Sophie-rahel-Jansen-straße - Hamburg.de
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BiograPhien von A bis Z Sophie-Rahel-Jansen-Straße (Nienstedten (2021): Sophie Rahel Jansen, geb. Schlossmann (26.3.1862 Hamburg - Freitod am 17.7.1942), Schriftstellerin, Armen- pflegerin, bürgerliche Frauenbewegung. Zuvor hieß die Straße Georg-Bonne-Straße. Georg Bonne (12.8.1859 Hamburg - 1.5.1945 Hamburg), Arzt in den Elbgemeinden, Sanitätsrat. Bereits 1996/97 wurden wegen Bonnes NS-Belastung Teile dieser Straße umbenannt; ein Teil in „Am Internationalen Gerichtshof“, ein weiterer Teil in „Christian-F.-Hansen-Straße“ Im April 1913 konnte die Gemeinde Blan- Sophie Rahel Jansen kenese zwei neue Bürger begrüßen: den Quelle: Jonas Koch/Verein zur Erforschung der Geschichte der Juden in Blankenese Hamburger Rechtsanwalt Dr. Cäsar Max Jansen und seine Ehefrau Sophie. Die Neu- ankömmlinge hatten sich am Elbhang – Im sechs Kinder reichten ihr nicht aus: Sie be- Busch 7 – vom damaligen Stararchitekten wog 1895 ihren Mann, in Grande bei Trittau Baedeker eine prächtige Klinkervilla bauen einen Gutshof zu erwerben und dorthin zu lassen. Jansen war als Sozius einer renom- ziehen. Während er selbst täglich in seine mierten Anwaltskanzlei zu beträchtlichem Hamburger Kanzlei fuhr, machte sie sich da- Wohlstand gekommen und gehörte, wie ran, den 400 Morgen großen Hof zu bewirt- seine langjährige Tätigkeit im Vorstand des schaften – als Autodidaktin. Sie verschaffte Yacht Clubs zeigte, zu den feinen Kreisen der sich durch eigene Lektüre und Austausch mit Hamburger Gesellschaft. Seine Frau Sophie Fachleuten nicht nur die notwendigen Kennt- dürfte bei den Soiréen und in den Salons nisse in Rinderhaltung und Milchwirtschaft, für steten Gesprächstoff gesorgt haben: Ihr sondern versuchte auch in der Praxis, die Leben war alles andere als üblich. damaligen Reformen in der Viehhaltung zu unterstützen. Aber diese Experimente waren Als Tochter des wohlhabenden Spediteurs teuer, und eine Serie von Seuchen verur- Carl Ezechiel Schlossmann in Hamburg sachte zusätzliche Kosten. 1901 entschloss geboren und in Breslau bzw. Dresden groß sich das Ehepaar, das Gut zu verkaufen und geworden, hatte sie als Zwanzigjährige 1882 nach Hamburg zurückzukehren. Cäsar Max Josephson, den Sohn eines Altonaer Arztes, geheiratet. Doch das gesell- Die Niederlage wurde nicht einfach abgehakt schaftliche Leben und die Erziehung ihrer und vergessen: Sophie veröffentlichte 1905
BiograPhien von A bis Z ein Buch über ihre Erfahrungen: „Sofiensruh. Rolle der Frauen im öffentlichen Leben ein- Wie ich mir das Landleben dachte und wie setzte. In Blankenese setzte sie diese Aktivi- ich es fand“. Der mit feinem Humor und dras- tät fort: 1915 wurde sie die erste Vorsitzende tischer Selbstironie verfasste Bericht wurde der dortigen Ortsgruppe des Norddeutschen ein Bestseller und verhalf ihr zu weiter litera- Frauenvereins. Der Krieg hatte die soziale rischer Anerkennung. 1908 erschien ihr zwei- Not enorm gesteigert, und die Ortsgruppe re- tes Buch, ein Roman über eine junge Frau, agierte vom ersten Tag an auf diese Lage: Im die in der Enge der gesellschaftlichen Kon- August 1914 war in der heutigen Witts Allee ventionen zerbricht. „Friede Wend“, so die eine Volksküche eröffnet worden, die Essen Kritik, müsste man sich als eine Art Budden- für anfangs 100, schließlich für 700 Personen brooks vorstellen. Autobiographische Er- ausgab. 1916 folgte am selben Ort die Ein- fahrungen als Mutter von mittlerweile sechs richtung einer Säuglingsfürsorge. Seit 1917 Kindern standen im Mittelpunkt von „Bebi und existierte auch eine Kinderkrippe. An allen Bubi. Ein Jahr aus dem Kinderleben“. Das diesen Initiativen war Sophie Jansen führend reich illustrierte Buch erschien 1909 und wurde beteiligt. 1919 wurde sie von der Gemeinde ihr letztes. dafür mit einer Gedenkmünze gewürdigt. Sie wurde allen denjenigen verliehen, „die sich Der Grund für das Ende ihrer Schriftstellerei während des Krieges fürsorglich für unsere war die Entdeckung, dass sie dringender wo- Krieger und deren Angehörige betätigten und anders gebraucht wurde. Schon während der der Allgemeinheit aus Nächsten- und Vater- verheerenden Cholera-Epidemie von 1892, landsliebe uneigennützig Liebesdienste ge- die besonders in den dicht bevölkerten Ham- leistet haben“. burger Arbeitervierteln wütete, war sie mit der sozialen Frage konfrontiert worden und hatte Auch im folgenden Jahrzehnt blieb Sophie spontan zu helfen versucht. Fünfzehn Jahre Jansen die treibende Kraft der Sozialarbeit in später, angeregt durch das soziale Engage- Blankenese. Sie führte – im Auftrag des Vater- ment eines Barmbeker Pastors, wurde sie ländischen Frauenvereins und unterstützt von eine Pionierin des neu organisierten Armen- der Gemeinde – die Säuglingsfürsorge weiter, wesens. 