe des Norddeutschen
   ein Bestseller und verhalf ihr zu weiter litera-   Frauenvereins. Der Krieg hatte die soziale
   rischer Anerkennung. 1908 erschien ihr zwei-       Not enorm gesteigert, und die Ortsgruppe re-
   tes Buch, ein Roman über eine junge Frau,          agierte vom ersten Tag an auf diese Lage: Im
   die in der Enge der gesellschaftlichen Kon-        August 1914 war in der heutigen Witts Allee
   ventionen zerbricht. „Friede Wend“, so die         eine Volksküche eröffnet worden, die Essen
   Kritik, müsste man sich als eine Art Budden-       für anfangs 100, schließlich für 700 Personen
   brooks vorstellen. Autobiographische Er-           ausgab. 1916 folgte am selben Ort die Ein-
   fahrungen als Mutter von mittlerweile sechs        richtung einer Säuglingsfürsorge. Seit 1917
   Kindern standen im Mittelpunkt von „Bebi und       existierte auch eine Kinderkrippe. An allen
   Bubi. Ein Jahr aus dem Kinderleben“. Das           diesen Initiativen war Sophie Jansen führend
   reich illustrierte Buch erschien 1909 und wurde    beteiligt. 1919 wurde sie von der Gemeinde
   ihr letztes.                                       dafür mit einer Gedenkmünze gewürdigt. Sie
                                                      wurde allen denjenigen verliehen, „die sich
   Der Grund für das Ende ihrer Schriftstellerei      während des Krieges fürsorglich für unsere
   war die Entdeckung, dass sie dringender wo-        Krieger und deren Angehörige betätigten und
   anders gebraucht wurde. Schon während der          der Allgemeinheit aus Nächsten- und Vater-
   verheerenden Cholera-Epidemie von 1892,            landsliebe uneigennützig Liebesdienste ge-
   die besonders in den dicht bevölkerten Ham-        leistet haben“.
   burger Arbeitervierteln wütete, war sie mit der
   sozialen Frage konfrontiert worden und hatte       Auch im folgenden Jahrzehnt blieb Sophie
   spontan zu helfen versucht. Fünfzehn Jahre         Jansen die treibende Kraft der Sozialarbeit in
   später, angeregt durch das soziale Engage-         Blankenese. Sie führte – im Auftrag des Vater-
   ment eines Barmbeker Pastors, wurde sie            ländischen Frauenvereins und unterstützt von
   eine Pionierin des neu organisierten Armen-        der Gemeinde – die Säuglingsfürsorge weiter,
   wesens. 1908 war sie unter Hunderten von           zunächst im Gemeindebüro und in der Turn-
   Männern die erste Frau, die als öffentliche        halle Dockenhuden, dann in der Schule am
   Armenpflegerin bestellt wurde.                     Kahlkamp. Für diese Tätigkeit erhielt sie
                                                      später das Erinnerungskreuz des Vaterländi-
   Mit dem Umzug nach Blankenese 1913 endete          schen Frauenvereins. Daneben wirkte sie als
   zwar dieses Amt, nicht aber ihr soziales En-       Vorstandsmitglied im Gesamtarmenverband
   gagement: Es wurde fortan das Zentrum ihres        der Elbvororte. Vor allem dem Armenhaus
   Lebens. Schon als Armenpflegerin in Ham-           am Tinsdaler Kirchenweg galt ihre Aufmerk-
   burg war sie Mitglied im Allgemeinen Deut-         samkeit. Dieser aktive Einsatz für die sozial
   schen Frauenverein geworden, der sich für          Schwachen erfolgte nicht aus der gesicher-
   eine Steigerung der Bildung, der wirtschaft-       ten Position eines großen Einkommens:
   lichen Selbstständigkeit und der politischen       Ihre wirtschaftliche Lage hatte sich seit dem
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   frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1916 dra-        fügte dem hinzu: „Aus den kleinen Erträgnis-
   matisch verschlechtert. Statt in der Villa über   sen dieser Papiere und von Unterstützungen
   der Elbe wohnte sie seit 1919 in einem kleine-    bestreite ich meinen Lebensunterhalt. […]
   ren Haus an der Blankeneser Hauptstraße 56.       Das Erdgeschoss des mir gehörigen Hau-
                                                     ses habe ich seit langen Jahren vermietet.
   Spätestens im Jahre 1932 zog sich Sophie          Auswanderungsabsichten bestehen nicht.“
   Jansen aus allen ihren Funktionen zurück –        Am 23. Dezember 1939 waren auch diese
   sie war 70 Jahre alt und freute sich auf einen    Angaben überholt: Aufgrund eines neuen
   ruhigen Lebensabend im Kreise ihrer Familie.      Gesetzes und unter kräftigem Druck ihres
   Aber die Übertragung der Macht an Adolf           „arischen“ Mieters musste sie ihr Haus ver-
   Hitler am 30. Januar 1933 veränderte alles.       kaufen und wurde zur Untermieterin.
   Sophie hatte sich zusammen mit ihrem Mann
   1888 christlich taufen lassen. 1907 legte         Auf den Zwang, ab 19. September 1941 den
   Cäsar Max seinen jüdischen Namen Joseph-          „Judenstern“ zu tragen, reagierte Sophie
   son ab. Seitdem hieß das Ehepaar so, wie          Jansen nach Auskunft ihrer Tochter Eva Wulle
   sich Sophie schon als Autorin genannt hatte –     auf ihre Art: Sie ging nicht mehr auf die
   Jansen. Zwei Söhne dienten im Ersten Welt-        Straße, nachdem das Gesetz erlassen war.
   krieg, einer wurde mit dem Eisernen Kreuz         Nachbarn und Freunde ließen sich nicht ab-
   ausgezeichnet. Ihre eigene rastlose Tätigkeit     schrecken und standen ihr in dieser selbst
   hatte ihr öffentliche Anerkennung und Res-        gewählten Isolation bei. Es war nur ein Auf-
   pekt eingebracht. Jetzt wurde das alles an-       schub.
   nulliert – die Deutsche aus jüdischem Haus
   war zur Jüdin geworden, ausgestoßen aus           Anfang Juli 1942 erhielt sie den Deportations-
   der Gemeinschaft der Deutschen, preisgege-        befehl für Theresienstadt, datiert auf den 19.
   ben der Verfolgung. Die Nürnberger Gesetze        Juli. Am 17. Juli, während ihre Tochter noch
   1935 galten auch für sie.                         vergeblich versuchte, die Deportation ihrer
                                                     80-jährigen Mutter abzuwenden, öffnete So-
   Sie verlor ihr Stimmrecht und durfte kein öf-     phie Jansen den Gashahn ihres Herdes und
   fentliches Amt bekleiden. Ab 1938 trug ihre       machte ihrem Leben ein Ende. Sie konnte,
   Kennkarte das „J“ für Jude, und dem Namen         wie sie in einem Abschiedsbrief an ihre Toch-
   Sophie wurde der Zwangsname Sara hinzu-           ter schrieb, „das Hin- und Herzerren nicht
   gefügt. Mit dem Pogrom vom 9. November            mehr ertragen. Hoffentlich geben sich nun
   1938 verschärfte sich die wirtschaftliche Aus-    meine Verfolger zufrieden, wenn ich nun das
   plünderung: Im Dezember musste sie ihren          bescheidene Plätzchen, das ich mir noch
   Schmuck abliefern – „Schätzwert RM 100.–,         auf der Welt vorbehalten hatte, räume.“ Der
   Verwaltungsgebühr RM 10.–, ausgezahlt RM          Propst der evangelischen Kirchengemeinde
   90.–“ Drei Monate später war das silberne         Blankenese, Schetelig, weigerte sich, die Tote
   Besteck dran. Zur gleichen Zeit reichte sie       zu bestatten. Ihr noch vorhandenes Ver-
   die geforderte Aufstellung ihres Vermögens        mögen wurde zugunsten des Deutschen
   ein: 28351 Reichsmark in Wertpapieren. Sie        Reiches eingezogen. Zwei ihrer Kinder kamen
BiograPhien von A bis Z

   noch 1944 nach Theresienstadt: Edith Boehlich                 Zu Georg Bonne:
   überlebte das Lager, Hans Jansen fand dort                    Georg Bonne wurde 1859 in Hamburg als
   den Tod.                                                      eines von acht Kindern eines Kaufmanns
                                                                 geboren.1)
   Ihr inzwischen verstorbener Enkel Wolf
   Boehlich schrieb über seine Großmutter:                       Er besuchte zunächst eine Privatschule und
   „Eine ihrer bemerkenswertesten Eigenschaf-                    von 1875 bis 1880 Gymnasien in Stade und
   ten war der hohe Anspruch, den sie an sich                    Glückstadt. Von 1880 bis 1884 studierte er
   selbst und an ihre Familie stellte. Sofie Jan-                Medizin in Leipzig, Marburg und Göttingen,
   sen erwartete von jedermann, dass er oder                     wo er mit einer Arbeit zur Blutgerinnung pro-
   sie das Bestmögliche leiste, und sie scheute                  movierte. In den folgenden Jahren arbeitete er
   sich auch nicht, andere zu sozialverträg-                     als Arzt in Würzburg und Barmen und durch-
   lichem Verhalten aufzufordern. Sie hat es                     lief eine militärärztliche Ausbildung, die zu
   sehr missbilligt, dass einer ihrer Enkel außer                seiner Ernennung zum Stabsarzt der Reserve
   seinem Beruf nichts Weiteres lernen wollte.                   1895 führte. 1887 hatte er sich als Landarzt
   Wo immer sie auftrat, genoss sie deutlichen                   im damaligen Dorf Klein Flottbek niederge-
   Respekt. Sie war ein strenger Lehrmeister,                    lassen. Im Ersten Weltkrieg nahm Bonne als
   man sollte aber nicht glauben, dass sie nicht                 Stabs- bzw. Oberstabsarzt teil. Im Mai 1915
   auch liebenswert gewesen wäre. Kinder aus                     wurde er auf Vorschlag des Regierungspräsi-
   der Nachbarschaft, die mit ihren Enkeln                       denten in Schleswig zum Sanitätsrat ernannt,
   spielten, betrachteten es noch bis in ihre                    1920 erhielt er den Rang eines Generalober-
   letzten Jahre als Vorzug, sie ebenfalls Groß-                 arztes a.D. 1923 übergab er seine Arztpraxis
   mutti nennen zu dürfen.“                                      einem seiner Söhne und zog nach Adendorf
   Text: Hannes Heer - Recherche: Sabine Boehlich                bei Lüneburg. Von 1926 bis zum Ende der
                                                                 1920er Jahre arbeitete er als Gefängnisarzt
                                                                 in Lüneburg, um Anfang der 1930er Jahre
                                                                 nach Klein Flottbek zurückzukehren.2)

                                                                 Quellen zu Georg Bonne: 1)      2) Lebenslauf und Schriften-
                                                                 Bei der folgendenbiographi-     verzeichnis von
                                                                 schen Skizze handelt es sich    Sanitätsrat Dr. med. Georg
                                                                 um die leicht überarbeitete     Heinrich Bonne, Generalo-
                                                                 Fassung einer Kurzbiogra-       berarzt a.D. Kleinflottbek bei
                                                                 phie, die 2017 im Rahmen        Hamburg-Altona, Februar
                                                                 eines wissenschaftlichen        1934, in: Staatsarchiv Ham-
                                                                 Gutachtens für das Staatsar-    burg (StAHH), 424-88/12,
                                                                 chiv Hamburg erstellt wurde.    1; Jochen Eversmeier: „Für
   Quellen zu Sophie Rahel        auf, was Gott Dir vor die      Das vollständige Gutachten      die Reinhaltung unserer
   Jansen: 2; Familienarchiv      Thüre legt“. Das Leben der     ist einsehbar unter: https://   herrlichen deutschen Ströme“:
   Boehlich; Wolf Boehlich, Zur   Sophie Jansen, Potsdam         www.hamburg.de/content-         Georg Bonne und der Ge-
   Erinnerung an Sofie Rahel      2003; StaHH, 331-5 Polizei-    blob/13462796/1d4b36cbf-        wässerschutz von den 1890er
   Jansen, in: Stolpersteine in   behörde – Unnatürliche Ster-   b9adc7fca682e5662f5854d/        Jahren bis 1914. Ein Beitrag
   Blankenese, hg. v. Verein      befälle, Akte 1942 1131/42     data/abschlussbericht-ns-be-    zur Umweltgeschichte des
   zur Erforschung der Juden      Jansen, geb. Schloßmann,       lastete-strassennamen.          Deutschen Kaiserreiches, un-
   in Blankenese, Hamburg         Sofie Rahel Sara.              pdf (zuletzt aufgerufen am      veröffentlichte Magisterarbeit,
   2005; Sabine Boehlich, „Heb                                   14.4.2020).                     Hamburg 1996, S. 15-21.