1908 war sie unter Hunderten von zunächst im Gemeindebüro und in der Turn- Männern die erste Frau, die als öffentliche halle Dockenhuden, dann in der Schule am Armenpflegerin bestellt wurde. Kahlkamp. Für diese Tätigkeit erhielt sie später das Erinnerungskreuz des Vaterländi- Mit dem Umzug nach Blankenese 1913 endete schen Frauenvereins. Daneben wirkte sie als zwar dieses Amt, nicht aber ihr soziales En- Vorstandsmitglied im Gesamtarmenverband gagement: Es wurde fortan das Zentrum ihres der Elbvororte. Vor allem dem Armenhaus Lebens. Schon als Armenpflegerin in Ham- am Tinsdaler Kirchenweg galt ihre Aufmerk- burg war sie Mitglied im Allgemeinen Deut- samkeit. Dieser aktive Einsatz für die sozial schen Frauenverein geworden, der sich für Schwachen erfolgte nicht aus der gesicher- eine Steigerung der Bildung, der wirtschaft- ten Position eines großen Einkommens: lichen Selbstständigkeit und der politischen Ihre wirtschaftliche Lage hatte sich seit dem
BiograPhien von A bis Z frühen Tod ihres Mannes im Jahre 1916 dra- fügte dem hinzu: „Aus den kleinen Erträgnis- matisch verschlechtert. Statt in der Villa über sen dieser Papiere und von Unterstützungen der Elbe wohnte sie seit 1919 in einem kleine- bestreite ich meinen Lebensunterhalt. […] ren Haus an der Blankeneser Hauptstraße 56. Das Erdgeschoss des mir gehörigen Hau- ses habe ich seit langen Jahren vermietet. Spätestens im Jahre 1932 zog sich Sophie Auswanderungsabsichten bestehen nicht.“ Jansen aus allen ihren Funktionen zurück – Am 23. Dezember 1939 waren auch diese sie war 70 Jahre alt und freute sich auf einen Angaben überholt: Aufgrund eines neuen ruhigen Lebensabend im Kreise ihrer Familie. Gesetzes und unter kräftigem Druck ihres Aber die Übertragung der Macht an Adolf „arischen“ Mieters musste sie ihr Haus ver- Hitler am 30. Januar 1933 veränderte alles. kaufen und wurde zur Untermieterin. Sophie hatte sich zusammen mit ihrem Mann 1888 christlich taufen lassen. 1907 legte Auf den Zwang, ab 19. September 1941 den Cäsar Max seinen jüdischen Namen Joseph- „Judenstern“ zu tragen, reagierte Sophie son ab. Seitdem hieß das Ehepaar so, wie Jansen nach Auskunft ihrer Tochter Eva Wulle sich Sophie schon als Autorin genannt hatte – auf ihre Art: Sie ging nicht mehr auf die Jansen. Zwei Söhne dienten im Ersten Welt- Straße, nachdem das Gesetz erlassen war. krieg, einer wurde mit dem Eisernen Kreuz Nachbarn und Freunde ließen sich nicht ab- ausgezeichnet. Ihre eigene rastlose Tätigkeit schrecken und standen ihr in dieser selbst hatte ihr öffentliche Anerkennung und Res- gewählten Isolation bei. Es war nur ein Auf- pekt eingebracht. Jetzt wurde das alles an- schub. nulliert – die Deutsche aus jüdischem Haus war zur Jüdin geworden, ausgestoßen aus Anfang Juli 1942 erhielt sie den Deportations- der Gemeinschaft der Deutschen, preisgege- befehl für Theresienstadt, datiert auf den 19. ben der Verfolgung. Die Nürnberger Gesetze Juli. Am 17. Juli, während ihre Tochter noch 1935 galten auch für sie. vergeblich versuchte, die Deportation ihrer 80-jährigen Mutter abzuwenden, öffnete So- Sie verlor ihr Stimmrecht und durfte kein öf- phie Jansen den Gashahn ihres Herdes und fentliches Amt bekleiden. Ab 1938 trug ihre machte ihrem Leben ein Ende. Sie konnte, Kennkarte das „J“ für Jude, und dem Namen wie sie in einem Abschiedsbrief an ihre Toch- Sophie wurde der Zwangsname Sara hinzu- ter schrieb, „das Hin- und Herzerren nicht gefügt. Mit dem Pogrom vom 9. November mehr ertragen. Hoffentlich geben sich nun 1938 verschärfte sich die wirtschaftliche Aus- meine Verfolger zufrieden, wenn ich nun das plünderung: Im Dezember musste sie ihren bescheidene Plätzchen, das ich mir noch Schmuck abliefern – „Schätzwert RM 100.–, auf der Welt vorbehalten hatte, räume.“ Der Verwaltungsgebühr RM 10.–, ausgezahlt RM Propst der evangelischen Kirchengemeinde 90.–“ Drei Monate später war das silberne Blankenese, Schetelig, weigerte sich, die Tote Besteck dran. Zur gleichen Zeit reichte sie zu bestatten. Ihr noch vorhandenes Ver- die geforderte Aufstellung ihres Vermögens mögen wurde zugunsten des Deutschen ein: 28351 Reichsmark in Wertpapieren. Sie Reiches eingezogen. Zwei ihrer Kinder kamen