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   Bonne engagierte sich seit den 1890er Jah-                      gen entgegenwirken zu können.6) Seit 1897
   ren zum einen als Gemeindevertreter in Klein                    war er Mitglied des Guttempler-Ordens, der
   Flottbek,3) zum anderen in verschiedenen                        sich gegen den Alkoholkonsum einsetzte. Als
   Lebensreformbewegungen, die sich v.a. dem                       Streiter gegen Alkohol- und Nikotinkonsum
   Gewässerschutz, der Wohnungsreform und                          hielt Bonne zahlreiche Vorträge, verfasste
   der Bekämpfung von Rauschmitteln widme-                         Schriften und initiierte die Gründung weite-
   ten.4) 1900 wurde er Vorstandsmitglied des                      rer Guttempler-Logen im Deutschen Reich.
   „Internationalen Vereins zur Reinhaltung der                    1930 wurde er von seiner Loge durch die
   Flüsse, des Bodens und der Luft“. In dieser                     Benennung eines „Georg-Bonne-Haus“ in Al-
   Funktion, aber auch publizistisch engagierte                    tona geehrt, dessen Ausbau mit städtischen
   er sich gegen die Verschmutzung von Ge-                         Mitteln gefördert wurde.7)
   wässern und entwickelte eigene Vorschläge
   zur Elbsanierung und Abwasserverwertung.5)                      Der gemeinsame Nenner bzw. Leitbild von
   1899 initiierte er die Gründung des „Bau-                       Bonnes Aktivismus war, wie Jochen Eversmei-
   vereins der Elbgemeinden“, um dem „Woh-                         er richtig konstatiert, der Schutz der „Volksge-
   nungselend“ und der Proletarisierung der                        sundheit“ und die „Rassenhygiene“.8) Bonne
   Arbeiterschichten durch genossenschaftliche                     war Anhänger einer völkischen Ideologie, der
   Selbsthilfe und die Anlage von Siedlungen am                    in Mietskasernen, Tabak und Alkohol „Volksgif-
   Stadtrand entgegenzuwirken. Bonnes Weltbild                     te“ erblickte.9) Er entfaltete eine umfangreiche
   war von Großstadtfeindschaft geprägt und der                    publizistische Praxis, allein bis 1934 erschie-
   Vorstellung, über „Dezentralisierung“ und den                   nen an die 400 Publikationen von ihm. Dar-
   Bau von Siedlungen außerhalb der innerstäd-                     unter waren auch Romane, Gedichte und
   tischen Elendsviertel eine „Volksgesundung“                     Theaterstücke.10) Seit 1910 veröffentlichte
   herbeiführen und revolutionären Bestrebun-                      er die teilweise autobiographisch geprägte

   3) Ebd., S. 18.                            Zeitgeschichte, Band 26), Hamburg/        (D.G.T.O.), in: Altonaer Nachrichten,
   4) Zur Lebensreform und den verschie-      München 2016, S. 25.                      14.9.1933; Georg-Bonne-Haus, in:
   denen Reformbewegungen um die              6) Lebenslauf und Schriftenverzeichnis    Altonaer Nachrichten, 16.11.1933;
   Jahrhundertwende vgl. Bernd Wede-          von Sanitätsrat Dr. med. Georg Heinrich   Die vereinigten Heime des Deutschen
   meyer-Kolwe: Aufbruch. Die Lebensre-       Bonne, Generaloberarzt a.D. Kleinflott-   Guttemplerordens im Georg-Bon-
   form in Deutschland, Darmstadt 2017;       bek bei Hamburg-Altona, Februar 1934,     ne-Haus e.V., in: Altonaer Nachrichten,
   Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke (Hg.):      in: StAHH, 424-88/12, 1; Eversmeier,      15.2.1934. Das Haus wurde 1936 von
   Handbuch der deutschen Reformbewe-         „Für die Reinhaltung unserer herrlichen   der Stadt Altona in Besitz genommen,
   gungen 1880-1933, Wuppertal 1998. Zur      deutschen Ströme“, S. 33-37; Kurt Gro-    um es für den Wohnungsbau zu nutzen.
   Einordnung Bonnes in die Lebensreform      becker: 100 Jahre BVE. Die 100-jährige    Vgl. Umbau des „Georg-Bonne-Hauses“,
   vgl. Eversmeier, „Für die Reinhaltung      Chronik, hg. vom Bauverein der Elbge-     in: Hamburger Nachrichten, 7.6.1936,
   unserer herrlichen deutschen Ströme“,      meinden eG, Hamburg 1999, S. 42-45.       Morgen-Ausgabe.
   S. 46-48.                                  7) Lebenslauf und Schriftenverzeich-      8) Eversmeier, „Für die Reinhaltung
   5) Lebenslauf und Schriftenverzeichnis     nis von Sanitätsrat Dr. med. Georg        unserer herrlichen deutschen Ströme“,
   von Sanitätsrat Dr. med. Georg Heinrich    Heinrich Bonne, Generaloberarzt a.D.      S. 5f., S. 9, S. 135f.
   Bonne, Generaloberarzt a.D. Kleinflott-    Kleinflottbek bei Hamburg-Altona,         9) Zur völkischen Bewegung vgl. Uwe
   bek bei Hamburg-Altona, Februar 1934,      Februar 1934, in: StAHH, 424-88/12,       Puschner, Walter Schmitz, Justus H. Ul-
   in: StAHH, 424-88/12, 1. Vgl. Eversmei-    1. Vgl. Die I.D.G.T.-Loge „Frühlings-     bricht (Hg.): Handbuch zur „Völkischen
   er, „Für die Reinhaltung unserer herrli-   bote“ Nr. 88, in: Altonaer Nachrichten,   Bewegung“ 1871–1918, München u.
   chen deutschen Ströme“; David Templin:     27.2.1933; Werner-Altenburg-Abend,        a. 1996.
   Wasser für die Volksgemeinschaft-          in: Altonaer Nachrichten, 5.5.1933;       10) Lebenslauf und Schriftenverzeichnis
   Wasserwerke und Stadtentwässerung          Der Gau VII (Altona-Südwestholstein)      von Sanitätsrat Dr. med. Georg Heinrich
   in Hamburg im „Dritten Reich“ (Forum       des Deutschen Guttemplerordens            Bonne, Generaloberarzt a.D. Kleinflott-
BiograPhien von A bis Z

   Trilogie der Bände „Im Kampf um die Ideale“                        häuserbund.15) Obwohl er keiner politischen
   (1910), „Im Kampf um den Weltfrieden“ (1930)                       Partei angehörte, zählte er spätestens seit
   und „Im Kampf gegen das Chaos“ (1931). Im                          1931 zu den Anhängern und Bewunderern
   ersten Band beschwor er u.a. die Überle-                           Adolf Hitlers und seiner nationalsozialistischen
   genheit des Germanentums als „Herrenge-                            Bewegung, was er in Briefen an Hitler zum
   schlecht“ und zeichnete Figuren entlang eines                      Ausdruck brachte.16) In einem Brief von 1936
   Rassen- schemas, wobei dem blonden „Typ                            behauptete er sogar, Hitler bereits in dessen
   des Ariers“ die kranken, dicken, jüdischen,                        Gefängniszeit (1923/24) Publikationen zuge-
   degenerierten Menschen gegenübergestellt                           schickt zu haben.17) Dabei erteilte er diesem
   wurden.11)     Das Buch erlebte in mindestens                      auch Ratschläge und kritisierte z.B. den Al-
   40 Auflagen eine enorme Verbreitung.12)                            koholkonsum von Nationalsozialisten. 1932
   In seiner Schrift „Volksgesundung durch                            schickte er Hitler das von ihm verfasste anti-
   Siedlung!“ (1928) präsentierte er seine woh-                       semitische Schauspiel „Judas Ischariot“ zu,
   nungsreformerischen Vorstellungen, die er                          das er selbst als „streng nationalsozialistisch“
   als sozial- und rassenhygienisches Rezept                          charakterisierte, mit der Bitte, es Hitler widmen
   gegen den drohenden „Rassetod“ des deut-                           zu dürfen.18)
   schen      Volkes      anpries.13)      Antisemitismus
   zählte dabei spätestens seit den 1880er                            Nach der Ernennung Hitlers zum Reichs-
   Jahren zum konstitutiven Bestandteil von                           kanzler schickte Bonne ihm ein persönliches
   Bonnes Weltbild.       14)                                         Glückwunschschreiben, in dem er ihn als
                                                                      „Retter Deutschlands“ ansprach und bekräf-
   Bonne war seit 1910 Mitglied der Freimaurer-                       tigte, „der eiserne Besen“ sei notwendig,
   loge „Phönix zur Wahrheit“, 1901 und 1914                          „um das Ungeziefer auszutilgen“.19) In einem
   taucht sein Name in den Mitgliederlisten des                       Briefwechsel von 1933 bezeichnete er sein
   Alldeutschen Verbandes auf, und nach dem                           eigenes Lebenswerk als „Wegbereitung“ und
   Ersten Weltkrieg war er Mitglied im deutsch-                       „vorbereitende Kleinarbeit“ für den National-
   national orientierten „Stahlhelm“ und im Kyff-                     sozialismus und diesen als „Erfüllung meiner

   bek bei Hamburg-Altona, Februar 1934,       Siedlung! Eine christliche und soziale      53-5; Rainer Hering: Konstruierte Nation.
   in: StAHH, 424-88/12, 1.                    Notwendigkeit, München 1928, Zitat:         Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939
   11) Eversmeier, „Für die Reinhaltung        S. 16.                                      (Hamburger Beiträge zur Sozial- und
   unserer herrlichen deutschen Ströme“,       14) Eversmeier, „Für die Reinhaltung        Zeitgeschichte, Band 40), Hamburg
   S. 43-45, Zitate S. 44. Vgl. Georg Bonne:   unserer herrlichen deutschen Ströme“,       2003, S. 300.
   Im Kampf um die Ideale. Die Geschich-       S. 24f.                                     16) Vgl. die zwischen 1930 und 1933
   te eines Suchenden, München 1910;           15) Die Reichsschrifttumskammer,            verfassten Briefe Bonnes an Hitler:
   ders.: Im Kampf um den Weltfrieden. Die     Fragebogen für schriftstellerisch Tätige,   StAHH, 424-88/12, 53-12.