BiograPhien von A bis Z noch 1944 nach Theresienstadt: Edith Boehlich Zu Georg Bonne: überlebte das Lager, Hans Jansen fand dort Georg Bonne wurde 1859 in Hamburg als den Tod. eines von acht Kindern eines Kaufmanns geboren.1) Ihr inzwischen verstorbener Enkel Wolf Boehlich schrieb über seine Großmutter: Er besuchte zunächst eine Privatschule und „Eine ihrer bemerkenswertesten Eigenschaf- von 1875 bis 1880 Gymnasien in Stade und ten war der hohe Anspruch, den sie an sich Glückstadt. Von 1880 bis 1884 studierte er selbst und an ihre Familie stellte. Sofie Jan- Medizin in Leipzig, Marburg und Göttingen, sen erwartete von jedermann, dass er oder wo er mit einer Arbeit zur Blutgerinnung pro- sie das Bestmögliche leiste, und sie scheute movierte. In den folgenden Jahren arbeitete er sich auch nicht, andere zu sozialverträg- als Arzt in Würzburg und Barmen und durch- lichem Verhalten aufzufordern. Sie hat es lief eine militärärztliche Ausbildung, die zu sehr missbilligt, dass einer ihrer Enkel außer seiner Ernennung zum Stabsarzt der Reserve seinem Beruf nichts Weiteres lernen wollte. 1895 führte. 1887 hatte er sich als Landarzt Wo immer sie auftrat, genoss sie deutlichen im damaligen Dorf Klein Flottbek niederge- Respekt. Sie war ein strenger Lehrmeister, lassen. Im Ersten Weltkrieg nahm Bonne als man sollte aber nicht glauben, dass sie nicht Stabs- bzw. Oberstabsarzt teil. Im Mai 1915 auch liebenswert gewesen wäre. Kinder aus wurde er auf Vorschlag des Regierungspräsi- der Nachbarschaft, die mit ihren Enkeln denten in Schleswig zum Sanitätsrat ernannt, spielten, betrachteten es noch bis in ihre 1920 erhielt er den Rang eines Generalober- letzten Jahre als Vorzug, sie ebenfalls Groß- arztes a.D. 1923 übergab er seine Arztpraxis mutti nennen zu dürfen.“ einem seiner Söhne und zog nach Adendorf Text: Hannes Heer - Recherche: Sabine Boehlich bei Lüneburg. Von 1926 bis zum Ende der 1920er Jahre arbeitete er als Gefängnisarzt in Lüneburg, um Anfang der 1930er Jahre nach Klein Flottbek zurückzukehren.2) Quellen zu Georg Bonne: 1) 2) Lebenslauf und Schriften- Bei der folgendenbiographi- verzeichnis von schen Skizze handelt es sich Sanitätsrat Dr. med. Georg um die leicht überarbeitete Heinrich Bonne, Generalo- Fassung einer Kurzbiogra- berarzt a.D. Kleinflottbek bei phie, die 2017 im Rahmen Hamburg-Altona, Februar eines wissenschaftlichen 1934, in: Staatsarchiv Ham- Gutachtens für das Staatsar- burg (StAHH), 424-88/12, chiv Hamburg erstellt wurde. 1; Jochen Eversmeier: „Für Quellen zu Sophie Rahel auf, was Gott Dir vor die Das vollständige Gutachten die Reinhaltung unserer Jansen: 2; Familienarchiv Thüre legt“. Das Leben der ist einsehbar unter: https:// herrlichen deutschen Ströme“: Boehlich; Wolf Boehlich, Zur Sophie Jansen, Potsdam www.hamburg.de/content- Georg Bonne und der Ge- Erinnerung an Sofie Rahel 2003; StaHH, 331-5 Polizei- blob/13462796/1d4b36cbf- wässerschutz von den 1890er Jansen, in: Stolpersteine in behörde – Unnatürliche Ster- b9adc7fca682e5662f5854d/ Jahren bis 1914. Ein Beitrag Blankenese, hg. v. Verein befälle, Akte 1942 1131/42 data/abschlussbericht-ns-be- zur Umweltgeschichte des zur Erforschung der Juden Jansen, geb. Schloßmann, lastete-strassennamen. Deutschen Kaiserreiches, un- in Blankenese, Hamburg Sofie Rahel Sara. pdf (zuletzt aufgerufen am veröffentlichte Magisterarbeit, 2005; Sabine Boehlich, „Heb 14.4.2020). Hamburg 1996, S. 15-21.
BiograPhien von A bis Z Bonne engagierte sich seit den 1890er Jah- gen entgegenwirken zu können.6) Seit 1897 ren zum einen als Gemeindevertreter in Klein war er Mitglied des Guttempler-Ordens, der Flottbek,3) zum anderen in verschiedenen sich gegen den Alkoholkonsum einsetzte. Als Lebensreformbewegungen, die sich v.a. dem Streiter gegen Alkohol- und Nikotinkonsum Gewässerschutz, der Wohnungsreform und hielt Bonne zahlreiche Vorträge, verfasste der Bekämpfung von Rauschmitteln widme- Schriften und initiierte die Gründung weite- ten.4) 1900 wurde er Vorstandsmitglied des rer Guttempler-Logen im Deutschen Reich. „Internationalen Vereins zur Reinhaltung der 1930 wurde er von seiner Loge durch die Flüsse, des Bodens und der Luft“. In dieser Benennung eines „Georg-Bonne-Haus“ in Al- Funktion, aber auch publizistisch engagierte tona geehrt, dessen Ausbau mit städtischen er sich gegen die Verschmutzung von Ge- Mitteln gefördert wurde.7) wässern und entwickelte eigene Vorschläge zur Elbsanierung und Abwasserverwertung.5) Der gemeinsame Nenner bzw. Leitbild von 1899 initiierte er die Gründung des „Bau- Bonnes Aktivismus war, wie Jochen Eversmei- vereins der Elbgemeinden“, um dem „Woh- er richtig konstatiert, der Schutz der „Volksge- nungselend“ und der Proletarisierung der sundheit“ und die „Rassenhygiene“.8) Bonne Arbeiterschichten durch genossenschaftliche war Anhänger einer völkischen Ideologie, der Selbsthilfe und die Anlage von Siedlungen am in Mietskasernen, Tabak und Alkohol „Volksgif- Stadtrand entgegenzuwirken. Bonnes Weltbild te“ erblickte.9) Er entfaltete eine umfangreiche war von Großstadtfeindschaft geprägt und der publizistische Praxis, allein bis 1934 erschie- Vorstellung, über „Dezentralisierung“ und den nen an die 400 Publikationen von ihm. Dar- Bau von Siedlungen außerhalb der innerstäd- unter waren auch Romane, Gedichte und tischen Elendsviertel eine „Volksgesundung“ Theaterstücke.10) Seit 1910 veröffentlichte herbeiführen und revolutionären Bestrebun- er die teilweise autobiographisch geprägte 3) Ebd., S. 18. Zeitgeschichte, Band 26), Hamburg/ (D.G.T.O.), in: Altonaer Nachrichten, 4) Zur Lebensreform und den verschie- München 2016, S. 25. 14.9.1933; Georg-Bonne-Haus, in: denen Reformbewegungen um die 6) Lebenslauf und Schriftenverzeichnis Altonaer Nachrichten, 16.11.1933; Jahrhundertwende vgl. Bernd Wede- von Sanitätsrat Dr. med. Georg Heinrich Die vereinigten Heime des Deutschen meyer-Kolwe: Aufbruch. Die Lebensre- Bonne, Generaloberarzt a.D. Kleinflott- Guttemplerordens im Georg-Bon- form in Deutschland, Darmstadt 2017; bek bei Hamburg-Altona, Februar 1934, ne-Haus e.V., in: Altonaer Nachrichten, Diethart Kerbs/Jürgen Reulecke (Hg.): in: StAHH, 424-88/12, 1; Eversmeier, 15.2.1934. Das Haus wurde 1936 von Handbuch der deutschen Reformbewe- „Für die Reinhaltung unserer herrlichen der Stadt Altona in Besitz genommen, gungen 1880-1933, Wuppertal 1998. Zur deutschen Ströme“, S. 33-37; Kurt Gro- um es für den Wohnungsbau zu nutzen. Einordnung Bonnes in die Lebensreform becker: 100 Jahre BVE. Die 100-jährige Vgl. Umbau des „Georg-Bonne-Hauses“, vgl. Eversmeier, „Für die Reinhaltung Chronik, hg. vom Bauverein der Elbge- in: Hamburger Nachrichten, 7.6.1936, unserer herrlichen deutschen Ströme“, meinden eG, Hamburg 1999, S. 42-45. Morgen-Ausgabe. S. 46-48. 7) Lebenslauf und Schriftenverzeich- 8) Eversmeier, „Für die Reinhaltung 5) Lebenslauf und Schriftenverzeichnis nis von Sanitätsrat Dr. med. Georg unserer herrlichen deutschen Ströme“, von Sanitätsrat Dr. med. Georg Heinrich Heinrich Bonne, Generaloberarzt a.D. S. 5f., S. 9, S. 135f. Bonne, Generaloberarzt a.D. Kleinflott- Kleinflottbek bei Hamburg-Altona, 9) Zur völkischen Bewegung vgl. Uwe bek bei Hamburg-Altona, Februar 1934, Februar 1934, in: StAHH, 424-88/12, Puschner, Walter Schmitz, Justus H. Ul- in: StAHH, 424-88/12, 1. Vgl. Eversmei- 1. Vgl. Die I.D.G.T.-Loge „Frühlings- bricht (Hg.): Handbuch zur „Völkischen er, „Für die Reinhaltung unserer herrli- bote“ Nr. 88, in: Altonaer Nachrichten, Bewegung“ 1871–1918, München u. chen deutschen Ströme“; David Templin: 27.2.1933; Werner-Altenburg-Abend, a. 1996. Wasser für die Volksgemeinschaft- in: Altonaer Nachrichten, 5.5.1933; 10) Lebenslauf und Schriftenverzeichnis Wasserwerke und Stadtentwässerung Der Gau VII (Altona-Südwestholstein) von Sanitätsrat Dr. med. Georg Heinrich in Hamburg im „Dritten Reich“ (Forum des Deutschen Guttemplerordens Bonne, Generaloberarzt a.D. Kleinflott-
BiograPhien von A bis Z Trilogie der Bände „Im Kampf um die Ideale“ häuserbund.15) Obwohl er keiner politischen (1910), „Im Kampf um den Weltfrieden“ (1930) Partei angehörte, zählte er spätestens seit und „Im Kampf gegen das Chaos“ (1931). Im 1931 zu den Anhängern und Bewunderern ersten Band beschwor er u.a. die Überle- Adolf Hitlers und seiner nationalsozialistischen genheit des Germanentums als „Herrenge- Bewegung, was er in Briefen an Hitler zum schlecht“ und zeichnete Figuren entlang eines Ausdruck brachte.16) In einem Brief von 1936 Rassen- schemas, wobei dem blonden „Typ behauptete er sogar, Hitler bereits in dessen des Ariers“ die kranken, dicken, jüdischen, Gefängniszeit (1923/24) Publikationen zuge- degenerierten Menschen gegenübergestellt schickt zu haben.17) Dabei erteilte er diesem wurden.11) Das Buch erlebte in mindestens auch Ratschläge und kritisierte z.B. den Al- 40 Auflagen eine enorme Verbreitung.12) koholkonsum von Nationalsozialisten. 1932 In seiner Schrift „Volksgesundung durch schickte er Hitler das von ihm verfasste anti- Siedlung!