   Geschichte eines Mannes, eines Volkes,      ausgefüllt von Georg Bonne, 1.9.1937,       17) anitätsrat Dr. Bonne an Ernst Rein-
   einer Menschheit, München 1930; ders.:      in: Bundesarchiv (BArch), R 9361-V,         hardt Verlag, 26.9.1936, S. 5, in: BArch,
   Im Kampf gegen den Chaos. Nicht Unter-      4263;                                       R 9361-V, 4263.
   gang, sondern Aufstieg, München 1931.       Sanitätsrat Dr. Bonne (Generalober-         18) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herrn Hitler,
   12) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herr           arzt a.D., Altona-Klein Flottbek) an        13.6.1932, in: StAHH, 424-88/12, 53-12.
   Mühlberg, 19.12.1941, in: StAHH, 424-       Gau-Geschäftsführer der N.S.D.A.P.          19) [Georg Bonne] an Adolf Hitler,
   88/12, 34.                                  Gauleitung Schleswig-Holstein, Altona/      Reichskanzler des Deutschen Reiches,
   13) Georg Bonne: Volksgesundung durch       Elbe, 23.6.1934, in: StAHH, 424-88/12,      28.2.1933, in: StAHH, 424-88/12, 53-12.
BiograPhien von A bis Z

   Jünglingsträume“.20) Seine Identifizierung mit                      1940er Jahren transportierte Bonne national-
   Hitler gipfelte in der Behauptung, dass er sich                     sozialistische, rassistische und antisemitische
   mit diesem „in meinem ganzen Denken und                             Ideologieelemente. Mit der 1935 erfolgten
   Fühlen vollständig eins“ wisse, insbesondere                        Neuausgabe seiner Schrift „Wie können wir
   nach der Lektüre von „Mein Kampf“.21) Mit dem                       Deutschlands Ernährung vom Auslande unab-
   „Dritten Reich“ verband Bonne die Hoffnung                          hängig machen?“ (1921) wollte er einen Beitrag
   auf die Umsetzung seiner wohnungs- und                              zu den Autarkiebestrebungen des NS-Staates
   lebensreformerischen, aber auch antisemiti-                         liefern – gegen den „jüdisch geleiteten Marxis-
   schen Ideen.                                                        mus“.26) In „Das Geschlecht der Lappe“ (1939)
                                                                       rief er zur Unterstützung des Nationalsozialis-
   Zum 1. Mai 1933 trat Bonne laut NSDAP-Mit-                          mus auf, in dem er die „Verschmelzung des
   gliederkartei der Ortsgruppe Altona der NS-                         völkischen Gedankens“ mit einem Christentum
   DAP bei.22) Ende 1933 wurde er Mitglied im                          der Tat erblickte. Die NS-Rassentheorie auf-
   Reichsverband Deutscher Schriftsteller und in                       greifend, erblickte er in Jesus und Goethe Ver-
   der Reichsschrifttumskammer.23) Der Beleg für                       treter des „arische[n] Geist[es]“ und Blutes.27)
   Bonnes Parteimitgliedschaft steht im Wider-                         Bonne war stolz darauf, mit seinen Büchern zur
   spruch zu seinen Angaben aus den folgenden                          Festigung nationalsozialistischer Auffassungen
   Jahren, in denen er – etwa auf einem Frage-                         im Volk beizutragen, was er in einem Schrei-
   bogen der Reichsschrifttumskammer von 1937                          ben mit dem Beispiel eines einfachen Arbeiters
   – eine Mitgliedschaft           verneint.24)       Möglicher-       illustrierte, der ihm gegenüber angeblich erklärt
   weise hatte seine Logenzugehörigkeit doch                           habe: „die ihre Bücher gelesen haben, sind
   einer Mitgliedschaft im Weg gestanden, wie                          jetzt alle begeisterte Verehrer von Hitler, der ja
   er in einem Schreiben von 1938 andeutet (so                         dasselbe will, wie Sie“. Er habe so „viele Hun-
   habe es ihn „tiefgeschmerzt [...], daß ich nicht                    derte“ seiner Patienten „für Hitler und unseren
   [...] mit im Rahmen der Partei für Deutschlands                     Nationalsozialismus gewonnen“.28)
   Wiederaufstieg kämpfen darf“)               25)   – allerdings
   hätte auch ein etwaiger Ausschluss auf Bon-                         Mit 76 Jahren nahm Georg Bonne 1935 sei-
   nes Karteikarte verzeichnet sein müssen. In                         ne Praxis als Arzt in Klein Flottbek wieder
   seinen Publikationen aus den 1930er und                             auf.29) Zu seinen Geburtstagen oder seinem

   20) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herrn            25) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst          14.10.1935.
   Johst, 28.4.1933, in: StAHH, 424-88/12,       Reinhardt Verlag, 27.2.1938, S. 4, in:      27) Georg Bonne: Das Geschlecht
   34.                                           BArch, R 9361-V, 4263.                      der Lappe. Die Geschichte einer alten
   21) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst            26) Georg Bonne: Wie können wir             deutschen Familie, Oldenburg/Hamburg
   Reinhardt Verlag, 26.9.1936, S. 6, in:        Deutschlands Ernährung vom Auslande         1939, Zitate: S. 79, S. 77; zu Jesus und
   BArch, R 9361-V, 4263.                        unabhängig machen? Ein volksge-             seiner „arische[n] Lehre“: ebd., S. 16.