“ (1928) präsentierte er seine woh- semitische Schauspiel „Judas Ischariot“ zu, nungsreformerischen Vorstellungen, die er das er selbst als „streng nationalsozialistisch“ als sozial- und rassenhygienisches Rezept charakterisierte, mit der Bitte, es Hitler widmen gegen den drohenden „Rassetod“ des deut- zu dürfen.18) schen Volkes anpries.13) Antisemitismus zählte dabei spätestens seit den 1880er Nach der Ernennung Hitlers zum Reichs- Jahren zum konstitutiven Bestandteil von kanzler schickte Bonne ihm ein persönliches Bonnes Weltbild. 14) Glückwunschschreiben, in dem er ihn als „Retter Deutschlands“ ansprach und bekräf- Bonne war seit 1910 Mitglied der Freimaurer- tigte, „der eiserne Besen“ sei notwendig, loge „Phönix zur Wahrheit“, 1901 und 1914 „um das Ungeziefer auszutilgen“.19) In einem taucht sein Name in den Mitgliederlisten des Briefwechsel von 1933 bezeichnete er sein Alldeutschen Verbandes auf, und nach dem eigenes Lebenswerk als „Wegbereitung“ und Ersten Weltkrieg war er Mitglied im deutsch- „vorbereitende Kleinarbeit“ für den National- national orientierten „Stahlhelm“ und im Kyff- sozialismus und diesen als „Erfüllung meiner bek bei Hamburg-Altona, Februar 1934, Siedlung! Eine christliche und soziale 53-5; Rainer Hering: Konstruierte Nation. in: StAHH, 424-88/12, 1. Notwendigkeit, München 1928, Zitat: Der Alldeutsche Verband 1890 bis 1939 11) Eversmeier, „Für die Reinhaltung S. 16. (Hamburger Beiträge zur Sozial- und unserer herrlichen deutschen Ströme“, 14) Eversmeier, „Für die Reinhaltung Zeitgeschichte, Band 40), Hamburg S. 43-45, Zitate S. 44. Vgl. Georg Bonne: unserer herrlichen deutschen Ströme“, 2003, S. 300. Im Kampf um die Ideale. Die Geschich- S. 24f. 16) Vgl. die zwischen 1930 und 1933 te eines Suchenden, München 1910; 15) Die Reichsschrifttumskammer, verfassten Briefe Bonnes an Hitler: ders.: Im Kampf um den Weltfrieden. Die Fragebogen für schriftstellerisch Tätige, StAHH, 424-88/12, 53-12. Geschichte eines Mannes, eines Volkes, ausgefüllt von Georg Bonne, 1.9.1937, 17) anitätsrat Dr. Bonne an Ernst Rein- einer Menschheit, München 1930; ders.: in: Bundesarchiv (BArch), R 9361-V, hardt Verlag, 26.9.1936, S. 5, in: BArch, Im Kampf gegen den Chaos. Nicht Unter- 4263; R 9361-V, 4263. gang, sondern Aufstieg, München 1931. Sanitätsrat Dr. Bonne (Generalober- 18) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herrn Hitler, 12) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herr arzt a.D., Altona-Klein Flottbek) an 13.6.1932, in: StAHH, 424-88/12, 53-12. Mühlberg, 19.12.1941, in: StAHH, 424- Gau-Geschäftsführer der N.S.D.A.P. 19) [Georg Bonne] an Adolf Hitler, 88/12, 34. Gauleitung Schleswig-Holstein, Altona/ Reichskanzler des Deutschen Reiches, 13) Georg Bonne: Volksgesundung durch Elbe, 23.6.1934, in: StAHH, 424-88/12, 28.2.1933, in: StAHH, 424-88/12, 53-12.
BiograPhien von A bis Z Jünglingsträume“.20) Seine Identifizierung mit 1940er Jahren transportierte Bonne national- Hitler gipfelte in der Behauptung, dass er sich sozialistische, rassistische und antisemitische mit diesem „in meinem ganzen Denken und Ideologieelemente. Mit der 1935 erfolgten Fühlen vollständig eins“ wisse, insbesondere Neuausgabe seiner Schrift „Wie können wir nach der Lektüre von „Mein Kampf“.21) Mit dem Deutschlands Ernährung vom Auslande unab- „Dritten Reich“ verband Bonne die Hoffnung hängig machen?“ (1921) wollte er einen Beitrag auf die Umsetzung seiner wohnungs- und zu den Autarkiebestrebungen des NS-Staates lebensreformerischen, aber auch antisemiti- liefern – gegen den „jüdisch geleiteten Marxis- schen Ideen. mus“.26) In „Das Geschlecht der Lappe“ (1939) rief er zur Unterstützung des Nationalsozialis- Zum 1. Mai 1933 trat Bonne laut NSDAP-Mit- mus auf, in dem er die „Verschmelzung des gliederkartei der Ortsgruppe Altona der NS- völkischen Gedankens“ mit einem Christentum DAP bei.22) Ende 1933 wurde er Mitglied im der Tat erblickte. Die NS-Rassentheorie auf- Reichsverband Deutscher Schriftsteller und in greifend, erblickte er in Jesus und Goethe Ver- der Reichsschrifttumskammer.23) Der Beleg für treter des „arische[n] Geist[es]“ und Blutes.27) Bonnes Parteimitgliedschaft steht im Wider- Bonne war stolz darauf, mit seinen Büchern zur spruch zu seinen Angaben aus den folgenden Festigung nationalsozialistischer Auffassungen Jahren, in denen er – etwa auf einem Frage- im Volk beizutragen, was er in einem Schrei- bogen der Reichsschrifttumskammer von 1937 ben mit dem Beispiel eines einfachen Arbeiters – eine Mitgliedschaft verneint.24) Möglicher- illustrierte, der ihm gegenüber angeblich erklärt weise hatte seine Logenzugehörigkeit doch habe: „die ihre Bücher gelesen haben, sind einer Mitgliedschaft im Weg gestanden, wie jetzt alle begeisterte Verehrer von Hitler, der ja er in einem Schreiben von 1938 andeutet (so dasselbe will, wie