   22) BArch, R 9361-VII / IX                    sundheitlicher und volkswirtschaftlicher    28) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst
   KARTEI, Karteikarte „Bonne, Georg“.           Leitfaden für jeden wahrhaft natio-         Reinhardt Verlag, 26.9.1936, S. 7, in:
   23) Die Reichsschrifttumskammer,              nalsozialistisch gesonnenen Bürger          BArch, R 9361-V, 4263.
   Fragebogen für schriftstellerisch Tätige,     unseres dritten Reiches, Dresden 1935       29) Eversmeier, „Für die Reinhaltung
   ausgefüllt von Georg Bonne, 1.9.1937,         (2. Auflage), Zitat S. 9. Vgl. die Rezen-   unserer herrlichen deutschen Ströme“,
   in: BArch, R 9361-V, 4263.                    sion: Kann Deutschland sich selbst          S. 19.
   24) Ebd.                                      ernähren?, in: Altonaer Nachrichten,
BiograPhien von A bis Z

   50-jährigen „Doktorjubiläum“ erschienen eh-                        hatte: „Der Adolf Hitler mit seinen National-
   rende Artikel in der gleichgeschalteten Ham-                       sozialisten weiß offenbar selbst nicht, was
   burger Presse. „Die Synthese des Nationalen                        er will“.32) Bonne erblickte in dem Verbot zu-
   mit dem Sozialen, wie wir sie heute im Nati-                       nächst ein Missverständnis, wie er seinem
   onalsozialismus verkörpert sehen, ist seit 50                      Verleger gegenüber erklärte: „Daß aber die
   Jahren Ziel und Richtung für Bonnes gesamte                        Nationalsozialisten mich jemals als ihren
   Lebensarbeit gewesen“, lobten ihn etwa die                         Gegner ansehen könnten, – auf den Gedan-
   Altonaer Nachrichten         1934.30)                              ken wäre ich selbst in Fieberträumen nicht
                                                                      gekommen [...].“33) Er legte Einspruch ein
   Nationalsozialistische           Funktionäre          teilten      und bat schließlich darum, beanstandete
   diese Meinung nicht unbedingt. Das Reich-                          Passagen ersetzen zu dürfen – beide Bemü-
   spropagandaministerium verfügte 1937, das                          hungen waren vergeblich.34)
   Buch „Im Kampf gegen das Chaos“ einzuzie-
   hen und zu beschlagnahmen, nachdem Be-                             Bereits 1935 war es zu einem Konflikt
   schwerden aus der Reichsschrifttumskammer                          mit NS-Funktionären gekommen, nachdem
   laut geworden waren, dass Bonne sich dort                          Bonne in der Zeitschrift Ethik Artikel veröf-
   „in schamloser Weise“ über Hitler und den                          fentlicht hatte, in denen er die NS-Pläne zur
   Nationalsozialismus geäußert habe. Anfang                          Sterilisierung „Minderwertiger“ als nicht aus-
   1938 wurde es in die Liste des „schädlichen                        reichend kritisierte.35) Bonne teilte zwar die
   und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen                         völkische Perspektive des Regimes und ging
   und jede weitere Verbreitung verboten.31)                          von der Existenz „Millionen von […] Minder-
   Ausschlaggebend waren Passagen, in denen                           wertige[r]“ aus, sah die Ursache jedoch v.a. im
   Bonne Ludendorffs „Haß gegen die Juden“                            Alkohol- und Nikotinkonsum, deren Bekämp-
   als „unfruchtbar“ kritisiert, und solche, in                       fung er aus rassenpolitischer Sicht für zentral
   denen er Hitler Ratschläge erteilt bzw. erklärt                    hielt.36) Das Rassenpolitische Amt der NSD-

   30) L. Schumacher: Ein Arzt seines Vol-     schrifttumskammer, 15.11.1937, in: ebd.;     Reichsschrifttumskammer, 3.6.1939, in:
   kes, in: Altonaer Nachrichten, 13.3.1934.   [Reichsschrifttumskammer] an Verlag          ebd.; [Reichsschrifttumskammer] an Sa-
   Vgl. Georg Bonne zum 75. Geburtstag,        Ernst Reinhardt, 18.2.1938, in: ebd.         nitätsrat Dr. Bonne, 15.6.1939, in: ebd.;
   in: Altonaer Nachrichten, 11.8.1934;        32) [Reichsschrifttumskammer] an Verlag      Sanitätsrat Dr. Bonne an Präsident der
   Sanitätsrat Dr. Heinr. Georg Bonne          Ernst Reinhardt, 25.4.1938, in: BArch, R     Reichsschrifttumskammer, 20.6.1939,
   75 Jahre alt, in: Hamburger Anzeiger,       9361-V, 4263.                                in: ebd.
   11./12.8.1934; Sanitätsrat Dr. Bonne        33) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst           35) Vgl. Andreas Frewer: Medizin
   80 Jahre alt, in: Hamburger Neueste         Reinhardt Verlag, 27.2.1938, in: BArch, R    und Moral in Weimarer Republik und
   Zeitung, 12.8.1939; Dr. Bonne achtzig       9361-V, 4263.                                Nationalsozialismus. Die Zeitschrift
   Jahre alt, in: Hamburger Anzeiger,          34) Ernst Reinhardt Verlag München an        „Ethik“ unter Emil Abderhalden, Frankfurt
   12./13.8.1939; Dr. Bonne 83 Jahre alt,      Präsident der Reichsschrifttumskammer        a.M./New York 2000, S. 102-108, S.
   in: Hamburger Anzeiger, 12.8.1942; Arzt,    11.3.1938, in: BArch, R 9361-V, 4263;        131f.; Thorsten Sueße/Heinrich Meyer:
   Siedlungspolitiker, Dichter. Zum 85. Ge-    Sanitätsrat Dr. Bonne an Reichsminister      Abtransport der „Lebensunwerten“. Die
   burtstag Georg Bonnes am 12. August,        für Volksaufklärung und Propaganda,          Konfrontation niedersächsischer Anstal-
   in: Hamburger Anzeiger, 11.8.1944.          23.4.1938, in: ebd.; [Reichsschrifttums-     ten mit der NS-„Euthanasie“, Hannover
   31) Reichsschrifttumskammer, Gruppe         kammer] an Verlag Ernst Reinhardt,           1988, S. 32f.