Sie“. Er habe so „viele Hun- habe es ihn „tiefgeschmerzt [...], daß ich nicht derte“ seiner Patienten „für Hitler und unseren [...] mit im Rahmen der Partei für Deutschlands Nationalsozialismus gewonnen“.28) Wiederaufstieg kämpfen darf“) 25) – allerdings hätte auch ein etwaiger Ausschluss auf Bon- Mit 76 Jahren nahm Georg Bonne 1935 sei- nes Karteikarte verzeichnet sein müssen. In ne Praxis als Arzt in Klein Flottbek wieder seinen Publikationen aus den 1930er und auf.29) Zu seinen Geburtstagen oder seinem 20) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herrn 25) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst 14.10.1935. Johst, 28.4.1933, in: StAHH, 424-88/12, Reinhardt Verlag, 27.2.1938, S. 4, in: 27) Georg Bonne: Das Geschlecht 34. BArch, R 9361-V, 4263. der Lappe. Die Geschichte einer alten 21) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst 26) Georg Bonne: Wie können wir deutschen Familie, Oldenburg/Hamburg Reinhardt Verlag, 26.9.1936, S. 6, in: Deutschlands Ernährung vom Auslande 1939, Zitate: S. 79, S. 77; zu Jesus und BArch, R 9361-V, 4263. unabhängig machen? Ein volksge- seiner „arische[n] Lehre“: ebd., S. 16. 22) BArch, R 9361-VII / IX sundheitlicher und volkswirtschaftlicher 28) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst KARTEI, Karteikarte „Bonne, Georg“. Leitfaden für jeden wahrhaft natio- Reinhardt Verlag, 26.9.1936, S. 7, in: 23) Die Reichsschrifttumskammer, nalsozialistisch gesonnenen Bürger BArch, R 9361-V, 4263. Fragebogen für schriftstellerisch Tätige, unseres dritten Reiches, Dresden 1935 29) Eversmeier, „Für die Reinhaltung ausgefüllt von Georg Bonne, 1.9.1937, (2. Auflage), Zitat S. 9. Vgl. die Rezen- unserer herrlichen deutschen Ströme“, in: BArch, R 9361-V, 4263. sion: Kann Deutschland sich selbst S. 19. 24) Ebd. ernähren?, in: Altonaer Nachrichten,
BiograPhien von A bis Z 50-jährigen „Doktorjubiläum“ erschienen eh- hatte: „Der Adolf Hitler mit seinen National- rende Artikel in der gleichgeschalteten Ham- sozialisten weiß offenbar selbst nicht, was burger Presse. „Die Synthese des Nationalen er will“.32) Bonne erblickte in dem Verbot zu- mit dem Sozialen, wie wir sie heute im Nati- nächst ein Missverständnis, wie er seinem onalsozialismus verkörpert sehen, ist seit 50 Verleger gegenüber erklärte: „Daß aber die Jahren Ziel und Richtung für Bonnes gesamte Nationalsozialisten mich jemals als ihren Lebensarbeit gewesen“, lobten ihn etwa die Gegner ansehen könnten, – auf den Gedan- Altonaer Nachrichten 1934.30) ken wäre ich selbst in Fieberträumen nicht gekommen [...].“33) Er legte Einspruch ein Nationalsozialistische Funktionäre teilten und bat schließlich darum, beanstandete diese Meinung nicht unbedingt. Das Reich- Passagen ersetzen zu dürfen – beide Bemü- spropagandaministerium verfügte 1937, das hungen waren vergeblich.34) Buch „Im Kampf gegen das Chaos“ einzuzie- hen und zu beschlagnahmen, nachdem Be- Bereits 1935 war es zu einem Konflikt schwerden aus der Reichsschrifttumskammer mit NS-Funktionären gekommen, nachdem laut geworden waren, dass Bonne sich dort Bonne in der Zeitschrift Ethik Artikel veröf- „in schamloser Weise“ über Hitler und den fentlicht hatte, in denen er die NS-Pläne zur Nationalsozialismus geäußert habe. Anfang Sterilisierung „Minderwertiger“ als nicht aus- 1938 wurde es in die Liste des „schädlichen reichend kritisierte.35) Bonne teilte zwar die und unerwünschten Schrifttums“ aufgenommen völkische Perspektive des Regimes und ging und jede weitere Verbreitung verboten.31) von der Existenz „Millionen von […] Minder- Ausschlaggebend waren Passagen, in denen wertige[r]“ aus, sah die Ursache jedoch v.a. im Bonne Ludendorffs „Haß gegen die Juden“ Alkohol- und Nikotinkonsum, deren Bekämp- als „unfruchtbar“ kritisiert, und solche, in fung er aus rassenpolitischer Sicht für zentral denen er Hitler Ratschläge erteilt bzw. erklärt hielt.36) Das Rassenpolitische Amt der NSD- 30) L. Schumacher: Ein Arzt seines Vol- schrifttumskammer, 15.11.1937, in: ebd.; Reichsschrifttumskammer, 3.6.1939, in: kes, in: Altonaer Nachrichten, 13.3.1934. [Reichsschrifttumskammer] an Verlag ebd.; [Reichsschrifttumskammer] an Sa- Vgl. Georg Bonne zum 75. Geburtstag, Ernst Reinhardt, 18.2.1938, in: ebd. nitätsrat Dr. Bonne, 15.6.1939, in: ebd.; in: Altonaer Nachrichten, 11.8.1934; 32) [Reichsschrifttumskammer] an Verlag Sanitätsrat Dr. Bonne an Präsident der Sanitätsrat Dr. Heinr. Georg Bonne Ernst Reinhardt, 25.4.1938, in: BArch, R Reichsschrifttumskammer, 20.6.1939, 75 Jahre alt, in: Hamburger Anzeiger, 9361-V, 4263. in: ebd. 11./12.8.1934; Sanitätsrat Dr. Bonne 33) Sanitätsrat Dr. Bonne an Ernst 35) Vgl. Andreas Frewer: Medizin 80 Jahre alt, in: Hamburger Neueste Reinhardt Verlag, 27.2.1938, in: BArch, R und Moral in Weimarer Republik und Zeitung, 12.8.1939; Dr. Bonne achtzig 9361-V, 4263. Nationalsozialismus. Die Zeitschrift Jahre alt, in: Hamburger Anzeiger, 34) Ernst Reinhardt Verlag München an „Ethik“ unter Emil Abderhalden, Frankfurt 12./13.8.1939; Dr. Bonne 83 Jahre alt, Präsident der Reichsschrifttumskammer a.M./New York 2000, S. 102-108, S. in: Hamburger Anzeiger, 12.8.1942; Arzt, 11.3.1938, in: BArch, R 9361-V, 4263; 131f.; Thorsten Sueße/Heinrich Meyer: Siedlungspolitiker, Dichter. Zum 85. Ge- Sanitätsrat Dr. Bonne an Reichsminister Abtransport der „Lebensunwerten“. Die burtstag Georg Bonnes am 12. August, für Volksaufklärung und Propaganda, Konfrontation niedersächsischer Anstal- in: Hamburger Anzeiger, 11.8.1944. 23.4.1938, in: ebd.; [Reichsschrifttums- ten mit der NS-„Euthanasie“, Hannover 31) Reichsschrifttumskammer, Gruppe kammer] an Verlag Ernst Reinhardt, 1988, S. 32f. Buchhandel, an Reichsschrifttumskam- 25.4.1938, in: ebd.; Sanitätsrat Dr. Bonne 36) Georg Bonne: Über Eugenik und mer, 16.8.1937, in: BArch, R 9361-V, an Präsident der Reichsschrifttums- Euthanasie im Licht der nationalsozialis- 4263 (erstes Zitat); Hederich (Der kammer, 9.5.1938, in: ebd.; Dr. Koch tischen Ethik, in: Ethik, 11. Jg., 3. Heft, Reichsminister für Volksaufklärung und (Der Reichsminister für Volksaufklärung Januar/Februar 1935, S. 127-132, Zitat Propaganda) an Präsident der Reichs- und Propaganda) an Präsident der S. 131. Vgl. bereits ders.: Eugenik, Papst
BiograPhien von A bis Z AP kritisierte den Text als streckenweise „anti- Tabakindustrie das deutsche Volk verdum- nationalsozialistisch“, Bonne musste sich vor men. Im letzten Akt des Schauspiels erkennt der Gestapo verantworten.37) In diesem wie Judas seine Schuld, zieht gen Palästina und in anderen Fällen (etwa einem Schreiben erhängt sich selbst. Bonne wollte mit dem an SA-Stabschef Ernst Röhm) sah sich Schauspiel „jüdische[n] Verrat und jüdische Bonne selbst im Einklang mit den Gedanken Anmaßung“ aufzeigen und über die „Gefah- Adolf Hitlers, aber im Konflikt mit den „vielen ren“ aufklären, die der Welt „durch die jüdische kleinen Hitler[n]ʻ“.38) Pest drohen“.40) Die Deutschen müssten sich unter der „genialen Führung“ Adolf Hitlers Auch eine Veröffentlichung des bereits 1932 „mit allen unseren Kräften“ gegen die Juden vollendeten Schauspiels „Judas Ischariot“ ge- als „Fremdkörper in dem Fleisch unserer lang Bonne nicht bzw. erst 1942 unter dem Nation“ wehren.41) Bonne sah sein Werk als Titel „Der Ewige Jude“.39) Es verfolgte eine Teil eines „heiligen Kampf[es]“ an und als Geschichte der Juden bzw. des jüdischen öffentliche „Rechtfertigung unserer Haltung Geistes vom Mord an Jesus bis zur russischen gegen die Juden“ – also als schriftstellerische Revolution und enthielt eine Vielzahl antisemi- Legitimationsarbeit für die NS-Judenpolitik.42) tischer Stereotype: die Schuld der Juden am Tod Jesu; die Existenz einer jüdischen Welt- Er versuchte zwischen 1932 und 1934 einen verschwörung mit dem Ziel der Weltherrschaft; Verlag zu finden und wandte sich u.a. persön- die Vorstellung von Juden als Parasiten mit lich an Joseph Goebbels und Alfred Rosen- den Deutschen als „Wirtsvolk“; der Händler-, berg, jedoch ohne Erfolg.43) Erst 1942, als Wucherer- und Schachergeist sowie die die NS-Judenpolitik bereits in die organisierte Raffgier von Juden; die Verschlagenheit von Massenvernichtung, den Holocaust, überge- Juden, die sich mit falschen Namen tarnten; gangen war, gelang ihm die Herausgabe des die Kontrolle der Presse durch Juden; die Len- Schauspiels im Dresdener Strom-Verlag. Die kung sowohl der Finanzwirtschaft als auch des Auslieferung des Buches wurde jedoch im Bolschewismus durch Juden; sowie die „Ver- Februar 1943 durch das NS-Propagandami- nichtung Deutschlands“ als Ziel der jüdischen nisterium mit der Begründung verboten, es „Rasse“. Hinzu kam, dass Bonne die Auffassung sei „völlig veraltet“.44) Ein Jahr zuvor waren vertrat, Juden würden über die Alkohol- und bereits die Restbestände von Bonnes 1927 und Ethik, in: Ethik, 9. Jg., Heft 3, 38) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herr Vollmer, 4.4.1933, in: StAHH, 424-88/12, Januar/Februar 1933, S. 155-162. Mühlberg, 8.1.1942, in: StAHH, 424- 34; Sanitätsrat Dr. Bonne an Albert Zim- 37) Wilhelm Schneider: Etwas über die 88/12, 34. Vgl. Sanitätsrat Dr. Bonne an mermann, 22.11.1933, in: ebd. lebensgesetzlichen Grundlagen des na- Stabschef Röhm, 7.10.1933, in: StAHH, 43) Vgl. die Korrespondenz in: StAHH, tionalsozialistischen Staates. Eine Klar- 424-88/12, 53-18. 