   Buchhandel, an Reichsschrifttumskam-        25.4.1938, in: ebd.; Sanitätsrat Dr. Bonne   36) Georg Bonne: Über Eugenik und
   mer, 16.8.1937, in: BArch, R 9361-V,        an Präsident der Reichsschrifttums-          Euthanasie im Licht der nationalsozialis-
   4263 (erstes Zitat); Hederich (Der          kammer, 9.5.1938, in: ebd.; Dr. Koch         tischen Ethik, in: Ethik, 11. Jg., 3. Heft,
   Reichsminister für Volksaufklärung und      (Der Reichsminister für Volksaufklärung      Januar/Februar 1935, S. 127-132, Zitat
   Propaganda) an Präsident der Reichs-        und Propaganda) an Präsident der             S. 131. Vgl. bereits ders.: Eugenik, Papst
BiograPhien von A bis Z

   AP kritisierte den Text als streckenweise „anti-                    Tabakindustrie das deutsche Volk verdum-
   nationalsozialistisch“, Bonne musste sich vor                       men. Im letzten Akt des Schauspiels erkennt
   der Gestapo verantworten.37) In diesem wie                          Judas seine Schuld, zieht gen Palästina und
   in anderen Fällen (etwa einem Schreiben                             erhängt sich selbst. Bonne wollte mit dem
   an SA-Stabschef Ernst Röhm) sah sich                                Schauspiel „jüdische[n] Verrat und jüdische
   Bonne selbst im Einklang mit den Gedanken                           Anmaßung“ aufzeigen und über die „Gefah-
   Adolf Hitlers, aber im Konflikt mit den „vielen                     ren“ aufklären, die der Welt „durch die jüdische
   kleinen    Hitler[n]ʻ“.38)                                          Pest drohen“.40) Die Deutschen müssten sich
                                                                       unter der „genialen Führung“ Adolf Hitlers
   Auch eine Veröffentlichung des bereits 1932                         „mit allen unseren Kräften“ gegen die Juden
   vollendeten Schauspiels „Judas Ischariot“ ge-                       als „Fremdkörper in dem Fleisch unserer
   lang Bonne nicht bzw. erst 1942 unter dem                           Nation“ wehren.41) Bonne sah sein Werk als
   Titel „Der Ewige Jude“.39) Es verfolgte eine                        Teil eines „heiligen Kampf[es]“ an und als
   Geschichte der Juden bzw. des jüdischen                             öffentliche „Rechtfertigung unserer Haltung
   Geistes vom Mord an Jesus bis zur russischen                        gegen die Juden“ – also als schriftstellerische
   Revolution und enthielt eine Vielzahl antisemi-                     Legitimationsarbeit für die NS-Judenpolitik.42)
   tischer Stereotype: die Schuld der Juden am
   Tod Jesu; die Existenz einer jüdischen Welt-                        Er versuchte zwischen 1932 und 1934 einen
   verschwörung mit dem Ziel der Weltherrschaft;                       Verlag zu finden und wandte sich u.a. persön-
   die Vorstellung von Juden als Parasiten mit                         lich an Joseph Goebbels und Alfred Rosen-
   den Deutschen als „Wirtsvolk“; der Händler-,                        berg, jedoch ohne Erfolg.43) Erst 1942, als
   Wucherer- und Schachergeist sowie die                               die NS-Judenpolitik bereits in die organisierte
   Raffgier von Juden; die Verschlagenheit von                         Massenvernichtung, den Holocaust, überge-
   Juden, die sich mit falschen Namen tarnten;                         gangen war, gelang ihm die Herausgabe des
   die Kontrolle der Presse durch Juden; die Len-                      Schauspiels im Dresdener Strom-Verlag. Die
   kung sowohl der Finanzwirtschaft als auch des                       Auslieferung des Buches wurde jedoch im
   Bolschewismus durch Juden; sowie die „Ver-                          Februar 1943 durch das NS-Propagandami-
   nichtung Deutschlands“ als Ziel der jüdischen                       nisterium mit der Begründung verboten, es
   „Rasse“. Hinzu kam, dass Bonne die Auffassung                       sei „völlig veraltet“.44) Ein Jahr zuvor waren
   vertrat, Juden würden über die Alkohol- und                         bereits die Restbestände von Bonnes 1927

   und Ethik, in: Ethik, 9. Jg., Heft 3,         38) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herr          Vollmer, 4.4.1933, in: StAHH, 424-88/12,
   Januar/Februar 1933, S. 155-162.              Mühlberg, 8.1.1942, in: StAHH, 424-        34; Sanitätsrat Dr. Bonne an Albert Zim-
   37) Wilhelm Schneider: Etwas über die         88/12, 34. Vgl. Sanitätsrat Dr. Bonne an   mermann, 22.11.1933, in: ebd.
   lebensgesetzlichen Grundlagen des na-         Stabschef Röhm, 7.10.1933, in: StAHH,      43) Vgl. die Korrespondenz in: StAHH,
   tionalsozialistischen Staates. Eine Klar-     424-88/12, 53-18.                          424-88/12, 34.
   stellung, in: Ethik, 11. Jg., 5. Heft, Mai/   39) Georg Bonne: Der Ewige Jude. Eine      44) Reichsministerium für Volksaufklä-
   Juni 1935, S. 207-213, Zitat S. 209. Vgl.     Menschheitstragödie, Dresden 1942.         rung und Propaganda an Strom-Verlag
   NSDAP Gauleitung Halle (Saale), Der           40) Ebd., S. 8.                            GmbH, 22.3.1943 (Abschrift), in: StAHH,
   Beauftragte des Rassepolitischen Amtes        41) Ebd., S. 80, S. 78; Sanitätsrat Dr.    424-88/12, 55-23. Vgl. weitere Dokumen-
   der NSDAP im Gau Halle-Merseburg, an          Bonne an Rudolf Wiesener, 19.4.1934,       te in der Akte, sowie StAHH, 424-88/12,
   Sanitätsrat Dr. Georg Bonne, 3.6.1935         in: StAHH, 424-88/12, 34.                  55-30; [Sanitätsrat Dr. Bonne] an
   (Abschrift), in: StAHH, 424-88/12, 53-20.     42) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herrn         Reichsminister Dr. Goebbels, 4.9.1944,
BiograPhien von A bis Z

   erschienenem Buch „Verbrechen als Krank-                          ziehen sollte. Während u.a. Vertreter der
   heit“ von der Gestapo beschlagnahmt wor-                          SPD auf die NS-Belastung des Namens-
   den. Nachdem der Chef der Sicherheitspolizei                      gebers hinwiesen, wurde Bonne im Niensted-
   und des SD einen Verbotsantrag gestellt                           tener Heimatbote als „Idealist“ gelobt, der im
   hatte, ordnete das Reichspropagandami-                            Stadtteil „beliebt und geachtet“ gewesen sei.
   nisterium im Februar 1943 die vollständige                        Seine antisemitischen Äußerungen wurden
   Beschlagnahme an.45)                                              als „impulsiv“ und „emotional“ herunterge-
                                                                     spielt.49) Der Streit endete 1997 mit einem
   Kurz vor dem Ende des „Dritten Reiches“                           „Kompromiss“. Der Senat beschloss, dass
   starb Georg Bonne am 1. Mai                   1945.46)    Zu      ein Teil der Straße ihren Namen beibehalten,
   einer Entnazifizierung kam es daher nicht                         ein zweites Stück „Am internationalen See-
   mehr. Bereits vier Jahre nach seinem Tod                          gerichtshof“ heißen und ein dritter Abschnitt
   wurde eine Straße in Hamburg-Nienstedten                          in „Christian-F.-Hansen-Straße“ umbenannt
   nach ihm     benannt.47)                                          werden sollte.50) Im Zuge erneuter Debatten
                                                                     um die Umbenennung NS-belasteter Stra-
   Bis in die 1990er Jahre wurde Bonne vor                           ßennamen und nach der Veröffentlichung
   Ort als „Wohltäter“, als „Engel von Flottbek“                     eines entsprechenden Gutachtens des Ver-
   und Vorkämpfer ökologischer Bestrebungen                          fassers, das im Auftrag des Staatsarchiv
   verehrt und publizistisch gewürdigt.48) Erst                      Hamburgs erstellt worden war, beschloss die
   1995 entspann sich eine Debatte um die                            Bezirksversammlung Altona im Februar 2020
   Umbenennung            der     Georg-Bonne-Straße,                die Umbenennung der Georg-Bonne-Straße
   nachdem bekannt geworden war, dass der                            und des Bonneparks.51)
   Internationale Seegerichtshof in die Straße                       Text: David Templin

   in: StAHH, 424-88/12, 53-6.                 in: 700 Jahre Nienstedten – Die Zeit-       15; Drei Namen für eine Straße?, in:
   45) SS-Sturmbannführer v. Kielpinksi        Schrift (Nienstedtener Perspektiven),       Hamburger Abendblatt, 4.9.1996, S. 14;
   (Der Chef der Sicherheitspolizei und        Hamburg 1997, S. 38-41, hier S. 38;         Reemtsma soll Streit um Straßennamen
   des SD) an Präsident der Reichsschrift-     Eversmeier, „Für die Reinhaltung unserer    schlichten, in: Hamburger Abend-
   tumskammer, 23.5.1942, in: BArch, R         herrlichen deutschen Ströme“, S. 9.         blatt, 7./8.9.1996, S. 14; Straße wird
   9361-V, 4263; Reichsministerium für         49) Herbert Cords: Dr. Georg Bonne im       umbenannt, in: Hamburger Abendblatt,
   Volksaufklärung und Propaganda an Prä-      Zwielicht, in: Heimatbote, Juni 1995,       22.1.1997, S. 13; Schilda liegt an
   sidenten der Reichsschrifttumskammer,       in: StAHH, 731-8, A 752 Bonne, Georg.       der Elbe, in: Hamburger Abendblatt,
   23.2.1943, in: ebd.                         Vgl. Bruhns, Georg Bonne, die zwar          23.8.1997, S. 11; Leserbrief: Austau-
   46) Eversmeier, „Für die Reinhaltung        differenzierter argumentiert und auch auf   schen, in: Hamburger Abendblatt,
   unserer herrlichen deutschen Ströme“,       Bonnes Antisemitismus hinweist, aber        2.9.1997, S. 13.
   S. 19.                                      verharmlosend von einer „verhängnis-        51) Matthias Schmoock: Warum der
   47) Herbert Cords: Dr. Georg Bonne im       vollen Verkennung der wahren Natur          Name Georg Bonne aus dem Straßenbild
   Zwielicht, in: Heimatbote, Juni 1995, in:   des Nationalsozialismus“ durch Bonne        verschwindet, in: Hamburger Abendblatt,
   StAHH, 731-8, A 752 Bonne, Georg.           spricht.                                    21.2.2020. Vgl. das in Anm. 1 erwähnte
   48) Ebd., der von „Wohltäter“ spricht,      50) Vgl. Georg Bonne im Zwielicht, in:      Gutachten.
   ebenso wie Maike Bruhns: Georg Bonne,       Hamburger Abendblatt, 27.4.1995, S.         14.4.2020).
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