424-88/12, 34. stellung, in: Ethik, 11. Jg., 5. Heft, Mai/ 39) Georg Bonne: Der Ewige Jude. Eine 44) Reichsministerium für Volksaufklä- Juni 1935, S. 207-213, Zitat S. 209. Vgl. Menschheitstragödie, Dresden 1942. rung und Propaganda an Strom-Verlag NSDAP Gauleitung Halle (Saale), Der 40) Ebd., S. 8. GmbH, 22.3.1943 (Abschrift), in: StAHH, Beauftragte des Rassepolitischen Amtes 41) Ebd., S. 80, S. 78; Sanitätsrat Dr. 424-88/12, 55-23. Vgl. weitere Dokumen- der NSDAP im Gau Halle-Merseburg, an Bonne an Rudolf Wiesener, 19.4.1934, te in der Akte, sowie StAHH, 424-88/12, Sanitätsrat Dr. Georg Bonne, 3.6.1935 in: StAHH, 424-88/12, 34. 55-30; [Sanitätsrat Dr. Bonne] an (Abschrift), in: StAHH, 424-88/12, 53-20. 42) Sanitätsrat Dr. Bonne an Herrn Reichsminister Dr. Goebbels, 4.9.1944,
BiograPhien von A bis Z erschienenem Buch „Verbrechen als Krank- ziehen sollte. Während u.a. Vertreter der heit“ von der Gestapo beschlagnahmt wor- SPD auf die NS-Belastung des Namens- den. Nachdem der Chef der Sicherheitspolizei gebers hinwiesen, wurde Bonne im Niensted- und des SD einen Verbotsantrag gestellt tener Heimatbote als „Idealist“ gelobt, der im hatte, ordnete das Reichspropagandami- Stadtteil „beliebt und geachtet“ gewesen sei. nisterium im Februar 1943 die vollständige Seine antisemitischen Äußerungen wurden Beschlagnahme an.45) als „impulsiv“ und „emotional“ herunterge- spielt.49) Der Streit endete 1997 mit einem Kurz vor dem Ende des „Dritten Reiches“ „Kompromiss“. Der Senat beschloss, dass starb Georg Bonne am 1. Mai 1945.46) Zu ein Teil der Straße ihren Namen beibehalten, einer Entnazifizierung kam es daher nicht ein zweites Stück „Am internationalen See- mehr. Bereits vier Jahre nach seinem Tod gerichtshof“ heißen und ein dritter Abschnitt wurde eine Straße in Hamburg-Nienstedten in „Christian-F.-Hansen-Straße“ umbenannt nach ihm benannt.47) werden sollte.50) Im Zuge erneuter Debatten um die Umbenennung NS-belasteter Stra- Bis in die 1990er Jahre wurde Bonne vor ßennamen und nach der Veröffentlichung Ort als „Wohltäter“, als „Engel von Flottbek“ eines entsprechenden Gutachtens des Ver- und Vorkämpfer ökologischer Bestrebungen fassers, das im Auftrag des Staatsarchiv verehrt und publizistisch gewürdigt.48) Erst Hamburgs erstellt worden war, beschloss die 1995 entspann sich eine Debatte um die Bezirksversammlung Altona im Februar 2020 Umbenennung der Georg-Bonne-Straße, die Umbenennung der Georg-Bonne-Straße nachdem bekannt geworden war, dass der und des Bonneparks.51) Internationale Seegerichtshof in die Straße Text: David Templin in: StAHH, 424-88/12, 53-6. in: 700 Jahre Nienstedten – Die Zeit- 15; Drei Namen für eine Straße?, in: 45) SS-Sturmbannführer v. Kielpinksi Schrift (Nienstedtener Perspektiven), Hamburger Abendblatt, 4.9.1996, S. 14; (Der Chef der Sicherheitspolizei und Hamburg 1997, S. 38-41, hier S. 38; Reemtsma soll Streit um Straßennamen des SD) an Präsident der Reichsschrift- Eversmeier, „Für die Reinhaltung unserer schlichten, in: Hamburger Abend- tumskammer, 23.5.1942, in: BArch, R herrlichen deutschen Ströme“, S. 9. blatt, 7./8.9.1996, S. 14; Straße wird 9361-V, 4263; Reichsministerium für 49) Herbert Cords: Dr. Georg Bonne im umbenannt, in: Hamburger Abendblatt, Volksaufklärung und Propaganda an Prä- Zwielicht, in: Heimatbote, Juni 1995, 22.1.1997, S. 13; Schilda liegt an sidenten der Reichsschrifttumskammer, in: StAHH, 731-8, A 752 Bonne, Georg. der Elbe, in: Hamburger Abendblatt, 23.2.1943, in: ebd. Vgl. Bruhns, Georg Bonne, die zwar 23.8.1997, S. 11; Leserbrief: Austau- 46) Eversmeier, „Für die Reinhaltung differenzierter argumentiert und auch auf schen, in: Hamburger Abendblatt, unserer herrlichen deutschen Ströme“, Bonnes Antisemitismus hinweist, aber 2.9.1997, S. 13. S. 19. verharmlosend von einer „verhängnis- 51) Matthias Schmoock: Warum der 47) Herbert Cords: Dr. Georg Bonne im vollen Verkennung der wahren Natur Name Georg Bonne aus dem Straßenbild Zwielicht, in: Heimatbote, Juni 1995, in: des Nationalsozialismus“ durch Bonne verschwindet, in: Hamburger Abendblatt, StAHH, 731-8, A 752 Bonne, Georg. spricht. 21.2.2020. Vgl. das in Anm. 1 erwähnte 48) Ebd., der von „Wohltäter“ spricht, 50) Vgl. Georg Bonne im Zwielicht, in: Gutachten. ebenso wie Maike Bruhns: Georg Bonne, Hamburger Abendblatt, 27.4.1995, S. 14.4.2020).
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